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Samstag, 10. Dezember 2022

Bundespräsident informiert sich im Einsatzführungskommando über die Lage vor Ort und das Wohlergehen der Soldaten

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Gattin, Elke Büdenbender, waren gut vorbereitet, als sie in den Konferenzraum traten. Auf der großen Leinwand flimmerten schon die Direktübertragungen aus vier Einsatzgebieten: MINUSMA in Mali, IRINI im Mittelmeer, UNMISS im Südsudan und eFP Battle Group in Litauen.

Jeweils drei Soldaten unterschiedlicher Dienstgrade repräsentierten die Kontingente. Neben dem Präsidentenpaar hatte der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, Generalleutnant Bernd Schütt, Platz genommen. Er stellte kurz die vier Einsätze vor und übergab dann das Wort an den Präsidenten. Vierzig Minuten hatte er sich Zeit genommen, um aus erster Hand zu erfahren, wie die Lage vor Ort aussieht und wie die lange Abwesenheit mit den familiären Gegebenheiten harmoniert.

Bundespräsident informiert sich im Einsatzführungskommando über die Lage vor Ort und das Wohlergehen der Soldaten
Bundespräsident informiert sich im Einsatzführungskommando über die Lage vor Ort und das Wohlergehen der Soldaten - Videoleinwand mit Soldaten aus vier Einsatzkontingenten

Zuerst wandte er sich an die Besatzung des U-Bootes U35 im Mittelmeer. Diese hat zurzeit Landgang, der rege für die Kontakte in die Heimat genutzt wird. Der Bundespräsident hatte das U-Boot bereits besucht, so dass es geeignete Anknüpfungspunkte mit persönlicher Note gab. Er und seine Frau wollten wissen, wie die Soldaten mit Kleinkindern die lange Einsatzzeit handhaben und was sie nach ihrer Heimkehr machen werden.

Zum Einsatzkontingent in Litauen hat er nicht nur deshalb eine persönliche Beziehung, weil er bereits zweimal dort war, sondern auch, weil er in der Nähe des Heimatstandortes Augustdorf geboren wurde. Die Enhanced Forward Presence Battle Group erlebt zurzeit die 12. Rotation. Dreiviertel der Kräfte halten zu Weihnachten die Stellung, während ein Viertel "nach sozialen Erwägungen" in den Heimaturlaub entlassen wurde. Die in Litauen verbliebenen Kräfte würden sich dennoch schöne Festtage mit Weihnachtsmarkt und ähnlichem machen. Frank-Walter Steinmeier wollte wissen, wie es um die angespannte Situation bei den Unterkünften bestellt sei. Die Litauer arbeiten auf Hochtouren an der Fertigstellung. Überhaupt seien die Litauer froh, glücklich und dankbar für die NATO-Präsenz. Das spüre man dort auf Schritt und Tritt. Das nimmt der Bevölkerung auch die Angst vor den benachbarten Russen. Der Bundespräsident fragte, welche Auswirkungen der russische Angriff auf die Ukraine im Selbstverständnis der Soldaten habe. Darauf wurde ihm berichtet, dass den Soldaten die Wichtigkeit ihres Auftrages ganz neu bewusst geworden sei. Sie denken nun konkret vom scharfen Ende (Tod und Verwundung) des Berufes her. Letztlich sei dadurch nur die Entschlossenheit und Professionalität gesteigert worden.

Bundespräsident informiert sich im Einsatzführungskommando über die Lage vor Ort und das Wohlergehen der Soldaten
Bundespräsident informiert sich im Einsatzführungskommando über die Lage vor Ort und das Wohlergehen der Soldaten - links: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, rechts: Generalleutnant Bernd Schütt

Auch in Mali bei MINUSMA wird es einen Weihnachtsmarkt geben. Etwas überraschend war deren Information, dass die Bevölkerung nach wie vor wohlwollend auf die Bundeswehr reagiere und auch mit dem militärischen Personal der Region weiterhin eine professionelle Zusammenarbeit möglich sei. Das Problem stelle lediglich die Regierung dar, die derzeit den wichtigen Mehrwert Drohnenaufklärung unterbinde.

Diplomatisch anspruchsvoll ist der Beobachtungseinsatz UNMISS im Südsudan. Dort sind Soldaten aus 52 Nationen zu koordinieren. Der Auftrag ist die Verhinderung einer humanitären Katastrophe. Das Land hat etwa 11 Millionen Einwohner, von denen acht Millionen durch Hunger bedroht sind. Es herrscht ein Höchstmaß an Korruption, Willkür und stammesbezogener Rechtsprechung. Die Soldaten der Bundeswehr seien in Deutschland bereits gut auf das Land vorbereitet worden, so dass im Tagesgeschäft die antrainierten Mechanismen bei der mentalen Bewältigung des Erlebten greifen können. Militärbeobachter greifen nicht aktiv in das Geschehen ein, sondern sie dokumentieren, was sie sehen. Für Schlussfolgerungen und Entscheidungen ist dann der Auftraggeber UNO zuständig. Dennoch vernetzen sich die UNMISS-Soldaten mit Hilfsorganisationen und koordinieren entsprechende Maßnahmen.

Die Sollmannschaft eines Einsatzkontingentes liegt bei 70%. Das heißt, dass 30% der Soldaten mit Kleinkindern oder anderen familiären Verpflichtungen über Weihnachten beurlaubt werden können. Was die Akzeptanz in der Bevölkerung angeht, ist diese bei der eFP Battle Group und bei IRINI am höchsten, da diese Einsätze direkt vor der Tür agieren. Die eFP Battle Group ist zudem ein Instrument der Landes- und Bündnisverteidigung und bedarf keines gesonderten Mandates des Bundestages. IRINI, MINUSMA und UNMISS bedürfen des Bundestagsmandates und rangieren in jüngsten Umfragen bei Zustimmungswerten zwischen 78% und 60%.

Gegen 13 Uhr verließ das Präsidentenpaar das Einsatzführungskommando. Schnell wurden noch Selfie-Wünsche erfüllt. Dann klappten die Türen und die schwarzen Limousinen rollten vom Gelände. Insgesamt zwei Stunden war der Bundespräsident in Schwielowsee und hatte die Zeit auch genutzt, um in kleiner Runde mit dem Befehlshaber und den dortigen Soldaten zu reden.

Autor: Matthias Baumann

Video: Bundespräsident besucht Einsatzführungskommando am 10.12.2022

Dienstag, 14. Dezember 2021

Botschafter von Malawi, Armenien und Algerien akkreditiert

Kurz vor dem Jahreswechsel wurden heute noch drei Botschafter akkreditiert. Das ist wichtig, damit sie sich bei den bevorstehenden Neujahrsempfängen in der protokollarisch vorgeschriebenen Reihenfolge zum Defilee anstellen können. Bereits vor einer Woche wurden die fünf Botschafter der Staaten Ecuador, Mongolei, Indien, Simbabwe und Kosovo akkreditiert. Heute fuhren folgende Exzellenzen im Halbstundentakt beim Schloss Bellevue vor:

Botschafter der Republik Malawi, Joseph Mpinganjira,
Botschafter der Republik Armenien, Viktor Yengibaryan,
Botschafter der Demokratischen Volksrepublik Algerien, Smail Allaoua.

Botschafter der Republik Malawi, Joseph Mpinganjira, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Malawi, Joseph Mpinganjira, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert

Wo liegt eigentlich Malawi? Malawi ist ein Binnenstaat im südlichen Zentralafrika. Es ist umschlossen von Tansania, Sambia und Mosambik. Im Osten grenzt der Staat an den Malawi-See, der beachtliche 580 Kilometer lang ist. Das entspricht in etwa der Strecke zwischen Berlin und München. Das Land hat eine sehr schmale Ost-West-Ausdehnung, kompensiert das aber durch die Länge von Nord nach Süd - vergleichbar mit Chile. Malawi hat 21 Millionen Einwohner, deren durchschnittliches Einkommen bei 399 USD pro Jahr liegt. Das Land wird traditionell durch Großbritannien unterstützt und bringt sich selbst bei UN-Missionen wie MONUSCO ein.

Botschafter der Republik Malawi, Joseph Mpinganjira, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Malawi, Joseph Mpinganjira, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Malawi

Botschafter Joseph Mpinganjire hat eine pastorale Vergangenheit und maßgeblich dazu beigetragen, dass Malawi in die Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit gebracht wird. Als Ergebnis wurde der Verein "Hilfe für Malawi" gegründet, der übermorgen seinen 20. Geburtstag feiert. Gemessen an der Länge der heutigen Unterredung mit dem Bundespräsidenten kann davon ausgegangen werden, dass er die Gelegenheit zur Platzierung seiner Botschaften genutzt hat. Frank-Walter Steinmeier zeigt sich generell offen für die Anliegen von Hilfsorganisationen.

Botschafter der Republik Armenien, Viktor Yengibaryan, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Armenien, Viktor Yengibaryan, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert

Als nächstes traf der neue Botschafter aus Armenien ein. Armenien war jüngst durch seinen Konflikt mit Aserbaidschan in die Schlagzeilen geraten. Die Gemengelage ist diffus und jeder beschuldigt jeden, die Eskalation begonnen zu haben. Zudem bieten sich Armenien versus Aserbaidschan als Parteien im Stellvertreterkonflikt zwischen Russland und der Türkei an. Neu war der exzessive Einsatz von Drohnen, der in der kampfentscheidenden Wirkung allerdings als überbewertet gilt.

Botschafter der Republik Armenien, Viktor Yengibaryan, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Armenien, Viktor Yengibaryan, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Armenien

Armenien hat drei Millionen Einwohner und ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 4.315 USD pro Kopf. Auch wenn Armenien enge militärische Beziehungen zu Russland unterhält und dessen militärische Denkweise adaptiert hat, tendiert es doch immer wieder auch zu einer NATO-Partnerschaft. Vor dem Angriff durch aserbaidschanische Drohnen hatte Armenien 108 Kampfpanzer russischer Herkunft. Die Bedrohungslage erscheint dem Land so hoch, dass es 44.800 aktive Soldaten und eine Reserve von 210.000 Personen unterhält.

Botschafter Viktor Yengibaryan ist 40 Jahre alt und hat in Bochum ein Wirtschaftsstudium mit Masterabschluss absolviert. Danach hat er sich an weiteren Universitäten in Deutschland, Großbritannien und den USA in diplomatischen Themen weitergebildet. Seine Karriere in Armenien begann 2004 mit dem Einstieg ins Verteidigungsministerium. Es folgten weitere Stationen, die immer wieder einen starken Fokus auf die EU und Deutschland legten. Von daher ist er wohl ein sehr geeigneter Mann für die Position des armenischen Botschafters in Berlin.

Botschafter der Demokratischen Volksrepublik Algerien, Smail Allaoua, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Demokratischen Volksrepublik Algerien, Smail Allaoua, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert

Zum Abschluss der heutigen Akkreditierungsfolge traf Smail Allaoua aus Algerien ein. Algerien hat knapp 43 Millionen Einwohner mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 3.331 USD. Algerien hat traditionell gute Beziehungen zu Russland und China, öffnet sich aber so langsam auch dem Westen. Das Land ist in Konfliktherde eingebettet: Mali, Westsahara, Libyen und weitere. Deshalb ist es kaum verwunderlich, dass Algerien einen Verteidigungshaushalt von 6,75% des BIP, aktive Streitkräfte mit 130.000 Soldaten, 187.200 Paramilitärs und 150.000 Reservisten unterhält. Es besitzt 1.495 Kampfpanzer russischer Bauart, 6 U-Boote und 5 Fregatten.

Botschafter der Demokratischen Volksrepublik Algerien, Smail Allaoua, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Demokratischen Volksrepublik Algerien, Smail Allaoua, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Algerien

Botschafter Smail Allaoua war zuvor in Moskau eingesetzt und soll nun die Beziehungen zwischen Deutschland und Algerien stärken. Ein Anknüpfungspunkt könnten die Rüstungsexporte von Rheinmetall sein. Die Botschaft von Algerien befindet sich in einem stattlichen Gebäude im Bezirk Pankow. Dieser Standort im ehemaligen Ost-Berlin ist ebenfalls Ausdruck der guten Beziehungen Algeriens zu Russland.

Kurz nach 12 Uhr waren die Akkreditierungen vorbei. Nach Maßgabe der Corona-Auflagen könnten sich die drei Botschafter in drei Wochen bei den verschiedenen Neujahrsempfängen zum Händeschütteln - pardon Faustschlagen oder Ellenbogentreffen - begegnen.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 1. Oktober 2021

Vorsitzender des Präsidialrates des Staates Libyen, Mohammad Younes Mnefi, in Berlin empfangen

Nach dem gewaltsamen Tod von Muammar al-Gaddafi vor zehn Jahren hatte sich ein Machtvakuum in Libyen aufgetan, das schnell von neuen Akteure gefüllt wurde. Inzwischen stehen sich zwei maßgebliche Lager gegenüber: die "Regierung der nationalen Einheit" (GNA Government of National Accord) und die Truppen der Libyschen Nationalarmee (LNA Libyan National Army) unter Feldmarschall Khalifa Haftar. Der heutige Gast, Mohammad Younes Mnefi, gehört zur erstgenannten Gruppe.

Vorsitzender des Präsidialrates des Staates Libyen, Mohammad Younes Mnefi, im Schloss Bellevue von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfangen
Vorsitzender des Präsidialrates des Staates Libyen, Mohammad Younes Mnefi, im Schloss Bellevue von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfangen

Bis zur internationalen Anerkennung der GNA im Jahr 2015 hatte der Bürgerkrieg nur auf Sparflamme gekocht. Dann aber fühlten sich verschiedene Konfliktparteien und Staaten wie Russland oder die Türkei provoziert und antworteten mit diplomatischem und wirtschaftlichem Druck. Auch militärisch griffen sie ein. Russland schlug sich dabei auf die Seite von Feldmarschall Haftar und die Türkei auf die Seite der Regierungstruppen, der Libyschen Streitkräfte (LAF Libyan Armed Forces). Wenn es passte, wurden auch die verschiedenen regionalen Milizen instrumentalisiert. Dieser russisch-türkische Stellvertreterkonflikt neigte sich zugunsten der Regierungstruppen, so dass schließlich auch Ägypten ein Machtwort sprechen musste. Das Nachbarland im Osten hatte General Haftar unterstützt, weil dieser konsequent und erfolgreich gegen verschiedene Islamistengruppen gekämpft hatte. So zog Ägypten eine "rote Linie" auf der Landkarte, bei deren Überschreiten es selbst eingreifen wolle. Parallel gab es fünf Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und ein Waffenstillstandsabkommen im Rahmen von UNSMIL (UN Support Mission to Libya).

Auffällig ist, dass die beiden großen Kontrahenten über erhebliche Fähigkeiten in der dritten Dimension (Luft) verfügen. Das beginnt bei Drohnen aus China und endet bei der Luftunterstützung durch Ägypten. Erwähnt werden muss auch die russische Sicherheitsfirma Wagner Group. Die Wagner Group ist eine Proxy-Armee, die ohne internationale Legitimation weltweit in Kampfhandlungen eingreift oder verdeckte Operationen durchführt. Damit behält Russland seine weiße Weste, während die verschiedenen "Drecksarbeiten" durch diese kostengünstige privatwirtschaftliche Truppe erledigt werden. In Libyen sollen 3.000 "Angestellte" plus 2.000 syrische Söldner unter dem Dach der Wagner Group "arbeiten". Sie sind als Scharfschützen, Militärberater oder Anti-Drohnen-Experten tätig. Ihre Anwesenheit in Libyen wurde erstmals 2018 registriert. Auch wenn offizielle Stellen in Russland so tun, als hätten sie noch nie etwas von der Wagner Group gehört, wird diese doch aktiv vom russischen Militär unterstützt: IL-76 für die Luftfracht, gepanzerte Fahrzeuge, SA-22-Luftabwehrsysteme, Kraftstoff, Munition und andere Materialien. Im Mai letzten Jahres wurden 14 MiG-29 und SU-24 von Russland aus über Syrien nach Libyen geflogen - von Wagner-Piloten. Der Charme einer Firma besteht auch darin, dass sie international gebucht werden kann und dann auch mal Luftschläge und "andere Missionen" im Auftrag von Drittstaaten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten ausführt.

Auf der Seite der libyschen Regierung agiert die türkische Beratungsfirma SADAT International Defense Consultancy. Zudem waren türkische Drohnen sehr erfolgreich bei der Vernichtung russischer Pantsir S1-Luftabwehrsysteme. Konflikte wie in Syrien oder Libyen werden ohnehin gerne genutzt, um neue Waffensysteme zu testen.

Der aktuelle Präsidialrat ist seit Februar 2021 im Amt. Am 24. Dezember 2021 soll es Wahlen geben. Das wird herausfordernd, weil die Zivilbevölkerung besonders unter dem fremdbestimmten Bürgerkrieg leidet. Ohne echten Waffenstillstand wird das Volk wohl kaum zur Ruhe kommen. Etwa 400.000 Libyer sind im eigenen Land auf der Flucht. Regionale Milizen verschärfen die Lage. Besonders gefährlich lebt medizinisches Personal, weil es gezielt zur Schwächung des Gegners angegriffen wird. Die wirtschaftliche Lage wird verschärft durch die unrentable Entwicklung des Ölpreises und die Ölblockade zum Austrocknen der Geldquellen von General Haftar. Zusätzlich muss das Land mit den Flüchtlingsströmen aus dem Süden umgehen, die an der libyschen Mittelmeerküste ausgebremst werden.

Apropos Mittelmeer: Mit der EU kommt eine weitere Partei ins Spiel. Mit EUNAVFOR will die EU den Waffentransport nach Libyen unterbinden. Das kollidiert aber mit den Interessen der Türkei. Die Türkei interessiert sich für libysches Öl und tangiert damit wiederum die Interessen anderer Staaten des östlichen Mittelmeers. Die IRINI-Mission der EUNAVFOR wird inzwischen durch Lufttransporte und Waffenlieferungen über den Landweg umgangen. Das fördert die Kluft innerhalb der NATO.

Ob das Gespräch zwischen Mohammad Younes Mnefi und Frank-Walter Steinmeier all diese komplexen Themen behandeln konnte, bleibt ungewiss. Eines ist jedoch klar: Der deutsche Bundespräsident hat den leichteren Job.

Autor: Matthias Baumann


Montag, 21. Juni 2021

Botschafter von Burundi, Litauen und Italien beim Bundespräsidenten akkreditiert

Eine Afrikanerin, zwei Europäer und eine Frauenquote von 33% waren die Eckdaten der heutigen Botschafter-Akkreditierung im Schloss Bellevue. Die Exzellenzen fuhren in folgender Reihenfolge vor:

Botschafterin der Republik Burundi, Appolonie Nibona
Botschafter der Republik Litauen, Ramūnas Misiulis
Botschafter der Italienischen Republik, Armando Varricchio

Botschafterin der Republik Burundi, Appolonie Nibona, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafterin der Republik Burundi, Appolonie Nibona, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert

Burundi liegt im Herzen Afrikas, südlich des Äquators, an der Südgrenze Ruandas und hat selbst eine Herzform. Also die Form eines echten Herzens und nicht die des stilisierten. Im Westen grenzt das Land an die Republik Kongo und den riesigen Tanganyika See. Im Osten liegt Tansania. Burundi hat knapp 12 Millionen Einwohner und ein jährliches Pro-Kopf-Einkommen von 264 USD. Das ist sehr wenig. Immer wieder kommt es zu innenpolitischen Konflikten. Die Wahlen gelten nicht als frei und in den Grenzregionen gibt es regelmäßig Spannungen. Das Land hat in den letzten 60 Jahren mehrmals Zustände erlebt, die an Völkermord grenzen. Burundi kann sich nicht wirklich erholen, versucht sich aber mit kleiner Kraft in die internationale Gemeinschaft einzusortieren. So hat Burundi 4.000 Soldaten zur Bekämpfung der Piraterie nach Somalia entsandt und 753 zu MINUSCA in die Zentralafrikanische Republik. Zum Vergleich: Das Pro-Kopf-Einkommen in der Zentralafrikanischen Republik liegt bei 480 USD, in Ruanda bei 823 USD und in der Republik Kongo bei 2.128 USD.

Botschafterin der Republik Burundi, Appolonie Nibona, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafterin der Republik Burundi, Appolonie Nibona, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Burundi - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Botschafterin Appolonie Nibona war seit 2018 als Direktorin im Ministerium für Finanzen, Steuern und Währungen in Burundi eingesetzt. Bereits am 21. Mai 2021 hatte sie sich mit dem Protokoll des Auswärtigen Amtes getroffen und die Formalitäten für den heutigen Tag beredet. Die Botschaft von Burundi ist in Wilmersdorf angesiedelt und liegt damit schon fast in Fußnähe zum Schloss Bellevue.

Botschafter der Republik Litauen, Ramūnas Misiulis, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Litauen, Ramūnas Misiulis, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert

Eine halbe Stunde später erschien der neue Botschafter von Litauen: Ramūnas Misiulis. Er vertritt die 2,7 Millionen Einwohner seines Landes in Berlin. Er ist aktiv in den Sozialen Medien unterwegs und kommentiert dort fleißig die politischen Aktivitäten Russlands. Die Botschaft ist in einem eleganten Altbau zwischen Charité und Bundespressekonferenz untergebracht. Der Weg zum Schloss Bellevue wäre also auch mit einem ausgedehnten Spaziergang absolvierbar gewesen.

Botschafter der Republik Litauen, Ramūnas Misiulis, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Litauen, Ramūnas Misiulis, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Litauen

Das litauische Pro-Kopf-Einkommen liegt bei knapp 20.000 USD und damit beim 75-fachen von Burundi. Litauen ist ein regelmäßiges Ziel russischer Provokationen. Diese laufen recht simpel ab: Russische Aufklärungsflugzeuge schalten beim Überflug des Landes einfach ihr Transpondersignal ab und schauen mal, was passiert. Normalerweise werden diese Flugzeuge durch NATO-Kampfjets abgefangen und fotografiert. Die Fotos, die die deutschen Luftwaffe aufnimmt, sind bemerkenswert gut und erreichen auf Twitter einen großen Interessentenkreis. Wirklich verteidigen lässt sich das Baltikum nicht. Aber die NATO zeigt Präsenz und avisiert damit die Entschlossenheit zum Zweitschlag, falls Russland seinem historischen Verlangen nach Landvermehrung nachgeben sollte.

Botschafter der Italienischen Republik, Armando Varricchio, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Italienischen Republik, Armando Varricchio, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert

Italien hat 62,4 Millionen Einwohner und verfügte im Jahr 2020 über ein Pro-Kopf-Einkommen von 30.657 USD. Italien beteiligt sich neben Deutschland aktiv an der NATO-Präsenz im Baltikum. Es verfügt über eine starke Luftwaffe mit knapp 40.000 Soldaten, 94 Eurofightern, 49 Tornados und einer wachsenden Zahl amerikanischer F-35. Italien ist besonders an seiner Südgrenze herausgefordert und baut deshalb kontinuierlich die maritimen Fähigkeiten aus. Es stellt aber auch Häfen für die Schiffe von NATO-Partnern zur Verfügung.

Botschafter der Italienischen Republik, Armando Varricchio, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Italienischen Republik, Armando Varricchio, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Italien

Botschafter Armando Varricchio konnte vor einer Woche seinen 60. Geburtstag feiern. Bereits 1986 stieg er in den diplomatischen Dienst ein, beriet seine Regierung in außenpolitischen Fragen und vertrat sein Land in Serbien und in den USA. In die USA werden nur die Besten entsendet, so dass es kaum verwunderlich ist, dass er Träger des höchsten italienischen Ordens ist: Ritterorden des Großen Kreuzes. Armando Varricchio löst Luigi Mattiolo ab, der im Dezember 2018 akkreditiert worden war. Die Botschaft von Italien liegt in der Tiergartenstraße und wurde im Zuge der Germania-Pläne in den 1940er Jahren gebaut. Das klassizistische Gebäude ist auch im Innenbereich sehenswert. Gänge, Räume und Innenhof sind stilecht inszeniert und lassen den Besucher in italienisches Flair eintauchen.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 6. Mai 2021

Botschafter von Kamerun, Lesotho und Mauritius beim Bundespräsidenten akkreditiert

Heute wurden nur drei Botschafter bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert. Dafür kamen alle drei Exzellenzen aus Afrika und die Frauenquote lag bei zwei Dritteln. Hier die Reihenfolge der Vorfahrten im Halbstundentakt ab 10 Uhr:

Botschafter der Republik Kamerun, Victor Ndocki
Botschafterin des Königreichs Lesotho, Senate Barbara Masupha
Botschafterin der Republik Mauritius, Christelle Sohun

Botschafter der Republik Kamerun, Victor Ndocki, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Kamerun, Victor Ndocki (rechts), bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Kameruner sind in Berlin sehr beliebt. Der in Schmalz gebackene Teig hat in der Regel die Form einer Acht und wird mit Zucker überstreuselt. Der Name für dieses Gebäck stammt aus der Zeit, als Kamerun zwischen 1884 und 1919 deutsche Kolonie war. Als Folge des 1. Weltkrieges wurde Kamerun unter britisches und französisches Mandat gesetzt. Nach diversen Unruhen und dem Auslaufen des UN-Mandates wurde Kamerun 1960 unabhängig.

Botschafter der Republik Kamerun, Victor Ndocki, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Kamerun, Victor Ndocki, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Kamerun - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Die Republik Kamrun hat knapp 28 Millionen Einwohner und liegt im Innenknick von Westafrika am Atlantik. Etwa 70% der Bevölkerung sind Christen. Auch Naturreligionen stehen hoch im Kurs. Deshalb treibt auch die islamistische Terrororganisation Boko Haram ihr "missionarisches" Unwesen in der Region. Zur Behandlung dieses Problems erhält Kamerun internationale Unterstützung von Frankreich, China, den USA und Südafrika. Botschafter Victor Ndocki ist seit 1987 im diplomatischen Dienst tätig. Zuletzt war er am United Nations International Centre in Wien eingesetzt.

Botschafterin des Königreichs Lesotho, Senate Barbara Masupha, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafterin des Königreichs Lesotho, Senate Barbara Masupha (links), bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Die Mitarbeiterin des Auswärtigen Amtes zeigt auf die Flagge von Lesotho. - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Lesotho ist eine parlamentarische Monarchie und liegt mitten im Nordosten Südafrikas. Die Enklave hat knapp 2 Millionen Einwohner mit einem stark rückläufigen Pro-Kopf-Einkommen von 924 USD pro Jahr. Dafür besitzt der Staat einen Kampfpanzer vom Typ T-55 und drei Twin-Huey-Hubschrauber von Bell. Besonders stolz ist Lesotho auf den Qiloane-Berg, dessen markante Form sich auf der Flagge und bei den Kopfbedeckungen wiederfindet.

Botschafterin des Königreichs Lesotho, Senate Barbara Masupha, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafterin des Königreichs Lesotho, Senate Barbara Masupha, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Lesotho - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Botschafterin Seante Barbara Masupha löst Retselisitsoe Calvin Masenyetse ab, der im Dezember 2017 im Schloss Bellevue akkreditiert worden war. Ihr Leben ist ein Leben des Kampfes. Des Kampfes um Gleichberechtigung. Sie stammt aus einer Familie mit einflussreichen Führungspersonen. Sie selbst hätte aber nie in die Fußstapfen ihrer männlichen Verwandten treten dürfen. Mit den politischen Umbrüchen in Namibia und Südafrika wuchs auch ihr Mut, sich gegen das Patriarchat aufzulehnen. Mit Erfolg: Seit heute vertritt sie ihr Land als Botschafterin in Deutschland.

Botschafterin der Republik Mauritius, Christelle Sohun, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafterin der Republik Mauritius, Christelle Sohun (links), bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Mauritius hat knapp 1,4 Millionen Einwohner und ein für Afrika bemerkenswertes Pro-Kopf-Einkommen von etwa 9.000 USD. Mauritius ist eine Insel im Indischen Ozean und liegt östlich von Madagaskar. Und wo liegt Madagaskar? Madagaskar ist eine riesige Insel östlich von Südafrika. Mauritius ist wohl hauptsächlich wegen der seltenen blauen Briefmarken aus 1847 bekannt. Die Insel war eine der Wiegen des Briefmarkendrucks und beherbergt ein entsprechendes Museum in Port Louis. Mauritius unterhält sehr gute Beziehungen zu Indien. Entsprechend sieht auch die Religionszugehörigkeit aus: Etwa die Hälfte sind Hindus und ein Drittel sind Christen.

Botschafterin der Republik Mauritius, Christelle Sohun, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafterin der Republik Mauritius, Christelle Sohun, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Mauritius - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Botschafterin Christelle Sohun war vor ihrer Berufung nach Deutschland in Australien und Neuseeland eingesetzt. Es ist üblich, dass Botschafter kleinerer Staaten an ihrer Wirkungsstätte mehrere regionale Staaten betreuen. So wird sie ihr Land wohl auch gegenüber der EU vertreten.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 11. März 2021

Botschafter von Paraguay, Griechenland, Haiti und Kenia akkreditiert

Drei Tage nach dem Weltfrauentag interessiert sich eventuell jemand dafür, dass die Frauenquote der heutigen Botschafter-Akkreditierung bei 50% lag. Der Frauenanteil in den diplomatischen Vertretungen liegt bei etwa einem Viertel. Hier die Reihenfolge, in der heute Vormittag die Beglaubigungsschreiben übergeben wurden:

Botschafterin der Republik Paraguay, Wilma Patricia Frutos Ruiz
Botschafterin der Hellenischen Republik, Maria Marinaki
Botschafter der Republik Haiti, Frantz Bataille
Botschafter der Republik Kenia, Thomas Boniface Amolo

Botschafterin der Republik Paraguay, Wilma Patricia Frutos Ruiz, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafterin der Republik Paraguay, Wilma Patricia Frutos Ruiz (2. von links), bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Paraguay liegt in der Mitte von Südamerika und hat keinen Meerzugang. Das Land hat etwas über sieben Millionen Einwohner und neben indigenen Volksgruppen auch jede Menge Deutsche, die sich entweder nach dem Zweiten Weltkrieg in die Weiten des Chaco geflüchtet haben, in Paraguay einen tropischen Lebensabend zum schmalen Preis verleben oder dem Zugriff der deutschen Steuerbehörden entgehen möchten. Land, Häuser und Arbeitskräfte sind dort sehr günstig zu haben. Konflikte mit dem Nachbarn der eigenen Maisplantage werden mit der Maschinenpistole ausgetragen. Mit ein paar Dollar oder Euro in der Hand schaut der Polizist dann auch mal weg. Die Streitkräfte umfassen knapp 14.000 Soldaten und sind mit schwachem und veraltetem Material ausgestattet. Überaltert sind auch die personellen Strukturen. Es gibt zu viele hohe Dienstgrade bei zu wenig Nachwuchs.

Botschafterin der Republik Paraguay, Wilma Patricia Frutos Ruiz, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafterin der Republik Paraguay, Wilma Patricia Frutos Ruiz, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Paraguay - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Die Entsendung von Botschafterin Wilma Patricia Frutos Ruiz hatte landesintern für einige Aufregung gesorgt. Man wirft ihr vor, nur mit Beziehungen an diesen und andere begehrte Posten gekommen zu sein. Durchaus glaubhaft, wenn man das korrupte System in Paraguay kennt. Obwohl - als deutscher Normalbürger lässt es sich dort schon gut leben - vorausgesetzt, man hat sich mit den entsprechenden Schusswaffen und Behördenkontakten eingedeckt.

Botschafterin der Hellenischen Republik, Maria Marinaki, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafterin der Hellenischen Republik, Maria Marinaki (2. von links), bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Die Botschafterin zeigt auf ihre Flagge. - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Die Hellenische Republik ist das, was wir als Griechenland kennen. Griechenland hat über 10 Millionen Einwohner und ein jährliches Pro-Kopf-Einkommen von 18.000 USD. Dass Griechenland ein nachhaltiges Wirtschaftsproblem hat, liegt wohl auch daran, dass 30% der Berufstätigen im Öffentlichen Dienst arbeiten. Auch wenn Horst Seehofer jüngst twittern ließ: "Der öffentliche Dienst ist das Rückgrat unserer Gesellschaft", so zeigt doch Griechenland, dass diese Aussage nur bedingt einer Prüfung in der Praxis standhält. Gemessen an der Einwohnerzahl hat Griechenland einen sehr hohen Anteil an militärischem Personal: 142.700 Soldaten plus 221.350 Reservisten. Damit kommt Griechenland auf eine ähnliche Truppenstärke wie sein unberechenbarer Nachbar im Osten. Außerdem verfügt die hellenische Halbinsel über sage und schreibe 1.228 Kampfpanzer. Das ist das Fünffache dessen, was Deutschland als Hersteller des Leopard 2 besitzt. Offensichtlich besteht auch hier ein Wettbewerb gegenüber dem NATO-Vertragspartner Türkei mit seinen 2.378 Kampfpanzern.

Botschafterin der Hellenischen Republik, Maria Marinaki, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafterin der Hellenischen Republik, Maria Marinaki, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Griechenland - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Botschafterin Maria Marinaki blickt auf eine über 40-jährige Karriere im diplomatischen Dienst zurück. In dieser Zeit war sie in Washington D.C. eingesetzt, bei der OSZE, in Wien, in Brüssel und in ihrem Außenministerium. Ihre Schwerpunkte sind Migration, Frauenrechte, Frieden, Sicherheit und Genderthemen. Sie spricht Griechisch, Englisch, Französisch und Deutsch.

Botschafter der Republik Haiti, Frantz Bataille, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Haiti, Frantz Bataille (rechts), bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Haiti liegt in der Karibik südöstlich von Kuba. Haiti hat 11 Millionen Einwohner und teilt sich die Insel mit der Dominikanischen Republik. Die 732 USD des jährlichen Pro-Kopf-Einkommens in Haiti entsprechen dem Zehntel des Durchschnittseinkommens seines Nachbarn. Das liegt wohl nicht nur an den fehlenden All-Inclusive-Reisen, sondern auch am fragilen Staatssystem und den ständigen Naturkatastrophen. Haiti liegt nämlich am Rande der Karibischen und der Nordamerikanischen Platte, was oft zu schweren Erdbeben führt - zuletzt 2010. Weil das Land ganz andere Sorgen hat, gibt es dort nur 500 Soldaten, die sich gerade zu einem Infanteriebataillon zusammenraufen. Die Küstenwache mit ihren acht Patrouillenbooten wird von 50 Paramilitärs gestellt. Den Rest übernehmen Helfer aus Ecuador und Brasilien.

Botschafter der Republik Haiti, Frantz Bataille, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Haiti, Frantz Bataille, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Haiti - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Die Botschaft von Haiti liegt in der Nähe von Bahnhof Zoo, IHK Berlin und Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Botschafter Frantz Bataille wurde bereits im September 2020 nach Deutschland entsandt. 2015 war er bereits als Geschäftsträger seiner Botschaft in Berlin tätig. In dieser Zeit hatte er an der Qualitätskontrolle für haitische Bananen teilgenommen. Haiti hatte nach 60 Jahren seinen internationalen Handel mit Bananen reaktiviert. Haiti ist ein Beispiel dafür, wie wechselnde Kleptokratien und ausländische Akteure ein Land nachhaltig in den Ruin treiben können.

Botschafter der Republik Kenia, Thomas Boniface Amolo, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Kenia, Thomas Boniface Amolo (links), bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Kenia hat 53 Millionen Einwohner und liegt in Ostafrika auf Höhe der Seychellen. Im Norden grenzt Kenia an Somalia und im Westen an Uganda und den Viktoriasee. Das jährliche Einkommen eines Kenianers ist dreimal so hoch wie das eines Bürgers von Haiti. Die 24.100 Soldaten sind hauptsächlich mit dem nördlichen Nachbarn beschäftigt. Im Rahmen von AMISOM ist Kenia mit 4.000 Soldaten in Somalia aktiv. Somalia ist bekannt für seine Piraterie. Diese konnte durch wehrhafte Handelsreisende und deren militärische Begleitschiffe inzwischen so unattraktiv gemacht werden, dass die Bundeswehr sogar Kräfte aus der Region abziehen kann. Kenia ist westlich orientiert und lässt sich gerne durch Briten und Australier unterstützen, gibt aber im Gegenzug auch Leistung zurück. Das Land nimmt an verschiedenen UN-Missionen wie MINUSMA, MINUSCA, MONUSCO, UNSOS, UNMISS und UNAMID teil.

Botschafter der Republik Kenia, Thomas Boniface Amolo, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Kenia, Thomas Boniface Amolo, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Kenia - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Botschafter Thomas Boniface Amolo wurde 1961 in Nairobi geboren. Studiert hatte er in Nairobi und an der Columbia Universität, New York. Zunächst hatte er an seinem Außenministerium verschiedene Sekretariats- und Beratungsaufgaben wahrgenommen. Seine Auslandserfahrung erstreckt sich hauptsächlich auf den afrikanischen Kontinent: Nigeria und Süd Afrika. Sein Vermögen beläuft sich auf umgerechnet knapp 650.000 USD. Er ist Netzwerker und kann neue Initiativen starten, die nachweisliche Ergebnisse bringen. Die Zusammenarbeit mit Deutschland interessiert ihn sehr, weil man von Deutschland viel bezüglich Landwirtschaft, Industrie und der Förderung junger Menschen lernen könne. Thomas Boniface Amolo setzt sich aktiv gegen Afrophobie ein und möchte seine in Deutschland lebenden Landsleute über Social Media stärker ansprechen.

Die Akkreditierungen fanden zwischen 10 bis 12 Uhr im üblichen Halbstundentakt statt. Nach dem Niederholen der kenianischen Flagge wurde die deutsche Flagge wieder auf den mittleren Mast umgehisst. Die wenigen bei Corona zugelassenen Bildreporter verließen das Schloss und die Vertreterin des Auswärtigen Amtes fuhr mit ihrem Hybridfahrzeug davon.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 3. Februar 2021

Botschafter von Nepal, Afghanistan, Dominikanischer Republik und Namibia akkreditiert

Die neuerlichen Entwicklungen bei der CDU setzen auch den Trend für die heutige Botschafter-Akkreditierung: Frauenquote Null. Unter Corona-Auflagen besuchten heute vier Botschafter das Schloss Bellevue und gaben Ihre Beglaubigungsschreiben ab. Hier die Exzellenzen in der Reihenfolge ihres Erscheinens:

Botschafter von Nepal, Ram Kaji Khadka
Botschafter der Islamischen Republik Afghanistan, Yama Yari
Botschafter der Dominikanischen Republik, Francisco Alberto Caraballo Nunez
Botschafter der Republik Namibia, Martin Andjaba

Botschafter von Nepal, Ram Kaji Khadka, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter von Nepal, Ram Kaji Khadka, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Nepal hat 30 Millionen Einwohner und liegt wie ein Sandwich zwischen China und Indien. Die Streitkräfte bestehen aus knapp 100.000 Soldaten, sind aber extrem schwach ausgerüstet. Dennoch nimmt Nepal an mehr als zehn UN-Missionen teil. Die Lage des Landes würde eine starke Luftwaffe erfordern. Die Flugzeuge können jedoch an einer Hand abgezählt werden. Ergänzt werden sie von 15 Hubschraubern. Deshalb sollte der Verteidigungshaushalt 2020 um 10% auf etwa 430 Millionen USD steigen.

Botschafter von Nepal, Ram Kaji Khadka, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter von Nepal, Ram Kaji Khadka, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Nepal im Doppel-Dreiecks-Format - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

80% der Bevölkerung sind Hindus mit einem ausgeprägten Kastenglauben, der große Teile der Nepalesen als minderwertig betrachtet. Das ist wohl auch ein Grund dafür, dass ein Drittel der Einwohner nicht lesen und schreiben kann. Bis ins 14. Jahrhundert stand das Gebiet unter indischer Herrschaft. Danach erstritt es sich die Unabhängigkeit. Auch die Briten konnten das Land um 1814 herum nicht erobern. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg stellte Nepal jedoch Truppen für die Briten zur Verfügung. Zwischen 1996 und 2006 gab es einen blutigen Bürgerkrieg zwischen Anhängern der Monarchie und Maoisten. 2008 wurde Nepal als Republik ausgerufen. Es sei noch auf die sehr andersartige Flagge Nepals eingegangen. Sie besteht aus zwei miteinander verbundenen Dreiecken, die die Spitzen des Himalaya symbolisieren.

Bei allen innenpolitischen und sozialökonomischen Herausforderungen des Landes ist dessen Botschaft deutlich fitter bei der Pflege ihrer Webseite als andere Staaten. Ram Kaji Khadka ist dort bereits als Botschafter eingetragen und der interessierte Besucher findet dort sogar einen umfangreichen Lebenslauf. Demnach hatte er gerade seinen 48. Geburtstag, ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seine diplomatische Karriere begann 2004. Neben Tätigkeiten an den Botschaften in Katar und Dänemark war er immer wieder in seinem Außenministerium eingesetzt.

Botschafter der Islamischen Republik Afghanistan, Yama Yari, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Islamischen Republik Afghanistan, Yama Yari (Vordergrund rechts), bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Da über Afghanistan ständig berichtet wird, sei hier nur erwähnt, dass das Land 35 Millionen Einwohner hat und nordwestlich von Nepal liegt. Auch Afghanistan hat keinen eigenen Zugang zum Meer. Dafür hat es aber fast so viele Militärangehörige wie die Bundeswehr. Die Liste der Länder, die den Resolute-Support-Einsatz in Afghanistan unterstützen, ist lang. Fast 40 Staaten sind mit Personal und Technik vertreten. Die USA, Großbritannien, Deutschland, Italien, Georgien und Rumänien stellen die größten Kontingente.

Botschafter der Islamischen Republik Afghanistan, Yama Yari, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Islamischen Republik Afghanistan, Yama Yari, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Afghanistan - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Botschafter Yama Yari ist 40 Jahre alt und war bereits am Ministerium für Transport und als Arbeitsminister tätig. Sein Studium absolvierte er in Großbritannien und wirkte als Co-Übersetzer für das bedeutende afghanische Buch "A Thousand Rooms of Dream and Fear". Yama Yari gilt als enger Vertrauter des Präsidenten Aschraf Ghani.

Botschafter der Dominikanischen Republik, Francisco Alberto Caraballo Nunez, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Dominikanischen Republik, Francisco Alberto Caraballo Nunez, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Der Botschafter fotografiert seine Flagge. - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Erst vor zwei Jahren wurde eine Botschafterin der Dominikanischen Republik im Schloss Bellevue akkreditiert. Der Inselstaat südlich von Florida hat 10 Millionen Einwohner und ist wohl hauptsächlich für seine All-Inclusive-Reisen bekannt. Eine Reise war das, was vor Corona in einem sogenannten Reisebüro gebucht werden konnte. Die sicherheitspolitischen Herausforderungen des Landes beschränken sich auf Grenzsicherung und Bekämpfung des Drogenschmuggels. Unterstützt wird die Dominikanische Republik maßgeblich durch die USA und durch Frankreich.

Botschafter der Dominikanischen Republik, Francisco Alberto Caraballo Nunez, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Dominikanischen Republik, Francisco Alberto Caraballo Nunez, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge der Dominikanischen Republik - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Botschafter Francisco Alberto Caraballo Nunez ist ein typisches Beispiel dafür, wie Staaten ihre Botschafter anonymisieren. Über ihn ist nicht wirklich etwas im Netz zu finden und schon gar nicht auf der Webseite der Botschaft, die immer noch die bisherige Botschafterin zeigt.

Botschafter der Republik Namibia, Martin Andjaba, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Namibia, Martin Andjaba, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Nach Asien und Karibik kommen wir nun in den südlichen Teil von Afrika: nach Namibia. Es dürfte erstaunen, dass Namibia nur 2,5 Millionen Einwohner hat. Das liegt wohl an der rauen Küstenlandschaft. Um 1500 unternahmen die Portugiesen zaghafte Versuche der Ansiedlung. Im 19. Jahrhundert folgten Briten und Deutsche. Das frisch gegründete Deutsche Reich übernahm die Region als Kolonie Deutsch-Südwestafrika und verlor diese 1915 auch schon wieder an die Briten. 1920 wurde es Mandatsgebiet der Südafrikanischen Union. Erst 1990 wurde Namibia unabhängig.

Botschafter der Republik Namibia, Martin Andjaba, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Republik Namibia, Martin Andjaba, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Namibia - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Botschafter Martin Andjaba ist 63 Jahre alt und hat einiges vom Hin und Her um sein Land miterlebt. Mit der Unabhängigkeit Namibias begann seine politische Karriere. Er wurde zunächst Protokollchef. Sechs Jahre später ging er als Ständiger Vertreter zur UNO. Von 1999 bis 2000 war er Präsident der UN-Sicherheitsrates. Die USA blieben erst einmal sein Haupteinsatzgebiet: Von 2010 bis 2018 fungierte er dort als Botschafter. Danach war er als "Helge Braun" von Namibia tätig. Wer ist nochmal Helge Braun? Der aktuelle Kanzleramtsminister und Nachfolger von Peter Altmeyer auf diesem Posten. Dass er nebenbei noch als amtierender Bildungs- und Kulturminister arbeiten konnte, ist möglicherweise ein Indiz für die Redundanz dieses Postens.

Da die Botschafter im Halbstundentakt eintrafen, war der Akkreditierungsreigen um 12 Uhr beendet und die Flagge der Bundesrepublik konnte wieder auf den mittleren Mast vor dem Schloss umgehisst werden.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 15. Januar 2021

Bundespräsident Steinmeier und die Sozialpartner von BDA und DGB fordern mehr Homeoffice während #COVID19

Im operativen Geschäft tritt Bundespräsident Steinmeier selten in Erscheinung. Die anhaltend hohe Zahl an Corona-Infektionen hat ihn heute jedoch zum Einschreiten bewogen. Zusammen mit dem Präsidenten des Arbeitgeberverbandes (BDA) und dem Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) formulierte er einen Appell an die Wirtschaft: Homeoffice, wo immer es möglich ist!

Den drei Appellierenden war durchaus bewusst, dass Homeoffice zuweilen eine Belastung für die ganze Familie darstellt oder aufgrund des Tätigkeitsprofils nicht relevant ist. Letzteres betrifft beispielsweise Busfahrer, Produktionsarbeiter oder Pflegekräfte. Aber, wo immer es möglich sei, solle das hygienisch sinnvolle Instrument des Homeoffice auch eingesetzt werden. Der Appell des Bundespräsidenten könnte in etwa so zusammengefasst werden: Arbeitgeber, bieten Sie Homeoffice an, wo immer es geht! Arbeitnehmer, nutzen Sie das Homeoffice - auch mit Rücksicht auf Ihre Kollegen!

Bundespräsident Steinmeier und die Sozialpartner von BDA und DGB fordern mehr Homeoffice während #COVID19
Bundespräsident Steinmeier und die Sozialpartner von BDA und DGB fordern mehr Homeoffice während #COVID19

Es liegt in der Natur von Appellen, dass diese eine freiwillige Reaktion bewirken sollen. Deshalb stehen zwingende oder verpflichtende Regeln derzeit nicht auf der Agenda der Bundesregierung. Erhebungen reden davon, dass der Anteil von Mitarbeitern im Homeoffice im Gegensatz zum ersten Lockdown gesunken sei. Aus den Bundesministerien gibt es dazu bisher keine genauen Zahlen. Im Wirtschaftsministeriums sei nach eigenen Angaben "ein überwiegender Teil" im Homeoffice. Steffen Seibert sprach für sein Bundespresseamt von leeren Fluren und einem Homeoffice-Anteil von 80%. In Berliner Bezirksämtern sieht das anders aus. Teilweise wird dort das Homeoffice untersagt oder in die innerbehördlichen Profilierungsspiele integriert. Auch Unternehmer sehen das Homeoffice kritisch. Fehlende Ruhe und mangelnde Eigendisziplin wirken sich auf die Produktivität der Angestellten aus. Soziale und administrative Kontrolle werden durch das Homeoffice stark eingeschränkt.

Gefühlt sind öffentliche Verkehrsmittel und Straßen in Berlin so stark frequentiert, wie außerhalb der Pandemie. Abgesehen von geschlossenen Restaurants und Kultureinrichtungen unterscheidet oft nur das maskierte Stadtbild vom Normalzustand. Vieles spielt sich wohl hinter den Kulissen ab - in den Pflegeheimen, auf den Intensivstationen, beim bangen Warten auf die nächste Coronahilfe oder bei der Kurzarbeit. Die Kurzarbeit wurde von DGB und BDA gleichermaßen gelobt. So herrschte heute im Schloss Bellevue eine bemerkenswerte Harmonie zwischen BDA und DGB. Deshalb werden sie wohl auch unter dem Begriff der Sozialpartner zusammengefasst.

Die Bundesregierung wird schon seit einigen Wochen regelmäßig von der Presse gefragt, ob sie nicht endlich etwas gegen das infektiöse Gedränge in Bussen und Bahnen tun könne und ob nicht doch ein Rechtsanspruch auf Homeoffice durchsetzbar sei. Bundespräsident und die Herren Dulger (BDA) und Hoffmann (DGB) schlugen mit ihrem Appell in dieselbe Kerbe. Eine halbe Stunde später beteuerten Bundesregierung und Ministerien, dass sie sich dem voll und ganz anschließen. Für die Schaffung entsprechender Regelungen sei allerdings das Arbeitsministerium (BMAS) zuständig. Dieses halte "das im Blick" und verwies auf die jüngsten Anpassungen des Arbeitsschutzgesetzes. Die Änderungen beziehen sich auf epidemische Lagen und ermächtigen das BMAS in § 18 zu zeitlich befristeten Rechtsverordnungen. Ein Gesetzentwurf speziell zum Recht auf Homeoffice befinde sich zurzeit in der Abstimmung.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 6. Januar 2021

#hellerdennje Sternsinger und 20*C+M+B+21 während der Pandemie

Auch die traditionellen Pressetermine sind dem Lockdown zum Opfer gefallen. Deshalb gab es zu heute keine Einladungen ins Kanzleramt oder das Schloss Bellevue. Statt dessen verriet das Kalenderblatt, dass heute der Dreikönigstag ist. Der Tag, an dem normalerweise die lieben Kleinen aus dem Bundesgebiet anreisen und an sämtliche Türen von Ministerien, Bundeskanzleramt und Schloss Bellevue das 20*C+M+B+21 schreiben.

Das CMB steht für das lateinische Christus mansionem benedicat und heißt auf Deutsch: Christus segne diese Herberge/Wohnung! Das Drumherum referenziert auf das zweite Kapitel des Matthäus-Evangeliums, in dem Magier aus dem Orient in Jerusalem erscheinen und nach dem neuen König fragen. Der amtierende Herrscher - König Herodes - war davon nicht sehr begeistert und versuchte über eine List, mehr über den Aufenthaltsort seines neugeborenen Rivalen zu erfahren. Der Plan ging allerdings nicht auf, so dass er kurzentschlossen alle kleinen Jungs bis zwei Jahre in Bethlehem ermorden ließ. Ein aktiver Einsatz von Engeln, die nicht an Raum und Zeit gebunden sind, sorgte dafür, dass das Kind während des Mordens schon nach Ägypten unterwegs war und 30 Jahre später als Jesus Christus durch Israel ziehen konnte.

Sternsinger 2021 20*C+M+B+21 #hellerdennje
#helerdennje - Sternsinger lassen sich 2021 durch Corona nicht stoppen - 20*C+M+B+21 (Bild: Kindermissionswerk)

Die Weihnachtsgeschichte wird nur in zwei von vier Evangelien berichtet - ganz im Gegensatz zur Kreuzigung. Diese ist das zentrale Element des christlichen Glaubens, weil mit dem Blut von Jesus Christus praktisch der Kaufpreis - die Schuldentilgung - in der angeschlagenen Beziehung zu Gott bezahlt wurde. Deshalb auch die drei Kreuze zwischen CMB und dem Rest der Jahreszahl. Das Sternchen am Anfang steht für die Geburt.

Die Sternsinger sind schon seit 1959 in katholisch dominierten Regionen unterwegs. Sie klopfen an die Türen, singen, schreiben den CMB-Segen an die Türen und sammeln Geld für Hilfsprojekte. Auf diesem Wege sind bereits über eine Milliarde Euro zusammengekommen. Präsenztermine beim Bundespräsidenten oder der Kanzlerin hatten in den vergangenen Jahren gut eine Stunde gedauert. Neben den genannten Elementen Singen, CMB und Sammeln wurden die aktuellen Hilfsprojekte vorgestellt, weitere Musikstücke gespielt und niederschwellig mit den Spitzenpolitikern kommuniziert.

Die Kostüme der Sternsinger sind immer sehr aufwendig gestaltet. Goldene Kronen, viel Samt und kunstvoll verzierte Schatullen zur Aufnahme der Spenden von Angela Merkel & Co. In diesem Jahr kamen noch die farblich abgestimmten Masken hinzu. Die Spenden wurden virtuell gesammelt und statt der Vor-Ort-Besuche gab es Videobotschaften. Goldig, wie die Kinder mit den Masken hantierten, als sie mit ihrem Spruch an der Reihe waren. Der Segen wurde mit Segenstüten versandt. In den Segenstüten befand sich ein Aufkleber mit 20*C+M+B+21, der von den Empfängern selbst angebracht werden konnte.

#hellerdennje ist das Motto des diesjährigen Sternsingens. Die Gläubigen lassen sich durch Corona nicht entmutigen, sondern machen frei nach Römer 8,28 das Beste aus jeder noch so destruktiven Situation. So wie die Eltern von Jesus, die versorgt mit Gold, Weihrauch und Myrrhe, erst einmal nach Ägypten auswanderten.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 7. Dezember 2020

Botschafter von Oman, Tunesien, Japan und Südkorea beim Bundespräsidenten akkreditiert

Das Social Distancing hat auch für lange Pausen bei der Akkreditierung von Botschaftern gesorgt. Im November wurden dann auf die Schnelle zweimal vier Botschafter akkreditiert. Darunter auch die britische Botschafterin, die wenige Tage später Prinz Charles und Camilla begrüßen durfte. Heute gaben weitere vier Exzellenzen ihre Beglaubigungsschreiben beim Bundespräsidenten ab:

Botschafter des Sultanats Oman, Yousuf Said Mohamed Al Amri
Botschafterin der Tunesischen Republik, Hanène Tajouri Ep. Bessassi
Botschafter von Japan, Hidenao Yanagi
Botschafterin der Republik Korea, Hyun Ock Cho

Botschafter des Sultanats Oman, Yousuf Said Mohamed Al Amri, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter des Sultanats Oman, Yousuf Said Mohamed Al Amri, (2. von rechts) bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (nicht im Bild) im Schloss Bellevue akkreditiert - Die protokollarische Begleitung vom Auswärtigen Amt zeigt dem Botschafter die gehisste Flagge seines Landes. Diese Geste ist offizieller Bestandteil des protokollarischen Ablaufs während der Pandemie-Beschränkungen. - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Das Sultanat Oman liegt am Tor zum Persischen Golf. Es hat etwa so viele Einwohner wie Berlin und einen Verteidigungshaushalt von über 11% des BIP. Eine besondere Herausforderung stellt die Sicherung der langen Küste zum Arabischen Meer dar. Dabei wird Oman von den USA und Großbritannien unterstützt. Während sich die USA schon weitestgehend unabhängig von den Rohstoffen aus dem Persischen Golf gemacht haben, hat dieser für Europa eine hohe Bedeutung. Außer Großbritannien scheint das aber kaum jemand in Europa zu realisieren. Auch wenn Oman ein direkter Nachbar von Saudi-Arabien und Jemen ist, mischt es sich bislang nicht in diesen Konflikt ein.

Botschafter des Sultanats Oman, Yousuf Said Mohamed Al Amri, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter des Sultanats Oman, Yousuf Said Mohamed Al Amri, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Oman - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Botschafter Yousuf Said Mohamed Al Amri war schon am 9. März 2020 zum Botschafter in Deutschland berufen worden, konnte aber wegen Corona nicht früher akkreditiert werden. Oman hat zwei Corona-Wellen erlebt. Deren Spitzen lagen im Juni und im Oktober. Dabei waren 1.423 Menschen gestorben. Das entspricht einem Prozent der in Oman erkrankten Personen.

Tunesien hat wohl die am weitesten entwickelte Demokratie in Nordafrika. Es bestehen enge Beziehungen zu den USA und Frankreich. Tunesien hat 11,6 Millionen Einwohner und einen beschaulichen Verteidigungshaushalt von 993 Millionen USD. Die größte Herausforderung stellen Terroristen dar. Deshalb haben sich tunesische Kräfte von algerischen Experten trainieren lassen. Zudem ist das Land der Islamic Counter Terrorism Coalition beigetreten. Diese Koalition wird maßgeblich von Saudi Arabien aus geleitet.

Botschafterin Hanène Tajouri Ep. Bessassi ist seit 22 Jahren auf dem diplomatischen Parkett aktiv. An ihrem Außenministerium war sie zunächst für die deutsch-tunesischen Beziehungen zuständig, dann für die Beziehungen zur EU und Portugal. Es gab dann mehrere Wechsel zwischen Außenministerium, Botschaft in Washington D.C. und EU. Jetzt ist sie in Berlin.

Botschafter von Japan, Hidenao Yanagi, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter von Japan, Hidenao Yanagi, (2. von links) bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (nicht im Bild) im Schloss Bellevue akkreditiert - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Japan hat knapp 126 Millionen Einwohner und einen Verteidigungshaushalt, der mit seinen 48,6 Milliarden USD in etwa dem deutschen entspricht. Allerdings sind das weniger als 1% des japanischen BIP. Japan liegt zwar nicht direkt am Südchinesischen Meer, nimmt aber die Ankündigungen und Aktionen Chinas sehr ernst. Deshalb freut es sich über den pazifischen Blick der USA und dass auch Deutschland seine Indo-Pazifik-Leitlinien verabschiedet hat. Misst man deren Relevanz an der Tagespolitik, scheint nur die Verteidigungsministerin an deren Umsetzung zu arbeiten.

Botschafter von Japan, Hidenao Yanagi, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter von Japan, Hidenao Yanagi, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Japan - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Botschafter Hidenao Yanagi verfügt über langjährige Deutschlanderfahrungen. Von 1983 bis 1985 hatte er in Konstanz studiert und war Ende der 1990er Jahre an der japanischen Botschaft in Bonn eingesetzt. Von 2006 bis 2009 war er an der Botschaft in Berlin und von 2014 bis 2017 am Konsulat in München tätig. Es folgte ein Einsatz in Jordanien und nun ist er wieder in Berlin. Sein erklärtes Ziel ist es, den guten deutsch-japanischen Beziehungen auch über die nächste Bundestagswahl hinweg eine solide Grundlage zu geben.

Da das Wort "Demokratisch" in der Staatsbezeichnung der Republik Korea fehlt, kann dieses Attribut als gegeben angesehen werden. Die Republik befindet sich im Süden des geteilten Korea und ist nur wenige Kilometer von Japan entfernt. Südkorea hat 51,6 Millionen Einwohner und 599.000 aktive Militärangehörige. Die Hauptherausforderung stellt der "demokratische" Norden mit seinen atomaren Spielchen dar. Deshalb verfügt das Land über eine starke Raketenabwehr inklusive des THAAD-Systems. Wichtigster Unterstützer sind die USA. Mit seinen 2.221 Kampfpanzern kann Südkorea problemlos mit den Zahlen der Türkei oder Russlands mithalten. Über die militärische Stärke Nordkoreas gibt es nur Schätzungen. Demnach besitzt das Land mehr als 3.500 Kampfpanzer aus russischer Produktion. Hinzu kommen 545 kampffähige Flugzeuge. Darunter mindestens 401 Kampfflugzeuge des Typs MiG. Südkorea hält mit 563 kampffähigen Flugzeugen dagegen. Viele davon entstammen amerikanischer Produktion. Wer sich nicht mehr an die brenzligen Situationen am Checkpoint Charlie in Berlin erinnern kann, sollte nach dem Ende von Corona nach Korea reisen.

Botschafterin Hyun Ock Cho blickt auf eine über 40-jährige diplomatische Karriere zurück. Sie war in ihrem Außenministerium und an Vertretungen ihres Landes in Österreich und bei der UNO tätig. Studiert hatte sie in Paris, New York und Seoul. Zur heutigen Akkreditierung hätte sie von ihrer Botschaft aus laufen können, wenn es nicht die protokollarische Regel gäbe, dass die Botschafter vom Hotel Adlon aus zum Schloss Bellevue gebracht werden.

Autor: Matthias Baumann

Sonntag, 15. November 2020

Prinz Charles und Camilla besuchen Bundespräsident Steinmeier anlässlich des Volkstrauertages 2020

Drei Sicherheitszonen waren um die Neue Wache eingerichtet. Der Abstand zu den äußeren Metallgittern betrug das Hundertfache des Corona-Abstandes. Zur Dokumentation der Kranzniederlegung waren nur zwei TV-Sender und fünf ausgewählte Fotografen zugelassen. Das waren weniger Pressevertreter als beim hochgradig abgesicherten Besuch des türkischen Präsidenten Erdogan im September 2018.

Prinz Charles und Camilla besuchen den Bundespräsidenten anlässlich des Volkstrauertages 2020
Prinz Charles und Camilla besuchen den Bundespräsidenten anlässlich des Volkstrauertages 2020 - Vorbereitung der Kranzniederlegung an der Neuen Wache

Besuche von britischen Spitzenpolitikern oder royalen Familienmitgliedern stellen generell eine Herausforderung für die inländische Presse dar. Viele der begehrten Akkreditierungen werden im Vorfeld durch die britische Botschaft verteilt. Termine erfahren nur gut vernetzte Hauptstadtjournalisten. Und selbst dann ist eine Teilnahme nicht garantiert. Falls sich mit weiterem Aufwand ermitteln lässt, wer überhaupt zuständig ist und wie die Akkreditierung abläuft, ist eine weitere Hürde zu nehmen: Deutsche Medienvertreter bekommen nur ein Restkontingent dessen, was vom üppigen Zuschlag an die britische und französische Presse übrig bleibt.

Dass nun ausgerechnet Prinz Charles und Camilla als erste Repräsentanten eines anderen Landes am Regierungsterminal des BER gelandet sind, kann als medialer Fehlgriff gewertet werden. Es existieren nur wenige Fotos von diesem Ereignis: Schaut man sich die Berichterstattung an, scheinen nur AFP und dpa bei der royalen Ankunft dabei gewesen zu sein. Selbst der Springer-Verlag musste auf Bilder vom Hotel Adlon ausweichen. Dabei hätte diese Landung ein würdiger Auftakt für die folgenden Staatsbesuche werden können.

Prinz Charles und Camilla besuchen den Bundespräsidenten anlässlich des Volkstrauertages 2020
Prinz Charles und Camilla besuchen den Bundespräsidenten anlässlich des Volkstrauertages 2020 - Flaggen auf Halbmast

Auch die Bildplätze im Bundestag waren begrenzt. Dort sollte Prinz Charles nach der Kranzniederlegung eine Rede halten. Das war die zweite Premiere an diesem Wochenende: erst die erste Landung am BER und dann noch die erste Rede eines Vertreters der königlichen Familie zum Volkstrauertag im Bundestag. Ziel der Übung war die Vertiefung der deutsch-britischen Freundschaft. Diese ist derzeit besonders wichtig, da Großbritannien in sechs Wochen zum Drittstaat avanciert.

Egal, ob der Brexit nun hart oder sanft verläuft: Die Wirtschaft freut sich, dass das Elend unklarer Verhältnisse endlich vorbei ist. Wenn es um die NATO geht, können die Verträge ohne Unterbrechung fortgeführt werden. Alles andere wird sich ändern: Visa, zeitkritische Lieferketten, Grenzkontrollen, Zölle, Wegfall von EU-Subventionen, Wegfall von EU-Rahmenverträgen, Ausschluss vom EU-Binnenmarkt und keine EU-Zuschüsse mehr für schwache Regionen. Momentan hat Großbritannien nur die Idee, als Steueroase aufzutreten. Ob dieser Plan aufgeht, ist unklar. Mindestens so unklar, warum die Neue Wache heute zur Kranzniederlegung so weiträumig abgesperrt war.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 11. November 2020

Botschafter von Bangladesch, Australien, Katar und Großbritannien akkreditiert

Auch während Corona werden Botschafter im Schloss Bellevue akkreditiert. Die Arbeit auf dem diplomatischen Parkett muss weitergehen. Auch wenn die Pandemie den größten Teil der Berichterstattung einnimmt, sind internationale Herausforderungen weiterhin virulent. So gaben sich heute ab elf Uhr folgende Exzellenzen im Halbstundentakt die Klinke von Schloss Bellevue in die Hand:

Botschafter der Volksrepublik Bangladesch, Md. Mosharraf Hossain Bhuiyan
Botschafter von Australien, Philip Victor Green
Botschafter des Staates Katar, Abdulla Mohammed S. A. Al Thani
Botschafterin des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, Jill Gallard

Botschafter der Volksrepublik Bangladesch, Md. Mosharraf Hossain Bhuiyan, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Volksrepublik Bangladesch, Md. Mosharraf Hossain Bhuiyan (rechts), bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - links im Bild die Gattin des Botschafters - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Bangladesch liegt südlich von China, hat einen guten Zugang zum Indischen Ozean, wird im Osten von Myanmar und im Westen von Indien flankiert. Die berühmte indische Stadt Kalkutta liegt nur etwa 30 Kilometer von der Grenze Bangladeschs entfernt. Bangladesch ist nur halb so groß wie Deutschland, hat aber doppelt so viele Einwohner. Die Wirtschaftskraft lag 2019 bei 1.906 USD pro Kopf. Das ist für asiatische Verhältnisse relativ gering und wird nur durch Staaten wie Myanmar oder Nepal unterboten. Bangladesch ist traditionell auf die Zusammenarbeit mit China, Russland oder Indien ausgerichtet. Es engagiert sich aber auch bei UNO-Missionen, die eine attraktive Einnahmequelle für das Land bieten.

Botschafter der Volksrepublik Bangladesch, Md. Mosharraf Hossain Bhuiyan, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter der Volksrepublik Bangladesch, Md. Mosharraf Hossain Bhuiyan, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Bangladesch - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Botschafter Md. Mosharraf Hossain Bhuiyan wird im Dezember 64 Jahre alt. Er kann auf eine fast 40-jährige Karriere bei seiner Regierung zurückblicken. Dabei lief er durch verschiedene Abteilungen und baute Kompetenzen in den Bereichen Wirtschaft, Handel und Energie auf. Seine Auslandserfahrungen konzentrieren sich auf den Nahen Osten.

Botschafter von Australien, Philip Victor Green, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter von Australien, Philip Victor Green, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - links im Bild die Gattin des Botschafters - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

7.000 Kilometer südlich von Bangladesch liegt Australien. Australien ist 16.000 Kilometer von Deutschland entfernt und ist uns um zehn Stunden in der Tageszeit voraus. Australien wurde vor wenigen Jahren als verlässlicher Partner in der Region Südostasien wiederentdeckt. Plötzlich kamen Finanzminister, Verteidigungsminister und Premierminister nach Deutschland, hielten die gemeinsamen Werte, gemeinsame europäische Geschichte und gemeinsame Herausforderungen hoch. Im April 2018 wurden sogar deutsche GTK Boxer (gepanzerte Fahrzeuge) angeschafft, damit die Interoperabilität bei gemeinsamen NATO-Einsätzen gewährleistet ist. Interoperabilität heißt, dass die genutzte Technik entweder gleich ist oder solchen Standards entspricht, dass bei Ausfällen schnell auf Personal oder Geräte der Partner zurückgegriffen werden kann.

Botschafter von Australien, Philip Victor Green, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter von Australien, Philip Victor Green, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Australien - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Botschafter Philip Victor Green ist ein versierter Diplomat. Im australischen Außenministerium war er für Strategien im Zusammenhang mit den USA und dem Indo-Pazifik zuständig. Das passt genau zu den kürzlich verabschiedeten Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung. Diese waren von Australien mit Euphorie aufgenommen worden. Philip Victor Green war zudem in Singapur und Südafrika tätig. Zudem hatte er sich durch kompetentes Handeln nach dem Terroranschlag von Bali 2002 verdient gemacht.

Botschafter des Staates Katar, Abdulla Mohammed S. A. Al Thani, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter des Staates Katar, Abdulla Mohammed S. A. Al Thani, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Katar hat 2,4 Millionen Einwohner und eine Wirtschaftsleistung von knapp 70.000 USD pro Kopf. In Deutschland sind es 46.000 USD. Katar liegt als Halbinsel im Persischen Golf und ist von enormer strategischer Bedeutung für Europa. Deshalb engagiert sich auch Italien sehr stark in dem Land. Katar hat sich jüngst mit sämtlichen Golfstaaten verstritten und baut deshalb andere Allianzen aus: Türkei oder Saudi-Arabien. Auch die USA haben ein Interesse an freien Seewegen durch den Persischen Golf. Am schwersten würde eine dortige Blockade aber Deutschland treffen. Deutschland hatte dort bisher eher als Zuschauer fungiert und die Rosinen der Drecksarbeit seiner Partner gepickt. Dieser Komfort neigt sich dem Ende entgegen und fordert eine ungewohnte Eigenverantwortung maritimer Präsenz.

Botschafter des Staates Katar, Abdulla Mohammed S. A. Al Thani, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafter des Staates Katar, Abdulla Mohammed S. A. Al Thani, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge von Katar - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Mit Botschafter Abdulla Mohammed S. A. Al Thani erscheint ein Scheich, ein Mitglied der königlichen Familie, in Deutschland. Das unterstreicht die Priorität der Beziehungen zwischen Katar und der Bundesrepublik.

Botschafterin des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, Jill Gallard, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafterin des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, Jill Gallard, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - links im Bild der Gatte der Botschafterin - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Die 25-prozentige Frauenquote wurde heute durch die neue britische Botschafterin bedient. Auch sehr zur Freude der British Chamber of Commerce in Germany, deren Hauptquartier inzwischen fast ausschließlich durch Frauen geleitet wird. Botschafterin Jill Gallard ist verheiratet und hat zwei Kinder. Ihre diplomatische Karriere begann 1994. Zunächst war sie für einige europäische Staaten zuständig: Spanien, Portugal, Rumänien und Bulgarien. das weitete sich dann auf die EU und den Mittelmeerraum aus. Ab und zu war sie am Außenministerium in London eingesetzt - aber immer mit einem Fokus auf Europa. Jetzt ist sie in Berlin und löst damit Sebastian Wood KCMG ab.

Botschafterin des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, Jill Gallard, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert
Botschafterin des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, Jill Gallard, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue akkreditiert - Flagge Großbritanniens - Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtl BMVg

Die Briten legen sehr viel wert auf diese Zusätze hinter dem Namen. KCMG hinter Sebastian Wood bedeutet, dass er Träger des Ordens St. Michael and St. George ist und bereits zum Ritter (Knight) geschlagen wurde. Letztere Ehre ist Jill Gillard noch nicht zuteil geworden. Dafür ist sie aber bereits eine CMG (Commander of the Order of St Michael and St George). Vermutlich wird sie eher zu einer DCMG, also einer Dame statt eines Ritters. Durch den Brexit wird einige Arbeit auf sie zukommen. Da Großbritannien ab Januar ein Drittstaat ist, muss bilateral noch vieles geklärt werden.

Autor: Matthias Baumann