Vier Stunden mit Maske in der Bundespressekonferenz zu sitzen, ist schon herausfordernd. Das ist aber gar nichts gegenüber dem, was die Vertreter der Bundestagsfraktionen geleistet haben: Mehr als 17 Stunden lang hatten sie von gestern 11:08 Uhr bis heute 4:37 Uhr um die finale Fassung des Haushaltsgesetzes 2021 gerungen. Nach einer kurzen Verschnaufpause saßen sie der Presse gegenüber. Dafür sahen die Damen und Herren aber noch erstaunlich frisch aus.
Corona ist wohl der größte Einflussfaktor für das Haushaltsgesetz 2021. Selbst die Opposition kommt zu dem Ergebnis, dass eine Aufstockung des Haushalts dafür richtig sei. Sie bemängelt lediglich die Art der Finanzierung und wirft Olaf Scholz vor, einen "Wahlkampfhaushalt" zusammengebaut zu haben. Und dann kommen auch schon die Differenzen innerhalb der Nichtregierungsparteien: Die Linke will die Schuldenbremse abschaffen und die FDP möchte diese strikter anwenden. Die Linke spricht sich für einen Lastenausgleich in Form von Sonderabgaben für Vermögende aus, während die FDP genau diese Personengruppe entlasten möchte, um ein gutes Investitionsklima zu schaffen. Die Grünen fordern ökologische Auflagen für bezuschusste Großunternehmen und die AfD möchte die Asylrücklagen zugunsten der Refinanzierung auflösen. AfD (459) und FDP (527) hatten mehr als die Hälfte der über 1.800 Änderungsanträge in die Bereinigungssitzung eingebracht.
Haushaltsgesetz 2021 und die Frage nach dem einen Haushalt für drei Ressorts (Verteidigung, Diplomatie und Entwicklung) im Umfang von 3% des BIP |
Nach der Opposition durften sich auch die Regierungsparteien zum Haushaltsgesetz 2021 äußern. Die CDU/CSU beklagte sich darüber, dass sich die Länder auf Kosten des Bundes ausruhten, obwohl diese nach aktuellen Erkenntnissen ähnliche Einnahmen wie 2019 hätten. Anders sehe das beim Bund aus. Die Union plädiert wie die AfD für die Auflösung von "Ausgaberesten". Es habe sich eine Mentalität des Ansparens etabliert, die vorhandene Gelder blockiere. Die SPD erläuterte die 35 Mrd. Euro für Corona: 15 Mrd. Euro seien verplant und 20 Mrd. Euro stehen als Reserve bereit, sind aber zu diesem Zweck vorerst gesperrt. Es war auch die SPD, die auf den weiter gewachsenen Verteidigungshaushalt in Höhe von 46,93 Mrd. Euro einging. In Relation zum gesunkenen BIP ist der Haushalt den 1,5% sehr nahe und steuert damit weiter auf die 2%-Verpflichtung gegenüber der NATO zu.
Da heute die haushaltspolitischen Sprecher sämtlicher Fraktionen zugegen waren, bot sich die Frage an, was sie denn vom jüngsten haushaltspolitischen Vorschlag der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) halten. Deren Vorsitzender, Wolfgang Ischinger, hatte vor wenigen Tagen in einer Videokonferenz noch einmal Folgendes bekräftigt: Das Ressort Verteidigung (BMVg), Diplomatie (Auswärtiges Amt) und Entwicklung (BMZ) sollten einen gemeinsamen Haushalt bekommen. Dieser solle einen Umfang von 3% des BIP haben. Das entspricht etwa 100 Mrd. Euro. Ziel sei es, die außen- und sicherheitspolitischen Aktivitäten der Bundesregierung optimal aufeinander abzustimmen und ressortübergreifende Konzepte umzusetzen. Komplexe geopolitische Entwicklungen erfordern ein konzertiertes Handeln.
Die AfD hatte von diesem Vorschlag noch nichts gehört. Es sei undenkbar, dass man so starke Ministerien unter einen Hut bringen könne. Überhaupt seien 3% des BIP viel zu hoch. Man bedenke zudem den bürokratischen Aufwand bei der Zusammenlegung der Ressorts.
Grüne und Linke haben eine sehr ähnliche Meinung zu diesem Thema: Militärisches und Ziviles müssten getrennt sein. Die 2%-Verpflichtung gegenüber der NATO sei völlig falsch. Die Grünen können sich allerdings eine inländische Krisenprävention in Zusammenarbeit mit Innenministerium (BMI) und BMVg vorstellen. Auf ihrer Delegiertenkonferenz hatten sich die Grünen vor wenigen Tagen auf ihre Linie bei der Außen- und Verteidigungspolitik festgelegt: Abrüstung, Rüstungskontrolle, Verbot von ABC-Waffen, Ende der nuklearen Teilhabe und eine Einbeziehung von China in die Abrüstungsbemühungen. Das würde funktionieren, wenn alle mitmachen. Das sieht "da draußen" aber seit mindestens sechs Jahren ganz anders aus.
Die FDP freute sich über die Frage und warf ein, dass sie ja diese Idee gehabt habe. Es gehe um die 3D: Defense, Diplomacy und Developement - also Verteidigung, Diplomatie und Entwicklung. Die FDP findet eine Kombination dieser Ressorts und damit den Vorschlag der MSC sehr sinnvoll.
Die CDU/CSU zuckte bei den 3% zusammen. Eckehardt Rehberg rechnete auf die Schnelle die Eurobeträge aus. Derzeit stehen für die 3D 64 Mrd. Euro zur Verfügung. 3% des BIP wären mit Dämpfungsfaktor Corona gut 100 Mrd. Euro. Nein, das sei "keine gute Idee". Es sei "nicht realistisch" und die mit einer Ressortkombination einhergehende "Bürokratie zu hoch".
Die SPD setzte auf der Argumentation von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer auf und bemerkte, dass das BIP zu variabel sei, als dass man es mit Prozentwerten auf den Haushalt adaptieren könne. SPD-Sprecher Dennis Rohde plädierte für einen Haushalt, der in einem sinnvollen Umfang die notwendigen Mittel für den Aufbau und den Erhalt der Fähigkeiten bereitstelle. Eine Kombination der Ressorts konnte er sich auch nicht vorstellen.
So bleibt festzuhalten, dass die FDP die höchste Zustimmung zu dem einen Haushalt für drei Ressorts mitbringt und offensichtlich den höheren Sinn hinter dieser Idee erkannt hat. Linke, Grüne und AfD stehen dem skeptisch und ablehnend gegenüber, während die beiden Regierungsparteien SPD und CDU/CSU weiter ihre Agenda durchziehen und erst einmal so langsam das 2%-Ziel der NATO anpeilen.
Autor: Matthias Baumann