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Samstag, 29. September 2018

Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Erdogan und die vielen kleinen Statements

Wenn die Ehrenformation der Bundeswehr zur Begrüßung eines Staatsgastes mit den Klängen von "Preußens Gloria" einzieht, dann ist das ein Statement für die preußische Tradition des Wachbataillons. Die Tradition geht auf das 1. Garderegiment zu Fuß zurück. Das Regiment wurde 1806 nach einer herben Niederlage gegen Napoleon zusammengestellt. 1871 hatte sich das Blatt gewendet und Preußen konnte seinen Sieg über Frankreich feiern. Aus diesem Anlass wurde "Preußens Gloria" geschrieben. Deshalb darf "Preußens Gloria" bei französischen Staatsgästen erst wieder seit der Amtsübernahme durch Macron gespielt werden.

Staatsbesuch Erdogan Berlin
Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Erdogan in Berlin - militärische Ehren im Garten von Schloss Bellevue, im Hintergrund (mitte) der neue Kommandeur des Wachbataillons, Oberstleutnant Kai Beinke
Beim gestrigen Erdogan-Besuch wurde eine weitere preußische Tradition vorangetragen: der Schellenbaum. Der Schellenbaum ist ein Musikinstrument, das das protokollarische Zeremoniell mit einem bunten Klingeln begleitet. Bei "Gewehr auf" oder "Gewehr ab" wird auch der Schellenbaum bewegt, so dass er seinen typischen Klang entfalten kann. Der Querbügel des Schellenbaums symbolisiert einen liegenden Halbmond. Da Preußen wohl keine Tradition ohne Kampf einführen wollte, wurde der erste Schellenbaum 1813/1815 in den Kriegen gegen die Osmanen erbeutet. Die Osmanen sind die Großeltern der heutigen Türken. Über den silbernen Halbmond wurde noch ein achtstrahliger Ordensstern und eine Adler-Standarte angebracht.

Der Schellenbaum wurde zwar ins jeweilige Musikkorps eingegliedert, galt aber in Preußen als Siegestrophäe. Ein mutiges protokollarisches Statement gegenüber dem türkischen Gast.

Staatsbesuch Erdogan Berlin
Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Erdogan in Berlin - konträre Ansichten - Achtung: kein Photoshop!
Ein weiteres Statement erzeugte der Wind im Garten von Schloss Bellevue. "Photoshop, heißt es dann wieder", meinte ein nebenstehender Fotograf, als die Europaflagge und die Flagge der Türkei in unterschiedliche Richtungen wehten. Die Entwicklung in der Türkei entspricht so gar nicht unseren Vorstellungen einer freiheitlich demokratischen Grundordnung (fdGO).

Andere Statements ergaben sich aus den Serienfotos und Videos: Klare körpersprachliche Distanz bis Ablehnung auf deutscher Seite, Unbeholfenheit und Unsicherheit auf türkischer Seite. Man spürte das Knistern zwischen Gast und Gastgebern. Auch die in Deutschland sehr ausgeprägte diplomatische Professionalität konnte nicht mehr über die Spannungen hinwegtäuschen.

Wenigstens funktionierte das "semper talis" (immer gleich) des militärischen Protokolls noch. Professionell übrigens auch die Sicherheitsvorkehrungen: Journalisten durften nicht individuell anreisen, sondern wurden mit Bussen und Polizei-Eskorte an die jeweiligen Bildstationen gebracht. Es kamen diverse Sicherheitsdienste, Polizeieinheiten und sogar Präzisionsschützen zum Einsatz. Also, Letztere standen zumindest bereit. Während der Kranzniederlegung an der Neuen Wache wurde sogar der S-Bahnverkehr unterbrochen.

Staatsbesuch Erdogan Berlin
Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Erdogan in Berlin - Nummernschild des Erdogan-Maybachs
Auf den Busfahrten erlebte Erdogans Verhandlungsmasse - also die Journalisten - sehr ambivalente Statements aus der reichlich anwesenden Bevölkerung: Eine deutsche Frau hielt mit entschlossener Miene gleich beide Mittelfinger in Richtung unseres schwarz verglasten Busses. Zwei Männer mit Migrationshintergrund stürzten mit laufenden Smartphone-Kameras auf den Bus zu und riefen begeistert "Erdogan, Erdogan". Polarisierung pur. Trotz Blaulicht-Eskorte wollte ein Radfahrer noch unbedingt zwischen Polizeiauto und dem vor uns fahrenden Bus die Straße überqueren. Im letzten Moment konnte er dem sicheren Tod durch Überrollen entgehen. Sein Fuß klemmte schon zwischen Fahrrad und Busrad. Ein klares Statement der militanten Radfahrer-Szene für ein autofreies Deutschland.

Das abendliche Statement erlebten wir vor dem Schloss Bellevue. Während die Fackelträger des Wachbataillons die Vorfahrt zum Schloss flankierten und das Stabsmusikkorps die Fülle seines Könnens präsentierte, tat sich am Eingang fast gar nichts. Die sonst im Stau vor dem Schloss stehenden Limousinen blieben weg. Nur Olaf Scholz und Peter Altmaier hatten wohl nichts anderes an diesem Abend vor, so dass sie sich das Staatsbankett ansehen wollten. Das war auch sehr freundlich von ihnen, da Frank-Walter Steinmeier und Elke Büdenbender sonst fast alleine mit den Gästen aus der Türkei im Saal gesessen hätten. Eine Vielzahl der türkischen Gäste erschien eine halbe Stunde vor Beginn. Das war die einzige größere Ankunftsszene des Abends.

Staatsbesuch Erdogan Berlin
Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Erdogan in Berlin - kurz angebundene Begrüßung zum Staatsbankett
Präsident Erdogan und seine Gattin trafen um 19:30 Uhr mit einer Eskorte unzähliger Motorräder ein. Auf Erdogans Maybach waren zwei türkische Metallstandarten montiert. Der Wagen hatte kein normales Nummernschild, sondern jeweils goldene Metallplatten mit einem roten Kreis, der mit Sternen besetzt war. Das war fast so aufwendig, wie der silberne Georg auf dem Kühler des Wagens der Queen. Wobei Georg an dieser Stelle wieder ein sehr eigenes Statement abgibt. Hatte er doch mit Tötung des Drachens die Region - wo immer das tatsächlich gewesen sein mag - vom Aberglauben befreit und zum Christentum geführt.

Da ich drei der begehrten Bild-Pool-Genehmigungen hatte, war ich den ganzen Tag wegen des türkischen Präsidenten unterwegs. Deshalb war es sehr praktisch, dass ich mich vorab für ein Statement per Kleidung entschieden hatte: Jeans, Turnschuhe und Hoodie statt des sonst üblichen Anzugs.

Videos:
Militärische Ehren für den türkischen Präsidenten Erdogan im Garten von Schloss Bellevue
Kranzniederlegung in der Neuen Wache
Begrüßung der Gäste zum Staatsbankett im Schloss Bellevue

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 27. September 2018

Wachbataillon: Patrick Bernardy übergibt das Kommando an Kai Beinke

Aus informierten Kreisen war zu erfahren, dass Offiziere oft ein unbeschriebenes Blatt sind, bevor sie zum Wachbataillon kommen. Immerhin stehen die Kommandeure des Wachbataillons fortan regelmäßig im Rampenlicht. Sie laufen durchs Bild, wenn Präsidenten zu Besuch kommen. Ihre Silhouette und ihre Befehlsstimme tauchen bei Großen Zapfenstreichen auf. Bei weniger repräsentativen Anlässen stehen sie im Rahmen der Dienstaufsicht am Rande des Geschehens.

Übergabe Kommando Wachbataillon Patrick Bernardy an Kai Beinke
Übergabe des Kommandos des Wachbataillons von Patrick Bernardy an Kai Beinke - Übergabe des Möllendorff-Degens an Kai Beinke - v.l.n.r.: Oberstleutnant Kai Beinke, Oberstabsfeldwebel Christoph Patzak (Geschäftsführer des Semper talis Bundes) und Oberstleutnant Patrick Bernardy
Sie sind mediales Aushängeschild der Bundeswehr und des Gastgebers Bundesrepublik.

Das Wachbataillon gehört zur Streitkräftebasis, die ihren Hauptsitz in Bonn hat. Das Kommando Territoriale Aufgaben ist ein Unterzweig der Streitkräftebasis. Dann gibt es noch den Kommandeur Standortaufgaben. Aktuell ist das Brigadegeneral Andreas Henne. Und darunter gliedert sich das Wachbataillon mit seinen derzeit 8 Kompanien. Wegen der ständigen Umstrukturierungen innerhalb der Bundeswehr ist dieser administrative Zusammenhang nicht nur für Außenstehende schwer zu erfassen.

Übergabe Kommando Wachbataillon Patrick Bernardy an Kai Beinke
Übergabe des Kommandos des Wachbataillons von Patrick Bernardy an Kai Beinke - Das Wachbataillon hat neben protokollarischen Einsätzen auch Sicherungsaufgaben.
Seit Januar 2016 war Oberstleutnant Patrick Bernardy als Kommandeur des Wachbataillons eingesetzt. Der passionierte Truppen-Mensch wechselt ins BMVg und findet seine neue Verwendung im Führungsstab Streitkräfte - kurz FüSK.

Der Nachfolger von Patrick Bernardy heißt Kai Beinke, ist ebenfalls Oberstleutnant und ausgebildeter Fallschirmjäger. Kai Beinke war während seiner Laufbahn schon im gesamten Bundesgebiet eingesetzt. Von Hammelburg bis Hannover und Oldenburg bis Berlin. Bis Sommer 2016 war er als Military Assistant Deputy Chief of Staff Operations & Intelligence SHAPE (Supreme Headquarters Allied Powers Europe) im belgischen Mons eingesetzt. Danach kam er als Referent in die Abteilung Strategie und Einsatz II 1 im BMVg. Ein ausgleichender Wechsel also zwischen Bendlerblock und Julius-Leber-Kaserne mit Oberstleutnant Bernardy und Kai Beinke.

Übergabe Kommando Wachbataillon Patrick Bernardy an Kai Beinke
Übergabe des Kommandos des Wachbataillons von Patrick Bernardy an Kai Beinke - Obligatorischer Handschlag mit OTL Patrick Bernardy, BG Andreas Henne und OTL Kai Beinke (v.l.n.r.)
Kai Beinke ist nicht nur mutiger Fallschirmjäger sondern auch ein bekannter Triathlet. Es ist zu erwarten, dass sich diese Sportlichkeit auf die Truppe durchschleift. Überhaupt sei an dieser Stelle erwähnt, dass das Wachbataillon nicht nur für Protokollaufgaben bei Staatsbesuchen und ähnlichem zuständig ist, sondern auch für die Sicherung der Bundesregierung. Nur vier der acht Kompanien werden protokollarisch eingesetzt. Die anderen können das zwar auch, kümmern sich aber um ihre Einsatzbereitschaft als Jägerbataillon.

Übergabe Kommando Wachbataillon Patrick Bernardy an Kai Beinke
Übergabe des Kommandos des Wachbataillons von Patrick Bernardy an Kai Beinke - Brigadegeneral Andreas Henne (Bildmitte) und Oberstleutnant Patrick Bernardy (rechts) schreiten die Ehrenfformation und die Kompanien ab. Der ehemalige Kommandeur schaut den Soldaten direkt ins Gesicht.
Heute wurde nun im Rahmen eines Appells das Kommando übergeben. Die Meldungen erfolgten an den General Standortaufgaben, Andreas Henne. Mit dem Wechsel des Kommandos ging auch die Weitergabe eines Ringes einher. Der goldene Ring mit dem hellblauen Stein, auf dem eine rote Grenadiersmütze abgebildet ist, kennzeichnet den Vorsitzenden des Semper talis Bundes. Das ist generell der Kommandeur des Wachbataillons.

Kai Beinke kann sich bereits morgen bei den militärischen Ehren für Recep Tayyip Erdoğan bei der Presse bekanntmachen.

Video:
Appell zur Übergabe des Kommandos über das Wachbataillon von Oberstleutnant Patrick Bernardy an Oberstleutnant Kai Beinke


Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 26. September 2018

Sanitätsdienst: Michael Tempel übergibt an Ulrich Baumgärtner und wird mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet

Der Generaloberstabsarzt, auch kurz GenOStArzt oder noch kürzer GOSA, ist vergleichbar mit dem Generalleutnant (GenLt), dem General mit drei Sternen. Durch den Äskulapstab wäre für einen vierten Stern gar kein Platz mehr auf der Schulter.

Dr. Michael Tempel war seit Mitte 2015 Inspekteur des Sanitätsdienstes, kurz InspSan. Damit war er Teil der Führungsspitze der Bundeswehr und direkt dem Generalinspekteur unterstellt.

Übergabeappell Großer Zapfenstreich Michael Tempel Ullrich Baumgärtner Festung Ehrenbreitstein Koblenz
Übergabeappell und Abschreiten der Ehrenformation durch (v.l.n.r.) Generalinspekteur Eberhard Zorn, Staatsminister Roger Lewentz und Dr. Michael Tempel
Auf weitere Abkürzungen wie InspizZahnMedBw, InspizWehrpharmBw oder InspizVetBw soll hier nicht eingegangen werden. Diese Abteilungen unterstehen dem InspSan und beraten diesen auf sämtlichen medizinischen Gebieten von Zahn- bis Tiermedizin. Der Sitz des Sanitätsdienstes befindet sich nicht in Berlin, sondern im wenige Kilometer südlich von Bonn gelegenen Koblenz.

Dr. Michael Tempel ist jetzt 64 Jahre alt und blickt auf 45 Dienstjahre zurück. Begonnen hatte er als Fallschirmjäger. Kurz darauf absolvierte er sein Medizinstudium in Würzburg und war dann in verschiedenen medizinischen Bereichen der Bundeswehr tätig. Hinzu kamen Auslandseinsätze unter UNO- oder NATO-Mandat: UNPF und SFOR in Bosnien-Herzegowina sowie UNTAC in Kambodscha.

Übergabeappell Großer Zapfenstreich Michael Tempel Ullrich Baumgärtner Festung Ehrenbreitstein Koblenz
Großer Zapfenstreich für InspSan Dr. Michael Tempel auf Festung Ehrenbreitstein in Koblenz
Als er 1973 in die Bundeswehr eingetreten war, hatte er von Führungsposten geträumt. Dass Michael Tempel ein Alpha-Typ ist, merkt der Zuhörer sofort, wenn dieser zu seiner Truppe redet. Mit der Entscheidung für das Medizinstudium hatte er sich sämtliche zukünftige Kommandeursposten verbaut. So dachte er. In den folgenden Jahren konnte er diese Aufgaben trotzdem ausführen und stand gestern als 3-Sterne-General auf dem Podest. 

Generalinspekteur Eberhard Zorn hob mehrfach hervor, dass Dr. Tempel seine "drei alpha" kurz, prägnant formulieren und auf den Punkt bringen kann. Das hatte Eberhard Zorn so beeindruckt, dass er es beim Übergabeappell und noch einmal beim Empfang in die Rede einfließen lassen musste.

Drei alpha ist keine Mehrfach-Nennung des ersten Buchstabens im griechischen Alphabet, sondern bezieht sich auf Punkt 3a in den Grundsätzen der Befehlserteilung. Ein Einsatzbefehl wird unter Beachtung der Punkte 1a bis 5e gegeben. Er beginnt mit der Lagebeschreibung und endet mit dem Platz des Leiters der Operation. Punkt 3a (drei alpha) behandelt die eigene Absicht. Die eigene Absicht konnte Dr. Tempel also immer kurz und prägnant auf den Punkt bringen.

Auch Dr. Tempel hielt eine Abschiedsrede und bedankte sich namentlich bei vielen Mitarbeitern und Kameraden. Mit einem seiner Fahrer hatte er 800.000 Kilometer zurückgelegt. das entspricht einer 20-fachen Erdumrundung. Er bedankte sich auch explizit beim Protokoll des BMVg, bei seiner Familie und bei seinem Bruder, der ihm ein wichtiger Freund sei. Abschließend wandte er sich an seinen Nachfolger mit den Worten: "Gottes Segen und alles Gute, Ulli!"

Übergabeappell Großer Zapfenstreich Michael Tempel Ullrich Baumgärtner Festung Ehrenbreitstein Koblenz
Mäntel der Gäste des Großen Zapfenstreiches für InspSan Dr. Michael Tempel auf Festung Ehrenbreitstein in Koblenz
Dem Übergabeappell und dem Empfang folgte ein Große Zapfenstreich vor der beeindruckenden Kulisse der Festung Ehrenbreitstein. Das hatte sich Dr. Tempel immer gewünscht, seinen Großen Zapfenstreich auf Ehrenbreitstein in Koblenz zu erleben. Auch die Einwohner von Koblenz durften dabei sein.

Die Wunschlieder der Serenade zum Großen Zapfenstreich offenbaren viel über die Persönlichkeit und die Geschichte des Geehrten. Michael Tempel hatte sich folgende Stücke gewünscht:
  • Marche des soldats de Robert Bruce - unbekannt
  • Kaiserjägermarsch - Karl Mühlberger
  • Take me home - nach John Denver

Übergabeappell Großer Zapfenstreich Michael Tempel Ullrich Baumgärtner Festung Ehrenbreitstein Koblenz
Großer Zapfenstreich für InspSan Dr. Michael Tempel auf Festung Ehrenbreitstein in Koblenz
Schon 2011 hatte Michael Tempel auf einem Zettel vermerkt, dass er bei seiner Verabschiedung unbedingt "Robert Bruce" gespielt haben möchte. Der Kaiserjägermarsch entspricht seiner dienstlichen Vergangenheit bei den Fallschirmjägern und den Gebirgsjägern. "Take me home" wurde immer als ein Akt der Erleichterung gesungen, wenn seine UN-Einsätze in Kambodscha abgeschlossen waren.

Übergabeappell Großer Zapfenstreich Michael Tempel Ullrich Baumgärtner Festung Ehrenbreitstein Koblenz
Großer Zapfenstreich für InspSan Dr. Michael Tempel auf Festung Ehrenbreitstein in Koblenz - Die Mauern sind so gebaut, dass Einschläge von Kanonenkugeln lediglich ein Nachrutschen der Mauer bewirken und die Mauer dadurch nicht sofort zerstört wird. Ein beeindruckendes Bauwerk, das sich zu besuchen lohnt.
Tempels Nachfolger, Ulrich Baumgärtner, ist sechs Jahre jünger als sein Vorgänger. Sein Werdegang war spiegelverkehrt zu Michael Tempel. Ulrich Baumgärtner hatte zuerst Humanmedizin studiert und war dann zu den Fallschirmjägern gegangen - gleich als Divisionsarzt. Seinen Generalstabslehrgang hatte er vier Jahre nach Michael Tempel in Hamburg absolviert. Die ärztlichen Qualifikationen können sich sehen lassen: 1987 Doktor der Medizin, 1992 Chirotherapie, 1992 Sportmedizin, 1997 Facharzt für Allgemeinmedizin.

Mehrfach wurde zum Ausdruck gebracht, dass der Sanitätsdienst die vierte Teilstreitkraft der Bundeswehr ist und uns viele Nationen um dessen Professionalität beneiden. Der Sanitätsdienst inklusive der Bundeswehrkrankenhäuser werden schon lange dual genutzt: militärisch und zivil.

Video:
Übergabeappell - Dr. Michael Tempel an Dr. Ulrich Baumgärtner
Großer Zapfenstreich für den Inspektor des Sanitätsdienstes, GOSA Dr. Michael Tempel, auf Festung Ehrenbreitstein in Koblenz

Autor: Matthias Baumann

Montag, 24. September 2018

ALSE Generalleutnant Dieter Warnecke mit einem Großen Zapfenstreich in den Ruhestand verabschiedet

"Am 24. September wird der ALSE mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet", sagte der Oberst und bestellte eine Runde Kaffee. Aber wer ist ALSE? ALSE ist die Abkürzung für Abteilungsleiter Strategie und Einsatz. Seit Oktober 2015 hatte Generalleutnant Dieter Warnecke diesen Posten inne. Ein Generalleutnant hat drei goldene Sterne auf jeder Schulter.

Dieter Warnecke hatte sehr klein angefangen als Wehrpflichtiger im Feldartillerie-Bataillon 11 in Hannover. Das war 1976. Inzwischen blickt er auf 42 Dienstjahre zurück und freut sich auf den Ruhestand mit 62. Damit ist er doppelt so alt wie der kroatische Verteidigungsminister Damir Krstičević, der als ehemaliger General schon mit 31 Jahren in den Ruhestand versetzt worden war. Solch eine Laufbahn-Verkürzung ist in Deutschland nicht möglich. Als Dieter Warnecke 31 Jahre alt war, führte er in Wetzlar eine Nachschub-Ausbildungskompanie.

Generalleutnant Dieter Warnecke Großer Zapfenstreich ALSE
Abteilungsleiter Strategie und Einsatz, Generalleutnant Dieter Warnecke, mit einem Großen Zapfenstreich in den Ruhestand versetzt
Wer Offizier wird, muss den ständigen Wechsel mögen. Je höher der Dienstgrad, umso stetiger der Wechsel. Dieter Warnecke wurde selten länger als zwei Jahre am selben Ort eingesetzt: Hannover, Rheine, Bremen, Hamburg, Gießen, Wetzlar, Bremen, Hamburg, Münster, Oldenburg, Dörverden, Bonn, Berlin, Oldenburg, Afghanistan und dann irgendwann wieder Berlin. Sein Spezialgebiet war Nachschub und Logistik. Er arbeitete auch unter Erhard Bühler, der demnächst als Commander ins belgische Brunssum wechselt.

Wie oben schon erwähnt, war Dieter Warnecke seit fast drei Jahren beim BMVg in Berlin als Abteilungsleiter für Strategie und Einsatz zuständig. Was macht diese Abteilung konkret? Die Abteilung SE ist für die Vorbereitung, Planung und Steuerung von Einsätzen verantwortlich. Sie arbeitet dem Generalinspekteur zu und unterstützt ihn in internationalen Gremien. Die Abteilung beschäftigt sich mit der Krisen-Früherkennung und erstellt Bedrohungsanalysen. Sie vernetzt materielle und personelle Ressourcen, um eine opportune Einsatzfähigkeit sicher zu stellen.

Mit dem Einsatzführungskommando (EinsFüKdoBw) in Geltow bei Potsdam steht die Abteilung Strategie und Einsatz über den Generalinspekteur in Beziehung.  Der Generalinspekteur - aktuell Eberhard Zorn - ist der direkte Vorgesetzte von Erich Pfeffer, dem Chef des EinsFüKdoBw. Dieter Warnecke war als ALSE in den Stab des Generalinspekteurs integriert und damit wichtigster Ansprechpartner für das EinsFüKdoBw auf ministerieller Ebene. Deshalb hatte sich Dieter Warnecke in der letzten Woche sogar persönlich in Geltow verabschiedet. Die Ministerin nannte ihn einen "Chef mit Herz".

Heute nahm die Bundeswehr Abschied von Dieter Warnecke. Ein Großer Zapfenstreich ist die höchste militärische Ehre, die nur Generälen mit drei oder vier Sternen, Verteidigungsministern, Kanzlern und Bundespräsidenten zusteht. Es gibt seltene Ausnahmen. für ausländische Generäle. Neben Dieter Warnecke standen die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Generalinspekteur Eberhard Zorn auf dem roten Podest. Die drei Wunschlieder der Serenade waren folgende:

  • Des Großen Kurfürsten Reitermarsch - Cuno Graf von Moltke
  • Ode an die Freude - Ludwig van Beethoven (Arr. Herbert von Karajan)
  • New York, New York - John Kander (Arr. Pi Scheffer)

Das erste Stück hatte Dieter Warnecke seine gesamte Zeit bei der Bundeswehr über begleitet. Deshalb war es für ihn ein Muss. Das zweite Stück ist sein Bekenntnis an Europa und das dritte Stück ein Bekenntnis an seine Familie. In drei Wochen wird er mit seiner Frau nach New York reisen und dort würdig seinen nächsten Lebensabschnitt starten. Das offizielle Ende seiner Dienstzeit ist auf den 30. September 2018 datiert.

Dieter Warnecke hatte viele Herausforderungen gemeistert, für die es bei der Bundeswehr bisher keine Vorbildsituationen gab - beispielsweise 2007 beim Kampf gegen die Taliban. Er dankte vielen seiner Kameraden namentlich für deren Rat und Hilfe. Auch ausländische Freunde hatte er eingeladen. Der britische Brigadegeneral Rob Rider, der Doyen der in Deutschland akkreditierten Militärattachés, gehörte auch dazu. Ursula von der Leyen lobte den General und bat ihn, mit seiner Expertise auch als Ruheständler weiterhin der Führungsakademie zur Verfügung zu stehen. Abschließend wünschte sie ihm Gesundheit und Gottes Segen.

ALSE-Nachfolger wird Generalmajor Bernd Schütt. Bernd Schütt ist 57 Jahre alt und hatte in seiner bisherigen Laufbahn fast immer etwas mit Panzern zu tun. Deshalb trägt er oft ein schwarzes Barett. Vor acht Jahren hatte er in Munster (ohne Umlaut!) das Kommando über die berühmte Panzerlehrbrigade 9 übernommen. Kurz darauf wurde er zum Brigadegeneral ernannt. Ein Brigadegeneral trägt jeweils einen goldenen Stern auf der Schulter. 2014 bekam er den zweiten Stern und wurde Generalmajor. Als neuer ALSE hat er nun den dritten Stern bekommen: Generalleutnant. Bernd Schütt war oft im Auslandseinsatz: SFOR in Mostar und ISAF in Afghanistan.

Video:
Großer Zapfenstreich für ALSE Generalleutnant Dieter Warnecke

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 19. September 2018

Mongolischer Verteidigungsminister Nyamaa Enkhbold mit militärischen Ehren in Berlin empfangen

"Dschingis Khan?", fragte meine Frau mit einem breiten Grinsen. Bei der Wochenplanung hatte ich ihr erzählt, dass heute der mongolische Verteidigungsminister nach Berlin kommt. Beim Stichwort Mongolei fallen einem Deutschen vielleicht Dschingis Khan, Asien, Pferde und eine weite Steppenlandschaft ein.

Schon zur Zeit der alten Griechen und Römer, gab es in der Mongolei einen Klimawandel. Es wurde in der Region deutlich kälter. Deshalb wurde dort komplett von Ackerbau auf Viehzucht umgestellt. Dass auch die Dinosaurier einem Klimawechsel zum Opfer gefallen sein sollen, passt zur Mongolei. Das Land stellt ein Eldorado für Urzeit-Forscher dar. Neben Dinosaurier-Resten und diversen Fossilien wurden hier auch Höhlenmalereien gefunden, die Jäger mit Pfeil und Bogen darstellen.

Mongolischer Verteidigungsminister Nyamaa Enkhbold Berlin bendlerblock
Mongolischer Verteidigungsminister Nyamaa Enkhbold zum Antrittsbesuch in Berlin empfangen

Es gab immer wieder Epochen, in denen sich die Mongolen als gefürchtete Krieger erwiesen hatten. Bereits vor 2.300 Jahren fielen sie in China ein und gaben damit den Auslöser für den Bau der Chinesischen Mauer. Da die Mongolen über die Jahrhunderte keine Ruhe gaben, wurde die Mauer entsprechend weiter ausgebaut und befestigt. Das hatte aber noch nichts mit dem berühmten Dschingis Khan zu tun.

Dschingis Khan erschien erst 1206 auf der Bildfläche. Zuvor hatten sich die Mongolen intern zerstritten und waren von Turkvölkern wie den Uiguren beherrscht worden. Die Uiguren gibt es auch heute noch. Sie haben eine hellblaue Flagge mit weißem Halbmond und demonstrieren regelmäßig bei Besuchen chinesischer Staatsgäste. Aber zurück zu Dschingis Khan: Er vereinte die mongolischen Sippen und führte einen sehr erfolgreichen Angriffskrieg in Richtung Westen. Seine Truppen drangen bis ins heutige Georgien, den Irak und die Ukraine vor. Ganz abgesehen von den nebenbei eroberten Teilen von Korea und Afghanistan.

Die Erfahrungen bei der Viehzucht und der Jagd adaptierten die Truppen Dschingis Khans auch auf die Kriegsführung. Die größten taktischen Erfolge erzielten sie auf Hochebenen. Oft griffen sie an und täuschten dann einen Rückzug vor. Damit brachten sie ihre Feinde in eine Position, in der sie diese gut einkesseln und segmentieren konnten. Danach wurde der Feind vernichtet.

Wenn die VJTF der NATO im Oktober bei Trident Juncture 2018 ihre Fähigkeiten bei der schnellen Verlegung von Truppen und Material unter Beweis stellt, konnten das die Mongolen vor 800 Jahren auch schon. Ein mongolischer Reiter hatte immer mehrere Pferde dabei und konnte somit fast ohne Pause weite Strecken zurücklegen. Die Last wurde unterwegs umverteilt, so dass Reiter und Pferde fit blieben. Getrocknetes Fleisch diente als Nahrung für unterwegs und wurde wie eine Tütensuppe zubereitet.

Mongolischer Verteidigungsminister Nyamaa Enkhbold Berlin bendlerblock
Mongolischer Verteidigungsminister Nyamaa Enkhbold zum Antrittsbesuch in Berlin empfangen
Apropos Afghanistan: Es dürfte hierzulande relativ unbekannt sein, dass die Mongolei in Afghanistan eng mit der Bundeswehr zusammenarbeitet. Deutschland entsendet beispielsweise Berater, die die mongolischen Soldaten auf den Einsatz vorbereiten. Darüber hinaus gibt es Berührungspunkte bei Einsätzen der Vereinten Nationen.

Wäre die Mongolei NATO-Mitglied, müsste sie 220 Millionen USD für ihren Verteidigungshaushalt ausgeben. Dabei hat die gesamte Mongolei weniger Einwohner als Berlin. Bei der beachtlichen Fläche des Landes leben gerade mal 2 Menschen auf einem Quadratkilometer.

In einem so großen Land ist es schwer, das Grab Dschingis Khans zu finden. Der Ort ist bis heute unbekannt. Zur Todesursache gibt es mehrere Überlieferungen, die mehr oder weniger politisch korrekt sind. Da der Khan bereits 791 Jahre tot ist, spielt das aber auch keine so große Rolle mehr. Bei einer Strafexpedition soll er von einer Prinzessin der Tanguten seiner Männlichkeit beraubt worden sein. Sie wollte damit den üblichen Massenvergewaltigungen zuvorkommen. In diesem Zusammenhang muss er wohl verstorben sein. Die offizielle Variante lautet Reitunfall. Ein Mongole mit Reitunfall dürfte ähnlich selten sein, wie ein Büroangestellter, der sich an seiner Tastatur den Arm bricht. Dass dann auch noch 2.000 Trauergäste getötet wurden, spricht eher für die erste Variante.

Demnach konnte Dschingis Khan heute gar nicht im Bendlerblock erscheinen. Er wurde durch seinen Urur...ururenkel Nayamaa Enkhbold vertreten. Bei einem gemeinsamen Mittagessen mit Ursula von der Leyen und anschließenden Delegationsgesprächen ging es um sicherheitspolitische Themen in Europa und Asien. China ist zwar durch die oben erwähnte Mauer getrennt, aber dafür zurzeit ein sicherheitspolitisch aktiver Nachbar. Während die Mongolei wenig mit dem Inselstreit im Südchinesischen Meer zu tun hat, könnte sie aber die chinesische Infrastruktur-Offensive OBOR (One Belt One Road) tangieren.

Tangiert wurde in den Gesprächen wohl auch das jüngste Großmanöver Wostok 2018. Wostok 2018 ist weitestgehend an der Wahrnehmung der europäischen Öffentlichkeit vorbeigegangen. Das Manöver stellte das oben erwähnte Trident Juncture personell und materiell weit in den Schatten. Es fand, wie das Wort Wostok schon ausdrückt, ganz weit im Osten statt. Russland, China und deren Sandwich-Nachbar Mongolei übten seit dem 11. September 2018 etwa eine Woche lang das taktische Vorgehen in einem groß angelegten Konflikt.

Nyamaa Enkhbold bekam heute nicht nur ein Mittagessen, sondern auch eine Begrüßung mit militärischen Ehren. Dieser Empfang steht ihm bei einem Antrittsbesuch generell zu. Der 61-jährige Minister ist seit Oktober 2017 im Amt. Er wurde bereits vier Mal ins mongolische Parlament gewählt und bekleidete dort verschiedene Ämter. In der aktuellen Wahlperiode fungiert er als Verteidigungsminister.

Studiert hatte Nyamaa Enkhbold in Moskau und in Australien. Seine langjährigen Schwerpunkte waren Öffentlichkeitsarbeit, Medien und Druck. Einige Jahre arbeitete er als Chef der Staatsdruckerei. Mit militärischen Dingen hatte er bisher wenig zu tun.

Video:
Militärische Ehren zum Antrittsbesuch des mongolischen Verteidigungsministers  Nyamaa Enkhbold

Autor: Matthias Baumann

Sonntag, 16. September 2018

Trident Juncture 2018 - Verlegung von Truppen und Gerät über den Hafen von Emden

Vor einigen Wochen wurde die VJTF 2019 in Schnöggersburg zertifiziert. Die VJTF (Very High Readiness Joint Task Force) ist die Schnelle Eingreiftruppe der NATO und kann innerhalb von zwei bis sieben Tagen an jeden Ort der Welt verlegt werden. Damit diese Fähigkeit nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch praktisch wird, findet vom 25. Oktober bis 7. November in Norwegen das NATO-Manöver "Trident Juncture 2018" statt.

(C) NATO, Trident Juncture 2018
An Trident Juncture nehmen 44.000 Soldaten aller 29 NATO-Staaten plus Schweden und Finnland teil. Allein aus Deutschland kommen 10.000 Soldaten und über 4.000 Fahrzeuge. Es sind auch 150 Flugzeuge und 70 Schiffe in die Übung eingebunden. Trident Juncture ist damit die größte NATO-Übung seit 2002.

Heute wurden innerhalb von sechs Stunden etwa 300 Fahrzeuge und Panzer sowie fast 100 Container auf ein RoRo-Schiff verladen. RoRo ist die Abkürzung für "Roll on, Roll off" und weist auf die Beladetechnik des Schiffes hin, nämlich dass Fahrzeuge und Gerätschaften auf Parkdecks gefahren, geschoben oder gezogen werden. Die Alternative wäre ein LoLo-Schiff (Lift on, Lift off), bei dem die Ladung mit Kränen verladen wird.

Das heutige Roll on passierte im schönen Ostfriesland, im Hafen von Emden. Der Hafen von Emden ist auch von unseren westlichen Nachbarn aus gut zu erreichen und spielt eine zentrale Rolle bei der schnellen Verlegung von Truppen und Gerät nach Fredrikstad in Norwegen.

Bis Mitte Oktober sollen in Emden 13 RoRo-Schiffe beladen werden. Für die Planung ist die deutsche Streitkräftebasis verantwortlich. Das ihr unterstellte Logistikkommando Erfurt, das Logistikzentrum Wilhelmshaven und einige Logistikbataillone haben alle Hände voll zu tun, um für einen reibungslosen Transport zu Land, See und Luft zu sorgen.

Einen wichtigen Bestandteil der VJTF 2019 und der an Trident Juncture beteiligten Truppen stellt die Panzerlehrbrigade 9 aus Munster mit ihren diversen unterstellten Einheiten dar. Von deutscher Seite aus ist also hauptsächlich das Heer gefragt.

Norwegen stellt ein ideales Übungsgelände für Herausforderungen in allen drei Dimensionen - Land, Wasser, Luft - dar. Norwegen hat ein raues, schon fast arktisches Klima. Gerade Soldaten aus südlicheren NATO-Staaten können hier ihre Kältefestigkeit erproben. Der Norden wird immer interessanter für die Bündnisverteidigung. Gewinnt nämlich Russland die Vorherrschaft im Nordmeer, kann es zu einem Abschneiden der Verbindung zwischen Europa und Nordamerika kommen. Deshalb sind wohl auch die sonst so neutralen Finnen und Schweden an Trident Juncture beteiligt.

Ein Krieg wird nach offiziellen Angaben nicht vorbereitet. Allerdings zeigt die NATO mit dieser Übung Stärke und Verteidigungsfähigkeit. Die in der schnellen Verlegung großer Truppenverbände geübten Russen bekommen mit Trident Juncture ein passendes Gegengewicht präsentiert.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 4. September 2018

127 mm, zwei Hubschrauber und das Ende der Sommerreise 2018 an der Ostsee

Vor über einem Monat hatte die traditionelle Sommerreise der Verteidigungsministerin in Holzdorf begonnen. Danach ging es nach Leipzig, Erfurt, ins tiefste Bayern, nach Mannheim und in den Nordwesten. Den Abschluss bildeten heute die MTS Marinetechnikschule in Parow bei Stralsund und das Marinekommando in Rostock.

Die Anreise von Berlin aus gestaltete sich sehr entspannt. Ich war eine Stunde zu früh vor Ort und konnte das Flachland um Stralsund noch gut für ein morgendliches Ausdauer-Training nutzen. Nach und nach traf die Regionalpresse ein und die beiden schwarzen Blaulicht-Limousinen der Ministerin. Die Ministerin selbst war noch in Bremerhaven, ihrer vorherigen Station. Wegen Nebels werde sie sich um zehn Minuten verspäten - wurde uns mitgeteilt.

MTS Marinetechnikschule Parow Sommerreise 2018
MTS Marinetechnikschule Parow - Sommerreise 2018 der Verteidigungsministerin
So bekamen wir zunächst eine Rundfahrt über das weitläufige Gelände der MTS Marinetechnikschule. Dabei erfuhren wir, dass neue Soldaten immer in Reih und Glied zum Essen gehen, dass man sich neun Jahre verpflichten muss, um am Ende der Dienstzeit seinen Gesellenbrief zu bekommen. Wer Techniker oder Meister werden möchte, müsse 13 Jahre bei der Marine bleiben. Die Erfahrung zeigt, dass Meister am Markt eher nachgefragt werden als Techniker, da mit dem Ausbildungsstatus Techniker da draußen niemand etwas anzufangen weiß.

Die Rundfahrt endete am Hubschrauber-Landeplatz. Wir positionierten uns am Rand und warteten auf den ersten Hubschrauber. Mit diesem sollte die Hauptstadt-Presse einschweben. Diese Option der Kombination mehrerer Stationen der Sommerreise war mir gar nicht bekannt. Das Einschweben des ersten Helikopters vom Typ Cougar war ein sehr stürmischer Akt. Kameras wurden durch den enormen Sog verrissen und Stative wehten mehrere Meter weit über den Platz. Als die Rotorblätter standen, stieg die Hauptstadt-Presse aus und gesellte sich zu uns.

MTS Marinetechnikschule Parow Sommerreise 2018
MTS Marinetechnikschule Parow - Sommerreise 2018 der Verteidigungsministerin - Ankunft der Hauptstadtpresse mit einem Cougar der Flugbereitschaft
Mit einem Zeitversatz von 40 Minuten erschien die Ministerin. Ebenfalls mit einem Cougar der Flugbereitschaft. Die drei für solche Zwecke vorgesehenen Cougars waren in den letzten Wochen aufgemöbelt und teilweise neu lackiert worden, so dass sie ein deutlich besseres Bild abgaben, als noch vor 40 Tagen im Fliegerhorst Holzdorf.

Auf den Landeplätzen stehen immer die Regionalpolitiker: Bürgermeister, Stadträte, Oberbürgermeister und wem sonst noch ein gemeinsames Foto mit der Ministerin wichtig ist. Die Hauptstadt-Presse hat es natürlich nur auf die Ministerin und ihr Statement abgesehen. Ein paar Schnittbilder mit Soldaten und Kanone sind auch noch ganz nett, aber eher Beiwerk.

MTS Marinetechnikschule Parow Sommerreise 2018
MTS Marinetechnikschule Parow - Sommerreise 2018 der Verteidigungsministerin - Erklärung des neuen Waffensystems 127mm
In den besuchten Gebieten ist man da schon etwas aufgeregter. Der jeweilige Kommandeur freut sich regelmäßig über den Überflug der Ministerin. Die Regionalpolitiker hoffen, dass sie von der Ministerin wiedererkannt werden und die Soldaten an den Vorführ-Stationen sind auf eine Einweisung von Ursula von der Leyen am Waffensystem vorbereitet.

MTS Marinetechnikschule Parow Sommerreise 2018
MTS Marinetechnikschule Parow - Sommerreise 2018 der Verteidigungsministerin - Waffensystem 127 mm
In der MTS Parow wurde heute das Waffensystem 127 mm vorgestellt. Eine Inhouse-Kanone, die normalerweise an Bord großer Kampfschiffe montiert wird. An der Marinetechnikschule erfolgt die Ausbildung an diesem Gerät aber in einer trockenen Halle. Das sei eine der modernsten Kanonen der Marine. Sie kann bei Bedarf 32 Schuss in der Minute abgeben und hat einen kombinierten Schuss-Nachlade-Mechanismus. Die 127mm-Kartuschen werden aus dem tiefen Rumpf des Schiffes nach oben befördert, abgefeuert und der Rest ins Meer geworfen.

MTS Marinetechnikschule Parow Sommerreise 2018
MTS Marinetechnikschule Parow - Sommerreise 2018 der Verteidigungsministerin - Kartuschen vor und nach dem Abfeuern
Würde das Waffensystem 127 mm zum Salut-Schießen eingesetzt werden, wäre es schon nach weniger als 40 Sekunden fertig. Die Halle war jedoch nicht für eine solche Vorführung ausgelegt, so dass sich die Ministerin nach der kurzen Trocken-Einweisung in den Bootshafen begab.

Im Bootshafen wurden einige Elemente der Grundausbildung vorgeführt: Personenkontrolle, Abspiegeln eines Fahrzeuges und Brand löschen auf einem Schiff. Etwas ungewohnt waren dabei die Flecktarn-Uniformen der Marinesoldaten.

MTS Marinetechnikschule Parow Sommerreise 2018
MTS Marinetechnikschule Parow - Sommerreise 2018 der Verteidigungsministerin - Dynamische Vorführung der Überprüfung von Personen und Fahrzeugen
Nach diesen Vorführungen folgte das übliche Statement mit Fragerunde. Dem Standort wurden für die nächsten Jahre 30 Millionen Euro als Investitionssumme zugesagt. Immerhin ist die Marinetechnikschule Parow die größte Ausbildungsstätte der Marine mit etwa 500 Lehrgängen pro Jahr und 1.200 Auszubildenden täglich.

Wer als Soldat nach Parow kommt, wird nicht nur sportlich und militärisch ausgebildet. Es ist auch sehr schnell das alte Schulwissen gefragt. Das beginnt bei der Funktionsweise eines Dieselmotors. In diesem Zusammenhang sei noch einmal erwähnt, dass 40% der Rolls-Royce-Kunden auf dem Wasser unterwegs sind. Rolls-Royce baut neben Luxus-Autos und Flugzeug-Triebwerken auch große Diesel-Motoren für Schiffe.

MTS Marinetechnikschule Parow Sommerreise 2018
MTS Marinetechnikschule Parow - Sommerreise 2018 der Verteidigungsministerin
Im Statement und den Pressefragen ging es ferner um die Prioritäten der Budget-Verwendung und die schrittweise Anhebung des Verteidigungshaushaltes auf 1,5% bis 2024. Anschließend schrieb sich Frau von der Leyen noch in zwei große Gästebücher ein und bekam ein Geschenk des Oberbürgermeisters von Stralsund überreicht. Ob das mit der Compliance harmoniert, müsste intern geklärt werden. Seit März 2017 ist Brigadegeneral Friedhelm Tränapp im BMVg für Compliance zuständig und hat mit seinem Team das Compliance Management System (CMS) entwickelt. Am 23. Mai 2018 wurde der erste Workshop dazu durchgeführt. Compliance ist ein modernes Wort für Regeln gegen Korruption.

Während sich die Hauptstadtpresse wieder zu ihrem Hubschrauber begab, gesellte sich die Ministerin zur Truppe und sprach ohne die Augen und Ohren der Öffentlichkeit mit den Soldaten. Das ist so üblich bei diesen Standort-Besuchen. Auf der Rückfahrt nach Berlin war die Autobahn wieder frei. Angeregt durch die Inhalte der Marine-Ausbildung brannte ich mit durchgetretenem Pedal den Diesel-Motor frei. Wo darf man in der Stadt schon längere Strecken mit 253 km/h unterwegs sein?

Video:
MTS Marinetechnikschule Parow als vorletzte Station der Sommerreise 2018

Autor: Matthias Baumann

Samstag, 1. September 2018

Schrippenfest 2018 beim Wachbataillon in der Julius-Leber-Kaserne - Tradition seit 1820

"Weißt du, was 'ne Schrippe ist?", fragten wir unser Ferienkind aus Frankfurt. "Ich kann es mir denken. Bei uns heißen die Brötchen Wecken." Kleine Brötchen aus hellem Teig gibt es schon seit der Antike. Die alten Römer verspeisten bereits die Semmel (simila = Mehl). Nicht ganz so alt ist die Tradition des Schrippenfestes.

Schrippenfest 2018 Wachbataillon
Schrippenfest 2018 beim Wachbataillon in der Julius-Leber-Kaserne
1819 wurde das Infanterie-Lehrbataillon in Potsdam gegründet. Es war eine gewisse Zeit dem 1. Garderegiment unterstellt und hatte damit eine besondere Beziehung zum preußischen Königshaus. Damals hatte König Friedrich Wilhelm III. regiert. Dessen Reitergemälde ist noch heute im Treppenhaus von Schloss Belevue zu bestaunen. Er war der Enkel von Friedrich II.

1840 wurde Friedrich Wilhelm III. wegen seines Ablebens durch Friedrich Wilhelm IV. abgelöst. Im dritten Amtsjahr ging es Seiner Majestät nicht so gut. In der Zeitung war zu lesen, dass das Schrippenfest am 28. Mai 1843 wegen einem "seychten Unwohlseyn" bis auf Weiteres abgesagt ist. Das Ereignis wird dort als "Speisung des Infanterie-Lehrbataillons" beschrieben und als "Schrippenfest" benannt.

Schrippenfest 2018 Wachbataillon
Schrippenfest 2018 beim Wachbataillon - Schrippe und Steak
Der Name Schrippenfest muss unmittelbar nach Gründung des Lehrbataillons entstanden sein. Bei der Speisung der Offiziere und Soldaten seit 1820 wurde übermäßig viel Essen aufgetragen. Es gab lange Tafeln, an denen Sauerbraten, Milchreis, saure Gurken, Kartoffeln, Backpflaumen und Weißbrote in Schrippenform verzehrt wurden. Letztere waren wohl Namensgeber für das Schrippenfest.

Das Erscheinen des Regierungsoberhauptes war ein so wichtiger Programmpunkt, dass eher das Schrippenfest abgesagt wurde, als dass es ohne König oder Kaiser stattgefunden hätte.

Das Wachbataillon des BMVg sieht sich in der Tradition des 1. Garderegimentes zu Fuß und hat daher auch die Tradition des Schrippenfestes übernommen. Auch heute noch dient es dem gemeinsamen Essen von aktiven und pensionierten Bataillonsangehörigen. Alte Hasen reden über vergangene Zeiten und motivieren die gerade erst vereidigten Rekruten. Networking quer durch die Generationen, Dienstgrade und Familien. Auch Freunde, Förderer und Patenverbände sind bei diesem privat gehaltenen Fest dabei.

Schrippenfest 2018 Wachbataillon
Schrippenfest 2018 beim Wachbataillon - Kinder können einen Wassereimer mit dem Kran bewegen.
Das Essen ist jedoch nicht mehr die Hauptsache. An fünf Stationen wurde heute Wachbataillon zum Anfassen demonstriert. Von 10 bis 23 Uhr konnte das Drillteam bestaunt, Salutschüsse gehört, mit der Feuerwehr gefahren, mit Nachtsichtgeräten experimentiert und auf Zielscheiben geschossen werden.

Das Wachbataillon setzt sich aus acht Kompanien zusammen, von denen nur vier für den allseits bekannten Protokolldienst eingesetzt werden. Die anderen Kompanien halten sich für Sicherungsaufgaben bereit. Wie früher zu Zeiten der Könige und Kaiser, sind sie auch heute noch für den unmittelbaren Schutz der Regierung zuständig. Wenn über die Protokollsoldaten als Ballettgruppe des Staates gelästert wird, trifft das so gar nicht das tatsächliche Aufgabenprofil dieses Bataillons.

Schrippenfest 2018 Wachbataillon
Schrippenfest 2018 beim Wachbataillon - Der Salutzug bereitet sich mich Ohrschützern auf drei Schüsse vor.
Das wird schon bei der Waffenschau deutlich. Diese ist fester Bestandteil des Tages der offenen Tür und auch des Schrippenfestes. Neben den weitestgehend demilitarisierten Karabinern 98k sind dort auch das Sturmgewehr G36 und weitere moderne Schusswaffen aus dem Hause Heckler & Koch zu sehen. Hinzu kommen Panzerfäuste, Handgranaten und diverse gepanzerte Fahrzeuge.

Videos:
Militärische Ehren mit Erklärungen durch das Wachbataillon
Salutzug mit Erklärungen und drei echten Salut-Schüssen
Infanterie-Vorführung der Sicherungskompanien des Wachbataillons
Drillteam in Marineuniform

Autor: Matthias Baumann

Montag, 27. August 2018

Großer Zapfenstreich für SACT NATO-General Denis Mercier in Berlin-Gatow

General Mercier ist die Kurzform von NATO Supreme Allied Commander Transformation Général d'armée aérienne Denis Mercier. Denis Mercier ist Franzose. Wäre er Brite, hätte er sicher weitere Zusätze wie KCMG (Knight Commander of the Order of St Michael and St George) oder ähnliches. Eine Zumutung für den geneigten Leser. Deshalb einigen wir uns im Folgenden auf entsprechende Kurzformen.

Großer Zapfenstreich SACT NATO-General Denis Mercier in Berlin-Gatow
Großer Zapfenstreich für NATO Suprime Allied Commander Transformation (SACT) General Denis Mercier in Berlin-Gatow - Urkunde des Wachbataillons
General Mercier ist jetzt 58 und ein waschechter Luftwaffenoffizier. Er gehört zu den Glücklichen, die über 3.000 Stunden in der Luft zubringen konnten. Davon 182 Stunden über Bosnien und Herzegowina. Das waren echte Kampfeinsätze. Mit 20 trat er in die Luftwaffe ein und wurde bis 1983 zum Piloten ausgebildet. Seine bevorzugten Maschinen waren die Mirage F1C und die Mirage 2000C.

Ab 2001 zeichnete er auf dem Luftwaffenstützpunkt Reims für alle dort stationierten Einheiten verantwortlich und bereitete diese auf den Einsatz in Afghanistan vor. 2004 wechselte er ins Hauptquartier der französischen Luftstreitkräfte und war dort für die Finanzplanung zuständig. Vier Jahre später übernahm er Verantwortung für die Offiziersschule der französischen Luftwaffe. 2010 begann er als Berater des französischen Verteidigungsministers und besuchte sämtliche hochrangige NATO-Treffen. 2011 wurde er zum Chef der Luftwaffe und wirkte maßgeblich an der Einführung des Airbus A400M mit.

Großer Zapfenstreich SACT NATO-General Denis Mercier in Berlin-Gatow
Großer Zapfenstreich für NATO Suprime Allied Commander Transformation (SACT) General Denis Mercier in Berlin-Gatow - Ehrenspalier
2015 berief ihn die NATO als Supreme Allied Commander Transformation (SACT). Das Allied Command Transformation (ACT) sitzt in Norfolk. Norfolk liegt an der Atlantikküste von Virginia - 366 Meilen südlich von New York City. Das ACT gibt es schon seit 1952. Damals tobte noch der Kalte Krieg und die NATO wollte die Nordatlantik-Route zwischen USA und Europa gegen einen möglichen Keil der Sowjetunion aus Richtung Nordmeer absichern.

2002 wurde in Prag eine Verschlankung der NATO-Befehlsstrukturen beschlossen. Das sollte der geänderten Situation internationaler Krisenherde Rechnung tragen. So wurde das alte ACLANT (Allied Command Atlantik) in zwei neue Hauptquartiere umgestaltet: ACT und ACO. ACO bedeutet Allied Command Operations und ist für die konkreten Einsätze zuständig. Das ACT hingegen beschäftigt sich mit T wie Transformation der NATO.

2009 übernahm erstmals ein Franzose das Kommando des ACT: Stéfane Abrial. Dann kam wieder ein Franzose: Jean-Paul Palomeros. Dieser wurde 2015 vom Franzosen Denis Mercier abgelöst.

Großer Zapfenstreich SACT NATO-General Denis Mercier in Berlin-Gatow
Großer Zapfenstreich für NATO Suprime Allied Commander Transformation (SACT) General Denis Mercier in Berlin-Gatow - Pauken und Flugzeuge
Heute stand der 4-Sterne-General auf dem Gelände des Luftwaffenmuseums Gatow und wurde mit einem Großen Zapfenstreich in den Ruhestand verabschiedet. Recht früh mit 58 Jahren. Das hat wohl zwei Gründe: Erstens hatte es mit dem begehrten Posten im EU-Militärausschuss nicht geklappt und zweitens ist das Eintrittsalter für die Rente in Frankreich deutlich niedriger als in Deutschland. Ein 4-Sterne-General hat generell nur noch wenig Luft nach oben: Minister, Premierminister, Präsident.

Mit ihm auf dem Podest standen der Generalinspekteur Eberhard Zorn und der parlamentarische Staatssekretär Thomas Silberhorn. Letzteres lag nicht etwa daran, dass Mercier "nur" Franzose ist, sondern am Terminkalender der Ministerin. Der Große Zapfenstreich steht deutschen Generälen mit drei und vier Sternen zu sowie dem Bundespräsidenten, der Kanzlerin und der Verteidigungsministerin. Ausländische 4-Sterne-Generäle mit multinationaler Kommandoerfahrung können ebenfalls mit einem Großen Zapfenstreich geehrt werden. Denis Mercier waren als Chef des ACT deutsche Truppen direkt unterstellt. In Frankreich gilt er sogar als 5-Sterne-General. Dort ist die Zählung wohl anders. 5 Sterne gibt es in Deutschland nicht.

Es ist davon auszugehen, dass für den General auch in Frankreich ein entsprechendes Abschiedszeremoniell veranstaltet wird. Der Große Zapfenstreich in Gatow wurde jedenfalls mit der üblichen Performance durch das Wachbataillon und das Stabsmusikkorps durchgeführt - semper talis eben - immer gleiche Qualität.

Großer Zapfenstreich SACT NATO-General Denis Mercier in Berlin-Gatow
Großer Zapfenstreich für NATO Suprime Allied Commander Transformation (SACT) General Denis Mercier in Berlin-Gatow - Der Generalinspekteur Eberhard Zorn, General Denis Mercier und Staatssekretär Thomas Silberhorn (v.l.n.r.) schreiten durch das Ehrenspalier zum Podest - zu schnell für das Foto aber Symbol für die Vergänglichkeit des Amtes.
Deutschland ehrt ihn insbesondere für seine Verdienste bei der Vernetzung der nordatlantischen Allianz und die erhebliche Fachkompetenz in der dritten Dimension: Luft. Vor einem Jahr hatte es wegen ihm allerdings eine leichte deutsch-französische Verstimmung gegeben: Als der Chef-Posten beim EU-Militärausschuss turnusmäßig neu besetzt werden sollte, stand der deutsche 3-Sterne-General Erhard Bühler hoch im Kurs. Das wurde jedoch von französischer Seite verhindert, indem Denis Mercier ins Rennen geschickt wurde. Wenn zwei sich streiten, freut sich bekanntlich der Dritte, nämlich der Italiener Claudio Graziano. Egal, Erhard Bühler geht dann eben als Commander der Allied Joint Forces Command (JFC - der ACO unterstellt) nach Brunssum und Denis Mercier in den Ruhestand.

Der Nachfolger von Denis Mercier in Norfolk wird ein vierter Franzose in Folge: Luftwaffen-General André Lanata. Lanata ist zwar bisher nur 146 Kampfeinsätze geflogen, hat aber insgesamt 300 Flugstunden mehr als Mercier. Interessanter als der Umstand, dass er sich mit Mirage F1CR und Mirage 2000D auskennt, ist wohl, dass er bis 2025 den Finanzkurs bestimmen und sich um die Lufteinsatz-Systeme der NATO kümmern wird.

Der Ruheständler Mercier hatte neben seinem Dienst auch ein Privatleben: Seit etwa 30 Jahren ist er verheiratet und hat drei Kinder. Er malt und zeichnet gerne und ist ein leidenschaftlicher Ski-Fahrer. Die persönliche Note kommt regelmäßig bei der Serenade zum Tragen. Die Liste seiner Wunschlieder sah folgendermaßen aus:
  • Les chevaliers du ciel - Bernard Kesslair - arrangiert von Guido Rennert
  • The water is wide - traditionell - arrangiert von Guido Rennert
  • Star Wars - John Williams - arrangiert von John Glenesk Mortimer
Video:
Großer Zapfenstreich für NATO-General Denis Mercier


Autor: Matthias Baumann

Freitag, 3. August 2018

2 Jahre Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und der Zukunft der Bundeswehr

Seit zwei Jahren steht das Weißbuch 2016 im Regal. Wie wird mit einem Buch der Bundesregierung umgegangen, das im A4-Format vorliegt und 142 Seiten hat? Ja, es wird gelegentlich durchgeblättert, das eine oder andere Foto betrachtet und dann wieder weggestellt. Zu wertig erscheint der geprägte weiße Einband, um das nur punktuell gelesene Werk dem Recyclingprozess zuzuführen.

Dank der medialen Sommerflaute wurde nun das Weißbuch aus dem Regal geholt und durchgelesen. Das war eine gute Idee. Erklärt sich daraus doch Vieles, was die Bundesregierung zurzeit formuliert und tut.

11. Weißbuch der Bundesregierung

Am 13. Juli 2016 wurde das jüngste Weißbuch verabschiedet. Es ist bereits das 11. Weißbuch der Bundesregierung "zur Sicherheitspolitik und der Zukunft der Bundeswehr". Das erste Weißbuch wurde 1969 herausgegeben. Damals war Gerhard Schröder noch Verteidigungsminister. Während des Kalten Krieges gab es eine erhöhte Weißbuch-Frequenz, bis schließlich im Jahr 2006 das vorletzte Weißbuch gedruckt wurde. Zehn Jahre also bis zum aktuellen Exemplar.

Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und der Zukunft der Bundeswehr
Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und der Zukunft der Bundeswehr
In den zehn Jahren zwischen 2006 und 2016 hatte sich sicherheitspolitisch Einiges verschoben. Insbesondere war eine neue Form der Kriegsführung hinzugekommen, die mit dem Attribut hybrid auf den Punkt gebracht wird. Hybrid bedeutet, dass die Grenze zwischen Krieg und Frieden verwischt und die Mittel zur Kriegsführung nicht mehr nur auf die drei Dimensionen Land, Wasser und Luft reduziert sind. Es kamen die zwei Dimensionen Weltraum und Cyber-Informationsraum hinzu.

Zwei neue Dimensionen

Wenn also von einem Angriff aus der fünften Dimension geredet wird, ist eine technisch versierte Attacke auf die Software- und Netzwerkarchitektur gemeint: Cyber. Ein Angriff aus der fünften Dimension könnten auch viral verbreitete Fake News sein: Informationsraum. Gerade Letztere stellen noch keine heiße Kriegshandlung dar, sorgen aber für Unsicherheit und destabilisieren Gesellschaften und Staaten.

Hilfe zur Selbsthilfe

Sebastian Kurz aus Österreich hätte seine Freude an diesem Weißbuch. Immerhin tangiert es ständig seinen Lieblingsbegriff Subsidiarität. Subsidiarität wird zwar als Wort nicht verwendet, aber das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe, also der Hilfe zur Übernahme von Eigenverantwortung wird mehrfach als Leitlinie deutschen Handelns festgeschrieben.

Deutschland setzt auf Ausbildung, Beratung und Ausrüstung, wobei materielle Hilfe nur zur Flankierung nachhaltiger Entwicklungsprozesse einzusetzen sei. Ganz wie es Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller kürzlich formulierte: "Weg von der Gießkanne ... Wir wollen Fortschritte sehen!"

Deutschland mit Führungsverantwortung und Gestaltungsanspruch

Mehrfach taucht auch der Begriff der Rahmennation auf. Eine Rahmennation übernimmt im internationalen Kontext Führungsverantwortung. Entgegen der an den Stammtischen kritisierten Duckmäuser-Politik sieht die Bundesregierung im Weißbuch 2016 einen klaren Führungs- und Gestaltungsanspruch Deutschlands vor. Allerdings in einer Qualität, die auf fairen Regeln basiert und auf eine Reduzierung von Konflikten ausgerichtet ist.

Dieser Führungsanspruch wird wohl einigen EU-Mitgliedern nicht passen. Insbesondere den Staaten, die sich gerne mit deutschem Geld sanieren, aber einer gemeinsamen Verantwortung reserviert gegenüber stehen. Rahmennationen müssen ihre Führungs- und Gestaltungskompetenz vorab unter Beweis gestellt haben. Es führt also nicht, wer gerade Lust auf Macht hat, sondern der, der führen kann.

Russland und weiteres Konfliktpotenzial

Das Weißbuch enthält keine Multi-Kulti-Floskeln. Es grenzt sehr deutlich die Werte-Partnerschaften EU und USA gegenüber anderen Kulturkreisen wie Fernost oder dem arabisch-afrikanischen Raum ab. Dialog sei zwar die erste Wahl, jedoch müsse parallel ein robustes Abschreckungspotenzial aufgebaut und notfalls eingesetzt werden - idealerweise mit einer Wirkungsüberlegenheit.

Mehrfach wird Russland herausgestellt, das seit 2008 seine Streitkräfte modernisiert und immer wieder an den Grenzen der EU- und NATO-Partner ein Kräftemessen provoziert. Russland ist für sein Wirken aus allen fünf Dimensionen bekannt.

Mit sogenannten Ad-hoc-Kooperationen sollen Regionen mithilfe von Partnern befriedet werden, mit denen es sonst keine Verflechtungen gibt. Ad-hoc-Kooperationen sind - wie der Name schon sagt - schnell etablierte und temporär angelegte Partnerschaften zur Lösung eines regionalen Problems, das perspektivisch auch in Europa oder Deutschland ankommen könnte.

Breiter Diskurs und die Praxis

Das vorliegende Weißbuch wurde erstmalig in einem offenen Diskurs unterschiedlicher Experten entwickelt. Soldaten, Politiker, Wissenschaftler, Wirtschaftsvertreter und internationale Experten diskutierten über die Richtlinien zur Sicherheitspolitik und der Zukunft der Bundeswehr. Diese Art des Dialogs wurde konsequent bei den Workshops zum neuen Traditionserlass fortgesetzt. Das Traditionsverständnis wird auf drei Seiten unter Punkt 8.4 im weißen Buch behandelt.

Vergleicht man die Texte im Weißbuch mit dem, was Gerd Müller (BMZ) mit seinem Marshallplan mit Afrika initiiert hat, wie die Kanzlerin mit den Staaten des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas verhandelt und wie die Verteidigungsministerin um ihren Haushalt kämpft, so stellt man ein fokussiertes Handeln auf Grundlage des Weißbuches fest.

Was ist nun mit den 2%?

"Aufgabenspektrum und Ressourcenausstattung der Bundeswehr wieder in Einklang zu bringen", taucht mehrfach im Text auf und legt die Bundesregierung klar auf das Ziel von 2% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Verteidigungsausgaben fest. Davon sollen 20% in Rüstungsinvestitionen fließen. So hatte es der NATO-Gipfel von Wales bereits 2014 beschlossen.

Momentan stehen nur 13% des Budgets für die Beschaffung zur Verfügung. Es gibt also noch einiges nachzujustieren, aber die Trendwende ist eingeleitet.

Für 2018 wurden der Bundeswehr bereits 38,5 Milliarden Euro bewilligt. Hinzu kommen 430 Millionen Euro für Tarifsteigerungen. 2019 kommen weitere 4 Milliarden Euro hinzu, so dass sich eine nominelle Steigerung von 10% auf 42,9 Milliarden Euro ergibt.

Bei der Diskussion um die 2% muss immer auch der Eurowert betrachtet werden. So ergibt sich bei 2% aus dem deutschen BIP beispielsweise der 25-fache Eurobetrag gegenüber 2% aus dem ungarischen BIP.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 31. Juli 2018

Airbus A400M mit Intensivstation fliegt auch für nur einen Patienten

"Trinken Sie viel!", wurde uns als guter Rat auf den Weg mitgegeben. In der VIP-Lounge der Flugbereitschaft des BMVg, dem militärischen Bereich des Flughafens Tegel, standen Apfelsaft, Cola, Kaffee und Mineralwasser bereit. Der Asphalt um das Transportflugzeug A400M entwickle kurz über der Oberfläche eine Hitze, die der Lufttemperatur mal 1,5 entspreche.

Airbus A400M ICAE Intensivstation
Airbus A400M ICAE Intensivstation - Oberst Ludger Bette (links) ist Kommodore des LTG 62 Wunstorf.
Selbst Generalarzt Prof. Dr. Rafael Schick und Staatssekretär Benedikt Zimmer hatten sich auf kurzärmelige Hemden ohne Sakko verständigt. Nur Benedikt Zimmer trug Krawatte. Er hatte bis April 2018 in der Position eines Generalleutnants mit Katrin Suder zusammengearbeitet und diese dann abgelöst. Eine seltsame Rolle in Zivil mitten unter seinen alten Kameraden.

Airbus A400M ICAE Intensivstation
Airbus A400M ICAE Intensivstation auf dem militärischen Teil des Flughafens Tegel
Trotz der Hitze und des Beginns um halb neun waren über 40 Journalisten erschienen. Das Sommerloch lässt grüßen. 40 Journalisten und ein Zubringerbus. Das passte! Der Bus war klimatisiert und fuhr etwa 50 Meter weit. Dann durften wir wieder aussteigen. Zwischendurch schnappten wir nicht nur kühle Luft, sondern auch Insider-Informationen auf. So zum Beispiel über die aktuellen Wartungsarbeiten an der Cougar-Flotte der Flugbereitschaft.

Nach einer akustisch völlig unverständlichen Begrüßung durch die oben genannten Protagonisten schwemmten die Anwesenden ins Heck der Transportmaschine.

Airbus A400M ICAE Intensivstation
Airbus A400M ICAE Intensivstation - Oberstarzt Axel Hoepner erklärt Staatssekretär Benedikt Zimmer (rechts) die Details der Intensiv-Versorgung.
Die fliegende Intensivstation bietet Platz für sechs Patienten. Diese müssen transportfähig sein. Operiert wird im Flugzeug nicht - jedenfalls soweit es sich vermeiden lässt. Die Betten werden durch die Liegeflächen der Krankentragen ersetzt. Alles sehr funktional. Die sechs Tragen werden jeweils auf eine Art Kommode geschnallt. Diese verfügt über Sauerstoffvorräte, Spritzen, Verbandszeug und was sonst noch das Herz eines Mitarbeiters auf der Intensivstation erfreut.

Airbus A400M ICAE Intensivstation
Airbus A400M ICAE Intensivstation - Eines von sechs Krankenbetten für Intensiv-Patienten
Über Monitore können die Lebenszeichen überwacht werden. Ein als Arzt ausgebildeter Oberst kümmert sich um die Patienten, während ein Hauptmann die Maschine nach Hause steuert. Generalarzt Schick berichtete, dass der A400M auch für einen Patienten fliegt. Sechs Intensivpatienten seien die Obergrenze, aber kein Grund, erst einmal fünf Patienten warten zu lassen. Hier gehe Lebensrettung und Gesundheit vor kaufmännische Erwägungen.

Airbus A400M ICAE Intensivstation
Airbus A400M ICAE Intensivstation - Generalarzt Prof. Dr. Rafael Schick
Rafael Schick hat viele Hüte auf und ist regelmäßig im Bundesgebiet und im Ausland unterwegs. Er leitet unter anderem das Zentrum für Luft- und Raumfahrt der Bundeswehr in Köln. Geduldig und kompetent beantwortete der Generalarzt sämtliche Fragen der Journalisten. Dabei waren noch Spuren seiner süddeutschen Wurzeln zu hören.

Airbus A400M ICAE Intensivstation
Airbus A400M ICAE Intensivstation - REMOVE BEFORE FLIGHT an den Propellern
Fast zwei Stunden hatten wir Zeit, die Maschine und deren Innenleben zu erkunden. Dann wurden die roten Bänder "REMOVE BEFORE FLIGHT" von den Propellern entfernt. Die wenigen Meter bis zur Rasenkante fuhren wir diesmal nicht mit dem Bus. Hinter dem A400M rollte eine kleine weiße Maschine der Flugbereitschaft entlang. Beim A400M wurde das Heck geschlossen, die Seitentür hochgeklappt und die Propeller angelassen.

Airbus A400M ICAE Intensivstation
Airbus A400M ICAE Intensivstation - Hoch oben im Cockpit sitzen zwei Piloten und mehrere Besatzungsmitglieder.
Zuerst bewegten sich die äußeren Motoren. Danach die Inneren. Die optische Täuschung suggerierte eine gegenläufige Drehung. Es wurde immer lauter und die Propeller immer schneller. Vorab war Gehörschutz ausgeteilt worden. Der graue Airbus rollte los, drehte eine Runde für die Kameras und entschwand langsam den Blicken. Um 11:24 Uhr hob die Intensivstation ab - schnell, steil und direkt vor unserer Kameraposition.

Airbus A400M ICAE Intensivstation
Airbus A400M ICAE Intensivstation - LTG 62 - Lufttransportgeschwader 62 in Wunstorf
Ziel war das Lufttransportgeschwader 62 in Wunstorf - kurz LTG 62. An das LTG 62 wurden bisher 19 Airbus A400M geliefert. Mit der Konfiguration ICAE (Intensive Care Aeromedical Evacuation) verfügt das Geschwader nun auch über eine fliegende Intensivstation.

Airbus A400M ICAE Intensivstation
Airbus A400M ICAE Intensivstation - Start in Tegel mit dem Ziel LTG 62 in Wunstorf
Wegen der guten Versorgung mit Wasser - auch während der Flugzeug-Begehung - musste keiner der Anwesenden medizinisch betreut werden. Wohlbehalten liefen alle zurück in die VIP-Lounge und ließen bei eiskalter Cola und üppigen Currywurst/Pommes für 2,50 Euro den spannenden Vormittag ausklingen. Ein Arzt in weißer Uniform erkundigte sich dabei nach den Erkenntnissen aus dem A400M ICAE und stellte detaillierte Fragen, die nur Generalarzt Rafael Schick hätte beantworten können. Man kann ja schließlich nicht auf alles achten.

Video:
Generalarzt Prof. Dr. Rafael Schick und Kommodore des Lufttransportgeschwaders 62, Oberst Ludger Bette, stellen Staatssekretär Benedikt Zimmer den Airbus A400M mit Intensivstation vor.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 27. Juli 2018

Heinrich VIII. und seine Perle - Entdeckungen im Ministry of Defense

Vorab: Heinrich der VIII. ist nicht zu verwechseln mit Heinrich IV. - Heinrich IV. war Franzose und lebte von 1553 bis 1610 und fungiert bis heute als Trendsetter für Männer, die sich mit ihrer Bart-Mode um Jahrzehnte älter machen möchten. Der Bartschnitt nennt sich nach dem König "Henriquatre" - zu Deutsch "Ongrikattre".

Heinrich der VIII. war Engländer und lebte von 1491 bis 1547. Er war es auch, der zwar ein leidenschaftlicher Liebhaber war, aber keinen Sohn als Thronfolger zustande brachte. Da ein König per Amt keine Fehler macht, musste das an den Frauen liegen. Zwei von sechs Frauen wurden deshalb hingerichtet. Die anderen waren zu adelig oder ungefährlich, so dass sie die Scheidungen unversehrt überlebten.

Um die Frauengeschichten den eigenen Vorstellungen anpassen zu können, löste sich Heinrich VIII. vom katholischen Rom und machte seine eigene Kirche auf. Strukturell blieb Vieles beim Alten, nur dass der König statt des Papstes das Oberhaupt darstellte.

Weinkeller Heinrich VIII. Ministry of Defense MoD London
Zugang zum Weinkeller Heinrich VIII. im Keller des Ministry of Defense (MoD) in London
Heinrich VIII. liebte aber nicht nur Frauen, sondern auch den Wein. So war er zwar kein Trendsetter bei der Bart-Mode, dafür aber für einen Lebensstil mit "Wein, Weib und Gesang". Ein wichtiger Zeitgenosse des Königs war Kardinal Thomas Wolsey. Durch die Umstrukturierung der Kirche in England kam dieser zu erheblicher Macht.

Thomas Wolsey ließ in seinem Anwesen an der Themse einen Weinkeller bauen. Dieser war in den Palast integriert und hatte einen direkten Zugang zum Fluss. Dadurch konnten die Weinfässer auf dem Wasser geliefert und sofort in den Keller gerollt werden. Neun Fässer sollten für ein zünftiges Trinkgelage ausreichend gewesen sein. In den Keller passen bequem 45 Personen, also ein Fass für fünf Personen. Bei einer Stehparty würden wohl auch 90 Personen in den Raum gehen, aber das wird dann schon sehr eng und ein Fass müsste zu zehnt geteilt werden.

Weinkeller Heinrich VIII. Ministry of Defense MoD London
Der Weinkeller Heinrich VIII. im Ministry of Defense (MoD) in London bietet Platz für bis zu 90 Personen und wird gerne für offizielle Anlässe mit Bewirtung genutzt.
Ein zweiter Zugang führte in den damaligen Palast. 1698 stand London in Flammen. Diese haben auch auf den Wänden des Weinkellers ihre Spuren hinterlassen. Das darüber liegende Haus brannte komplett ab. Anschließend wurde das Cromwell House über den Weinkeller gebaut. Im späten 19. Jahrhundert übernahm die Regierung das Cromwell House und nutzte den Weinkeller als Kantine.

Irgendwann kamen Pläne für ein neues Gebäude an diesem Standort auf. Die Pläne harmonierten allerdings nicht mit dem Weinkeller. Der Keller störte die Positionierung des neuen Fundamentes. 1949 wurde deshalb eine bemerkenswerte Ingenieursleistung vollbracht. Innerhalb von nur drei Monaten wurde der komplette Weinkeller 18 Fuß und 9 Zoll nach unten versetzt und 10 Fuß nach Westen. Das entspricht einer Tieferlegung von knapp 5,5 Metern und einer Westwärts-Bewegung von etwa 3 Metern.

Weinkeller Heinrich VIII. Ministry of Defense MoD London
Der Weinkeller Heinrich VIII. ist im Fundament des Ministry of Defense (MoD) in London eingebettet. Die Außenseite ist freigelegt und mit diversen Infotafeln ausgestattet. Dem Gast kann also weder innen noch außen langweilig werden.
Danach konnte der Weinkeller zu einer Perle gemacht werden. Eine Perle, die in den Tiefen eines riesigen Gebäudekomplexes schlummert - dem Ministry of Defense (MoD). Gitter-Tore, massive Metall-Tore, ein Fotoshooting und eine dick verglaste Zugangsschleuse trennen den London-Touristen von der Vorhalle des Ministeriums. Es gibt Menschen, die diese Hürden überwinden und in der Vorhalle sitzen, angeregt diskutieren und ihre Sandwiches verspeisen.

Nach dem Passieren unzähliger Türen, Gänge und Treppen gelangt der Besucher schließlich in die Tiefen des Hauses. Schwarz getünchte Wände, Tafeln mit Bildern und Texten und in der Mitte - der Schatz, die Perle des MoD, der Weinkeller Heinrich VIII.

Autor: Matthias Baumann