Selbst bei der Nachbearbeitung des Videos zum Trauergottesdienst und dem Großen Ehrengeleit für Jörg Schönbohm zog sich Gänsehaut über die Arme. Sobald die Gedanken zu diesem bewegenden Anlass zurückschweifen, ist es wieder da: das Kribbeln. Solche Trauerfeiern sind selten zu erleben. Die Predigt, die Reden, die Gesänge in der Kirche, die Orgelbegleitung und die Trompeten sowie die würdevolle musikalische Begleitung des Sarges durch das Stabsmusikkorps der Bundeswehr. "Der gute Kamerad", gespielt mit Orchesterbegleitung, während die Truppenfahne des Wachbataillons gesenkt zum Dom zeigte.
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Trauergottesdienst und Großes Militärisches Ehrengeleit für Jörg Schönbohm - Acht Offiziere im Dienstrang Oberst flankieren als Totenwache den Sarg von Jörg Schönbohm. |
Es beeindruckten heute aber nicht nur die Stimmung und die Musik. Beeindruckend war auch das, was über Jörg Schönbohm ausgesprochen wurde. Jörg Schönbohm war Brandenburger. Sein Leben begann in Beeskow (1937) und endete in Kleinmachnow. Jörg Schönbohm hatte seine Sandkastenfreundin Eveline geheiratet und vor zehn Jahren mit ihr im Berliner Dom die Goldene Hochzeit gefeiert. Kurz vor der Diamantenen Hochzeit war er in ihren Armen gestorben.
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Trauergottesdienst und Großes Militärisches Ehrengeleit für Jörg Schönbohm - Trauergäste im Berliner Dom |
Die Eltern von Jörg Schönbohm waren nach dem Zweiten Weltkrieg in die Bundesrepublik geflohen. Dort trat er mit knapp 20 Jahren als Offiziersanwärter in die neu gegründete Bundeswehr ein. 1982 wurde er Adjutant des damaligen Verteidigungsministers Manfred Wörner (CDU). Kurz darauf bekam er seinen ersten Generalsstern. Generalleutnant, also General mit drei Sternen, wurde er zur Wendezeit. Seine militärischen Spezialgebiete waren bis dahin Artillerie und Panzer.
Nach der Wende musste etwas mit der NVA geschehen. Das Hauptproblem war wohl die ideologische Polarisierung dieser Armee, so dass viele der auf Klassenfeind getrimmten Offiziere nicht mehr verwendet werden konnten. Deshalb zog Jörg Schönbohm nach Brandenburg zurück und leitete von Strausberg aus die Integration der NVA in die Bundeswehr.
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Trauergottesdienst und Großes Militärisches Ehrengeleit für Jörg Schönbohm - Gottesdienst und Abschiedsreden im Berliner Dom. Das Bild zeigt Generalleutnant Jörg Vollmer, Inspekteur des Heeres, bei seiner Rede zu den militärischen Verdiensten Jörg Schönbohms. |
Dass das Leben eines Offiziers eine Entscheidung für ständiges Umziehen ist, war dem Ehepaar Schönbohm bewusst. So hatten sie sich als Trauspruch Ruth 1, 16-17 ausgesucht: "Wo du hingehst, werde ich auch hingehen. Wo du bleibst, bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch. Der HERR tue mir dies und das - nur der Tod wird mich und dich scheiden." Altbischof Huber, der Vorgänger von Bischof Dröge, sprach in seiner Predigt viel über die beispielhafte Beziehung des Ehepaares.
Aus der Ehe waren drei Kinder und viele Enkel hervorgegangen. Der Sohn Arne ist seit drei Jahren Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik. Der Sohn Hendrick sprach einige Worte des Gedenkens von Seiten der Familie. Bei aller Trauer wurde doch eine starke Hoffnung vermittelt. Die Hoffnung, die durch die aktive Beziehung zu Jesus Christus gegeben ist, ein Wiedersehen nach dem Tod zu erleben.
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Trauergottesdienst und Großes Militärisches Ehrengeleit für Jörg Schönbohm - Totenwache aus acht Offizieren im Dienstrang Oberst und Wolfgang Schäuble (oben rechts) bei seiner Rede. |
Immer wieder kam die robuste, ehrliche, aber respektvolle Art Jörg Schönbohms zur Sprache. Er sagte offen seine Meinung. Das verschaffte ihm diverse Gegner. Allerdings wussten diese immer, woran sie bei ihm waren und schätzten ihn deshalb. Dietmar Woidke, Ministerpräsident von Brandenburg, war die Betroffenheit über das Ableben von Jörg Schönbohm anzumerken. Dietmar Woidke gehört zwar der gegnerischen Partei SPD an, aber die Persönlichkeit und die Verdienste Jörg Schönbohms ließen ihn mit ungeschminkter Anerkennung zurückschauen. Eine Vorlage hatte Wolfgang Schäuble (CDU) als Bundestagspräsident geliefert. Jörg Schönbohm sei ein "Staatsdiener von preußischer Statur" gewesen. Ein Mann mit Haltung, ein "Konservativer im besten bürgerlichen Sinne".
Jörg Schönbohm wurde 1992 zum beamteten Staatssekretär für Sicherheitspolitik berufen. Damit endete seine rein militärische Laufbahn. 1994 trat er in die CDU ein. Von 1996 bis 1998 fungierte er als Innensenator in Berlin und von 1999 bis 2009 als Innenminister von Brandenburg. Bei einer rot-roten Koalition in Brandenburg war für den bekennenden Konservativen kein Platz mehr. 2009 feierte er zudem seinen 72. Geburtstag und - wie bereits erwähnt - die Goldene Hochzeit mit Eveline.
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Trauergottesdienst und Großes Militärisches Ehrengeleit für Jörg Schönbohm - Kränze der Familie, der Bundeswehr, des Landes Brandenburg und weiterer Trauergäste |
Eigentlich hätte heute noch Staatssekretär Peter Tauber für die Bundeswehr sprechen sollen. Das wurde jedoch kurzfristig von Generalleutnant Jörg Vollmer, Inspekteur des Heeres, übernommen. Dieser ging insbesondere auf das Verhältnis Jörg Schönbohms zur Truppe und auf die Umstrukturierungen im Zusammenhang mit der NVA ein. Nachdem sich Jörg Vollmer vor dem Sarg verneigt hatte, begann die Aufnahme desselben und das
Große Militärische Ehrengeleit. Der Sarg wurde von acht Soldaten des Wachbataillons getragen und von acht Offizieren des Dienstranges Oberst flankiert. Davor liefen jeweils zwei Soldaten mit dem Kranz und den Orden des Verstorbenen. Die Trauergemeinde folgte.
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Trauergottesdienst und Großes Militärisches Ehrengeleit für Jörg Schönbohm - Stabsmusikkorps und Wachbataillon mit gesenkter Truppenfahne zum Abschied von Jörg Schönbohm |
Zum Trauermarsch aus dem dritten Akt von Händels "Saul" betraten die Sargträger das Außenportal des Berliner Doms. Es folgte das Stück "Jesu meine Zuversicht". Dann die Nationalhymne. Der Weg des Sarges zum Fahrzeug wurde wiederum durch den Trauermarsch aus Händels "Saul" begleitet. Der Klang hüllte die Anwesenden in einen würdigen Zustand der Andacht, der Gegenwart und Ewigkeit miteinander verschmelzen ließ. "Ich hatt' einen Kameraden" war das letzte Stück, das das Stabsmusikkorps in Anwesenheit Jörg Schönbohms spielte. Dann fuhr der Wagen begleitet von einer Feldjägereskorte zu seiner letzten Ruhestätte in Berlin-Zehlendorf.
Video:
Gottesdienst und Großes Militärisches Ehrengeleit für Jörg Schönbohm im Berliner Dom
Autor: Matthias Baumann