Posts mit dem Label SiPol werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label SiPol werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Mittwoch, 29. Mai 2019

Wachbataillon übt den scharfen Schuss mit der Granatmaschinenwaffe

Granaten sind nicht witzig. Wenn sie explodieren, wirken sie in einem Umkreis von 25 Metern und durchsieben alles, was da so an weichen Zielen herumsteht. In Krisenregionen werden Handgranaten in Häuser oder Autos geworfen, entsichert an Eingangstüren befestigt oder in Alltagsgegenstände eingebaut. Auf dem Übungsplatz in Hammelburg steht ein Haus, in dem interessierte Besucher für sämtliche Einbauvarianten selbst gebastelter Sprengsätze und Handgranaten sensibilisiert werden. Die Phantasie reicht von der gezielten Beseitigung eines Offiziers bis zum unsanften Abschluss einer Urlaubsreise im Bad des Hotelzimmers.

Handgranaten können für den Werfenden - so die genderkonforme Bezeichnung - selbst gefährlich werden. Das musste das 1. Garderegiment zu Fuß, also die Urahnen des Wachbataillons, schmerzlich erleben. Ihre dreieckigen Hüte kollidierten immer wieder mit dem Arm des Werfenden. Deshalb wurde den Grenadieren eine rot-weiße Zipfelmütze verpasst, die wegen der Optik noch mit einem Metallschild versehen wurde. Diese Kopfbedeckung störte beim Werfen der Granaten nicht mehr.

Wachbataillon Granatmaschinenwaffe GranMaschWa 40mm
Wachbataillon trainiert mit der Granatmaschinenwaffe 40mm: Der GranMaschWa-Trupp besteht aus (v.l.n.r.) Truppführer mit LEM (Fernglas), Richtschütze und Ladeschütze.
Irgendwann wurden Geräte entwickelt, die die Granaten über eine weite Distanz werfen können. Die Infanterie der Bundeswehr benutzt zwei dieser Gerätschaften: Granatpistole AG40 und die Granatmaschinenwaffe 40mm von Heckler & Koch. Beide Abschussgeräte nutzen 40mm-Munition. Die AG40 kann als Pistole verwendet oder unter das Sturmgewehr G36 montiert werden. Die Granatmaschinenwaffe - kurz GranMaschWa - kann nur in einer festen Stellung auf Dreibeinstativ genutzt werden. Der Rückschlag ist so stark, dass das Stativ entweder in einem Ballastsack mit 100 kg beschwert werden muss oder ein Stapel Sandsäcke zur Verhinderung des Wegrutschens hinter die Waffe gelegt wird.

Wachbataillon Granatmaschinenwaffe GranMaschWa 40mm
Wachbataillon trainiert mit der Granatmaschinenwaffe 40mm: Munitionsgurt
Die Munition sieht aus wie Deoroller. Die "Deoroller" sind ähnlich der Munition des MG3 mit schwarzen Metallgliedern verbunden und können wahlweise von rechts oder von links eingelegt werden. Klappe auf, "Deoroller" rein, Klappe zu, justieren und Einrichtungsschuss. Das Geräusch entspricht nicht ganz den Erwartungen. An der GranMaschWa klingt es recht unspektakulär, Es entfaltet sich erheblicher Rauch. An der Einschlagstelle erfolgt dann ein dumpfer Knall. Es gibt verschiedene Munitionsarten. Einmal die "Deoroller", die beim Aufschlagen auf das Ziel explodieren und Munition, die so justiert werden kann, dass sie erst hinter einem optisch ausgemachten Zielpunkt explodiert. Das wird beispielsweise im Häuserkampf eingesetzt, wenn erst eine Tür durchschlagen und dann gezündet werden soll. Gut, wenn man sich dann nicht gerade in diesem Raum aufhält.

Wachbataillon Granatmaschinenwaffe GranMaschWa 40mm
Wachbataillon trainiert mit der Granatmaschinenwaffe 40mm: Breitenfeuer und Treffer auf 500 Meter
Die Kompanien des Wachbataillons halten sich öfter auf Schießbahnen auf, als ihnen immer nachgesagt wird. Dort trainieren sie ihre infanteristischen Fähigkeiten, die bei militärischen Ehren im Kanzleramt oder Schloss Bellevue eher in den Hintergrund treten. Beim Protokolleinsatz zählen nur der korrekte Schritt, die gleichmäßige Drehung, der Sitz des Baretts und die Körperhaltung beim Warten auf den Staatsgast. Im Wald sieht das anders aus: Keine gebügelte Uniform, kein weißes Koppelzeug, kein alter Karabiner 98k, sondern moderne Waffen für die leichte Infanterie. Da das Wachbataillon für den Schutz des Regierungssitzes zuständig ist, trainiert es insbesondere den urbanen Kampf.

Video:
Wachbataillon trainiert mit der Granatmaschinenwaffe 40mm

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 28. Mai 2019

Milan in der freien Wildbahn

"Milan, gib dem Paul sofort die Schippe wieder", schallt es über den Buddelkasten der Kindertagesstätte. Milan ist ein slawischer Vorname, der mit "nett" im Sinne von "lieb" übersetzt werden kann. Es gibt dazu auch eine weibliche Variante: Milana. 2013 gelangte Milan erstmalig in die Top 100 der neu vergebenen Vornamen in Deutschland.

Wachbataillon MILAN
Wachbataillon trainiert den scharfen Schuss mit MILAN: Transport-LKWs und MILAN-Munition
Milan ist inzwischen auch ein Trendname im "wilden Kurdistan". 2014 wurden nämlich 600 Tonnen Fahrzeuge, Waffen, Munition und sonstige Gerätschaften zur Bekämpfung des IS nach Erbil geflogen. Darunter auch die Panzerabwehrwaffe MILAN. MILAN löste eines der größten Probleme mit dem IS. Der religiöse Hintergrund eines islamistischen Kämpfers ist nämlich der Tod im Dschihad und damit die garantierte Eintrittskarte ins muslimische Paradies. Das muslimische Paradies sieht gemäß Koran so aus, dass die dort Anwesenden mit Silbergeschirr bedient werden, auf grünen Brokatkissen liegen und die ganze Zeit nur einer Beschäftigung nachgehen: Zuschauen, wie die Ungläubigen in der Hölle schmoren. Jedenfalls scheint diese Aussicht attraktiv genug, einen normalen LKW oder Geländewagen mit Stahlplatten zu versehen, damit in ein Ziel mit Ungläubigen zu rasen und dabei die Sprengladung zu zünden.

Wachbataillon MILAN
Wachbataillon trainiert den scharfen Schuss mit MILAN: Zielentfernung etwa 1.000 Meter. Die Munitionskartusche wird in die Aufnahme rechts eingeklickt. Der Schütze beobachtet das Ziel durch die Optik auf der linken Seite. Ein Blech schützt den Soldaten vor einer Berührung mit dem Geschoss.
Mit herkömmlichen Waffen konnten diese behelfsmäßig gepanzerten Fahrzeuge nicht aufgehalten werden. MILAN sorgte für Abhilfe und dafür, dass beide Seiten ihr Ziel erreichen konnten: Der Nutzer der MILAN blieb am Leben und der Selbstmordattentäter starb - allerdings ein paar Sekunden früher als geplant.

Wachbataillon MILAN MIRA
Wachbataillon trainiert den scharfen Schuss mit MILAN: Oben wurde das Nachtsichtgerät MIRA aufgesetzt. Im Hintergrund ein Transportpanzer Fuchs, auf dessen Dach eine MILAN montiert werden kann. Die Montage dauert etwa eine halbe Minute und die Demontage maximal 20 Sekunden.
Vergleicht man MILAN mit einer Panzerfaust, fallen folgende Unterschiede auf: MILAN wird auf einem Dreibeingestell montiert und nicht mal eben über der Schulter abgefeuert. Das Geschoss ist ein Lenkflugkörper, der mithilfe eines Drahtes gesteuert werden kann. Der Draht wird anschließend dem Recyclingprozess zugeführt. MILAN hat eine auffällige Zieloptik und kann zusätzlich noch ein teures Nachtsichtgerät aufnehmen, das ziemlich viel Strom frisst. Deshalb sind immer mehrere Batterien dabei. Taucht ein gepanzertes Fahrzeug auf, kann es bis 2.000 Meter Entfernung bekämpft werden.

Wachbataillon Panzerfaust 3
Wachbataillon trainiert den scharfen Schuss mit Panzerfaust 3: Das Griffstück mit der Optik wird an das schwarze Rohr, den Anzündblock,  geklickt. Je nach Art des Ziels kann noch ein Abstandsrohr aus der Spitze der Panzerfaust gezogen werden. Dadurch detoniert die Hohlladung erst nach dem Durchschlagen einer Panzerung.
Die Panzerfaust hingegen wird über der Schulter abgeschossen und hat nur eine Reichweite von 400 Metern. Verfügt eine Einheit über MILAN und Panzerfaust 3, wird anhand des Lagebildes entschieden, welches der beiden Waffensysteme eingesetzt wird. Sind MILAN und Panzerfaust für eine Bekämpfung des Gegners sinnvoll, wird ein "Panzervernichtungstrupp" gebildet und nach vorne geschickt. Dieser besteht aus zwei Schützen und einem Truppführer. Trifft der erste Schütze nicht, steht der zweite Schütze bereit und feuert seine Panzerfaust auf dasselbe Ziel. MILAN kann in solchen Szenarien aus dem Hintergrund unterstützen.

Wachbataillon Panzerfaust 3
Wachbataillon trainiert den scharfen Schuss mit Panzerfaust 3: Schütze 1 verfehlt das Ziel.
Auch bei der MILAN gibt es für den Schützen keinen Rückstoß. Es darf nur eben niemand dahinter stehen, weil der Rückstoß so kompensiert wird, dass der Schütze zwar nichts merkt, aber hinter dem Abschussrohr eine ähnliche Wucht entfaltet wird wie davor.

Wachbataillon Panzerfaust 3
Wachbataillon trainiert den scharfen Schuss mit Panzerfaust 3: Schütze 2 übernimmt und trifft die Zielmitte.
MILAN ist übrigens eine Abkürzung. Diese steht für "Missile d'Infanterie léger antichar" und kann mit "leichte Panzerabwehr-Infanterie-Rakete" übersetzt werden. Das stromfressende Nachtsichtgerät heißt MIRA (MILAN Infrarotadapter). Apropos Fressen: Milan ist nicht nur ein Kindername, sondern auch ein mittelgroßer Greifvogel. Es ist dann schon eine Ironie des Schicksals, dass MILAN ausgerechnet mit einem Wolf transportiert wird und auf einen Fuchs montiert werden kann. Mit Wolf ist hier eine umgebaute Mercedes G-Klasse gemeint und mit Fuchs ein Transportpanzer.

Wachbataillon MILAN Wolf G-Klasse
Wachbataillon trainiert den scharfen Schuss mit MILAN: Mit Waffe, Munition und MIRA-Batterien ist im Wolf noch für drei Personen Platz.
MILAN wird bei der Bundeswehr mittelfristig durch das System MELLS abgelöst.

Videos:
MILAN - scharfer Schuss und Erklärungen
Panzerfaust 3 - scharfer Schuss und Erklärungen

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 23. Mai 2019

Schrippenfest 2019: 200 Jahre Infanterie-Lehrbataillon und 199 Jahre Schrippenfest

1819 wurde das Infanterie-Lehrbataillon in Potsdam gegründet. Dieses war dem 1. Garderegiment zu Fuß unterstellt und damit ein Urahne des heutigen Wachbataillons. Schon ein Jahr später, also 1820 -  wurde das Schrippenfest ins Leben gerufen. Es sollte die Gemeinschaft der Soldaten untereinander fördern. Auch der König, Promis, Familienmitglieder und externe Unterstützer waren dabei. Damals gab es Milchreis, saure Gurken, Sauerbraten, Kartoffeln und weiße Brote in Form von Schrippen. Bald wurde dem Anlass die Bezeichnung Schrippenfest verpasst. Dieser regional gefärbte Name ist bis heute erhalten geblieben.

Heute fand das 199. Schrippenfest statt. In den vergangenen Jahren war sehr viel Aufwand zur Unterhaltung der Familien betrieben worden. In diesem Jahr ging es eher um ein internes sich selbst feiern. Alles spielte sich auf einem kleinen Areal ab. Biertischgarnituren waren aufgebaut, Versorgungszelte, eine Bühne, ein Salutgeschütz, eine Passfotobox und ein LKW. Wohin das Auge blickte: Grün.

200 Jahre Infanterie-Lehrbataillon und 199 Jahre Schrippenfest
200 Jahre Infanterie-Lehrbataillon und 199 Jahre Schrippenfest - Bommel auf der Grenadiersmütze, im Hintergrund der Möllendorff-Degen (Archiv-Foto aus September 2018)
Den Kommandeur hätte ich fast gar nicht erkannt: Flecktarn ohne Mütze. Auch der Leiter des Stabsmusikkorps und sein Stellvertreter waren in Flecktarn erschienen - ohne Kopfbedeckung. Der S3-Hauptmann war lediglich an Dienstgrad, Namensschild und den Schwingen auf dem Schulterstück zu erkennen. Bisher schien er mit seiner blauen Luftwaffenuniform verwoben zu sein. Auch Brigadegeneral Henne, der für den Standort Berlin/Brandenburg zuständig ist, war in Flecktarn erschienen. Die wenigen Zivilisten fielen auf - fast schon wie Fremdkörper in einem abgetarnten Naturszenario.

In den fünf Stunden meiner Anwesenheit war eine hervorragende Stimmung zu erleben. Kompanien traten gegeneinander an beim LKW-Ziehen. Sieger eines Sportfestes wurden geehrt, Beförderungen vorgenommen und Orden sowie durchnummerierte Ehrennadeln verteilt. Besondere Freude muss wohl die Beförderung bereitet haben. Mit Schmackes wurden dabei die Schulterstücke aufgerissen, die alten Dienstgradabzeichen abgezogen und die neuen aufgesteckt.

Ständig schallte ein "Stü" durch die Lautsprecher. Das war das Signal für die Soldaten - egal wo sie sich gerade befanden - Haltung anzunehmen und die Hände an die Hosennaht zu pressen. Es folgte die jeweilige Ehrung und anschließend ein "Rü!" durch die Lautsprecher. Fast so wie im Dornröschen-Schloss nach dem finalen Kuss, löste sich nach dem "Rü!" das Standbild wieder in Bewegtbild auf. Allein die angereisten Gardesoldaten der Prager Burg kamen mit dem deutschen Befehlswortschatz nicht sofort zurecht und mussten entsprechend eingewiesen werden. Anschließend klappte es auch bei Ihnen. Zivilisten durften sich in dieser Zeit bewegen und Richtung Zapfhahn des Bieres "verlegen". Es hätte sonst zu große Lücken in der Schlange gegeben.

Nach diesem Programmteil trug der S3-Hauptmann ein großes silbernes Kreuz an der Brust. Er hatte die Zeremonie unbeschadet überlebt. Die Stimmung war wirklich gut. Es gab Steaks und Würstchen, Wiedersehen alter Kameraden und jede Menge guter Gespräche. Auch das Protokoll des BMVg war bei seinem Hauptauftragnehmer in der Julius-Leber-Kaserne erschienen - in Flecktarn natürlich.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 20. Mai 2019

Green Griffin 2019 trainiert den Bündnisfall und alle Hubschrauber fliegen

Seit dem Gelöbnis in Seedorf bin ich für den Griffin sensibilisiert. Griffin ist das englische Wort für den Greif. Der ignorante Stadtbewohner geht davon aus, dass Greif ein real existierender Raubvogel sei. Weit gefehlt: Der Greif ist ein Fabelwesen, das normalerweise aus dem Grundkörper einer großen Raubkatze besteht, mindestens zwei Flügel hat und den Kopf eines Adlers.

Green Griffin 2019 AH 64 D Apache
Green Griffin 2019 - AH 64 D Apache
Das Barettabzeichen der Fallschirmjäger erinnert an den Griffin im Sturzflug. Bei genauem Hinschauen erkennt man jedoch einen Adler ohne Raubkatzenkörper. Ein solches Barett trägt der Verbindungsoffizier des BMVg beim Bundespräsidenten. Oberst Hoppe war der erste Kommandeur des Fallschirmjägerregimentes 31 in Seedorf. So schließt sich der Kreis. Oberstleutnant Beinke, der aktuelle Kommandeur des Wachbataillons, ist ausgebildeter Fallschirmjäger und absolviert regelmäßig seine Pflichtstunden zum Erhalt der Lizenz. Oberst Dr. Bauersachs, der Leiter Protokoll BMVg, ist Kampfhubschrauberpilot. Inzwischen lässt sich schon fast von einem Luftunterstützungstrupp an den Schaltstellen des Protokolls reden.

Green Griffin 2019 TIGER
Green Griffin 2019 - TIGER
Green Griffin - übersetzt Grüner Greif - ist die Bezeichnung einer groß angelegten Übung unter Federführung der DSK: Division Schnelle Kräfte. An dieser Übung nehmen etwa 2.500 Soldaten aus Deutschland und den Niederlanden teil. Die militärischen Beziehungen zu den Niederlanden sind schon so gut, dass es eine partielle Integration von Truppen gibt. Integration heißt, dass die multinationalen Befehlsstrukturen ineinander verzahnt sind. So ist die niederländische 11 Luchtmobile Brigade der DSK unterstellt. Die DSK gilt als eine der am besten ausgebildeten Verbände des Heeres und besteht aus etwa 10.000 deutschen und 2.300 niederländischen Soldaten.

Die Liste der Übungsteilnehmer ist lang und reicht vom Deutschen Roten Kreuz bis zur 10. Panzerdivision und der Luftlandebrigade 1. Vom 6. bis zum 24. Mai 2019 trainieren diese Einheiten sämtliche Szenarien, die zu ihrem Aufgabenbereich gehören: militärische Evakuierungsoperationen, Anfangsoperationen wie Einnahme und Sicherung von Brückenköpfen oder luftbewegliche Operationen. Im Gegensatz zu reinen Luftoperationen, wie sie die Luftwaffe durchführt, bedeutet "luftbeweglich", dass typische Bodenkämpfer über den Luftweg von A nach B bewegt werden. Deshalb sind Fallschirmjäger immer noch Jäger, also Kräfte, die mit relativ leichten Waffen am Boden kämpfen.

Green Griffin 2019 CH 47 Chinook F
Green Griffin 2019 - Zwei CH 47 Chinook F setzen Truppen ab
Artikel 5 des NATO-Vertrages beschreibt den Bündnisfall. Wenn demnach eines der NATO-Mitglieder mit Waffengewalt angegriffen wird, betrifft das alle NATO-Mitglieder, die dann ihrem Ausmaß entsprechend zu Hilfe eilen. Je öfter NATO-Partner gemeinsam trainieren, umso reibungsloser können sie dann auch in solch einem Bündnisfall agieren.

Green Griffin 2019 CH 47 Chinook F Wiesel
Green Griffin 2019 - CH 47 Chinook F setzt Truppen und einen untergehängten Waffenträger Wiesel ab.
Bei Trident Juncture 2018 in Norwegen war beispielsweise festgestellt worden, dass die Verladung deutscher Gerätschaften in amerikanische Hubschrauber suboptimal lief. Das wurde sofort ausgewertet, eine Lösung gefunden, die Abläufe angepasst und am nächsten Tag schon erfolgreich praktiziert. Bei Green Griffin zeigte sich, dass die Holländer in ihren Denkstrukturen den Deutschen sehr ähnlich sind. Man spiele sich zurzeit auf einen einheitlichen Umgang mit den Vorschriften und Genehmigungsabläufen der beiden Länder ein. Die Kommunikation laufe auf Englisch und die praktische Bedeutung der Begriffe sei weitestgehend geklärt.

Green Griffin 2019 Wiesel
Green Griffin 2019 - Platz da! Für meinen Matz da! Per CH 47 Chinook F abgesetzter Waffenträger Wiesel bahnt sich den Weg in die nächste Ortschaft.
Green Griffin ist eine freilaufende Übung. Der Städter denkt bei freilaufend sofort an den Kauf von Eiern im Supermarkt. Freilaufend klingt human und ökologisch verantwortungsbewusst. Am Standort Bad Bodenteich konnte nicht nur die Übung situativ frei laufen. Es wurde auch sehr human mit der Landbevölkerung umgegangen. Jeder Anwohner, der eine Warnweste im Auto hatte, zog diese an und mischte sich unter die Pressevertreter. Unentwegt waren Gelbwesten im Bild: Männer, Frauen, Kinder, Radfahrer - mit und ohne Kameras. Mittendrin die freilaufenden Soldaten, die sich mit Übungsmunition den Weg freikämpften und gelegentlich von den Schiedsrichtern darauf hingewiesen wurden, dass sie bereits mehrfach getroffen und nun wirklich "ausgefallen" seien.

Apropos "ausgefallen": Keiner der etwa 25 Hubschrauber sei in den zwei Wochen der Übung ausgefallen. Es waren TIGER aus Fritzlar, NH 90 aus Fassberg und Niederstetten sowie AH 64 D Apache und CH 47 Chinook F aus den Niederlanden dabei. Einige der Hubschrauber unterstehen der niederländischen Luftwaffe, haben aber ein prioritives Zugriffsrecht durch die Division Schnelle Kräfte (DSK).

Green Griffin 2019 Gefechtsstand
Green Griffin 2019 - Vom mobilen Gefechtsstand aus wird die gesamte Operation koordiniert.
Vom Hauptgefechtsstand aus wird entschieden, wie viele Wellen geflogen werden und welche Truppen oder Geräte in diese Wellen integriert werden. Die erste Welle setzt in der Regel Mannschaften ab und danach folgt Unterstützungsmaterial. Dabei ist auch die Verfügbarkeit der Transporthubschrauber Chinook und NH 90 zu bedenken, die entweder gepanzerte Fahrzeuge oder größere Truppenverbände am Ziel abliefern können. Jede dieser luftbeweglichen Aktionen wird durch Kampfhubschrauber Apache oder TIGER beaufsichtigt und an den Flanken geschützt. Durch eine Spezialoptik über den Rotorblättern ist es dem TIGER sogar möglich, hinter einer Baumgruppe abzutauchen und trotzdem das Geschehen zu beobachten..

Video:
Green Griffin 2019 mit Fallschirmjägern, Apache, Tiger und Chinook

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 14. Mai 2019

Norwegens Verteidigungsminister Frank Bakke-Jensen zum Antrittsbesuch im Bendlerblock empfangen

Vor mehr als fünf Jahren wurde Ine Marie Eriksen Søreide mit militärischen Ehren im Bendlerblock empfangen. Die Begrüßung der beiden Ministerinnen war überaus herzlich. Im Februar saß Frau Søreide auf der Bühne der Münchner Sicherheitskonferenz und diskutierte über die sicherheitspolitischen Folgen der Klimaerwärmung. Zu dem Zeitpunkt war sie bereits Außenministerin Norwegens. Der Wechsel hatte im Oktober 2017 stattgefunden. Ihr Nachfolger heißt Frank Bakke-Jensen.

Norwegen Verteidigungsminister Frank Bakke-Jensen Antrittsbesuch BMVg Bendlerblock
Norwegens Verteidigungsminister Frank Bakke-Jensen zum Antrittsbesuch im Bendlerblock empfangen - links im Bild die deutsche Delegation
Heute Nachmittag wurde Frank Bakke-Jensen endlich mit militärischen Ehren im BMVg empfangen. Dabei haben Deutschland und Norwegen ein überaus gutes Verhältnis zueinander. Das zeigte auch die NATO-Übung Trident Juncture 2018. Die norwegische Bevölkerung war der Übung und den Beteiligten gegenüber sehr aufgeschlossen und unterstützte das Manöver, wo es nur ging. Aber auch Deutsche haben eine starke Affinität für Norwegen. So läuft auf winterlichen deutschen Straßen gefühlt jeder Dritte mit einer Jacke herum, auf die die norwegische Flagge aufgenäht ist.

Mit dem Zweiten Weltkrieg hatte sich das Verhältnis der Norweger zu Deutschland stark abgekühlt und bis Ende der 1980er Jahre herrschte Misstrauen in die deutsche Nachkriegsentwicklung. Der Durchbruch bei den Beziehungen zu Norwegen gelang mit der Wiedervereinigung Deutschlands. Norwegen sah die demokratische Entwicklung und entschied sich zur bewussten "Pflege" einer neuen Freundschaft. So ist Deutschland inzwischen der zweitwichtigste Handelspartner Norwegens - nach Großbritannien. Der Brexit könnte hier noch für eine Verschiebung sorgen.

Norwegen hat 5,3 Millionen Einwohner, 23.250 aktive Militärangehörige und 40.000 Reservisten. Die Reservisten nennen sich Home Guard und können je nach Ausbildung und Zweck innerhalb weniger Stunden aktiviert werden. Die norwegischen Soldaten gelten als gut ausgestattet und trainiert. Sie sind auf Operationen in kleinen Trupps spezialisiert. Norwegen baut zurzeit seine Luftwaffe und die U-Bootflotte aus. Das Land setzt auf amerikanische F35 und wird entsprechend stark im Bereich der Luftwaffe von den USA unterstützt. Das U-Bootprogramm ist Teil einer strategischen Partnerschaft mit Deutschland. Beide Länder planen die Anschaffung mehrerer U-Boote vom Typ U212.

Norwegen Verteidigungsminister Frank Bakke-Jensen Antrittsbesuch BMVg Bendlerblock
Norwegens Verteidigungsminister Frank Bakke-Jensen zum Antrittsbesuch im Bendlerblock empfangen
Im Bereich CIR (Cyber-Informationsraum) ist Norwegen schon sehr weit. Bereits 2012 wurden Richtlinien zum Umgang mit Cyber-Attacken aufgestellt und konsequent in die Praxis umgesetzt. Dazu gehören die Früherkennung möglicher Angriffsszenarien und der Schutz sämtlicher Infrastrukturen vom Servernetzwerk, über militärische Netze, bis zur Mobilfunkkommunikation. Das Mobilfunknetz ist deutlich besser ausgebaut als in Deutschland. Selbst von der entlegensten norwegischen Waldlichtung aus können Fotos per WhatsApp an die Freunde in Deutschland gesendet werden.

Verteidigungsminister Frank Bakke-Jensen ist 54 Jahre alt und wurde im hohen Norden Norwegens geboren. Der gelernte Schiffselektriker absolvierte mit 25 Jahren seinen Wehrdienst und kam dadurch auch in den Libanon. Danach studierte er Theologie, sattelte danach in die Tourismusbranche um und übernahm sogar ein Reisebüro. Seine politische Karriere begann 1999 in der Gemeindevertretung seines Geburtsortes. Schon zehn Jahre später fungierte er als stellvertretender Vorsitzender seiner konservativen Partei Høyre. 2009 wurde er erstmalig in das norwegische Parlament gewählt. 2016 wurde er dort als Minister für die EU-Zusammenarbeit eingesetzt und 2017 zum Verteidigungsminister berufen.

Video:
Militärische Ehren für Norwegens Verteidigungsminister Frank Bakke-Jensen

Autor: Matthias Baumann

Sonntag, 12. Mai 2019

70 Jahre Luftbrücke Berlin - Empfang und Serenade im Alliierten Museum in der Clayallee

Hätten die westlichen Alliierten nicht darauf bestanden, einen Teil von Berlin zu verwalten, hätte es keine Blockade von West-Berlin gegeben. Hätte es keine Blockade von West-Berlin gegeben, hätte auch die Luftbrücke nicht etabliert werden müssen. Hätte es keine Luftbrücke gegeben, wäre West-Berlin mit seinen 2 Millionen Einwohnern ausgehungert und in die russische Besatzungszone eingemeindet worden. Wäre das passiert, wäre keine Mauer um West-Berlin errichtet worden.

70 Jahre Luftbrücke Berlin Empfang Serenade Alliierten Museum Clayallee
70 Jahre Luftbrücke Berlin - Empfang und Serenade im Alliierten Museum in der Clayallee: (v.l.n.r.) General John William Nicholson Jr., Oberst Gail Halvorsen, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen
Wäre, hätte, könnte: West-Berlin war ein Stachel im Fleisch des Ostblocks. West-Berlin war das Zünglein an der Waage des Kalten Krieges. Ein cleverer Schachzug der westlichen Alliierten. West-Berlin musste unter allen Umständen gehalten werden. So war der humanitäre Akt der Luftbrücke wohl in erster Linie ein politisch motivierter Akt des Kräftemessens zwischen Sozialismus und Kapitalismus, zwischen Ost und West. Eine Umsetzung des alten Prinzips: Sieg ohne Kampf. Ein Sieg, der durch Beharrlichkeit, logistische Exzellenz und hohe Motivation erzielt werden konnte.

Die bei der Luftbrücke eingesetzten Rosinenbomber wären als normale Bomber gar nicht geeignet gewesen. Es waren Transportflugzeuge des Typs Douglas C-54 Skymaster, die für Langstreckenflüge mit knapp 50 Passagieren konzipiert waren. Die Rosinenbomber transportierten hauptsächlich Lebensmittel und Brennmaterial für den frostigen Winter 1948/1949 nach Berlin.

Gerne werden US-Amerikaner, Briten und Franzosen als Helden der Luftbrücke gefeiert. Dabei waren die Franzosen kaum daran beteiligt, da sie sich im Indochinakrieg die Zähne an Vietnam ausbeißen wollten. So wurde die französische Abwesenheit durch Piloten aus Australien, Neuseeland, Kanada und Südafrika kompensiert. Auch diese flogen überladen und hatten entsprechende Verluste zu beklagen.

70 Jahre Luftbrücke Berlin Empfang Serenade Alliierten Museum Clayallee
70 Jahre Luftbrücke Berlin - Empfang und Serenade im Alliierten Museum in der Clayallee: US-Botschafter Richard Grenell und Oberst Gail Halvorsen (rechts)
Einer der Piloten hatte die Idee, den winkenden Kindern am Boden schon vor der Landung ein paar Süßigkeiten zukommen zu lassen. Dazu befestigte er Schokolade an Taschentüchern und warf diese wie Fallschirme aus dem Flugzeug ab. Das sprach sich schnell herum und wurde bald von vielen der Piloten praktiziert. Die Aktion bekam sogar einen Namen: Operation Little Vittles.

Der Initiator dieser Operation war Gail Halvorsen. Gail Halvorsen ist 98 Jahre alt. Als er gestern mit seinem Rollator das Festzelt am Alliierten Museum betrat, gab es stürmischen Applaus. Sofort war er von älteren Damen, Offizieren und Botschaftern umringt. Unentwegt wurde seine Hand geschüttelt und Selfies mit dem prominenten Ami aufgenommen.

70 Jahre Luftbrücke Berlin Empfang Serenade Alliierten Museum Clayallee
70 Jahre Luftbrücke Berlin - Empfang und Serenade im Alliierten Museum in der Clayallee: Britischer Botschafter Sebastian Wood (links), US-Botschafter Richard Grenell (Hintergrund Mitte), britischer Luftwaffen-Attaché Oberst Mark Heffron (rechts)
Einen bemerkenswert stürmischen Applaus gab es auch beim Erscheinen der Ministerin. Sie hielt eine leidenschaftliche Rede zur gelungenen Überwindung des Kommunismus, zur Demokratie in Europa und zum transatlantischen Bündnis. Dann schaltete sie auf Englisch um und stellte den amerikanischen 4-Sterne General John William Nicholson Jr. vor. General Nicholson befindet sich zwar schon im Ruhestand, hatte aber gestern noch einmal seine Uniform angezogen. Ursula von der Leyen beendete ihre Rede mit der "Aushändigung des Großen Verdienstkreuzes mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland" an John William Nicholson Jr.

John William Nicholson Jr. war acht Jahre nach Ende der Blockade Berlins im schönen Baltimore, Maryland, geboren worden. Im Gegensatz zu deutschen Generalen mit ihren weit über 40 Dienstjahren, könnte sich John W. Nicholson innerhalb von 36 Jahren auf die 4-Sterne-Position vorarbeiten und dann in den Ruhestand gehen. Die letzten zwei Dienstjahre war er Befehlshaber der Mission Resolute Support in Afghanistan.

70 Jahre Luftbrücke Berlin Empfang Serenade Alliierten Museum Clayallee
70 Jahre Luftbrücke Berlin - Empfang und Serenade im Alliierten Museum in der Clayallee: Perlenkette zwischen Empfangszelt und Tribüne
Nachdem der Stern des Verdienstordens angesteckt war, gab es einen Empfang. Dieser konnte auch zur Besichtigung des Alliierten Museums genutzt werden. Etwa eine Stunde später signalisierte die Aufstellung der Perlenkette den Beginn der Serenade. Die Perlenkette hat in diesem Falle nichts mit dem Schmuck der anwesenden Damen zu tun, sondern ist die Bezeichnung für Fackelträger des Wachbataillons, die den Weg vom Empfang zur Tribüne markieren. Das rote Podest für die Prominenz war diesmal sehr breit. Immerhin musste es Platz für Ursula von der Leyen, Vizeadmiral Rühle, den Regierenden Bürgermeister und die Botschafter der USA, Großbritanniens und Frankreichs bieten. Es wurden folgende Musikstücke gespielt:

Le Caid - Eduard Michel
Colonel Bogy March - Kenneth J. Alford
Chattanooga Choo-Choo - Arrangement Glenn Miller
Berliner Luft - Paul Lincke
Nationalhymne - Joseph Haydn

Danach war der gesellige Abend zu Ende. Heute um elf war das Wachbataillon schon wieder im Einsatz. Diesmal am Flughafen Tempelhof. Bereits am Dienstag hatten Prinz Charles und Camilla Parker Bowles mehrere Stationen in Berlin absolviert. Darunter auch den Platz der Luftbrücke.

Heute vor 70 Jahren war die Blockade West-Berlins beendet worden. Die Luftbrücke wurde jedoch noch bis zum 30. September 1949 fortgesetzt.

Videos:
Serenade und Empfang zum 70. Jahrestag der Luftbrücke im Alliierten Museum
Prinz Charles am 07.05.2019 beim Bundespräsidenten im Schloss Bellevue

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 17. April 2019

SACEUR General Curtis M. Scaparrotti mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet

Es taucht regelmäßig die Frage auf, wer in Deutschland einen Großen Zapfenstreich bekommt. Ein Großer Zapfenstreich dauert etwa 45 Minuten, beginnt in der Dämmerung und wird vorrangig durch Fackeln illuminiert. Der Große Zapfenstreich steht den Bundespräsidenten, den Bundeskanzlern, den Verteidigungsministern und Generalen ab drei Sternen zu - entsprechend auch Admiralen ab Vizeadmiral. Sattelt ein Generalleutnant (3 Sterne) vorzeitig auf Staatssekretär um, bekommt er zwar im Monat noch mehr Geld, muss dann aber auf seinen Großen Zapfenstreich verzichten. Bleibt er im Verteidigungsministerium, bekommt er am Ende aber wenigstens eine Serenade.

Gestern Abend wurde General Curtis M. Scaparrotti mit einem Großen Zapfenstreich im Bendlerblock geehrt. Das "M." steht für Michael. Gute Bekannte dürfen ihn auch Mike nennen. Im März war Mike Scaparrotti 62 Jahre alt geworden. Er ist Amerikaner und hatte 2013 seinen vierten Stern erhalten. Im Mai 2016 übernahm er das Kommando des USEUCOM und wurde SACEUR. Dieses Europa-Kommando der US-Streitkräfte hat seinen Sitz in Stuttgart. Das begründet die Ehrung mit einem Großen Zapfenstreich in Deutschland.

SACEUR General Curtis M. Scaparrotti mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet
SACEUR General Curtis M. Scaparrotti mit einem Großen Zapfenstreich im Bendlerblock verabschiedet
General Scaparrotti schaut auf 41 Dienstjahre zurück. Zunächst war er in einer Fallschirmjäger-Division tätig und danach in einer Gebirgsjäger-Division. Zwischendurch schloss er mehrere Studiengänge und Ausbildungen ab und wurde 2003 zum Brigadegeneral ernannt. Kaum hatte er diesen Dienstrang, wurde er an prominenter Stelle im Irakkrieg eingesetzt. Nach einem Jahr wechselte er an die United States Military Academy in West Point.

2006 bekam Curtis M. Scaparrotti seinen zweiten Stern und wurde Director of Operations am USCENTCOM. Das USCENTCOM ist vergleichbar mit unserem Einsatzführungskommando. Allerdings ist es nur eines von mehreren solcher Kommandos und agiert hauptsächlich im Nahen und Mittleren Osten. Je höher der Dienstrang, umso schneller der ständige Wechsel: 2008 wurde er Chef seiner früheren Fallschirmjäger-Division.

2010 wurde Mike Scaparrotti Generalleutnant, bekam also seinen dritten Stern. 2011 wurde er Befehlshaber der ISAF in Afghanistan und stellvertretender Kommandeur der US-Streitkräfte in Afghanistan (USFOR-A). Darüber hinaus kommandierte er Operationen in Zaire, Ruanda, Liberia und Bosnien-Herzegowina. 2012 landete er auf dem Posten des Direktors des Generalstabs in Washington, D.C., einer geeigneten Absprungstelle für den vierten Stern. 2013 bekam er den vierten Stern und machte einen Exkurs zu den US-Streitkräften in Korea.

2016 wurde er zum SACEUR ernannt. SACEUR ist die Abkürzung für Supreme Allied Commander Europe. Praktisch heißt das, dass der SACEUR der Befehlshaber der NATO-Truppen in Europa ist. Es gilt die Regel, dass der SACEUR immer identisch mit dem USEUCOM ist. Das heißt, der SACEUR ist immer ein amerikanischer General oder Admiral. Forciert Donald Trump den Ausstieg der USA aus der NATO, müsste diese Regel nachjustiert werden. Momentan wird aber niemand Anspruch auf diesen Posten erheben, da die USA doppelt so viel Geld in ihren Militärhaushalt pumpen wie alle anderen NATO-Staaten zusammen.

Der SACEUR hat natürlich auch ein Privatleben. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Die Wunschstücke der Serenade drücken ebenfalls viel über das aus, was die geehrte Person innerlich bewegt. General Curtis M. Scaparrotti hatte sich folgendes gewünscht:

The American Soldier - Charles Koff / Tom Jones
Hands across the Sea - John Philip Sousa
The Official West Point March - Philip Egner

Für die musikalische Begleitung des Großen Zapfenstreiches war diesmal das Musikkorps der Bundeswehr zuständig, da das Stabsmusikkorps bereits im Osterurlaub weilte.

Video:
Großer Zapfenstreich für den SACEUR General Curtis M. Scaparrotti

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 16. April 2019

Tschechiens Verteidigungsminister Lubomír Metnar besucht seine Amtskollegin in Berlin

Das Wachbataillon ist heute im Dauereinsatz: Halb zwölf militärische Ehren für den Präsidenten von Kirgisistan im Schloss Bellevue, gleichzeitig militärische Ehren für Lettlands Verteidigungsminister Artis Pabriks im Bendlerblock und abends ein Großer Zapfenstreich für den SACEUR General Scaparrotti. Wegen Curtis M. Scaparrotti war auch der Verteidigungsminister Tschechiens, Lubomír Metnar, angereist. Zusammen mit Artis Pabriks will er am Abend an der Verabschiedung des NATO-Generals teilnehmen.

Tschechiens Verteidigungsminister Lubomír Metnar Antrittsbesuch Berlin
Tschechiens Verteidigungsminister Lubomír Metnar zum Antrittsbesuch in Berlin - Im Hintergrund sind bereits die Tribünen für die Gäste des heutigen Großen Zapfenstreichs aufgebaut.
Lubomír Metnar ist seit Juni 2018 Verteidigungsminister innerhalb der Regierung des umstrittenen Andrej Babiš. Als Parteiloser unterstützt Lubomír Metnar die Partei ANO, der auch Babiš angehört. Er absolvierte heute seinen Antrittsbesuch in Berlin und bekam dem Anlass entsprechend ebenfalls militärische Ehren. Mit Ursula von der Leyen wird er sicher auch über die notwendige Modernisierung bei den Streitkräften seines Landes geredet haben.

Tschechien hat etwa 10 Millionen Einwohner und 23.200 aktive Soldaten. Das Land sieht sich insbesondere durch russische Cyber-Attacken herausgefordert. Zudem wächst die Angst vor konventionellen Bedrohungen an der Ostflanke der NATO. Im Februar 2017 hat Tschechien eine Absichtserklärung mit Deutschland unterzeichnet, um die Zusammenarbeit der tschechischen 4. Schnellen Eingreifbrigade mit der deutschen 10. Panzerdivision zu intensivieren. Im selben Jahr wurde mit der Slowakei ein Abkommen zur Sicherung des Luftraumes abgeschlossen. Sicherheitspolitisch scheint Europa endlich zusammenzurücken.

Lubomír Metnar ist 51 Jahre alt und bringt Fachkompetenz mit. Er wurde an einer Polizeischule ausgebildet und war dann viele Jahre als Kriminalist tätig. 2013 fungierte er für kurze Zeit als stellvertretender Innenminister. Ende 2017 wurde er als Innenminister vereidigt und Mitte 2018 als Verteidigungsminister.

Video:
Militärische Ehren für den Verteidigungsminister Tschechiens, Lubomír Metnar

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 11. April 2019

Karfreitagsgefecht, Gelöbnis und Fähigkeiten des Fallschirmjägerregiments 31 in Seedorf

Das Fallschirmjägerregiment 31 ist noch sehr jung. Ende 2011 begann eine umfassende Umstrukturierung verschiedener Fallschirmjägereinheiten, die 2014 eine finale Aufstellung in Struktur und Größe eines Regimentes ergab. Eingemeindet wurden die Luftlandebrigade 31, die Fallschirmjägerbataillone 313 und 373 sowie das Luftlandeunterstützungsbataillon 272. Die Luftlandebrigade 31 wurde in diesem Zuge aufgelöst.

Das Fallschirmjägerregiment 31 - kurz FschJgRgt 31 - besteht aus 11 Kompanien und wird seit 2016 durch Oberst Christian von Blumröder kommandiert. Im Gegensatz zu einem Bataillon hat ein Regiment deutlich mehr Kompanien und es kann (theoretisch) komplett ohne externe Hilfe agieren. Das FschJgRgt hat nämlich neben den zwei EGB-Kompanien (EGB = Erweiterte Grundbefähigungen), drei Infanterie-Kompanien, einer schweren Kompanie mit Wiesel und Mörser, einer Ausbildungskompanie und einer Reservistenkompanie auch eine Sanitätskompanie, eine Logistikkompanie und eine Versorgungs- und Unterstützungskompanie. Diese 11 Kompanien bilden eine geschlossene Einheit.

Gelöbnis Fallschirmjägerregiment 31 Seedorf
Gelöbnis am Standort des Fallschirmjägerregiments 31 in Seedorf - Freifallspringer landen auf dem Platz vor der Gelöbnisaufstellung
Im Saarland gibt es ein weiteres Fallschirmjägerregiment - das FschJgRgt 26. Beide Regimenter unterstehen zusammen mit weiteren Spezialkommandos der LLBrig1 (Luftlandebrigade 1). Diese untersteht der Division Schnelle Kräfte (DSK).

Das FschJgRgt 31 hat Aufgaben, die Glanz in die Augen eines Abenteurers treiben: Evakuierungsoperationen, bewaffnete Rückführungen und taktische Unterstützung von Spezialkräften. Das Regiment verfügt auch über einen QRF-Zug. QRF steht für Quick Reaction Force und könnte mit Schnelle Reaktionstruppe übersetzt werden. Die Einsatzszenarien sind also vielseitig, global, spannend und nicht ganz ungefährlich.

2010 fand in Afghanistan eines der bekanntesten Gefechte in der Geschichte der Bundeswehr statt: das Karfreitagsgefecht. Der Karfreitag fiel damals auf den 2. April. Angehörige des oben erwähnten Fallschirmjägerbataillons 373 sollten selbstgebastelte Sprengfallen - IED genannt - ausfindig machen und beseitigen. Dabei wurden sie aus einem Hinterhalt heraus angegriffen und massiv unter Beschuss genommen. Amerikanische Hubschrauber beobachteten das Geschehen aus der Luft und griffen gelegentlich ein. Mit der durchaus vorhandenen Schlagkraft musste jedoch behutsam umgegangen werden, da sonst zu viele eigene Kräfte und Zivilisten in Mitleidenschaft gezogen worden wären.

Es konnte nicht verhindert werden, dass drei deutsche Soldaten an diesem Karfreitag 2010 starben und acht weitere schwer verwundet wurden. Sechs afghanische Armeeangehörige wurden durch Eigenbeschuss getötet, weil sie sich bei der Anfahrt nicht als eigene Kräfte zu erkennen gegeben hatten. Das Gefecht dauerte insgesamt acht Stunden. Eine extrem lange Zeit im Dauerstress, die auch ein Profi nicht einfach so wegsteckt.

Gelöbnis Fallschirmjägerregiment 31 Seedorf Karfreitagsgefecht
Gelöbnis am Standort des Fallschirmjägerregiments 31 in Seedorf - Ort des Gedenkens an Nils Bruns, Robert Hartert und Martin Augustyniak, die beim Karfreitagsgefecht ums Leben kamen.
In Afghanistan sind bisher 35 deutsche Soldaten bei Gefechten oder Anschlägen ums Leben gekommen. Weitere Soldaten starben bei Unfällen. Andere Entsendestaaten haben deutlich höhere Verluste zu beklagen. Die Gefallenen aus Seedorf werden an einem Platz in der Nähe des Kaserneneingangs geehrt. Das Leben geht aber weiter. So ist es beispielsweise beim Ehrengeleit üblich, dass die Ehrenformation anschließend mit einem schwungvollen Marsch den Platz verlässt. Hoffnung, Leben, neuer Mut sollen damit vermittelt werden.

So fand heute in Seedorf ein Gelöbnis mit 272 Rekruten und über 1.000 Gästen statt. Sie wirkten entschlossen, die Bundesrepublik Deutschland "tapfer zu verteidigen". Die Rekruten verteilen sich auf die Ausbildungs- und Unterstützungskompanien 31, 91 und 92.

Das besondere Highlight war die Landung von vier Freifallspringern inmitten der Gelöbnisaufstellung. Freifallspringer haben eine Spezialausbildung, sind selten und dürfen ihre Fallschirme in der Luft selbst öffnen. Dadurch sind sie wesentlich flexibler bezüglich Flugbahn und Landung. Sie werden vorrangig zur Sondierung brauchbarer Landeplätze eingesetzt. Wenn die Freifallspringer ihren Job getan haben, kommen die "normalen" Fallschirmjäger zum Einsatz. Auf 400 Metern Höhe öffnet dann das Flugzeug die Heckklappe und lässt die Soldaten in Masse abspringen. Dabei sorgt eine kurze am Flugzeug befestigte Leine dafür, dass der Fallschirm nach etwa drei Metern geöffnet wird. Danach schweben die Jäger wie ein dichter Teppich auf das Kampfgebiet nieder.

Gelöbnis Fallschirmjägerregiment 31 Seedorf
Gelöbnis am Standort des Fallschirmjägerregiments 31 in Seedorf - Truppenfahnen aus dem Gelöbnisverbund NORD
Da das Gelöbnis erst um 18 Uhr stattfand, konnten sich die Gäste noch mit den Fähigkeiten des Regiments vertraut machen. Es gab Vorführungen der Diensthunde, eine Ausstellung der Aufklärer, Erklärung der eingesetzten Waffen, Sanitätsvorführungen, Nahkampfvorführungen und weitere Stationen, die Groß und Klein begeisterten und teilweise auch zum Mitmachen anregten.

Videos:
Gelöbnis von 272 Rekruten beim FschJgRgt31 in Seedorf
Diensthunde beim FschJgRgt31
Kampfmittelbeseitigungsroboter Packbot beim FschJgRgt31
Nahkampf beim FschJgRgt31
Ferngesteuerter Hubwagen Crayler FLG 140 beim FschJgRgt31
Sanität beim FschJgRgt31


Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 3. April 2019

Wachbataillon: Jägerkompanie im Angriff mit Feuer und Bewegung

Wer das Wort "Wachbataillon" hört, denkt normalerweise an militärische Ehren im Kanzleramt, im Schloss Bellevue oder im Bendlerblock. Bei Tagen der offenen Tür tritt dessen Drillteam auf und stellt in choreografischer Perfektion Kunststücke mit dem Karabiner 98k dar. Unter unseren Videos zu protokollarischen Anlässen im Zusammenhang mit dem Wachbataillon lesen wir dann regelmäßig Kommentare wie: "Können die auch kämpfen?"

Wachbataillon Protokolleinsatz Schloss Bellevue
Wachbataillon beim Protokolleinsatz am Schloss Bellevue - Oberstleutnant Kai Beinke (mitte), Generalleutnant Stephan Thomas (rechts, Kommandeur Deutsche Anteile Multinationale Korps / Militärische Grundorganisation), Oberst Thomas Milster (2. von rechts, stellvertretender Leiter Protokoll BMVg)
Dabei sind Protokolleinsätze nur eine der Aufgaben, die das Wachbataillon zu erfüllen hat. Vier von neun Kompanien haben ihren Hauptfokus auf dem Protokoll. Insider reden von Prottern. Das dazugehörige Verb heißt protten. Verhakt sich der Formationsführer in der Abfolge der Kommandos, muss er selbst nachprotten. Lässt ein Soldat während des Pressetermins den Karabiner fallen, muss er ebenfalls nachprotten.

Wachbataillon - Feuer und Bewegung - Jägerkompanie im Angriff
Wachbataillon - Feuer und Bewegung - Protokollkompanie in Flecktarn übt den Angriff als Jäger.
Fünf der neun Kompanien sind normalerweise für Sicherungsaufgaben zuständig. Es kommt jedoch oft genug vor, dass auch sie bei Protokolleinsätzen zu sehen sind. Jede Kompanie muss also beides abdecken: Protten und Sichern. Alle müssen die gleichen militärischen Kennziffern abliefern und entsprechend viele Stunden auf Übungsplätzen verbringen. Der Auftrag des Wachbataillons beinhaltet auch den Schutz der Bundesregierung. Das Wachbataillon untersteht dem Kommando Territoriale Aufgaben und damit der Streitkräftebasis.

Wachbataillon - Feuer und Bewegung - Jägerkompanie im Angriff
Wachbataillon - Feuer und Bewegung - Der Kommandeur des Wachbataillons, Oberstleutnant Kai Beinke, bei der Auswertung der Übung zum Angriff der Jäger unter dem Schutz der Deckungsgruppe.
Sehr spontan kam Anfang März ein Treffen mit Oberstleutnant Kai Beinke an einer Schießbahn im Umland von Berlin zustande. Kai Beinke ist seit September 2018 Kommandeur des Wachbataillons. Er ist Fallschirmjäger und Kämpfer durch und durch. Das zeigt auch seine entschlossene Körperhaltung bei Protokolleinsätzen. Bei bestem Frühlingswetter übte die 2. Kompanie des Wachbataillons den Angriff unter Deckungsfeuer.

Feuer und Bewegung sind wichtige Elemente des Kampfes. Dazu wird die Gruppe aufgeteilt. Ein Teil hält den Feind mit Feuer nieder und der andere Teil bewegt sich. Dann wird gewechselt. Die Protter in Flecktarn sollten sich in kurzen Distanzen vorwärtsbewegen. Immer zur nächsten Deckung: ein Haus, ein Schuppen, ein Schuttberg, eine Mauer, eine Sandkuhle. Wenn eine bestimmte Zielmarke erreicht war, sollte auf die gleiche Weise das Ausweichen geübt werden. Ausweichen ist Bundeswehrdeutsch und würde im zivilen Umfeld eher als Rückzug bezeichnet werden. Immer von Deckung zu Deckung unter dem Deckungsfeuer der sich gerade nicht bewegenden Truppe.

Wachbataillon - Feuer und Bewegung - Jägerkompanie im Angriff
Wachbataillon - Feuer und Bewegung - Maschinengewehr MG3 mit Gefechtsmunition inklusive Leuchtmunition zur Schussbeobachtung, dahinter ein Schütze mit dem Sturmgewehr G36.
Damit die einzelnen Soldaten entsprechend trainiert werden, bestanden die Trupps aus drei bis vier Jägern. Das hat nichts mit der Jagd auf Wildschweine zu tun, sondern mit einer Truppengattung der Infanterie. Das sind Soldaten mit zu Fuß transportierbaren Schusswaffen von Pistole bis Granatmaschinenwaffe und eher leichten gepanzerten Fahrzeugen wie dem GTK Boxer oder dem Transportpanzer Fuchs. Im urbanen Gelände können auch der kleine Mungo und Geländewagen wie Widder (VW-Bus mit Gewehrhalterungen und Allrad), Wolf (Mercedes G-Klasse mit Gewehrhalterung) oder Nissan Pathfinder zum Einsatz kommen.

Wachbataillon - Feuer und Bewegung - Jägerkompanie im Angriff
Wachbataillon - Feuer und Bewegung - Deckungsfeuer mit MG3 auf Lafette: Die Patronenhülsen werden nach unten ausgeworfen und die Gurtglieder fliegen nach rechts weg. Der Schütze beobachtet von unterhalb der Deckung das Kampffeld durch eine Carl-Zeiss-Optik. Rechts und links wird er durch Soldaten mit dem Sturmgewehr G36 unterstützt. Der Soldat links vom MG3-Schützen ist auch für die Nachmunitionierung zuständig.
Diese drei bis vier Jäger waren mit G36 und einem MG3 ausgerüstet. Das MG3 ist ein Maschinengewehr, das schon fast 50 Jahre von der Bundeswehr genutzt wird und bei dieser Übung auflafettiert war. Das heißt, das MG3 war auf ein Gestell montiert - Lafette genannt. Damit war die Möglichkeit gegeben, längere Feuerstöße abzugeben sowie Reichweite und Präzision zu erhöhen. Ein weiterer Vorteil der Lafette ist die Zieloptik. Der Soldat kann dadurch komplett hinter der Deckung verschwinden und trotzdem genau den Wirkungsbereich beobachten. Die Lafette ermöglicht eine Justierung des Maschinengewehrs auf eine bestimmte Höhe und für einen horizontalen Zielbereich. Es geht dabei nicht nur um das Treffen eines Zieles, sondern ein Flächenfeuer, das den Gegner in Deckung zwingt.

Wachbataillon - Feuer und Bewegung - Jägerkompanie im Angriff
Wachbataillon - Feuer und Bewegung - Deckungsfeuer mit auflafettiertem Maschinengewehr MG3
Dadurch wird das wechselseitige Vorgehen der Soldaten ermöglicht. Eine Gruppe führt das Deckungsfeuer mit MG3 und G36 aus, die andere Gruppe "springt" zur nächsten Deckung, bereitet dort ihr MG3 vor, gibt die Meldung "Bereit zum Deckungsfeuer" - Befehl kommt: "Feuer" - die andere Gruppe läuft zur nächsten Deckung. Und so weiter und so weiter - bis alle am vereinbarten Ziel angekommen sind. Oder eben durch den imaginären Feind "neutralisiert" wurden. Einige Soldaten hätten das Szenario im Ernstfall nicht überlebt, da sie einfach ein paar Deckungen übersprungen haben und somit viel zu lange in der Schusslinie des Gegners gewesen wären. Aber dafür wird das ja geübt. Überhaupt setzt die Bundeswehr auf eine clevere Didaktik: erst kurze Theorie, dann ausprobieren, dann Auswertung, dann nachbessern.

Wachbataillon - Feuer und Bewegung - Jägerkompanie im Angriff
Wachbataillon - Feuer und Bewegung - Auswertung des Angriffs der Jägerkompanie, im Hintergrund urbane Geländesimulation und mögliche Deckungen für die Bewegung der Gruppe
Bei groben Fehlern kam auch mal die Trillerpfeife zum Einsatz. Die Soldaten wurden zusammengerufen und am Ort des Geschehens nachjustiert. Da hier scharf geschossen wurde, liefen auch immer Aufsichtspersonen mit roten Armbinden hinter den Jägern her, um die entsprechende Sicherheit zu gewährleisten. Gelegentlich beugte sich einer der Aufpasser zu den Soldaten und gab Hinweise zur Ablage des G36: Mündung, Patronenauswurf und Optik nie in den Dreck legen.

Wachbataillon - Feuer und Bewegung - Jägerkompanie im Angriff
Wachbataillon - Feuer und Bewegung - Mit Munition wurde erst einmal nicht gespart.
Es gab mehrere Durchläufe mit mehreren Zügen der 2. Kompanie. Dabei wurde auch das Haushalten mit Munition geübt. Die Maschinengewehre schossen dabei nur noch kleine Salven und die G36 flankierten das mit Doppelschüssen. Das Erreichen der sogenannten Sperrbestände (Munition geht zur Neige) wurde den Gruppenführern zwecks Entscheidungsfindung gemeldet. Das Finale stellte MG3-Feuer aus einem erhöhten Gebäude dar. Dann gab es die Auswertung seitens des Hauptfeldwebels und des Hauptmanns. Die Kompanien des Wachbataillons werden von Offizieren mit dem Dienstgrad Hauptmann geführt. Neuerdings ist sogar eine Beförderung zum Major möglich.

Wachbataillon - Feuer und Bewegung - Jägerkompanie im Angriff
Wachbataillon - Feuer und Bewegung - Deckung hinter einer Waschbetonwand: Das Sturmgewehr G36 wurde korrekt auf der Munitionskiste abgelegt. Mündung, Hülsenauswurf und Optik liegen nicht im Dreck.
Zwischendurch gab es noch deftiges Essen vom Spieß. Mit Spieß ist hier nicht das zum Braten verwendete Kochutensil gemeint, sondern der Soldat mit der gelben Schnur. Sobald dieser auftaucht, läuft das Wasser im Munde zusammen und das Besteck wird aus dem Rucksack geholt. Ein sonniger, aber doch recht frischer Tag in der Natur neigte sich dem Ende zu. Ich entfernte die Ohrstöpsel und setzte die Wintermütze ab. Dann ging es zurück nach Berlin, wo bald der nächste Protteinsatz der Jäger stattfinden sollte.

Video:
Wachbataillon - Jäger im Angriff - Feuer und Bewegung

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 20. Februar 2019

Georgiens Präsidentin Salome Zourabichwili besucht Berlin und bekommt militärische Ehren im Schloss Bellevue

Georgisch ist eine eigenwillige Sprache. Sie enthält vom Klang her keine Elemente, die sich für uns durch Brücken aus Latein oder Russisch erschließen könnten. Ebenso eigenwillig ist die Schrift. Sie sieht schon fast indisch aus. So haben auch georgische Namen ein besonderes Merkmal: Sie enden fast alle auf "wili". Am heutigen Vormittag besuchte die georgische Präsidentin Salome Zourabichwili den Bundespräsidenten und wird zum Kaffee bei der Kanzlerin erwartet.

Diese Reihenfolge ist protokollarisch korrekt, da Erste im Staate im Schloss Bellevue mit militärischen Ehren empfangen werden können. Es kann schon als Privileg gewertet werden, dass Frau Zourabichwili nur drei Monate nach Amtsbeginn zum Antrittsbesuch in Berlin empfangen wird.

Georgiens Präsidentin Salome Zourabichwili Berlin Frank-Walter Steinmeier
Georgiens Präsidentin Salome Zourabichwili zum Antrittsbesuch in Berlin bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Das stolze Alter von 67 sieht man der in Paris geborenen Politikerin gar nicht an. Sie ist parteilos und wurde von der Regierungspartei "Georgischer Traum" bei der Kandidatur unterstützt. Der Name der Partei könnte fast als Bezeichnung für einen Eisbecher durchgehen und reiht sich damit in die Namensfindung italienischer Parteien ein.

"Georgischer Traum" ist keine klassische Partei, sondern ein Bündnis aus kleineren Parteien und Bürgerbewegungen, das 2012 die alte Regierung unter Michail Saakaschwili ablösen wollte. Der "Georgische Traum" wurde tatsächlich Realität und ist demokratisch sowie prowestlich eingestellt.

Umso bitterer muss es für Georgien sein, dass sich die NATO bezüglich des Landes so zurückhaltend verhält. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wurde das einmal mehr deutlich, obwohl die Reichweite der auf der Krim stationierten Raketen insbesondere für Georgien bedrohlich ist. Es gibt jedoch auf westlicher Seite Zweifel an der nachhaltig demokratischen Entwicklung des Landes. In diesem Zusammenhang kann der Besuch der Präsidentin für Vertrauen sorgen.

Video:
Militärische Ehren für Georgiens Präsidentin Salome Zourabichwili

Autor: Matthias Baumann

Sonntag, 17. Februar 2019

#MSC2019 Zorn und Brauß und Bundeswehr in der Karmeliterkirche

Als ich meinem Gastgeber erzählte, dass ich heute um zehn in der Karmeliterkirche sein muss, meinte er: "Ach, Gottesdienst". Das konnte ich nicht bestätigen. In der Karmeliterkirche sollte eine Diskussion zum Thema "Bedingt einsatzbereit? Die Bundeswehr zwischen Anforderung und Überforderung" stattfinden. Schon der Titel war gemein und tendenziös - ausgedacht von der Universität der Bundeswehr in München.

Während gegenüber im Bayerischen Hof der iranische Außenminister gegen die USA wetterte und die Europäer auf seine Seite zu ziehen versuchte, betrat ich die Karmeliterkirche. Ein heller und schlichter Sakralbau. Links hing ein Kreuz und neben den Säulen standen Tische mit belegten Brötchen und Getränken. Ich setzte mich in die zweite Reihe.

#MSC2019 Karmeliterkirche Universität der Bundeswehr München
#MSC2019 in der Karmeliterkirche - Universität der Bundeswehr München zur Einsatzbereitschaft der Bundeswehr
Unsere Generale und Admirale machen kein Geheimnis aus ihrem christlichen Glauben. So hatte sich Generalleutnant Heinrich Brauß bei seinem Großen Zapfenstreich das Musikstück "Nun danket alle Gott" gewünscht. Der General a.D. war heute als einer der Diskutanten vorgesehen. Neben ihm saßen noch Dr. Claudia Major - Nachname statt Dienstgrad - und MdB Henning Otte von der CDU.

Moderiert wurde von Prof. Dr. Carlos Masala. Letzterer fungierte gleichzeitig als Vertreter der einladenden Uni. Die Universität der Bundeswehr legt den akademischen Grundstein für Offiziere und Zivilisten. Wer dann militärisch weiterkommen möchte, besucht anschließend beispielsweise noch die Führungsakademie in Hamburg oder die Offiziersschule des Heeres in Dresden.

Auch der Generalinspekteur Eberhard Zorn hatte einen Besuch in der Kirche vorgezogen. So saß er neben anderen goldenen Sternen in der ersten Reihe und lauschte dem Geschehen auf der Bühne - pardon: dem Altarbereich. Es wurde sehr schnell klar, dass es hier nicht um die übliche Leier mit nichtfliegenden Hubschraubern, nichtfahrenden Panzern und den heißgeschossenen G36 ging, sondern um die Wahrnehmung der Bundeswehr und die Handhabung des Themas Verteidigung.

General a.D. Brauß war seinerzeit in der NATO für die Abschreckung von Gegnern wie Russland zuständig. Die Aktivitäten Russlands in der Ukraine hatten 2014 einen Umbau der NATO angestoßen. Der konventionelle Aspekt konnte mit der Installation einer Battlegroup in Litauen gut abgefangen werden, da ein möglicher Angriff die Soldaten diverser Nationen betreffen und Russland in eine politische Isolation führen würde. Allerdings sei Russland sehr stark im Bereich CIR Cyber-Informationsraum. Es beeinflusse Wahlen, Meinungen und Stimmungen in anderen Staaten.

Die Bundeswehr habe noch einige Hausaufgaben zu erledigen. Das beginne bei CIR und ende bei der Fähigkeit, operative Großverbände zu stellen und schnell zu verlegen. 2% des Bruttoinlandsproduktes reichen dafür bei weitem nicht aus. Es müssten eher 3% oder 4% bereitgestellt werden. Die Generale und Admirale in der ersten Reihe nickten zustimmend. Heinrich Brauß machte auch klar, dass die 2% keine Trump-Angelegenheit seien, sondern eine unterzeichnete NATO-Richtlinie. Russland sei schließlich nicht die einzige Bedrohung. Auch China rüstet auf und übt schon mal im Südchinesischen Meer.

#MSC2019 Karmeliterkirche Universität der Bundeswehr München General Heinrich Brauß
#MSC2019 in der Karmeliterkirche - Universität der Bundeswehr München mit Generalleutnant a.D. Heinrich Brauß über der Schulter des Generalinspekteurs Eberhard Zorn
Da der eingeladene Oppositionspolitiker nicht erschienen war, war man sich auf dem Podium einig, dass die maßgeblichen Verhinderer im Bundestag und bestimmten Ministerien sitzen. Die Verhinderung gehe so weit, dass Deutschland schon Pläne ohne Zahlen bei der NATO einreichen musste und sich dort absolut lächerlich gemacht hatte. Die europäischen Partner schauen auf uns und erwarten ein verantwortungsvolles Umgehen mit der Landes- und Bündnisverteidigung. Wie peinlich sind dann solche Blüten deutscher 68er-Politik. Das Wohlergehen der Bundeswehr und deren Haushalt haben Symbolwirkung für unsere Nachbarn, aber auch für ganz Europa und die NATO.

Klar, dass Donald Trump ungehalten reagiert. In diesem Punkt hat er sogar Recht. Als Unternehmer mag er kein Wischiwaschi, sondern Entscheidungsfreudigkeit und greifbare Fakten. Dazu gehören auch die 2% für den Verteidigungshaushalt. Als 2016 mit viel Enthusiasmus das Weißbuch zur Sicherheitspolitik herausgebracht wurde, waren die NATO-Partner und die europäischen Nachbarn begeistert. Als die Ministerin dann motiviert in den Bundestag zurückkam, erlebte sie das Gegenteil: Interesse gleich Null. Wobei das nur bedingt stimmt: Im Wahlkampf ist Verteidigungspolitik ein beliebtes Thema für Schlammschlachten. In Portugal gibt es die eiserne Regel, dass Landesverteidigung ein hohes Gut ist, das im Wahlkampf nicht instrumentalisiert werden darf. Verteidigung als Chefsache.

Die Briten witzeln wohl schon über den "cinetic gap" der Bundeswehr. Die wollen oder können, aber dürfen nicht. Das Bild vom "Helfer in Uniform" hat zu einer ungünstigen Verschiebung in der Wahrnehmung geführt, zeigt aber, wie sensibel das Thema in der Öffentlichkeit angegangen wird. Dabei gilt die Bundeswehr, wann immer sie in Krisenregionen gerufen wird, als absolut zuverlässig, pünktlich und einsatzfähig.

Was also tun mit der öffentlichen Wahrnehmung? Der Fisch stinkt vom Kopf. Deshalb beginnt es bei der Politik, die sicherheitspolitischen Herausforderungen zu erkennen und ein Bewusstsein für Verteidigung zu entwickeln. Dieses Bewusstsein wäre dann an die Bevölkerung zu transportieren. Ob so viel Zeit noch bleibt? In Finnland hat sich eine breite Resilienz gegen die Angriffe Russlands aus der 5. Dimension (Cyber-Informationsraum) entwickelt. Dort zieht die gesamte Bevölkerung mit und ist erfolgreich dabei. Davon könnten wir in Deutschland etwas lernen.

Das Problem kennt auch Generalinspekteur Eberhard Zorn. In seiner Wortmeldung sprach er von einer Lücke bei der Annäherung an die Bevölkerung. Das Nahebringen des Themas wird aus meiner Erfahrung durch zwei Aspekte behindert: Einerseits interessiert sich die Presse in Deutschland gar nicht für die Bundeswehr. Es sei denn, es gab eine medienwirksame Panne. Bedingt dadurch sind wohl zweitens einige Pressestäbe mehr auf Verhinderung und Firewall eingenordet, als auf Public Relations. Es gibt aber in den eigenen Reihen auch positive Tendenzen: PIZ Heer und PIZ Luftwaffe beispielsweise setzen schon heute das um, was sich der Generalinspekteur für die nahe Zukunft wünscht.

Autor: Matthias Baumann