Mittwoch, 7. Oktober 2015

Senate of Economy Europe gegründet

In der Antike stellte der Senat einen ausgewogenen Kreis von Freunden unabhängigen Geistes dar, denen das Allgemeinwohl wichtiger war als ihre eigenen Interessen.

Das ist auch der Leitgedanke des Senats der Wirtschaft, in dem sich Vordenker aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft wiederfinden. Die Senatoren werden nach einem sorgfältigen Auswahlverfahren anhand von Faktoren wie Fachkompetenz, Erfahrung und Persönlichkeit in den Kreis von maximal 631 Senatoren berufen. Denn deren Anzahl ist auf die Anzahl der Mitglieder des Deutschen Bundestages begrenzt.

Senate of Economy Europe Senat der Wirtschaft
Die Vielfalt der Persönlichkeiten und deren beruflicher Hintergründe konnten wir bereits in der Kaffeepause des heutigen AußenwirtschaftsConvents im Haus der Bundespressekonferenz erleben. Der südafrikanische Unternehmer stand neben dem griechischen Professor. Am Nachbartisch schwäbelte der ehemalige Wirtschaftsminister Baden-Württembergs und ein iranischer Handelsexperte drängte sich zum Kaffeebuffet durch.

Für den Höhepunkt des Tages wurde der AußenwirtschaftsConvent jedoch in den großen Saal der Bundespressekonferenz verlagert. Hier sollte die Unterzeichnung der Gründungsurkunde für den Senate of Economy Europe stattfinden.

Auf dem Podium, welches mit seinem blauen Hintergrund durch Pressekonferenzen mit Bundesministern und der Kanzlerin aus der Presse bekannt ist, nahmen heute die Gründungsvorstände des Senate of Economy Europe Platz.

Plopp! Der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen wollte doch nur das Mikrofon zurecht rücken. Nun hatte er es plötzlich in der Hand. Ein sichtbarer Vorgeschmack für die Dynamik, die vom neu gegründeten Senat ausgehen soll. Wenn man sich in Brüssel fragt, warum denn schon wieder ein neuer Lobby-Verein gegründet werde, stellt Verheugen die ungewohnte Frage: "Was können wir für euch tun"? Hier schließt sich der Kreis zum altruistischen Grundgedanken des Senats-Begriffes.

Senate of Economy Europe Senat der Wirtschaft
Senate of Economy Europe - Unterzeichnung der Gründungsurkunde durch Günter Verheugen und Benita Ferrero-Waldner
Nach der Unterzeichnung wurden sehr offene Worte über Europa, die Arbeit in Brüssel und absehbare Zukunftsszenarien gesprochen. Günter Verheugen sagte, dass man heute nicht sein eigener Enkel sein wolle. Er wandte sich zudem gegen die europäische Zwangsharmonisierung durch Überreglementierung. Dadurch werde sehr viel gewachsene Diversität zerstört. Die Regelungsfreude der EU sei eine Art Selbstverwirklichung gewesen, die aber leider der Praxis nicht stand hält. Er sprach von meterhohen Bergen europäischer Akten, die täglich über die Abgeordneten hereinbrechen und die letztlich keiner lese. Auf diesem Wege konnten so manch skurrile Regelungen durch das EU-Parlament lanciert werden.

Günter Verheugen sprach sich für TTIP als größtes und wichtigstes Handelsabkommen aus, welches verhindere, dass Europa den Anschluss in der Welt verliert. Es müsse jedoch klare Rahmenbedingungen geben, so dass es keinen wirtschaftlichen Wildwuchs gebe. Zudem warnte er vor einem Brexit, der ein destruktives Signal innerhalb der EU auslösen würde und auch weltpolitisch Folgen haben werde.

Ohnehin befinde sich der Motorrad fahrende Campingplatznutzer, eine Metapher für den Normalbürger, in einer Art Traumzustand bezüglich Gegenwart und Zukunft während kontinuierlich in dessen Umgebung Tatsachen geschaffen würden. Wer denkt da nicht an den Niedergang antiker Reiche?

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Senate of Economy Europe - Prof. Günter Verheugen und Dr. Benita Ferrero-Waldner
Die ehemalige EU-Kommissarin und Außenministerin Benita Ferrero-Waldner stellte ernüchtert fest: "Es fehlt zum Teil die Leadership in den einzelnen Mitgliedsstaaten". Die internationl sehr aktive Österreicherin erzählte auch die mit Günter Verheugen durchgefochtene Episode mit dem Chlorhuhn.

In den Tenor österreichischer Direktheit stimmte dann auch Dr. Erhard Busek, Präsident des Senates der Wirtschaft Österreich, ein. Der Senate of Economy Europe solle kein Verein werden, wo Sitzungen über Sitzungen absolviert werden und keine Zeit mehr für die eigentliche Arbeit bleibe. "Down to Earth" müsse agiert werden. Aus dem "Think Tank" müsse ein "Do Tank" werden.

All die aktuellen Herausforderungen seien nicht überraschend gekommen, sondern schon lange vorausgesagt worden. Davor könne sich niemand verschließen. Prof. Dr. Dr. Franz Josef Radermacher, Präsident des Senates der Wirtschaft Deutschland, bestätigte das und gab zu bedenken, dass man im Rahmen der europäischen Realitätsverweigerung gar nicht auf den Ernstfall vorbereitet sei.

Erhard Busek bemerkte zudem: "Geld ist genug da, aber keiner der weiß, was man damit machen kann". Er forderte "Banker for Projects", die Geld nicht nur als Selbstzweck ansehen, sondern als Werkzeug zur Bedienung sinnvoller Projekte. Solch eine Qualifikation gebe es selten bis gar nicht.

Lobend wurde weitere weltweit tätige Vordenker-Organisationen wie Green Cross und der Club of Rome genannt. In seinem Schlusswort iterierte Prof. Radermacher den aktuellen Wirtschaftstrend "Green and Inclusive Markets" und sprach sich damit gegen den bisherigen wenig Ressourcen schonenden "Free Market" aus.

Der Tag war gut gefüllt und endete am Abend mit einem Empfang im Atrium der Bundespressekonferenz.

Autor: Matthias Baumann