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Donnerstag, 1. Oktober 2020

#MSC2021 "Zeitenwende | Wendezeiten" Munich Security Report in Berlin vorgestellt

Unter schweren Sicherheitsvorkehrungen fand heute die Präsentation des Munich Security Reports "Zeitenwende | Wendezeiten" statt. Die Sicherheitsvorkehrungen konzentrierten sich hauptsächlich auf die Anzahl der Teilnehmer, die Abstände der Sitzplätze und das liebevoll gestaltete Ambiente an den Plätzen. So war ein Aufstehen und Herumlaufen während der Veranstaltung nicht nötig: "Händewende | Wendehände" Desinfektion, ein Karton mit dem Lunch zum "Launch of the MSR Special Edition", Notizhefte, Kugelschreiber, Wasserflaschen, Kopfhörer und die Zettel mit Tischnummer und Adressfeld waren in greifbarer Nähe. Die MSC-Mitarbeiter liefen mit Gesichtsmasken und Handschuhen durch den Saal und desinfizierten regelmäßig die Mikrofone und das Rednerpult.

Das war die erste Präsenzveranstaltung der MSC (Münchner Sicherheitskonferenz) seit Corona. Wenige Wochen nach der #MSC2020 in München war der Lockdown durchgesetzt worden. Mitte Februar war in mäßig besuchten Side Events noch über das asiatische Problem Corona gesprochen worden. Kurz darauf hatten wir es selbst.

#MSC2021 - #MSR Munich Security Report "Zeitenwende | Wendezeiten" in Berlin vorgestellt
#MSC2021 - Munich Security Report MSR "Zeitenwende | Wendezeiten" im Deutschen Historischen Museum im Herzen Berlins vorgestellt. Auch wenn die Geschichte in den letzten sechs Jahren eine überhöhte Geschwindigkeit aufgenommen hat, referenzieren der Veranstaltungsort und der Titel des Reports auf 30 Jahre Deutsche Einheit.

Wie schnell sich weltpolitische Tatsachen ändern, zeigte dann auch das Eingangsstatement Wolfgang Ischingers. Er nahm die MSC im Februar 2014 als Markierung und skizzierte, was man damals noch nicht wusste: dass Russland die Krim annektiert, dass 2016 Donald Trump gewählt wird, dass Russland aktiv in Syrien eingreift, dass es den Brexit geben wird, dass Xi Jinping den chinesischen Kommunismus restauriert, dass 2015 die Flüchtlingskrise beginnt. 2014 ist gerade einmal sechs Jahre her. Die Weltpolitik entwickelt sich schneller, als so manch ein Staat inklusive Deutschland damit Schritt halten könnte.

Man müsse sich schnell und konsequent von den bisherigen "Lebenslügen" trennen. Davon, dass die USA schon auf uns aufpassen werden, dass die EU innenpolitisch die gleichen demokratischen Werte vertrete oder dass die westliche Kultur eine dauerhafte Leitkultur sei. Laut einer Umfrage habe es die Bevölkerung schon verstanden, dass wir uns in einem dramatischen Transformationsprozess befinden. Allein die Bundespolitik in Berlin sei noch in einem Stadium der Selbstverliebtheit gegenüber althergebrachten Arbeitsmethoden. Der Bericht "Zeitenwende | Wendezeiten" will die Politik aufrütteln und in eine Phase der Selbstreflexion schicken. Bisher leiste sich die Bundesregierung noch den Luxus eines "unsystematischen und unkoordinierten" Herangehens an globale Herausforderungen.

Diese Punkte wurden auch in der anschließenden Diskussionsrunde bestätigt. Im Zentrum stand weiterhin die Rolle Deutschlands in der Weltpolitik. Robin Niblett, Chef des Chatham House in London, lobte Deutschland für sein Engagement: Wenn Deutschland gebraucht werde, liefert es. Wenn Geld gebraucht werde, zahlt Deutschland. Auch wenn es Flüchtlingsströme zu bewältigen gebe, macht Deutschland einfach. Genau das sei "Leadership". Während Großbritannien durch den Brexit eher mit sich selbst beschäftigt ist, übernehme Deutschland als "Soft Power" Verantwortung.

Diese "Soft Power" gefällt Staaten aus dem Baltikum nur bedingt. So warf Kadri Liik aus Estland ein, dass softe Ansprache mit harter Power untermauert sein müsse. Der softe Umgang mit Russland spiele lediglich Putin in die Hände und mache die mögliche Stärke Europas unglaubwürdig. Estland datiert den Wendepunkt in der Russlandpolitik auf 2011 zurück. Damals war der Umbau auf eine Langzeitregierung Putins eingeleitet worden.

Auch Polen schaut auf Deutschland. Slowomir Debski vom Polnischen Institut für Internationale Angelegenheiten wirkte schon fast wie ein Kaninchen, das der Schlange begegnet, als er vom Abzug der amerikanische Truppen aus Europa redete. Polen braucht einen Ersatzpartner, der nach ihm schaut. Warum Polen dann immer wieder mit verschiedenen Sticheleien gegen Deutschland aufwartet und auch seine 800 neuen Panzer lieber in Südkorea als bei Krauss-Maffei Wegmann in München kaufen möchte, ist angesichts dieser Situation unklar.

Nathalie Tocci aus Rom forderte mehrfach zum Handeln auf. Deutschland übernehme zwar gerne die Kosten, scheue sich aber vor jeglicher Art des Risikos. Es werde über die wichtigen Themen nachgedacht, darüber geredet oder geschrieben. Aber es werde viel zu wenig getan. Deutschland müsse endlich aus seinem Schlaf erwachen. Ja, es gehe nach dem Aufrütteln durch "Zeitenwende | Wendezeiten" darum, dass Deutschland nicht wieder einschläft: "How to avoid falling back to sleep?"

Es ist nun an den etwa 70 Teilnehmern der heutigen Präsentation, diese Gedanken in ihren Netzwerken zu multiplizieren. Das Auswärtige Amt, Gesellschaften für Sicherheits- und Außenpolitik, Botschafter, Analysten, Greenpeace oder die Bundeswehr-Redaktion waren vor Ort und haben jede Menge Denkanstöße sowie Exemplare des 226-seitigen Munich Security Reportes mitgenommen.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 25. September 2020

AKK auf Truppenbesuch bei den Heeresfliegern in Faßberg

Truppenbesuche mit Annegret Kramp-Karrenbauer haben den Charme, dass auch Action dabei ist. Bei ihrer Vorgängerin konnte man kilometerweit durch das Land reisen, um letztlich nur eine statische Vorführung vor die Linse zu bekommen. Statische Vorführung heißt, dass eine Kanone, ein Panzer, ein Container, ein Zelt, ein Bildschirm irgendwo hingestellt werden und die Protagonisten des Termins das erklärt bekommen. Alles ohne Knall und Peng. Auch in diesem Bereich setzt AKK neue Akzente. Im Programm für den Truppenbesuch in Faßberg stand "Vorstellung Waffensystem NH90" - wie langweilig, wenn es denn als Static Display (statische Vorführung) stattgefunden hätte. Vor Ort erfuhren wir, dass tatsächlich ein Szenario mit fliegenden Hubschraubern vorbereitet worden war.

AKK Truppenbesuch Heeresflieger Transporthubschrauberregiment 10 Fliegerhorst Faßberg
AKK zum Truppenbesuch bei den Heeresfliegern: Transporthubschrauberregiment 10 auf dem Fliegerhorst Faßberg - Sicherungshubschrauber mit Besatzung

Stichwort "fliegende Hubschrauber": Bereits im letzten Jahr war eine groß angelegte Hubschrauber-Übung (Green Griffin) im Großraum Uelzen durchgeführt worden - ganz in der Nähe des heutigen Schauplatzes. Über die zwei Wochen Green Griffin gab es so gut wie keine Ausfälle. Auch die Interaktion zwischen deutschen und niederländischen Soldaten hatte hervorragend funktioniert. "Luftbewegliche Truppen" wie Fallschirmjäger gehören nicht etwa zur Luftwaffe, sondern zum Heer. Ihre Besonderheit besteht in der Art, wie sie einen Weg von A nach B zurücklegen. Deshalb unterhält auch das Heer eigene Flugzeuge und Hubschrauber. Heeresflieger sind gelegentlich dem Neid und Spott ihrer bodenbehafteten Kameraden ausgesetzt. Das stört auf dem Fliegerhorst Faßberg aber niemanden. Dort leben sie in konstruktiver Gemeinschaft mit einem Ausbildungszentrum der Luftwaffe zusammen.

In Faßberg ist ein komplettes Regiment der Heeresflieger stationiert: das Transporthubschrauberregiment 10 - kurz TrspHubschrRgt 10. Ein Regiment gleicht von der Mannschaftsstärke und der Aufteilung in Kompanien durchaus einem Bataillon. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass ein Regiment alle Fähigkeiten besitzt, um selbständig und ohne externe Kräfte agieren zu können. Ein Bataillon ist immer noch auf externe Ergänzungen angewiesen.

AKK Truppenbesuch Heeresflieger Transporthubschrauberregiment 10 Fliegerhorst Faßberg
AKK zum Truppenbesuch bei den Heeresfliegern: Transporthubschrauberregiment 10 auf dem Fliegerhorst Faßberg - Die Ministerin blickt durch einen NH90 - im Vordergrund eines der beiden Maschinengewehre 12,7 mm

Die Ministerin kam heute nicht mit dem üblichen Hubschrauber Cougar, sondern mit einer kleinen Düsenmaschine aus der Global-Baureihe von Bombardier eingeflogen. Auf dem Rollfeld wurde sie von den zuständigen Offizieren und einigen Politikern begrüßt. Der Kontakt zu regionalen Entscheidungsträgern ist wichtig für das Klima zwischen Bundeswehr und Anwohnern.

Nach einem kurzen Gespräch mit dem stellvertretenden Kommandeur des Regimentes ging es auch schon los: Zwei Hubschrauber NH90 donnerten über das Rollfeld. Der erste Hubschrauber sicherte das Areal aus der dritten Dimension (Luft) mit Präsenz und zwei schweren Bordmaschinengewehren 12,7 mm. Der zweite NH90 war für die Aufnahme eines Verletzten zuständig. Er landete und wurde am Boden von Besatzungsmitgliedern mit G36 gesichert. Nach 40 Sekunden schloss sich die Klappe hinter dem Verletzten und der NH90 konnte wieder abheben. Flankiert durch den Sicherungshubschrauber flog er zu einer geeigneten Stelle, an der er den Patienten an den Sanitätsdienst übergeben konnte. Dieses Szenario wird oft geübt, weil es dem Alltag in Mali und Afghanistan entspricht.

AKK Truppenbesuch Heeresflieger Transporthubschrauberregiment 10 Fliegerhorst Faßberg
AKK zum Truppenbesuch bei den Heeresfliegern: Transporthubschrauberregiment 10 auf dem Fliegerhorst Faßberg - Statement zum Truppenbesuch vor einem NH90

So interessierte sich die Ministerin in den anschließenden Gesprächen sehr für die persönliche Betroffenheit der Soldaten im Auslandseinsatz. Auch fragte sie nach der Zufriedenheit mit Material und Flugstunden. Sie bekam darauf ehrliche Antworten und das Hausaufgabenheft füllte sich. In ihrem Statement dankte sie den Soldaten und freute sich über gewisse Teilerfolge, die bei der Ausrüstung schon erzielt wurden. Auch für 2021 konnte der Verteidigungshaushalt nominell gesteigert werden. Der NH90 wird in der Kabinettsvorlage explizit erwähnt - allerdings als Marinehubschrauber. Im Fokus des neuen Haushaltes stehen Rüstungsbeschaffung und Digitalisierung. Annegret Kramp-Karrenbauer wird nicht müde, dieses Thema ins Bewusstsein ihrer Politikkollegen zu bringen.

Autor: Matthias Baumann

Video: Truppenbesuch beim TrspHubschrRgt 10 (Heeresflieger) auf dem Fliegerhorst Faßberg

Donnerstag, 24. September 2020

Serenade für die Generale Markus Kneip, Ludwig Leinhos und Erhard Bühler

Heute Abend findet auf der Hardthöhe in Bonn eine Serenade zur Verabschiedung von drei Generalen statt. Besonders Generalleutnant a.D. Bühler sollte das freuen. War er doch nach 44 Dienstjahren im Mai ohne Sang und Klang in den Ruhestand verabschiedet worden. Corona hatte seinen Großen Zapfenstreich im Bendlerblock verhindert. Seit der Panne mit der medienwirksamen Lieferung von 10 Millionen Schutzmasken ist die Bundeswehr sehr vorsichtig, was Hygieneregeln angeht. Das setzte sich bis zum traditionellen Gelöbnis am 20. Juli fort. Auch dieses fand als mikroskopische Version im Stauffenberg-Saal des Ministeriums statt.

Corona-Zapfenstreich

Inzwischen ist der Umgang mit der Pandemie zum Alltag geworden, man arrangiert sich mit den Regeln und entwickelt neue Formate. "Leben in der Lage" sozusagen. Die neuen Formate enthalten bewährte Teile und nehmen auf die Hygiene Rücksicht. So marschieren die Formationen entweder in einem sicheren Abstand ein und aus oder tragen während des Marsches eine Mund-Nasen-Bedeckung. Dann "fächern sie sich auf" und stehen in bis zu zwei Metern Abstand.

Serenade für die Generale Markus Kneip, Ludwig Leinhos und Erhard Bühler
Serenade für die Generale Markus Kneip, Ludwig Leinhos und Erhard Bühler (Foto: Archiv 09/2019)

Auch die heutige Serenade in Bonn ist keine der gewohnten Serenaden. Sie ist ein Mix aus Großem Zapfenstreich und Serenade. Das Wachbataillon reist dazu mit 70 Fackelträgern an und veranstaltet den ersten Life-Test für den Corona-Zapfenstreich. Es gibt aber noch weitere Besonderheiten: Diesmal werden drei liebevoll gebastelte Urkunden übergeben - für jeden General eine. Zudem werden acht Wunschstücke gespielt. Die drei mal drei Wünsche hatten sich wohl überschnitten.

General Markus Kneip

General Markus Kneip ist einer der wenigen Generale, die mit vier Sternen auf der Schulter verabschiedet werden. Wer ihn persönlich kennt, beschreibt ihn als sportlichen und zähen Kameraden. 2011 wurde in Afghanistan ein Sprengstoffattentat auf ihn verübt. Sein Personenschützer Tobias Langenstein wurde dabei getötet und Markus Kneip schwer verletzt. Der drahtige Mann erholte sich innerhalb eines Jahres und ging wieder nach Afghanistan. Mit dieser Einstellung wurde er ein Vorbild für viele Bundeswehrangehörige. Tobias Langenstein gehörte zu einem Feldjägerkommando aus Bremen. Seit 2018 trägt eine Kaserne in Hannover seinen Namen. Die letzte dienstliche Station brachte Markus Kneip als Chef des Stabes des Allied Command Operations der NATO zum Supreme Headquarters Allied Powers Europe nach Mons/Belgien. Solch ein Dienstposten ist dann auch einen vierten Stern wert.

Generalleutnant Ludwig Leinhos

Seine beiden Kameraden Leinhos und Bühler hatten es nur zu drei Sternen geschafft: Generalleutnant. Ludwig Leinhos und Erhard Bühler hatten mehrere NATO-Posten inne, was ein geeignetes Sprungbrett in höhere Dienstgrade darstellt. Ludwig Leinhos kam schon recht früh mit Fernmeldewesen und IT in Berührung. Deshalb war er prädestiniert für den Aufbau des Kommandos Cyber-Informationsraum (CIR). Dieses ging 2017 als eigenständiger Organisationsbereich an den Start. Es gibt übrigens einen Unterschied zwischen Teilstreitkraft und Organisationsbereich: Teilstreitkräfte (TSK) sind Heer, Luftwaffe und Marine. Organisationsbereiche sind die Streitkräftebasis, der Sanitätsdienst und neuerdings auch CIR. Ludwig Leinhos war sozusagen Architekt, Erbauer und erster Inspekteur des Organisationsbereiches CIR.

Generalleutnant Erhard Bühler

Erhard Bühler hatte bei der Panzertruppe und in Auslandseinsätzen seine Erfahrungen gesammelt. 2017 stand er hoch im Kurs als Chef des EU-Militärausschusses. Das wusste Frankreich zu verhindern. Die Grande Nation wollte lieber einen Vertreter ihres Landes auf diesem Platz sehen. Deshalb präsentierten sie General Denis Mercier. Letztlich landete der Italiener Claudio Graziano auf diesem Platz - ein sehr umgänglicher 4-Sterne-General. Erhard Bühler ging dann als Befehlshaber des Allied Joint Force Command (JFC) ins belgische Brunssum. Im April wurde er dort durch Generalleutnant Jörg Vollmer, den ehemaligen Inspekteur des Heeres, abgelöst und anschließend in den Ruhestand verabschiedet.

Autor: Matthias Baumann

Video: Serenade für die Generale Kneip, leinhos und Bühler auf der Hardthöhe in Bonn

Samstag, 12. September 2020

Indo-Pazifik-Leitlinien und die maritime Präsenz Deutschlands in Südostasien

Mitte Juli führte das IISS (International Institute for Strategic Studies) eine Webkonferenz mit dem amerikanischen Verteidigungsminister Mark T. Esper durch. Interessierte Teilnehmer konnten Fragen stellen und sich über die neuesten sicherheitspolitischen Vorhaben der USA im indo-pazifischen Raum informieren. Mark T. Esper und sein Kollege Pompeo (Außenminister) haben seit vielen Monaten ein zentrales Thema: China. Das Feindbild China treibt zuweilen so viel Adrenalin in die amerikanische Politik, dass der damit verbundene Tunnelblick regelmäßig alte Partner und andere Weltregionen ausblendet. Die Webkonferenz fand jedoch in einer entspannten Atmosphäre statt, so dass die gesamte Region des Indo-Pazifik wahrgenommen wurde. Der Minister skizzierte drei Säulen als Grundlage amerikanischer Indo-Pazifik-Politik:

  • Vorbereitet sein
  • Partnerschaften ausbauen
  • Partner miteinander vernetzen

Vorbereitet sind die USA bereits durch ein massives Aufkommen von Kriegsschiffen in der Nähe des Südchinesischen Meeres. Diese nehmen regelmäßig an Übungen teil und zeigen Präsenz. "Show of Force" (Gewalt zeigen) nennt sich solch eine Präsenz, die eher zur Abschreckung als zum eigentlichen Eingriff dienen soll. Die Aktivitäten Chinas im Südchinesischen Meer beunruhigen Staaten wie Vietnam, die Philippinen, Malaysia, Indonesien, Taiwan und auch Japan. China baut dort konsequent Inseln zu Militärstützpunkten aus. Damit erhöht es die Reichweite seiner Waffensysteme und die Präsenz in Gewässern, die auch von anderen Nationen zu Fischereizwecken genutzt werden.

Indo-Pazifik-Leitlinien und die maritime Präsenz Deutschlands in Südostasien
Indo-Pazifik-Leitlinien durch das Bundeskabinett verabschiedet - Es geht um offene Seewege, offene Märkte und Freihandel. Wer fängt wen im Indo-Pazifik?

China redet offen über seine Ziele. Man muss nur zuhören. So will China spätestens 2049 wieder Kriege gewinnen. Damit wird China zu einem Problem, das nicht nur die USA betrifft. Deshalb war die Liste der möglichen Partner Amerikas sehr lang. Mark T. Esper wurde gar nicht mehr fertig mit seiner Aufzählung, die von Japan bis Singapur reichte. Um bilaterale Beziehungen zwischen den USA und diesen Partnern auch als tragfähiges Netz zu etablieren, werden auch die Verflechtungen untereinander gefördert. Im Interesse gegenüber China verschwinden dabei Grenzen von Religionen und Wirtschaftssystemen. Plötzlich sitzen Buddhisten, Hinduisten, Moslems, Christen, Kommunisten, Sozialisten und westlich geprägte Demokratien in einem Boot.

Am 2. September 2020 - also eineinhalb Monate später - verabschiedete das Bundeskabinett seine eigenen Indo-Pazifik-Leitlinien. Diese ähneln den amerikanischen Anliegen durchaus. Mit China geht man allerding in der Formulierung etwas gemäßigter um. Dennoch zeigt sich die Bundesregierung besorgt über die Wahrung deutscher Interessen in der Region. Zu nennen wären hier: Frieden, Sicherheit, offene Seewege, offene Märkte, Freihandel und Umweltschutz. Diese Interessen sollen unter Beachtung folgender Regeln durchgesetzt werden: Handeln im Verbund der EU, Multilateralismus, regelbasierte Ordnung, Menschenrechte, Einbeziehung regionaler Akteure sowie Partnerschaft auf Augenhöhe.

Die regionalen Partner entsprechen in etwa der Aufzählung von Mark T. Esper. Dennoch wolle die Bundesregierung gemäß eines Sprechers des Auswärtigen Amtes mit allen Partnern gleichermaßen kooperieren. Das beziehe zwar die USA als Pazifikstaat ein, gewähre ihr jedoch keine bestimmende Rolle.

Indo-Pazifik-Leitlinien und die maritime Präsenz Deutschlands in Südostasien
Indo-Pazifik-Leitlinien durch das Bundeskabinett verabschiedet - Deutschlands Marine auf dem Weg nach Asien?

Interessant ist in den Indo-Pazifik-Leitlinien das mehrfache Vorkommen der "maritimen Präsenz". Die "maritime Präsenz" ist militärisch zu verstehen. Sie soll bei der Bekämpfung der Piraterie, beim Abschneiden von Bewegungsrouten des internationalen Terrorismus, zur Sicherung offener Seewege und für Seemanöver dienen. Dass der Indo-Pazifik für das Verteidigungsministerium ein ernstes Thema ist, zeigt sich daran, dass sich die Ministerin am Donnerstag mit Botschaftern der ASEAN-Staaten getroffen hat. Dabei betonte sie den maßgeblichen Einfluss ihres Ministeriums auf die Verfassung der Indo-Pazifik-Leitlinien.

Das sportliche Anbieten maritimer Präsenz veranlasste zur Nachfrage, bis wann denn die Marine in der Lage wäre, solch eine Aufgabe personell und materiell zu leisten. Die Marine ist mit ihren knapp 16.000 Soldaten immerhin die kleinste Teilstreitkraft in Deutschland. Die Marine verfügte 2019 über sechs U-Boote, sieben Fregatten und acht Zerstörer. Wenn Frankreich als Partner mitzieht, würden 35.000 Soldaten, neun U-Boote, ein Flugzeugträger, elf Zerstörer und elf Fregatten dazukommen. Das sind Zahlen, deren Vergleich mit China der Volksmund mit dem Attribut "nett" belegen könnte. China hat 250.000 Marinesoldaten, 59 U-Boote, einen Flugzeugträger, 28 Zerstörer und 52 Fregatten.

Man kann also gespannt sein, wie sich das gegenseitige "Show of Force" noch entwickelt. Dass deutsche Schiffe so bald ins Südchinesische Meer aufbrechen, sei laut Verteidigungsministerium nicht zu erwarten. Bis dahin könne man in Ruhe die notwendigen Fähigkeiten aufbauen. Letztlich müsse die Mandatierung eines solchen Einsatzes trotz der verabschiedeten Leitlinien noch durch die parlamentarischen Instanzen laufen.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 2. September 2020

Peter Tauber besucht die Logistikschule in Garlstedt

Jedes Jahr durchlaufen etwa 13.000 Teilnehmer über 220 Trainingstypen an der Logistikschule der Bundeswehr im niedersächsischen Garlstedt. Wie diese Ausbildung auch unter Corona-Hygienemaßnahmen funktioniert, darüber machte sich heute der parlamentarische Staatssekretär Dr. Peter Tauber ein Bild vor Ort.

Nachdem er vom Kommandeur der Logistikschule, Brigadegeneral André Denk begrüßt und in den Auftrag der Schule eingewiesen worden war, ging es zur ersten Besichtigungsstation, dem logistischen Übungszentrum. Hier zeigte der stellvertretende Leiter dieses Bereichs, Oberstleutnant Christoph Schladt, dem Besucher die einsatznahe Ausbildung von Soldatinnen und Soldaten, die in Kürze ihren Dienst im Auslandseinsatz - beispielsweise in Mali - versehen werden.

Bei dieser Station stellte Dr. Tauber fest, dass die Ausbildungsansprüche an die Truppe in den letzten Jahren deutlich gestiegen seien. Die Bundeswehr von heute muss sich neben der Ausbildung der Einsatzkontingente für Auslandseinsätze auch vermehrt der gewachsenen Herausforderung der Bündnis- und Landesverteidigung stellen.

Peter Tauber besucht die Logistikschule LogSBw in Garlstedt
Peter Tauber besucht die Logistikschule der Bundeswehr (LogSBw) in Garlstedt - hier beim Funktionstest eines Bergepanzers - Foto: Andreas Plaggenmeier
Danach ging es in den technischen Bereich, also den Ort der Schulgeländes, an dem das schwere Gerät und die Fahrzeuge untergebracht sind. Dort wurde der Gast von Oberst Klaus-Dieter Betz, Leiter Bereich Lehre und Ausbildung sowie stellvertretender Kommandeur der Logistikschule, umfangreich eingewiesen. Das hierzu eingesetzte Fahrzeug, ein Schwerlasttransporter, veranschaulichte die Schwere der Aufgabe, der sich alle Beteiligten stellen.

Einen Einblick in die praktische Ausbildung erhielt der Staatssekretär dann an in den folgenden Stationen. Als erstes wurde die Ausbildung am Containerstapler ORION präsentiert, ein geländegängiges Fahrzeug, welches sowohl als Gabelstapler als auch als Containerumschlagfahrzeug genutzt werden kann. Hier fragte Dr. Tauber beim  Ausbildungsleiter nach, ob man mit dem Gerät zufrieden sei: Ja! Die Herausforderungen beim Umgang lägen unter anderem in den motorischen Fähigkeiten des Bedienungspersonals.

Ein deutlich schwereres Fahrzeug wurde dann an der nächsten Station präsentiert. Der Bergepanzer 3 ist ein Kettenfahrzeug, das unter Gefechtsbedingungen ausgefallene Panzer bergen kann. Hier ließ es sich Dr. Tauber nicht nehmen, den 12-Zylinder-Motor aus dem Leopard 2 einem Funktionstest zu unterziehen. Nach Einweisung durch Fachpersonal natürlich.

Ein schönes Beispiel für ein gelungenes Rüstungsprojekt konnte dann an der letzten Station besichtigt werden. Im Jahr 2017 bestellte das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr insgesamt 33 Bergekranfahrzeuge G-BKF, deren Auslieferung vor kurzem zeit- und budgetgerecht begann. Die Logistikschule der Bundeswehr bildet nun die Soldaten aus, die später in der Truppe die eigentlichen Besatzungen der Fahrzeuge schulen.  Auch hier ließ es sich Dr. Tauber nicht nehmen, das neue Fahrzeug einem ausführlichen Funktionstest zu unterziehen.

Video:
Dr. Peter Tauber an der LogSBw in Garlstedt

Gastbeitrag: Andreas Plaggenmeier

Donnerstag, 27. August 2020

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei Bundeskanzlerin Angela Merkel

Die Kanzlerin hatte heute ein stilechtes Jäckchen an: Dunkelgrün. Die Farbe der NATO ist zwar Blau, aber Grün passt zum Umfeld, in dem die Soldaten trainieren. Am Vormittag traf sich NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit Angela Merkel zu Gesprächen. Diese waren vollgepackt mit aktuellen Themen. Themen, die erschreckend nah an das Gebiet der EU herangerückt sind und sogar als Konflikt zwischen NATO-Partnern ausgetragen werden. Es ging um das östliche Mittelmeer, Belarus und die Verteidigungsfähigkeit Europas.

Letztere ist insofern wichtig, weil die Gefahr einer zweiten Amtszeit amerikanischer Unberechenbarkeit besteht. Der NATO-Generalsekretär sprach sich deshalb noch einmal für die Stärkung der transatlantischen Beziehungen aus und machte klar, dass auch die Sicherheitsinteressen der USA auf dem Spiel stehen. Alliierte sollten wieder eng zusammenarbeiten. Wie fragil die Zusammenarbeit in der NATO ist, zeigt der momentane Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei Bundeskanzlerin Angela Merkel - FNC Framework Nations Concept
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rande des 7. Treffens des FNC Framework Nations Concept
Jens Stoltenberg war ohnehin in Berlin. Im Hotel InterContinental treffen sich derzeit 20 Verteidigungsminister, in deren Runde der NATO-Chef natürlich nicht fehlen darf. Das Format nennt sich FNC - Framework Nations Concept. Seit 2014 hat Deutschland als "Lead Nation" die Leitung des FNC inne. Schirmherrinm ist die NATO. Nach der ersten Corona-Welle wurde die Gelegenheit genutzt und das insgesamt siebte Treffen anberaumt - unter strengen Corona-Auflagen und mit eingeschränkter journalistischer Begleitung.

16 der 20 Staaten gehören sowohl der EU als auch der NATO an. Es sei der 4. Fortschrittsbericht erarbeitet worden, der laut Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer auf breite Zustimmung stoße. Im Kern gehe es um ein Lagebild und die daraus abzuleitende Stärkung europäischer Fähigkeiten der Selbstverteidigung. Der Tenor folgt ihrer Amtsvorgängerin, die die europäische Verteidigungsfähigkeit stärken wollte, sich aber klar zur NATO inklusive der USA bekannte.

Jens Stoltenberg hütete sich vor Drohungen gegenüber Belarus und stellte lediglich fest, dass dort demokratische Zustände eingehalten werden sollten. Unklarheit herrscht zurzeit noch über den Fortgang des Afghanistan-Einsatzes: "Wie geht es weiter?", fragte die Kanzlerin. Auch das sollte Gegenstand des Gespräches sein.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 8. Juli 2020

Altmunition in Ostsee und Nordsee

Im Schatten der EU-Ratspräsidentschaft hat Deutschland nun auch den Vorsitz der HELCOM übernommen. Das HEL bezieht sich auf die Helsinki-Konvention von 1974. Mitglieder sind die Anrainerstaaten der Ostsee. Grund zu einer Nachfrage, wie es um die Altmunition in Ostsee und Nordsee steht.

Altmunition in Ostsee und Nordsee - Deutschland übernimmt den Vorsitz der HELCOM
Altmunition in Ostsee und Nordsee: Wie lange noch ist unbeschwerter Urlaub an Ostsee und Nordsee möglich?
Seit über zehn Jahren freuen sich Urlauber über üppige Bernsteinfunde am Strand. Wenn sie diese in die Hosentasche stecken, trocknet der vermeintliche Bernstein. Kurz darauf entzündet er sich und fügt dem Finder erhebliche Verbrennungen zu. Der Erholungssuchende hat den Bernstein mit weißem Phosphor verwechselt. Dieser stammt aus verrottenden Bomben und Minen tief unter der Wasseroberfläche. Die Altmunition in der salzigen See ist eine Zeitbombe.

Laut einer 2011 angefertigten Studie ist von 1,6 Millionen Tonnen - also 1.600.000 Tonnen - konventioneller Munition in deutschen Gewässern auszugehen. Davon liegen 1,3 Millionen in der Nordsee. Das ist noch nicht alles. Hinzu kommen 170.000 Tonnen chemischer Kampfstoffmunition in der Nordsee und bis zu 65.000 Tonnen in der Ostsee. Die 90 Tonnen, die allein vor Helgoland lagern, klingen dann schon fast nach einer homöopathischen Menge. Als nördliche Militärbasis hat Helgoland prägende Erfahrungen mit Munition gesammelt. Ein Viertel der Insel war 1947 durch die Briten weggesprengt worden: Bunker und Munitionslager. Die Detonation habe man sogar noch im weit entfernten Cuxhaven wahrgenommen.

Altmunition in Ostsee und Nordsee - Deutschland übernimmt den Vorsitz der HELCOM
Altmunition in Ostsee und Nordsee: 1947 wurde ein großer Teil von Helgoland weggesprengt.
Eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern kam 2018 zu der Feststellung: "Derzeit ist nicht erkennbar, dass eine großräumige Gefährdung der marinen Umwelt über den lokalen Bereich der munitionsbelasteten Flächen hinaus vorhanden oder zukünftig zu erwarten ist. Eine Gefährdung besteht jedoch punktuell für Personengruppen, die im marinen Bereich der Nord- und Ostsee mit Grundberührung tätig sind."

Für die Altmunition ist nicht etwa die Bundeswehr oder die NATO zuständig, sondern das Umweltministerium. Geht es hier doch um eine Gefährdung der Umwelt. So wurde festgestellt, dass Muscheln oder Plattfische in unmittelbarer Umgebung von Sprengkörpern auch deren Schadstoffe aufnehmen. Eine großflächige Verbreitung ist jedoch bis heute nicht erwiesen.

Eine umfangreiche Bergung oder Zerstörung der Altmunition ist ein Generationenwerk. Während Ankertauminen in wenigen Jahren zu beseitigen wären, kann das bei Grundminen oder Fliegerbomben bis zu 20 Jahren dauern. Voraussetzung ist natürlich, dass man mit der Beräumung beginnt. Momentan wird mit den Anrainerstaaten ein Konzept dazu entwickelt. Das Umweltministerium hat das als eines der zentralen Themen auf die Agenda des HELCOM-Vorsitzes gesetzt und hofft auf eine gute Kooperation innerhalb der Kommission.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 8. Mai 2020

75 Jahre Kriegsende und die hohe Wertschätzung über den Gräbern

Durch gemeinsames Gedenken seien neue Beziehungen entstanden - auch über die Grenzen politischer Bündnisse hinweg. So drückte sich der scheidende Evangelische Militärbischof, Sigurd Rink, heute am Rande einer Kranzniederlegung auf dem Commonwealth Friedhof an der Heerstraße aus. Er hatte schon mehrfach von seinen Erfahrungen bei der Auffindung und Umbettung deutscher Soldaten in den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion berichtet. Es finde "Versöhnung über den Gräbern" statt.

75 Jahre Kriegsende Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
75 Jahre Kriegsende - Kranzniederlegungen an Kriegsgräberstätten durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge - Commonwealth Soldatenfriedhof an der Heerstraße
Der Tod macht alle Menschen gleich. Beim ersten Blick über den Soldatenfriedhof kommt das sehr wirkungsvoll zum Ausdruck. Es ist kein Unterschied zu erkennen. Handelt es sich um einen Zeugen Jehovas, einen Katholiken, einen Juden oder einen Atheisten? Auch die Dienstgrade spielen in einem Feld von gleichförmigen weißen Steinen eine untergeordnete Rolle. Erst bei näherer Betrachtung erkennt der noch Lebende einige Details zur Person unterhalb des Steins: Geburtsdatum, Sterbedatum, Religionszugehörigkeit und den Dienstgrad.

75 Jahre Kriegsende Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
75 Jahre Kriegsende - Kranzniederlegungen an Kriegsgräberstätten durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge - Waldfriedhof am Olympiastadion - Evangelischer Militärbischof Dr. Sigurd Rink (links) und Volksbund-Präsident General a.D. Wolfgang Schneiderhan
Bischof Rink ist nachhaltig beeindruckt von der Wertschätzung, die ehemalige Feinde den deutschen Soldaten entgegenbringen. Deshalb engagiert er sich gerne für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Der Volksbund betreut über 830 Kriegsgräberstätten im Ausland. Bis heute werden Umbettungen vorgenommen. Allein in den Jahren 2018 und 2019 wurden über 20.000 Soldaten nach Deutschland überführt und fanden hier eine neue Ruhestätte.

Angehörige suchen nach wie vor nach vermissten Verwandten. Jedes Jahr gehen um die 30.000 solcher Anfragen beim Volksbund ein. Dann ist Forschungsarbeit gefragt, Archive und Datenbanken werden nach möglichen Übereinstimmungen durchforstet. Durch den Klimawandel schmelzen Gletscher und Schneemassen ab. Auf diesem Wege werden die sterblichen Überreste deutscher Soldaten in unwegsamen Bergregionen fernab der Heimat sichtbar und geborgen. Idealerweise tragen sie noch eine Erkennungsmarke. Dann können die Angehörigen relativ schnell informiert werden.

75 Jahre Kriegsende Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
75 Jahre Kriegsende - Kranzniederlegungen an Kriegsgräberstätten durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge - Jüdischer Friedhof an der Heerstraße - von links nach rechts: Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink, Volksbund-Landesgeschäftsführer Martin Bayer, Volksbund Präsident Wolfgang Schneiderhan, Britischer Botschafter Sebastian Wood KCMG
Während an der Neuen Wache die offizielle Kranzniederlegung der Bundesregierung stattfand, absolvierte der Volksbund heute einen wahren Marathon durch Berlin. Es begann mit einer Gedenkveranstaltung auf dem Commonwealth Soldatenfriedhof, ging weiter auf dem danebenliegenden jüdischen Friedhof, wurde fortgesetzt auf dem Waldfriedhof am Olympiastadion und endete am Nachmittag auf dem Friedhof Lilienstraße in Berlin-Neukölln. Es gibt allein in Berlin 172 Kriegsgräberstätten.

Videos:

Autor: Matthias Baumann

Montag, 27. April 2020

Antonov 225 in Leipzig/Halle und die Schutzmasken in Theorie und Praxis

Himmel und Menschen - der erste richtige Pressetermin seit zweieinhalb Monaten. Eine lange Schlange stand vor Tor 71 des Frachtflughafens Leipzig/Halle. "So viele Sender gibt es doch gar nicht", bemerkte die Moderatorin eines unbekannten sächsischen TV-Mediums. Gemäß der Presseeinladung waren die Medienvertreter mit Warnwesten und Schutzmasken erschienen. Selbstgenähte Masken, Einwegmasken, Schals und Tücher. In kleinen Grüppchen durfte man das Häuschen am Tor 71 passieren. Gürtel, Schlüssel, Rucksack, Kamera, Stativ - alles wurde durchleuchtet. Nur der Mundschutz und die nichtmetallische Kleidung blieben an der Person.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert - Medienandrang am geöffneten Bug der Antonov 225
Der gemeine deutsche Journalist ist Brillenträger. Schutzmaske und Brille vertragen sich nicht so gut. Deshalb gab es zunächst Orientierungsprobleme. Sobald die Brille nicht mehr beschlagen war, konnte die Arbeit fortgesetzt werden. Ein Bekannter von der Bundeswehrredaktion schreckte zurück, als ich ihm wie gewohnt die Hand drücken wollte. Ach ja, Corona, geht also nicht.

An einer roten Linie reihten sich die Kameraleute im Abstand von ein bis zwei Metern auf. Das war bei der Menge der Personen gar nicht so einfach. Fast alle hatten noch ihre Masken auf. Regelmäßig beschlugen die Brillen. Sehr lästig. Nach einer kurzen Einweisung mit Hinweis auf Kaffee und Kaltgetränke setzte eine Lockerung ein. Statt der Maske waren plötzlich Kaffeebecher und Plastikflaschen im Mundbereich zu sehen. Wenige Minuten später musste es eine Insiderinformation gegeben haben, so dass sich 80% der Medienvertreter in den Eingangsbereich des benachbarten Hangars begaben. Wie praktisch, wenn man antizyklisch arbeitet und von der gegenüberliegenden Seite aus filmt.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert - Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK redet mit Brigadegeneral Klaus Frauenhoff - im Hintergrund eine Antonov 124 mit ukrainischer Lackierung
Kurz nach halb zehn traf die Ministerin ein. Brigadegeneral Klaus Frauenhoff vom Logistikzentrum der Bundeswehr in Wilhelmshaven stand zur Begrüßung bereit. Nur in welcher der schwarzen Limousinen sitzt sie? Sie entstieg dem ersten Wagen. Gut, dass General Frauenhoff keine Schutzmaske trug. Sonst hätte er vermutlich seine Chefin bloßgestellt. Sie trug nämlich auch keine. Niemand der Insassen der ministeriellen Fahrzeuge trug eine Schutzmaske. Warum auch? Schließlich sollten ja gleich über 10 Millionen Schutzmasken aus China geliefert werden.

Ein dichte Traube umringte die Ministerin und folgte dieser, wohin sie auch ging. Wo die Traube war, war die Ministerin. Wohl dem, der keine Bilder mit Annegret Kramp-Karrenbauer bei seiner Redaktion abliefern musste. Der konnte sich nämlich ungestört auf die Technik konzentrieren. Diese flog gegen zehn Uhr in Form einer Antonov 225 ein. Die Antonov 225 ist ein fliegendes Einzelstück und gilt als das größte Transportflugzeug der Welt. Deshalb hatten sich auch zahlreiche Spotter rings um das Flughafengelände versammelt.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert - 14 Doppelräder unter dem Rumpf der Antonov 225
Der Rumpf der AN-225 liegt sehr tief und wird von 14 Doppelrädern getragen. Die zwei Doppelräder unterhalb des Cockpits werden zusammen mit der Laderampe eingeklappt. Eine faszinierende Konstruktion: Zuerst öffnet sich die Spitze des Flugzeuges nach oben. Danach bewegt sich die Laderampe nach vorne, stabilisiert sich selbst mit riesigen Metallstempeln auf der Rollfläche und klappt dann weitere Teile aus. Im heutigen Szenario kamen dadurch weiß gekleidete Männer zum Vorschein. Keine Außerirdischen, sondern Flugbegleiter. Das Weiße waren Schutzanzüge. Sie trugen zudem Schutzmasken im Gesicht. Bei der Einstellung des Piloten für dieses einzigartige Fluggerät wurde wohl auch auf dessen Namen geachtet: Dmitri Antonov.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert
Verfolgt von einer dichtgedrängten Schar Medienvertreter kletterte die Ministerin die steile Leiter ins Cockpit hinauf. Die Unterredung dauert nicht sehr lange. Anschließend gab es ein Pressestatement mit Fragemöglichkeit zur heutigen Lieferung von Schutzmasken aus China. Es gibt drei Teillieferungen von etwa 25 Millionen Schutzmasken. Die Antonov 225 hatte 10.330.000 Masken an Bord. Die anderen werden mit der kleineren Antonov 124 geliefert. Insgesamt wurden Verträge über 256 Millionen OP-Masken, 30 Millionen FFP2-Masken (Schadstoffkonzentration bis zum 10-fachen des Arbeitsschutzgrenzwertes, Schadstoffe werden zu 94% ausgefiltert) und 22 Millionen FFP3-Masken (Schadstoffkonzentration bis zum 30-fachen des Arbeitsschutzgrenzwertes, Schadstoffe werden zu 99% ausgefiltert) unterzeichnet.

Die Antonov-Flugzeuge gehören der Ukraine, werden aber per Outsourcing für verschiedene Luftfrachtthemen durch die NATO genutzt. Für die NATO ist das recht praktisch und kostengünstig. Die Ukraine hingegen profitiert davon, dass sie bei der NATO einen Fuß in der Tür hat. Will sie doch schon länger NATO-Mitglied werden. Die NATO lehnt das wegen der fragilen Situation um die Krim bisher ab.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert - Soldaten des Logistikbataillons 171 aus Burg laden die Kisten mit den Schutzmasken aus.
Während die Ministerin auf die Fragen der Presse einging, wurde ein mobiles Förderband in die Antonov 225 geschoben - per Muskelkraft. Gabelstapler und Hubwagen brachten Paletten und zeitnah begann das Ausladen der großen Pappkartons. Annegret Kramp-Karrenbauer kontrollierte die Beschriftung einer der ersten Umverpackungen: Chinesisch. Dann gab sie noch ein Interview und verließ das Areal.

Das Ausladen der kompletten Fracht wurde auf sechs Stunden beziffert. Die Profis vom Logistikbataillon 171 aus Burg waren eigens dafür angereist und hatten auch schon eine Art Zwischenlager auf dem Rollfeld eingerichtet. Die private Spedition Kühne + Nagel sollte dann den Rest erledigen und die Masken auf die Bundesländer verteilen. Wer sie letztlich bekommt, hängt vom angemeldeten Bedarf ab.

Video:
Antonov 225 liefert 10 Millionen Schutzmasken in Leipzig/Halle an

Autor: Matthias Baumann

Montag, 23. März 2020

US Defender: eine Chronologie und die Vermengung mit Corona

Mit 61,6 Milliarden USD hat Russland den viertgrößten Verteidigungshaushalt der Welt. Das entspricht etwa einem Drittel der chinesischen Ausgaben (181,1 Mrd.) und etwa 9% des US-Budgets. Deutschland, Frankreich und Großbritannien kommen gemeinsam auf 155,6 Milliarden USD. Auch wenn in Westeuropa gerne der Begriff des Kaputtsparens strapaziert wird.

Russlands modernisierte Fähigkeiten

Diese Zahlen sind kaum beunruhigend. Beunruhigender sind die Fähigkeiten, die dahinter stecken. Diese sind nicht 1:1 miteinander vergleichbar. Während der Westen bei Flugzeugen, Drohnen, Helikoptern und Schiffen die Nase vorn hat, glänzt Russland mit Personalstärke, der Anzahl von Panzern und modernisierten Raketensystemen. Letztere haben eine deutlich höhere Reichweite als westliche Systeme und erreichen bemerkenswerte Geschwindigkeiten bis Mach 6 - so wie die 3M22 Zircon Rakete, die gegen Schiffe und U-Boote zum Einsatz gebracht werden kann.

Durch die Annexion der Krim konnte Russland die Reichweite seiner Raketen deutlich verbessern. Der Einstieg in den Syrien-Konflikt bot eine ideale Grundlage zum Test der neuen Waffensysteme. Inzwischen stagniert die Weiterentwicklung, weil der Rubel schwächelt und die Rüstungsindustrie bisher hauptsächlich auf Pump gebaut hatte. Die Gesamtschulden belaufen sich bereits auf 2 Trilliarden Rubel = 30 Milliarden USD. Die Regierung zahlt erst lange nach Auslieferung.

US Defender Europe 20 #DEF20 #DefenderEurope
US Defender Europe 20 #DEF20 #DefenderEurope - Der Inspekteur der Streitkräftebasis #SKB, Generalleutnant Martin Schelleis, nahm an fast allen Presseterminen dabei. Die Journalisten konnten bei vielen Gelegenheiten direkt mit ihm ins Gespräch kommen.
Schnelle Verlegung großer Truppenverbände

Eine weitere Fähigkeit Russlands bereitet der NATO schon seit einigen Jahren Sorgen: die extrem schnelle Verlegung großer Truppenverbände. Das hatte die NATO letztmalig vor dem Fall der Mauer geübt und dann völlig aus dem Fokus verloren. Mit US Defender Europe 20 sollte das mal wieder geübt werden. Wichtigstes Transitland sollte Deutschland darstellen. Fahrzeuge und Gerätschaften der US-Streitkräfte sollten per Schiff in Europa eintreffen und die US-Soldaten per Flugzeug. Dann sollten die Fahrzeuge und Soldaten durch Deutschland reisen und letztlich in Polen eine Abschlussübung absolvieren. Eine kleinere Übung mit etwa 5.000 Soldaten war für die Region Bergen geplant.

10. Oktober 2019

Die Zahl der Beteiligten sollte im Verlauf der Übung auf 37.000 ansteigen und auf polnischem Territorium ihren Höhepunkt erreichen. Da es sich vorrangig um eine logistische Übung handelte, war auf deutscher Seite die Streitkräftebasis SKB dafür zuständig. Der Inspekteur der SKB, Generalleutnant Martin Schelleis, äußerte sich bereits Mitte Oktober 2019 begeistert über die Möglichkeit dieser Übung. Deutschland werde als Host Nation für die Anlandung und den Transit nach Polen dienen. Von Corona war damals noch keine Rede.

31. Dezember 2019

Am Silvestertag 2019 informierte China die Weltgesundheitsorganisation WHO über das Corona-Virus. Bis zur Münchner Sicherheitskonferenz MSC Mitte Februar 2020 schien das Virus nur China zu betreffen. Deren Außenminister Wang Yi sang damals Lobhymnen auf das "überlegene System" Chinas, das das Corona-Problem so heldenhaft in den Griff bekommen habe.

14. Januar 2020

Am 14. Januar 2020 gab es in Berlin eine größere Pressekonferenz zu US Defender. Die Medien interessierten sich hauptsächlich für die Auswirkungen auf den Straßenverkehr. Die Generale Schelleis und Rohling beantworteten alle mehr oder weniger wichtigen Fragen mit Kompetenz und Geduld. Nur eine Frage konnte nicht beantwortet werden: Was kostet die Übung?

Den Generalen war wichtig, dass eine möglichst hohe Transparenz gewahrt wird. So wurden explizit auch Medien der gegnerischen Kräfte eingeladen. Zudem wurden sämtliche Schwellenwerte des Wiener Dokumentes von 2011 (OSZE) unterschritten. Insbesondere in den Punkten 67.1 und 67.2 sind die Übungsintervalle und Personalstärken nachzulesen. 

US Defender Europe 20 #DEF20 #DefenderEurope
US Defender Europe 20 #DEF20 #DefenderEurope - Eine Übung zum Anfassen und Mitfahren: Die Streitkräftebasis #SKB legte Wert auf Transparenz.
23. Januar 2020

Zu den Presseterminen im Rahmen von US Defender konnten sich neben Berufsjournalisten auch Betreiber kleinerer YouTube- und Social-Media-Kanäle anmelden. Vor Ort herrschte Chancengleichheit. Jeder durfte mit dem Inspekteur der SKB reden und seine Fragen loswerden. Auf Wunsch wurden sogar Sonderprogramme mit Journalisten durchgeführt.

Am 23. Januar 2020 wurde unter den Augen der Presse eine Zeltstadt in Garlstedt bei Bremen aufgebaut. Die Arbeit der Spezialpioniere konnte begutachtet werden und die verantwortlichen Offiziere standen für Fragen zur Verfügung.

1. Februar 2020

Die Luftwaffe holte am Wochenende um den 1. Februar 2020 etwa 100 Deutsche aus dem Corona-Gebiet in China zurück. Die Initiative hatte das Auswärtige Amt übernommen und die Bundeswehr um Hilfe gebeten. Der mattgraue A310 mit der Kennung 10+23 fliegt normalerweise VIPs oder das Wachbataillon zu ihren Zielorten.

12. Februar 2020

Am 12. Februar 2020 fand der zweite Pressetermin im eigentlichen Geschehen statt. Die Schiffe aus den USA waren noch nicht eingetroffen. Deshalb wurden in Bergen bei Celle Fahrzeuge auf Schwerlasttransporter verladen, die die Amerikaner ohnehin in Europa gelagert hatten. Eine Zugladung voll Humwees und eine Zugladung voll Panzer und Haubitzen wurde an diesem Tag bewegt. Zudem wurde der Aufbau eines Tanklagers gezeigt.

21. Februar 2020

Am 21. Februar 2020 gab es zwei weitere Pressetermine. In Bremerhaven traf das erste Schiff aus Amerika ein. Es enthielt viele sandfarbene Panzer. Auch hier war der Inspekteur SKB anwesend und konnte ohne vorherige Abstimmung der Fragen konsultiert werden. Bereits am Morgen waren in Hamburg US-Soldaten eingeflogen worden. Für den gemeinen Hauptstadtjournalisten wäre Viertel nach sechs viel zu früh gewesen. Von den regionalen Pressekollegen wurde der Termin aber gerne genutzt.

US Defender Europe 20 #DEF20 #DefenderEurope
US Defender Europe 20 #DEF20 #DefenderEurope - Sandfarbene US-Fahrzeuge als Übungsmaterial für das Logistikmanöver US Defender.
26. Februar 2020

Am 26. Februar 2020 war das zweite Schiff aus den USA in Bremerhaven eingetroffen. Dieses enthielt fast nur unbewaffnete LKWs und Humwees. Sandfarbene Fahrzeuge soweit das Auge reichte. In Ausstattung, Lackierung und Zustand waren die Fahrzeuge kaum für die Austragung eines konventionellen Konfliktes geeignet. Ein wichtiger Beweis dafür, dass es sich bei US Defender vorrangig um eine logistische Übung handelte. An jenem Abend wurden vier Konvois zusammengestellt und Richtung Hagenow geleitet. Verkehrstechnisch lief das völlig reibungslos ab.

10. März 2020

Anfang März kündigte Frank-Walter Steinmeier über die Presseabteilung der SKB seinen Besuch bei US Defender in Bergen an. Das Programm sollte in etwa dem vom 12. Februar 2020 entsprechen. Dem Bundespräsidenten wird regelmäßig unterstellt, dass er sich nicht für die Bundeswehr interessiere. Das entspricht nur bedingt den Tatsachen. Wer Zugriff auf die Flugbereitschaft des BMVg hat, ist mit dem Hubschrauber (Cougar) nur eine Stunde zwischen Berlin und Bergen unterwegs.

12. März 2020

Am Nachmittag des 12. März 2020 wurde der Besuch des Bundespräsidenten für den 17. März 2020 in Bergen abgesagt. Grund: Corona-Virus. Eine halbe Stunde später traf ein weiteres Mail ein, worin die Entscheidung des US-Hauptquartiers USAREUR mitgeteilt wurde, dass die an US Defender beteiligten US-Soldaten wegen Corona reduziert werden. Zur deutschen Beteiligung an der Übung gab es zu dem Zeitpunkt noch keine weitere Entscheidung.

US Defender Europe 20 #DEF20 #DefenderEurope
US Defender Europe 20 #DEF20 #DefenderEurope - Der Inspekteur der Streitkräftebasis #SKB, Generalleutnant Martin Schelleis, nahm an fast allen Presseterminen dabei. Die Journalisten konnten bei vielen Gelegenheiten direkt mit ihm ins Gespräch kommen.
13. März 2020

Am 13. März 2020 wurden "alle US-Truppenbewegungen faktisch ausgesetzt". In einer Pressemitteilung der SKB hieß es weiter: "Es werden absehbar keine weiteren Schiffe in Belgien und den Niederlanden entladen, noch weitere Soldaten auf deutschen Flughäfen eingeflogen." Die meisten Truppenteile hätten ohnehin schon ihre Zielorte erreicht. Am Abend desselben Tages kam die Info, dass die Bundeswehr ihre Beteiligung an der Übung in Bergen-Munster abgesagt habe. Diese Übung hätte mit insgesamt 5.000 Soldaten zwischen dem 16. und 30. April 2020 dort stattfinden sollen. Das war eine einseitige Entscheidung der Bundeswehr. Die NATO-Partner hatten sich noch nicht dazu geäußert.

16. März 2020

Am 16. März 2020 wurden die Übungsanteile von US Defender in Deutschland beendet. Laut Presseabteilung der SKB waren die "mit der Verlegung umfangreicher alliierter Kräfte verbundenen Ausbildungsziele" bereits erreicht worden. Die weiteren Übungsanteile auf Truppenübungsplätzen wie Bergen "entfallen". Damit war US Defender in Deutschland offiziell vorbei.

20. März 2020

Durch die vorzeitige Beendigung von US Defender waren die Kräfte der SKB wieder frei für andere Aufgaben. Als Logistikprofis werden sie in der näheren Zukunft für die Koordination der Maßnahmen gegen Corona gebraucht und haben dazu auch schon diverse "Hilfeleistungsanträge" bekommen.

Russland erklärt die Welt

Eine letzte große Fähigkeit Russlands besteht in der Produktion von Desinformationen und Fake News. Das beginnt beim inländischen Umgang mit Corona: In Russland gibt es offiziell gar kein Corona. Die Leute sterben dort höchstens an Lungenentzündungen. Sollte Corona irgendwann nicht mehr zu vertuschen sein, stehen die Schuldigen schon fest: USA, NATO, EU und US Defender. Je nach Zielgruppe bedient sich Russland unterschiedlicher Narrative (Erzählungen). Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt.

US Defender Europe 20 #DEF20 #DefenderEurope
US Defender Europe 20 #DEF20 #DefenderEurope - Logo der Übung mit flammendem Schwert in Anlehnung an das Wappen der U.S. Army Europe
Wer die USA mag, aber die Bundesregierung hasst, bekommt das Narrativ, dass während US Defender die amerikanischen Soldaten nach Berlin marschieren und Deutschland von der Bundesregierung befreien. Wer die USA nicht mag, bekommt das Narrativ, dass Corona durch den Westen inszeniert sei, um heimlich weitere US-Truppen in Europa zu stationieren. Diese sollen dann einen Bürgerkrieg niederschlagen. Vermengt wird das Ganze noch mit pseudoreligiösen Theorien über den Erzengel Michael mit seinem flammenden Schwert. Letzteres wurde ihm erst in der Kirchengeschichte angedichtet und hat keine biblische Grundlage. In Zeiten der Politikverdrossenheit, vieler verbaler und thematischer Tabus seitens der politischen Korrektheit und des sonstigen ideologischen Vakuums finden diese Geschichten in Mitteleuropa viele offene Ohren. Russland hat also freie Bahn, die freiheitlich-demokratische Grundordnung effektiv von innen zu zersetzen.

Das strategische Ziel Russlands ist ein Keil zwischen Europa und den USA, ein Keil innerhalb der NATO sowie eine Zersplitterung der Länder und Gesellschaften Europas. Nur so kann sich Russland als potenter Player auf der geostrategischen Bühne zurückmelden. Dass die USA Russland nur als kleinen nervenden Störer im Primärkonflikt mit China ansehen, wurde auf der MSC sehr deutlich. In den Reden der amerikanischen Spitzenpolitiker wurde Russland nur in Nebensätzen erwähnt.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 26. Februar 2020

US Defender: Feldjäger und Konvois

Das Whiskyglas schlittert über den Tresen. "Der Fremde ist in der Stadt", spricht eine rauchige Stimme in den ebenso rauchigen Raum. Kurz darauf poltern Barstühle zu Boden. Revolver werden entsichert. Typischerweise folgt eine von unten gefilmte Szene auf dem staubigen Vorplatz des Saloons. Breitbeinig positioniert sich der Verteidiger seines Reviers. Revolvergurt - die Hände bereit zum Ziehen: Showdown im Wilden Westen.

Die Feldjäger der Bundeswehr sind recht selten in der Öffentlichkeit zu sehen. Aber wenn sie zu sehen sind, dann fallen sie durch ihre besondere Optik auf: starke Motorräder aus dem Hause BMW, breite Schultern in grauen Lederkombis mit weißen Gürteln. Zu Fuß bewegen sie sich wie typische Nahkämpfer. Sie tragen Handschellen und Pistolen an der Seite und dazu die markante schwarze Armbinde mit dem Schriftzug MP - Militärpolizei. Feldjäger bewegen sich aber auch in VW-Bussen wie dem T6 oder dem geländegängigen Widder. Ab und zu ist auch ein Nissan Pathfinder oder ein Spezialumbau der Mercedes G-Klasse dabei.

US Defender #DefenderEurope #DEF20 Feldjäger Konvois US Fahrzeuge
US Defender #DefenderEurope #DEF20 - Feldjäger warten auf den Marschbefehl für den ersten Konvoi.
Die beeindruckende Optik ist jedoch nicht die Kernaufgabe der Feldjäger. Die Militärpolizei hat polizeiliche Aufgaben innerhalb der Bundeswehr zu erfüllen und ist nach Anlegen der schwarzen Armbinde auch weisungsberechtigt gegenüber höherrangigen Soldaten. Nur selten taucht ein Feldjäger ab Leutnant (ein Silberstern ohne Laub) im öffentlichen Geschehen auf. Zumeist sieht man spezialisierte Unteroffiziere. Da gibt es Personenschützer, Spurensicherer, Kriminalermittler, Eskortenfahrer, Hundeführer, Gefahrgutermittler und Festnahmeeinheiten.

Wegen der Zuständigkeit für die gesamte Bundeswehr sind die Feldjäger deutschlandweit verteilt und untergliedern sich in drei Regimenter. Für die Unterstützung der Verlegung amerikanischer Fahrzeuge von Bremerhaven nach Hagenow im Rahmen der Großübung US Defender Europe 20 war die 4. Kompanie des 2. Feldjägerregimentes aus Wilhelmshaven angefordert worden. Wilhelmshaven liegt zwar auf der Landkarte direkt neben Bremerhaven, wird aber durch den Jadebusen und die Weser getrennt. Das heißt: Umweg von zwei Stunden über Bremen.

US Defender #DefenderEurope #DEF20 Feldjäger Konvois US Fahrzeuge
US Defender #DefenderEurope #DEF20 - Feldjäger positionieren sich für die folgenden Aufgaben.
Der Arbeitstag der 4. Kompanie begann um 14 Uhr. Es sollten heute vier amerikanische Konvois zu je 20 Fahrzeugen aus dem Hafengelände geleitet und sicher auf die A1 Richtung Hamburg gebracht werden. Das Ziel der Etappe war Hagenow in Mecklenburg-Vorpommern - eine Strecke von etwa 260 Kilometern. Bei einer so langen Strecke ist es wichtig, dass alle regionalen und übergeordneten Zuständigkeiten geklärt sind. Die 4. Kompanie war nur für die Begleitung und Sicherung bis zur A1 zuständig und ab dort wurde an die nächsten Feldjäger und Polizisten übergeben. Feldjäger und die zivile Polizei arbeiten hier Hand in Hand, wobei die Landespolizei auf den öffentlichen Verkehrswegen deutlich höhere Befugnisse hat. Das ist aber weitestgehend unbekannt, so dass die Feldjäger das durch ihre reine Erscheinung kompensieren können.

Beim Eintreffen in Bremerhaven wurden gerade die letzten Vorbereitungen für den ersten Konvoi getroffen. Die US-Armee hatte mit dem zweiten Schiff - GREEN BAY - fast nur in Wüstenfarbe lackierte Autos angeliefert. Es waren keine Bewaffnungen zu sehen und der Zustand der Fahrzeuge wurde auch rege bei den Feldjägern diskutiert. Jedenfalls lieferte dieser Fuhrpark einen klaren Beweis dafür, dass es bei US Defender tatsächlich nur um das Üben logistischer Vorgänge geht.

US Defender #DefenderEurope #DEF20 Feldjäger Konvois US Fahrzeuge
US Defender #DefenderEurope #DEF20 - Militärpolizei der US-Streitkräfte während der Einweisung am Sandkasten.
Wenn man etwas bei der Bundeswehr lernt, dann ist es Geduld. Pünktliches Erscheinen und Warten auf die nächste Aktion gehen dem Bundeswehrsoldaten schon in den ersten Tagen ins Unterbewusstsein über. So waren die Kameraden schon kurz nach drei vor Ort und konnten so ganz langsam die Einweisung um 17 Uhr vorbereiten. Diese sollte am Sandkasten stattfinden.

Der T6 setzte sich entsprechend pünktlich in Bewegung, fuhr vorbei an den unzähligen amerikanische Wüstenfahrzeugen und bog dann in eine flache, aber riesige Halle ein. Ganz hinten sah man einen Container und daneben den Sandkasten. Neonröhren erleuchteten die Halle. Jetzt wäre der Moment, wo der Verbrecher mit seinem Sportwagen in die Halle einfährt und das Feuer eröffnet. Eine wilde Verfolgungsjagd beginnt und endet am Sandkasten - soweit das Drehbuch zum Actionfilm. In der Realität erreichte der T6 den Sandkasten ohne Zwischenfälle.

US Defender #DefenderEurope #DEF20 Feldjäger Konvois US Fahrzeuge
US Defender #DefenderEurope #DEF20 - Feldjäger weisen die Beteiligten am Sandkasten ein.
Der Sandkasten war gar kein Sandkasten. Der Asphalt war mit Kreidestrichen bemalt. Die Parkmarkierungen dienten als Grenzen zwischen den Bundesländern sowie Polen. Holzklötzer markierten Städte und Haltepunkte. Farbige Geschenkbänder kennzeichneten den Streckenverlauf. Sehr einfach, aber für den Zweck völlig ausreichend. Abwechselnd traten die Lenker der kolonneninternen Leitfahrzeuge und die am Geschehen beteiligten Militärpolizisten herzu. Den Amerikanern wurden auch noch einige deutsche Verkehrsregeln erläutert. Die Fahrer hatten die Herausforderung, die Meilen im Tacho auf km/h umzurechnen. 80 km/h entsprechen 49,71 Meilen pro Stunde.

Um den normalen Verkehr nicht zu stören, wurde bereits vor Beginn der Großübung festgelegt, dass die Konvois nachts rollen. Die Nacht in Norddeutschland begann heute um 18 Uhr. Die erste Kolonne startete und musste noch durch einen Zollpunkt fahren. Hier wurden rein formal die Zollpapiere geprüft. Dann ging es weiter durch die Innenstadt von Bremerhaven und relativ schnell auf die Autobahn A 27. Dort konnte auf 80 km/h beschleunigt und der A1 entgegengefahren werden. Das Tempo bestimmen die regionalen Begleitfahrzeuge. So lange sie für die Strecke zuständig sind, fahren sie voraus und verlassen die Kolonne, sobald sie an den nächsten Zuständigkeitsabschnitt übergeben haben. Die Übergabe erfolgt normalerweise nahtlos an einer passenden Ausfahrt.

US Defender #DefenderEurope #DEF20 Feldjäger Konvois US Fahrzeuge
US Defender #DefenderEurope #DEF20 - Der vierte Konvoi ist bereit für die Abfahrt. Die Konvois haben eigene Fahrzeuge am Anfang und am Ende. Davor und dahinter fahren die regional zuständigen Polizisten oder Feldjäger.
Beim zweiten Konvoi gab es eine Panne. Besser gesagt, der Fahrer des drittletzten Fahrzeuges war eingeschlafen und hatte die Abfahrt seiner Gruppe verpasst. Die Abfahrt erfolgte immer im Halbstundentakt. Nun war das Situationsmanagement der Feldjäger gefragt. "Leben in der Lage" heißt das bei der Bundeswehr. Nach dem Erwachen des Fahrers wurden die drei Hinterbliebenen an eine wichtige Kreuzung in Bremerhaven geleitet und dann vom Zugführer höchst persönlich in Empfang genommen. Er fuhr nun mit seinem T6 und Blaulicht vorne weg. Als Zugführer konnte er auch das Tempo der Kolonne bestimmen: Sie sollten auf 50 reduzieren. In diesem Falle waren Kilometer pro Stunde gemeint. Das reichte jedoch nicht. 40 km/h! Mit ihren 40 km/h zwang die Kolonne sämtliche LKWs auf die Mittelspur. So war irgendwann das Ende des Konvois frei und die drei Nachzügler konnten hinten angeschlossen werden. Der Teilauftrag war erledigt. Runter von der Autobahn und wieder zum Hafen.

Im Hafen machte sich gerade die vierte Kolonne fertig zum Abmarsch. Marsch ist im Verständnis der Bundeswehr nicht nur die Bewegung zu Fuß. So weit lief alles nach Plan. Nur noch ein sandfarbener Abschleppwagen der US-Armee hatte eine kurze Panne. Aber auch das wurde schnell geklärt, so dass er ebenfalls nach Hagenow rollen konnte.

US Defender #DefenderEurope #DEF20 Feldjäger Konvois US Fahrzeuge
US Defender #DefenderEurope #DEF20 - Feldjäger stimmen sich ab. Im Hintergrund ein VW-Bus T6 und im Vordergrund ein Nissan Pathfinder. Die Autos sind teilweise schon mit den neuen Taschen für das G36 ausgerüstet. Diese sind deutlich praktischer als die alten Halterungen in der Mitte.
Die Feldjäger trafen sich anschließend auf der Polizeidirektion in Bremerhaven. Hier mischten sich Flecktarn und schwarze Polizeiuniformen. Man hatte sehr viel Kaffee gekocht. Bis auf die Nachzügler und den Abschleppwagen war kaum etwas auszuwerten. Die Zusammenarbeit der Polizei mit den Feldjägern war hervorragend - ebenso die Stimmung. Gegen 21:30 Uhr waren die Feldjäger wieder in der Kaserne von Garlstedt zurück und konnten dort noch ihre eigene kurze Auswertungsrunde machen. Dann ploppten zwei Kronkorken und der Arbeitstag war zu Ende.

Video:
US Defender - Feldjäger und 4 Konvois

Autor: Matthias Baumann

Sonntag, 16. Februar 2020

#MSC2020 - Pelosi, Palaishalle und Palästinenser

Nach einem hektischen MSC-Samstag brach heute ein entspannter Sonntag an. Die Glocken läuteten. Die Straßen waren frei. Auf dem Odeonsplatz durfte wieder geparkt werden. Viele Sperren waren abgebaut. Im Pressezelt war auch deutlich weniger Betrieb. Dennoch war es ratsam, die neuesten Termininfos zu verfolgen. Zwei Anlässe stachen dabei heraus - ausgerechnet parallel: Pressekonferenz mit Nancy Pelosi und Townhall on Palestine mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammed Schtaje.

Da Nancy Pelosi regelmäßig durch ihre Konfrontationen mit Donald Trump auffällt, ist sie in Europa sehr beliebt. Entsprechend berechenbar war ihre Argumentation in der Pressekonferenz. Die USA, China und der Iran hatten ja gestern ihre Befindlichkeiten herausgelassen und hatten dabei ein wenig den Pfad der Professionalität verlassen. Frau Pelosi verspätete sich um eine Viertelstunde. Das wurde sehr knapp. Ihre ersten Worte waren die wichtigsten: Der Kongress stehe zum transatlantischen Bündnis und zur NATO. Um das auch optisch zu verdeutlichen, hatten sich einige Kongressabgeordnete hinter Nancy Pelosi aufgestellt. Bei dem hohen innenpolitischen Druck tat ihr die herzliche Aufnahme bei der Münchner Sicherheitskonferenz sehr gut.

#MSC2020 MSC Münchner Sicherheitskonferenz
#MSC2020 Münchner Sicherheitskonferenz - Nancy Pelosi und Kongresskollegen aus der US-Delegation
Kurz nach diesem Statement begann auch schon das Format Townhall im Palaissaal. Dieses Format war insofern interessant, weil sich einige Protagonisten in der Mitte des Raumes auf einem stilechten MSC-Teppich trafen und über ein vorgegebenes Thema sprachen. Das Publikum bestand aus interessierten Teilnehmern der Sicherheitskonferenz und einigen Pressevertretern. Gelegentlich wurde es gefährlich: Wer sich zum falschen Zeitpunkt meldete, hatte plötzlich das Mikrofon vor der Nase und musste auf Englisch ein Statement abgeben. Zwei bis vier präparierte Personen saßen im Publikum und wurden zu gegebener Zeit für einen vorbereiteten Input aktiviert.

Während also Frau Pelosi und ihre Kongresskollegen die Pressekonferenz fortsetzten, quirlten Bodyguards und der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Schtaje in die Palaishalle. Auch die Botschafterin aus Berlin war dabei. Die Begrüßung war überaus herzlich. Etwas im Schatten des Palästinensers betraten auch der Außenminister Jordaniens, Ayman Safadi, und der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Abdoul Gheit, den Raum. Mohammed Schtaje begann mit einer Rede und forderte eine internationale Palästina-Konferenz.

Anschließend setzten sich die drei Herren in die Mitte. Der westliche Moderator hegte offenbar tiefe Sympathien für die Palästinenser. Das beeinflusste die Steuerung der Gesamtdiskussion. Mohammed Schtaje konnte ausführlich auf die neuerlichen Aktionen von Donald Trump eingehen. Benjamin Netanjahu und Donald Trump hätten noch nie konstruktiv auf palästinensische Vorschläge zur Befriedung der Region reagiert. Besonders verärgert zeigte er sich, dass in den Vorgaben der Amerikaner stehe, dass die Palästinenser Israel als Staat akzeptieren sollen. Man habe sich verbündet, um diese Pläne zu verwerfen. Überhaupt hätten sich ganz viele Verbündete gefunden, die diese Pläne auch ablehnen: "Trump hat keine Freunde."

#MSC2020 MSC Münchner Sicherheitskonferenz
#MSC2020 Münchner Sicherheitskonferenz - Townhall on Palestine - Palästinensischer Ministerpräsident Mohammed Schtaje (vorne rechts) und der jordanische Außenminister Ayman Safadi
Ahmed Abdoul Gheit von der Arabischen Liga wurde gefragt, ob die Palästinenser nicht mehr auf der Agenda stehen. Dazu bemerkte er, dass das Kernthema im Nahen Osten nach wie vor das "Palästinenserproblem" sei. Das sei aber derzeit nicht Priorität Eins der Liga. Da in der arabischen Welt die Abstammung eine große Rolle spielt, sei hier erwähnt, dass die Palsätinenser ursprünglich aus Kreta kamen. Deshalb gehören sie nicht wirklich dazu und werden von sämtlichen Kräften der Region als williges Werkzeug für Stellvertreterkonflikte genutzt. Frei nach dem chinesischen Sprichwort: "Mit dem Dolch eines anderen morden".

"Wir sind ein Stabilitätsfaktor in der Region", warf der Ministerpräsident ein. Dass dieser Stabilitätsfaktor die Hamas in Gaza nicht im Griff hat, liege nicht etwa an ihnen selbst, sondern an den Anderen. Man habe vier Verträge mit der Hamas geschlossen. Aber die halten sich einfach nicht daran. Hätte Israel nicht ein Machtvakuum in Gaza erzeugt, wäre es dort gar nicht zu diesem Problem gekommen.

Während Mohammed Schtaje unentwegt mit den Schwarze-Peter-Karten, Netanjahu und Trump, hantierte, ging der jordanische Außenminister Ayman Safadi etwas differenzierter an die Sache heran. Es gebe in der Region keine Gewinner und keine Verlierer. Entweder gewinnen Alle oder es verlieren Alle. Es solle akzeptiert werden, dass man Seite an Seite leben könne und nur dadurch Frieden möglich sei.

Aus dem Publikum meldete sich eine Knesset-Abgeordnete und ging auf einige Punkte des Ministerpräsidenten ein. Er hatte die passende Antwort parat: Die Frau solle sich bitte nicht so sehr von der Netanjahu-Propaganda beeinflussen lassen. Immerhin befinde sich dieser aktuell im Wahlkampf. Warum einige Leute den Raum verließen, konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden.

Nach diesem Einblick in die aktuelle Situation im Nahen Osten ging auch schon fast die Münchner Sicherheitskonferenz zu Ende. Die Straßen von München waren inzwischen gut mit Passanten gefüllt. In den Cafés gab es kaum noch Sitzplätze und die Sonne tauchte den Odeonsplatz in ein angenehmes Licht.

Autor: Matthias Baumann

Samstag, 15. Februar 2020

#MSC2020 - Die schwere Entscheidung zwischen Zuckerberg und Golfkrise

Der gemeine Hauptstadtjournalist ist normalerweise erst nach mehreren Tassen Kaffee und bei Terminen ab zehn Uhr einsatzfähig. Die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) forderte Teilnehmer und Presse auf ihre sehr spezielle Weise heraus. Denn schon um halb acht beginnen die ersten Gesprächsrunden - Breakfast genannt. Da sich der Terminplan sehr kurzfristig ändern oder erweitern kann, tut man gut daran, auch schon um diese Zeit vor Ort zu sein und den verschlafenen Blick auf den Ticker an den Großleinwänden zu werfen. Profis haben neben der Kaffeetasse sogar noch das druckfrische Programmheftchen des Tages zu liegen.

Unter permanentem Abgleich von Ticker und Programmheft läuft der Rest des Tages nur bedingt planbar ab. Flexibilität und schnelle Entscheidungen sind gefordert. Nachdem das Kreuzchen bei den Reden von AKK und Sergey Lavrov in der Conference Hall gesetzt sind, blättert man auf die nächste Seite und sieht einen Paralleltermin im Königssaal. Was ist jetzt wichtiger? Passt das mit den Anschlussterminen? Anhören im Pressezelt oder Dabeisein im Königssaal? Wann ist Pooling und wie lang sind die Wege zwischen den Terminen? Darf schreibende Presse bleiben oder muss sie mit der Bildpresse nach fünf Minuten den Raum verlassen?

#MSC2020 MSC Münchner Sicherheitskonferenz
#MSC2020 Münchner Sicherheitskonferenz - Informationsmaterial zur Planung des Tagesablaufs
Es gibt viele Abstufungen in der Zutrittsberechtigung. In diesem Jahr ist die Presse Gelb. Dann gibt es noch Gelb mit Blau und Gelb mit doppelt Blau. Je mehr blaue Streifen, umso weiter der Bewegungsradius. Es gibt Grün und Blau und Grau. Da die Badges Fotos und einen Transponder enthalten, kann beim Durchlaufen eines Eingangs immer gesehen werden, ob das Badge zur herzutretenden Person passt. Auf einem Display erscheint ein riesiges Passfoto nebst Namen. Die namentliche Begrüßung der Herzutretenden muss relativ frühzeitig ausgesetzt worden sein.

Samstag ist der Powertag bei der MSC: Präsidenten, Verteidigungsminister, Außenminister und andere wichtige Personen geben sich die Klinke in die Hand. Mitarbeiter des Hotels stürzen mit Bergen von Tischdecken, Gläsern und Stühlen durch die Gänge. Es gibt eine gefühlte 1:1-Betreuung durch Sicherheitspersonal im zarten Jugendalter. Generale und Staatssekretäre drängen sich an wartenden Delegationen vorbei. Präsidenten, die kürzlich noch auf dem roten Podest im Kanzleramt standen, wühlen sich mit ihren Personenschützern durch die Massen. Handschlag? Selfie? Kein Problem.

In dieser geballten Form kommen wohl nur noch in Davos die Spitzenpolitiker zusammen. Die MSC ist jedoch kein Wirtschaftsforum, sondern betrachtet sämtliche Themen aus dem Blickwinkel der Sicherheitspolitik. Das betrifft auch Corona, Big Data, Social Media oder den Klimawandel. Zu letzterem Thema durfte diesmal Jennifer Morgan von Greenpeace eine Einleitungsrede halten. Für das Fachpublikum war diese jedoch nicht annähernd so spannend und überzeugend, wie die wissenschaftlichen Hochrechnungen von Prof. Schellnhuber auf der MSC 2019.

#MSC2020 MSC Münchner Sicherheitskonferenz
#MSC2020 Münchner Sicherheitskonferenz - Kasachstans Präsident Kassym-Jomart Tokayev
Der Vorteil an diesem Umstand war, dass ad hoc auf eine Parallelveranstaltung im Königssaal umdisponiert werden konnte. Nämlich die Geografie in Asien - eine Diskussionsrunde mit den Präsidenten Kasachstans und Afghanistans. Kassym-Jomart Tokayev hatte Ende des letzten Jahres die Kanzlerin auflaufen lassen, indem er demonstrativ zur eigenen Nationalhymne aufgestanden war und sogar die Hand aufs Herz gelegt hatte. Auch in dieser Runde gab er sich konsequent loyal gegenüber Russland und China. Die Sandwich-Position seines Landes sei ein Segen, da es von Russland und China profitiere. Afghanistan zeigte sich hingegen loyal gegenüber den USA und der NATO. Da sich die Drogenproduktion für Afghanistan lohne, werde kaum etwas dagegen unternommen. Das tangiert auch den Nachbarn Kasachstan. Kasachstan dient schon lange als Transitland und hat inzwischen eine steigende Zahl an Konsumenten. Mit One Belt One Raod (OBOR) werden die chinesischen Partner sicher für eine weitere Vereinfachung der Drogenlogistik sorgen.

Vor dem Königssaal gab es das übliche dichte Gedränge. Der Leiter Protokoll BMVg bahnte sich einen Weg. Es war zu erfahren, dass Annegret Kramp-Karrenbauer wie am Fließband bilaterale Gespräche mit Amtskollegen führe. Nur die Bundeswehrredaktion war für die Auftaktbilder zugelassen.

Klimawandel und asiatische Geografie waren nicht die einzigen Herausforderungen des Tages: "Zuckerberg oder Golfkrise?", war die Frage. Wer möchte ihn nicht einmal live sehen, den berühmten Mark Zuckerberg von Facebook? Gemäß der Altersstruktur der MSC-Teilnehmer konnte die Prognose gewagt werden, dass die Conference Hall voll ist. Deshalb fiel die Entscheidung leicht, sich dem Thema "Deeskalation in der Golf-Region" zuzuwenden. Und dazu wurde im Königssaal alles aufgefahren, was in der Region Rang und Namen hat: Mohammad Javad Zarif (Außenminister des Iran), Sheikh Mohammed bin Abdulrahman Al Thani (Außenminister von Katar), Sheikh Ahmed Nasser Al-Mohammed Al-Sebah (Außenminister von Kuwait), Mevlüt Cavesoglu (Außenminister der Türkei), Yusuf bin Alawi bin Abdulla (Außenminister von Oman), Prince Faisal bin Farhan Al Saud (Außenminister von Saudi Arabien) und der in dieser Runde eher unspektakulär wirkende US-Senator Christopher Murphy.

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#MSC2020 Münchner Sicherheitskonferenz - Afghanistans Präsident Mohammad Ashraf Ghani (rechts) im Gespräch mit dem Moderator Richard N. Haas
Achtung! Hier endet die Aufzählung der Namen. Die Liste deutet jedoch an, wie wichtig diesen Spitzenpolitikern der Dialog bei der Münchner Sicherheitskonferenz ist. Ja es ist sogar so, dass sie sich auf eine Moderatorin wie die BBC-Korrespondentin Lyse Doucet einlassen. Da kann man nie wissen, welche Fragen sie stellen wird und wie sie in ihrer unerbittlichen Art das Gespräch auf den Kern zurückführt. Mohammad Javad Zarif aus dem Iran sah das gelassen. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und ließ den Dialog selbstsicher und entspannt über sich ergehen.

Bei den Ausführungen des Mannes aus dem Iran kam zum Ausdruck, dass man sich von den USA nicht "austrocknen" lasse. Überhaupt sehe man nicht ein, warum man den USA entgegenkommen solle, wenn diese ihrerseits keine Zugeständnisse machen. Der türkische Außenminister setzte noch einen drauf, indem er den momentanen Feind Nummer Eins - China - als "ein Glück" für die Türkei bezeichnete. Die Türkei sei schließlich das Zentrum der neuen Seidenstraße OBOR.

Etwas moderater argumentierten die Scheichs aus Katar und Kuweit. Auch für ihre Länder stehe viel auf dem Spiel, wenn der Iran den Seeweg abschneidet. Deshalb sei man sehr an einer Deeskalation und einer dauerhaften Lösung des Problems interessiert. Die Region brauche den Handel und die Abnahme ihres Öls. Nachdem Prince Faisal bin Farhan Al Saud sehr direkt mit dem jüngsten Journalistenmord konfrontiert worden war, sprach er sich für eine weitere gute Zusammenarbeit mit der Trump-Administration aus. Auch das Jemen-Problem wolle man friedlich lösen. Der Erfolg sei aber auch von anderen Playern abhängig.

Apropos Trump: Die Eröffnungsstatements dieses Samstags wurde von Mike Pompeo (Außenminister der USA) und Mark Esper (Verteidigungsminister der USA) gehalten. Für die USA gibt es demnach momentan nur eine Priorität: China. China ist eine Diktatur, China verbreitet einen Virus, China rüstet auf, China überholt den Westen technologisch, China ist ein Risiko für die Werte des Westens. Man habe sich in China getäuscht. Vor 20 Jahren war China in die WTO aufgenommen worden, um das Land sukzessive in eine Demokratie umzufunktionieren. Stattdessen sei China wirtschaftlich erstarkt und tue heute so, als sei ihr kommunistisches System den westlichen Demokratien überlegen. Man habe sich verkalkuliert. Während die Europäer Russland als Hauptbedrohung ausgemacht haben, spielt Russland in der Betrachtung der USA nur eine weit untergeordnete Rolle. Mike Pompeo erwähnte zwar die erfolgreichen "Russian Desinformation Campaigns", wechselte dann aber gleich wieder das Thema und wiederholte in gut dosierten Abständen: "The West is winning!" - "The West is winning!" (Der Westen gewinnt!)

Das China-Bashing zeigte sehr deutlich, dass amerikanische und europäische Interessen auseinanderdriften. Ein Umstand, der nicht ungefährlich ist, wenn man die anschließenden Ausführungen von Emmanuel Macron reflektiert. Seine Worte schlugen wie ein Gewitter in das für Europa typische politisch korrekte Wischiwaschi ein. Keine Floskeln, sondern ein klar formuliertes Lagebild. Noch Stunden später war ein NDR-Kollege erschüttert von der Aussage, dass Europa "keine Antikörper mehr zum Schutz unserer Demokratie" hätte. Wir seien inzwischen "sehr, sehr verletzlich".

#MSC2020 MSC Münchner Sicherheitskonferenz
#MSC2020 Münchner Sicherheitskonferenz - Conference Hall - Der Inspekteur der Streitkräftebasis, Generalleutnant Martin Schelleis, schaut sich im Publikum um.
Laut Macron habe es China richtig gemacht. China habe in seine Zukunft investiert, während in Europa durch eine verfehlte Finanzpolitik - das war ja schon immer sein Thema - der Mittelstand geschwächt und nahezu abgeschafft worden sei. Und was der Mittelstand noch gehabt habe, hätte er an die Chinesen verkauft. Im Gegensatz zu seinen amerikanischen Vorrednern, ging Macron auf Russland ein. Russland sei per se schwach und könne auf längere Sicht keinen heißen Konflikt - wie einen Krieg - mit Europa austragen. Russland nutze daher schamlos die europäische Verletzlichkeit aus und befeuere sehr professionell das Thema Desinformation. Deshalb müsse Europa weiterhin misstrauisch gegenüber Russland sein sowie "brutal", "konsequent" und "glaubwürdig" auftreten. Ein Tenor, der sich vor zwei Tagen auch durch die Rede von Generalleutnant Jörg Vollmer gezogen hatte. Macron gab Donald Trump Recht, dass dieser mehr Eigenverantwortung bei der Selbstverteidigung Europas einfordert. Im Verteidigungsbündnis Europas spiele auch der Brexit keine Rolle.

Der Reiz der MSC besteht darin, dass auch Kontrahenten zu Wort kommen. So trat dann auch der Außenminister Chinas, Wang Yi, auf. In einer überaus blumigen Sprache lobte er die Weisheit und Stärke der Führung von Xi Jing Ping. Man führe derzeit einen "Krieg ohne Rauch" gegen den Corona-Virus. Man kämpfe und schütze jeden in der Bevölkerung vor dem Virus. Die Größe und Effizienz der Maßnahmen sei bewundernswert und zeigten die Vorteile des chinesischen Systems. Am Kampf seien ganz viele Arbeiterinnen und Arbeiter beteiligt, die als Helden bezeichnet werden. "Der Morgen naht und wir sehen das Licht", war der optimistische Ausblick zum Sieg über den Virus. "Wir sind eine dankbare Nation", wurde eine Aufzählung in einer interessanten Reihenfolge eingeleitet: Republik Korea, Weißrussland, Russland ... Grußkarten, Telegramme ... Italien, Großbritannien, Frankreich. Überhaupt habe China schon immer Völker in ihrem gerechten Kampf unterstütz, wie zum Beispiel die Palästinenser.

Da vor dieser Rede viel auf China eingeprügelt worden war, plädierte Wolfgang Ischinger, der Leiter der MSC, dafür, auch endlich einmal Worte der Ermutigung für China zu finden. Immerhin hätten sie gerade mit dem Virus erhebliche Herausforderungen zu meistern. Wang Yi knüpfte an diesem Punkt an und sagte, dass die "Schmierenkampagnen" der US-Repräsentanten "alles Lügen, keine Tatsachen" seien. Wenn man das umdrehe und auf die USA anwende, werden "aus Lügen Tatsachen". Der Außenminister sprach sich für eine engere Zusammenarbeit mit der EU aus und legte damit einen gefährlichen Köder zur Abspaltung gegenüber der USA. China kennt die Befindlichkeiten der Europäer und nutzt diese konsequent für eigene Zwecke aus. Die neue Seidenstraße soll schließlich auch durch Europa gehen.

Wer es geschafft hat, bis zu dieser Stelle zu lesen, dem sei gesagt, dass es sich hier um das Pensum nur eines Tages der Münchner Sicherheitskonferenz handelt. Es liefen noch diverse Parallelveranstaltungen wie "Politik und Big Date" oder "Ein Update zu Nagorny-Karabach", ganz abgesehen von den vielen bilateralen Unterredungen, die kaum jemand mitbekommen hat, die aber die Geschichte in einigen Regionen der Welt in eine positive Richtung lenken. Der Wert dieser Konferenz kann nicht mit Geld aufgewogen werden, da hier in kleinen und größeren Formaten lebenswichtige Entscheidungen getroffen und auch Konflikte beigelegt werden.

Video:
#MSC2020 - Impressionen von der Münchner Sicherheitskonferenz

Autor: Matthias Baumann