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Freitag, 28. August 2020

Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden

Die Offizierschule des Heeres wurde 1956 in Hannover gegründet - ein Jahr nach Gründung der Bundeswehr. 1998 zog sie nach Dresden um und ist dort auf dem historischen Areal der Albertstadt beheimatet. Jährlich werden hier etwa 4.500 militärische Führungskräfte ausgebildet. Diese gehören nicht nur zum Heer, sondern auch zu anderen Einheiten, die sich auf dem Land bewegen - also Angehörige des Sanitätsdienstes, der Streitkräftebasis und des Kommandos CIR (Cyber-Informationsraum).

Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden
Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden - Übergabeappell im Zeichen von Corona - Foto: Bundeswehr / Sebastian Kelm
Wie an Offizierschulen üblich, gibt es auch in Dresden einige ausländische Studenten. Derzeit studieren hier 60 Personen aus Großbritannien, Frankreich, Irak, Jordanien und weiteren Staaten. Die politischen Verhältnisse in den entsendenden Staaten spielen nur eine untergeordnete Rolle. Schließlich geht es um das Erlernen des militärischen Handwerkszeugs wie Taktik und Führung. So kann es gelegentlich vorkommen, dass ein stolzer Absolvent in sein afrikanisches Land zurückkehrt und wie Moussa Dadis Camara aus Guinea das Wissen zur Durchführung eines Staatsstreiches anwendet. Dass Fähigkeiten und übergebene "Werkzeuge" später nicht immer im Sinne des Vermittelnden eingesetzt werden, entspricht dem allgemeinen Lebensrisiko.

Apropos Risiko: Beim heutigen Übergabeappell zum Kommandowechsel an der Offizierschule wurde das Risiko einer flächendeckenden Ansteckung mit Corona dadurch minimiert, dass die Paradeaufstellung in entsprechendem Abstand angetreten war. Der Platz vor dem Schulgebäude sah fast wie ein Steckhalma-Spiel aus. Es waren heute auch neue Kommandos zu hören: "Masken ab!" und "Masken auf!" Von Corona lässt sich die Offizierschule nicht behindern. Schon einen Monat nach Start des Lockdowns wurde der Lehrbetrieb wieder aufgenommen. Unter strikten Hygieneauflagen finden seitdem wieder Laufbahnprüfungen und Fortbildungen statt.

Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden Brigadegeneral Martin Hein
Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden - Brigadegeneral Martin Hein geht nach zwei Jahren Offizierschul-Kommando als Verbindungsoffizier nach Florida. Foto: Bundeswehr / Sebastian Kelm
Heute entband der Kommandeur des Ausbildungskommandos, Generalmajor Norbert Wagner, den Brigadegeneral Martin Hein vom Kommando der Schule. Martin Hein ist jetzt 61 Jahre alt. Mit 19 Jahren war er in die Bundeswehr eingetreten. Dass er eine Vergangenheit bei den Panzertruppen hat, war an seinem schwarzen Barett zu erkennen. Der scheidende Kommandeur schaut auf diverse Verwendungen im englischsprachigen Raum zurück. Kein Wunder, dass er nun als Leiter des Deutschen Verbindungskommandos im Zentralkommando der US-Streitkräfte nach Tampa/Florida versetzt wird. Er war zwei Jahre Kommandeur der Offizierschule, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Der neue Kommandeur der Schule, Brigadegeneral Olaf Rohde, bedient ebenfalls die deutsche Offiziersnorm: verheiratet und zwei Kinder. Er ist Jahrgang 1966 und trat mit 22 Jahren in die Bundeswehr ein. Auch er hat eine Panzervergangenheit und trägt das schwarze Barett. Olaf Rohde war Zugführer, Kompaniechef, Kommandeur und Referatsleiter im BMVg. Darüber hinaus hat er Einsatzerfahrung bei SFOR und ISAF.

Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden Brigadegeneral Olaf Rohde
Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden - Brigadegeneral Olaf Rohde hat heute das Kommando über die Offizierschule des Heeres in Dresden übernommen. Foto: Bundeswehr / Sebastian Kelm
Der Appell hatte noch weitere abgewandelte Elemente: Das Stabsmusikkorps hatte nur eine Minimalbesetzung von sechs Musikern entsandt. Eigentlich wäre das Luftwaffenmusikkorps aus Erfurt für den Termin zuständig gewesen. Das klappte aber wegen der Corona-Auflagen für die Anreise nicht. Das Abschreiten der Paradeaufstellung fand ohne Musikbegleitung statt. Die Truppenfahne der Offizierschule stand nur in der Nähe, wurde aber nicht in die Hand übergeben. Und auch der kreuzweise Handschlag des Generalmajors musste wegen der Abstandsregeln entfallen - sehr zu seinem Bedauern.

Corona konnte jedoch nicht verhindern, dass die Schule weiter Wissen und Fähigkeiten vermittelt und dass Olaf Rohde laut und deutlich feststellte: "Offizierschule des Heeres hört auf mein Kommando!"

Video:
Übergabeappell an der Offizierschule des Heeres in Dresden

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 27. August 2020

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei Bundeskanzlerin Angela Merkel

Die Kanzlerin hatte heute ein stilechtes Jäckchen an: Dunkelgrün. Die Farbe der NATO ist zwar Blau, aber Grün passt zum Umfeld, in dem die Soldaten trainieren. Am Vormittag traf sich NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit Angela Merkel zu Gesprächen. Diese waren vollgepackt mit aktuellen Themen. Themen, die erschreckend nah an das Gebiet der EU herangerückt sind und sogar als Konflikt zwischen NATO-Partnern ausgetragen werden. Es ging um das östliche Mittelmeer, Belarus und die Verteidigungsfähigkeit Europas.

Letztere ist insofern wichtig, weil die Gefahr einer zweiten Amtszeit amerikanischer Unberechenbarkeit besteht. Der NATO-Generalsekretär sprach sich deshalb noch einmal für die Stärkung der transatlantischen Beziehungen aus und machte klar, dass auch die Sicherheitsinteressen der USA auf dem Spiel stehen. Alliierte sollten wieder eng zusammenarbeiten. Wie fragil die Zusammenarbeit in der NATO ist, zeigt der momentane Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei Bundeskanzlerin Angela Merkel - FNC Framework Nations Concept
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rande des 7. Treffens des FNC Framework Nations Concept
Jens Stoltenberg war ohnehin in Berlin. Im Hotel InterContinental treffen sich derzeit 20 Verteidigungsminister, in deren Runde der NATO-Chef natürlich nicht fehlen darf. Das Format nennt sich FNC - Framework Nations Concept. Seit 2014 hat Deutschland als "Lead Nation" die Leitung des FNC inne. Schirmherrinm ist die NATO. Nach der ersten Corona-Welle wurde die Gelegenheit genutzt und das insgesamt siebte Treffen anberaumt - unter strengen Corona-Auflagen und mit eingeschränkter journalistischer Begleitung.

16 der 20 Staaten gehören sowohl der EU als auch der NATO an. Es sei der 4. Fortschrittsbericht erarbeitet worden, der laut Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer auf breite Zustimmung stoße. Im Kern gehe es um ein Lagebild und die daraus abzuleitende Stärkung europäischer Fähigkeiten der Selbstverteidigung. Der Tenor folgt ihrer Amtsvorgängerin, die die europäische Verteidigungsfähigkeit stärken wollte, sich aber klar zur NATO inklusive der USA bekannte.

Jens Stoltenberg hütete sich vor Drohungen gegenüber Belarus und stellte lediglich fest, dass dort demokratische Zustände eingehalten werden sollten. Unklarheit herrscht zurzeit noch über den Fortgang des Afghanistan-Einsatzes: "Wie geht es weiter?", fragte die Kanzlerin. Auch das sollte Gegenstand des Gespräches sein.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 4. August 2020

Bernhard Felmberg wird ab Oktober neuer Evangelischer Militärbischof

Eine Mitarbeiterin der Evangelischen Kirche wusste zu berichten, dass Bernhard Felmberg ein "schöner Mann" sei. Deshalb sei es verständlich, dass er Frauengeschichten gehabt habe. Das hätten die anderen doch auch gehabt. Sie nannte weitere Namen aus der kirchlichen Szene Berlins. Bernhard Felmberg sei immer sehr zuvorkommend gewesen - ein wahrer Gentleman und fähiger Vertreter des Bischofs.

In der Evangelischen Kirche passt diese Sonderrichtung der Nächstenliebe in das bunte Allerlei der Weltoffenheit. Eine oder mehrere Frauen neben der Ehepartnerin zu unterhalten? Warum nicht? Und egal, wem das geistliche Vorbild unter die Gürtellinie greift: Falls es Ärger gibt, mündet dieser in einer Versetzung mit beruflichem Aufstieg.

Diese Logik zieht sich durch verschiedene Lebensbereiche. Wegen des ausgeprägten Strebens nach Harmonie findet diese Logik in der Kirche jedoch einen besonders fruchtbaren Nährboden.

Oft trauen sich die zuständigen Leitungspersonen nicht, schnell und konsequent zu handeln. Gelegentlich haben die Verantwortlichen selbst etwas zu verbergen oder wollen einfach nur ihre Ruhe haben. So wird vertuscht, gedeckt und die Betroffenen zum Problem gemacht. Dabei wird gerne auf die vermeintliche Liebe zum Sünder, die Liebe zum Nächsten oder das Bibelzitat verwiesen, man solle den "Gesalbten des Herrn nicht antasten".

Kein Wunder also, dass Mitgliederzahlen und Spendeneinnahmen sinken. In der Katholischen Kirche wurden inzwischen Gremien eingerichtet, die sich ernsthaft mit Missständen und Missbrauch auseinandersetzen. Man habe erkannt, dass die gesamte Außenwirkung der Kirche wegbreche, wenn man hier nichts unternehme. Das katholische Werk Don Bosco beispielsweise hat wirkungsvolle Maßnahmen gegen problematische Zustände in den eigenen Reihen ergriffen. Mit Erfolg: Denn die Glaubwürdigkeit in die internen Klärungsfähigkeiten konnte dadurch zurückgewonnen werden.

Kommen wir nun zurück zum designierten Militärbischof: Bis 2013 war Bernhard Felmberg Bevollmächtigter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Bundesregierung und der Europäischen Union. Die Frucht seines Liebeslebens war ein Disziplinarverfahren zu "Fragen der persönlichen Lebensführung". Dieses mündete in einen "Wartestand", während dessen er weiterhin seine Bezüge von mehr als 7.000 Euro monatlich erhielt. Die Pause war aber nur von kurzer Dauer. 2014 ging er als Unterabteilungsleiter ans BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit). 2015 wurde er zum Ministerialdirigenten ernannt. Damit war er in die Besoldungsstufe eines Brigadegenerals aufgestiegen. Andere Bewerber mit deutlich mehr Fachkompetenz waren bei der Vergabe des Postens ignoriert worden.

Im Oktober 2020 soll Bernhard Felmberg sein Amt als Militärbischof antreten. Eine weitere Steigerung der beruflichen Karriere. Seine zentrale Aufgabe hat der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strom bereits definiert: nämlich "in der Spur der friedensethischen Äußerungen der EKD" zu bleiben. Bis Oktober ist das Amt des Militärbischofs für zweieinhalb Monate nicht besetzt. Die Unterschriftsgewalt wird in dieser Zeit durch Thies Gundlach ausgeübt. Thies Gundlach ist Vizepräsident des Kirchenamtes der EKD.

Mit Bekanntgabe der Entscheidung für Bernhard Felmberg tauchte auch wieder das damalige Disziplinarverfahren auf. Wie ein Fußball, der tief unter der Wasseroberfläche festgehalten und dann einfach losgelassen wurde. Deshalb kam die altbewährte Methode der salbungsvollen Vertuschung zum Einsatz: Das Disziplinarverfahren ist eingestellt und Bernhard Felmberg wird nun als Mann mit "Brüchen in seiner Biografie" vermarktet. Ein cleveres Vorgehen: Dadurch wird der neue Bischof vom Gestalter zum Opfer seines Schicksals umgewidmet.

Es stellt sich die Frage, was Bernhard Felmberg den Soldaten im Auslandseinsatz antwortet, wenn diese von ihren Ehekonflikten im fernen Deutschland berichten? Kann er sich in die Betroffenen hineindenken, wenn es um hierarchische Auseinandersetzungen geht? Und was antwortet er, wenn traumatische Gefechtserfahrungen zu verarbeiten sind? Zitiert er dann die "friedensethischen Äußerungen der EKD"?

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 24. Juli 2020

Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz startet im April 2021 an drei Ausbildungsstandorten

Das Sommerloch wird gerne von unbekannten Politikern zum Aufbau ihres Profils genutzt. So holte die neue Wehrbeauftragte Eva Högl das Thema Wehrpflicht hervor und heizte damit eine schwelende Debatte an. Gut informierte Kreise wissen, dass die Wehrpflicht zurzeit gar nicht in das Konzept der Bundeswehr passt. Die aktuellen Gegebenheiten bei Personal, Liegenschaften und Organisation könnten einen so hohen Anwuchs an schnell wechselndem Personal gar nicht verarbeiten. Hinzu kommen die neuen Anforderungen an hybride Bedrohungslagen und hochkomplexe Waffentechnik.

Bei der gestrigen Pressekonferenz stellte die Verteidigungsministerin deshalb keine Alternative zur Dienstpflicht oder gar einen verpflichtenden Wehrersatzdienst vor, sondern einen Baustein, der eine Lücke im Karrieregefüge der Bundeswehr schließt. Den Diskurs über die Wehrpflicht delegierte sie elegant an den Bundestag und ging gar nicht weiter darauf ein.

Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschtz - Dein Jahr für Deutschland
Dein Jahr für Deutschland - Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschtz (Logo mit freundlicher Genehmigung der Bundeswehr)
Der neue Baustein nennt sich "Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz". Sofort kam die Frage auf, worin denn die Unterschiede zwischen dem bisherigen Freiwilligen Wehrdienst und dem Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz bestehen?

Die gravierendsten Unterschiede liegen im Zeitbudget und der Verortung. Im Heimatschutz beträgt die militärische Ausbildung 7 Monate an einem Standort, der sich möglichst nah am Wohnort befindet. Auslandseinsätze sind  - wie der Name schon sagt - im Heimatschutz nicht vorgesehen. Auch die anschließenden 5 Monate Reserveeinsatz - in Summe also 12 Monate - sollen in Wohnnähe absolviert werden. Die Reserveeinsätze werden auf 6 Jahre verteilt.

Die Freiwilligen bekommen zunächst die allgemeine 3-monatige Grundausbildung und werden anschließend für infanteristische Aufgaben wie den Objektschutz ausgebildet. Im ersten Durchlauf wird das Modell mit 1.000 Soldaten getestet. Diese können sich ab September 2020 bewerben und beginnen frühestens im April 2021. Da es vorrangig um eine Stärkung der Reserve im Inland geht, können sich körperlich fitte Personen zwischen 17 und 65 Jahren bewerben. Die Möglichkeit, gänzlich ohne Wehrdienst in die Reserve aufgenommen zu werden, besteht weiterhin. Gute Erfahrungen wurden während Corona mit der Kampagne "Reserve hilft" gemacht.

Momentan sind drei Hauptstandorte für die Ausbildung der Freiwilligen vorgesehen: Berlin, Delmenhorst und Wildflecken in Bayern. Nach der Ausbildung stehen derzeit 30 Regionale Sicherungs- und Unterstützungskompanien (RSU) zur Verfügung. Die familiären und beruflichen Situationen werden beim späteren Reserveeinsatz berücksichtigt. Man könnte also fast schon von einem "Freiwilligen Wehrdienst light" sprechen.

Zuständig ist der stellvertretende Generalinspekteur, Generalleutnant Markus Laubenthal. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die 1.000 Soldaten im ersten Durchlauf nur der Anfang einer neuen Karrierelinie in der Bundeswehr sind. Die Idee zu diesem Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz gab es schon länger und wurde nun von Sabine Grohmann eingebracht. Sabine Grohmann ist seit 2018 für das Personalmanagement der Bundeswehr verantwortlich.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 8. Juli 2020

Altmunition in Ostsee und Nordsee

Im Schatten der EU-Ratspräsidentschaft hat Deutschland nun auch den Vorsitz der HELCOM übernommen. Das HEL bezieht sich auf die Helsinki-Konvention von 1974. Mitglieder sind die Anrainerstaaten der Ostsee. Grund zu einer Nachfrage, wie es um die Altmunition in Ostsee und Nordsee steht.

Altmunition in Ostsee und Nordsee - Deutschland übernimmt den Vorsitz der HELCOM
Altmunition in Ostsee und Nordsee: Wie lange noch ist unbeschwerter Urlaub an Ostsee und Nordsee möglich?
Seit über zehn Jahren freuen sich Urlauber über üppige Bernsteinfunde am Strand. Wenn sie diese in die Hosentasche stecken, trocknet der vermeintliche Bernstein. Kurz darauf entzündet er sich und fügt dem Finder erhebliche Verbrennungen zu. Der Erholungssuchende hat den Bernstein mit weißem Phosphor verwechselt. Dieser stammt aus verrottenden Bomben und Minen tief unter der Wasseroberfläche. Die Altmunition in der salzigen See ist eine Zeitbombe.

Laut einer 2011 angefertigten Studie ist von 1,6 Millionen Tonnen - also 1.600.000 Tonnen - konventioneller Munition in deutschen Gewässern auszugehen. Davon liegen 1,3 Millionen in der Nordsee. Das ist noch nicht alles. Hinzu kommen 170.000 Tonnen chemischer Kampfstoffmunition in der Nordsee und bis zu 65.000 Tonnen in der Ostsee. Die 90 Tonnen, die allein vor Helgoland lagern, klingen dann schon fast nach einer homöopathischen Menge. Als nördliche Militärbasis hat Helgoland prägende Erfahrungen mit Munition gesammelt. Ein Viertel der Insel war 1947 durch die Briten weggesprengt worden: Bunker und Munitionslager. Die Detonation habe man sogar noch im weit entfernten Cuxhaven wahrgenommen.

Altmunition in Ostsee und Nordsee - Deutschland übernimmt den Vorsitz der HELCOM
Altmunition in Ostsee und Nordsee: 1947 wurde ein großer Teil von Helgoland weggesprengt.
Eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern kam 2018 zu der Feststellung: "Derzeit ist nicht erkennbar, dass eine großräumige Gefährdung der marinen Umwelt über den lokalen Bereich der munitionsbelasteten Flächen hinaus vorhanden oder zukünftig zu erwarten ist. Eine Gefährdung besteht jedoch punktuell für Personengruppen, die im marinen Bereich der Nord- und Ostsee mit Grundberührung tätig sind."

Für die Altmunition ist nicht etwa die Bundeswehr oder die NATO zuständig, sondern das Umweltministerium. Geht es hier doch um eine Gefährdung der Umwelt. So wurde festgestellt, dass Muscheln oder Plattfische in unmittelbarer Umgebung von Sprengkörpern auch deren Schadstoffe aufnehmen. Eine großflächige Verbreitung ist jedoch bis heute nicht erwiesen.

Eine umfangreiche Bergung oder Zerstörung der Altmunition ist ein Generationenwerk. Während Ankertauminen in wenigen Jahren zu beseitigen wären, kann das bei Grundminen oder Fliegerbomben bis zu 20 Jahren dauern. Voraussetzung ist natürlich, dass man mit der Beräumung beginnt. Momentan wird mit den Anrainerstaaten ein Konzept dazu entwickelt. Das Umweltministerium hat das als eines der zentralen Themen auf die Agenda des HELCOM-Vorsitzes gesetzt und hofft auf eine gute Kooperation innerhalb der Kommission.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 1. Juli 2020

AKK zu KSK: Toxic Leadership und strukturelle Schwachpunkte

Im nächsten Jahr feiert das Kommando Spezialkräfte (KSK) sein 25-jähriges Bestehen. Die Eliteeinheit wurde nach dem Vorbild des Special Air Service (SAS) der britischen Armee und der Grenzschutzgruppe 9 (GSG 9) zusammengestellt. Anlass war das Fehlen dieser Fähigkeiten zur Zeit des Völkermordes in Ruanda. Damals mussten belgische Spezialkräfte für die Rückführung deutscher Staatsbürger sorgen.

Inzwischen hat sich vieles im KSK verselbständigt. Anders als sonst in der Bundeswehr fand kaum eine Rotation der Führungskräfte statt. Die Ausbildung wurde intern geregelt und auch ein Inspizieren war wegen des hohen Geheimhaltungsgrades nicht möglich. So konnten sich Strukturen und Gepflogenheiten entwickeln, die sehr eigen waren und sich jeglicher externer Kontrolle entzogen.

Pressekonferenz AKK Kramp-Karrenbauer Generalinspekteur Eberhard Zorn Arbeitsgruppe KSK
Pressekonferenz von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK und dem Generalinspekteur Eberhard Zorn zur Arbeitsgruppe KSK
Das KSK ist ein Bataillon mit weit über 1.000 Soldaten. Diese sind in zehn Kompanien und einigen weiteren Bereichen organisiert. Bei den Ermittlungen zu den Vorwürfen des Extremismus wurde eine so genannte 20er-Liste abgearbeitet. 20 Soldaten wurden auf verschiedenen Ebenen betrachtet und gewisse Gemeinsamkeiten festgestellt. Die wichtigste Gemeinsamkeit war, dass sie zur 2. Kompanie gehörten.

Deshalb wurde analysiert, was das Besondere an der 2. Kompanie ist. Sie gehört zu den sechs Kommandokompanien, die die Spezialaufträge letztlich ausführen. Laut der Ministerin liegt eine der Ursachen für die Radikalisierung in dem enormen Druck, dem die Soldaten im Einsatz ausgesetzt sind, aber auch in den Vorstellungen, die die Soldaten selbst von ihren Aufgaben haben. Es gebe Differenzen bei der Bewertung parlamentarisch legitimierter Einsätze und dem, was man gerne selbst noch machen möchte. Druck als Begründung hinkt insofern, als dass es weitere Kompanien und Spezialkräfte wie die Kampftaucher gibt, bei denen bisher keine Radikalisierung aufgefallen ist. Es muss also noch andere Ursachen geben.

Pressekonferenz AKK Kramp-Karrenbauer Generalinspekteur Eberhard Zorn Arbeitsgruppe KSK
Pressekonferenz von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK und dem Generalinspekteur Eberhard Zorn zur Arbeitsgruppe KSK
Dazu fiel mehrfach der neudeutsche Begriff "Toxic Leadership". Toxic Leadership bedeutet "vergiftende Leitung" und wurde erstmals kurz nach dem Irak-Krieg von der US-Armee thematisiert. Damals hatte man die Selbstmorde amerikanischer Soldaten untersucht. In die Betrachtungen wurden dabei nicht nur die Familiensituation oder die psychische Verfassung des jeweiligen Soldaten einbezogen, sondern - das war neu - auch das Umfeld in der Truppe. Dabei fiel auf, dass inkompetente und unsichere Leitungspersonen oftmals ein Klima der Kontrolle und des Machtmissbrauchs erzeugen und Strukturen etablieren, die fähigen Kräften keine Luft zum Atmen lassen. Diese werden gedemütigt, diffamiert und weit unter Potenzial eingesetzt. Dem toxischen Leiter geht es damit in der Regel nur um die Kompensation eigener Defizite. Seine Organisation, sein Team und der größere Auftrag sind ihm egal.

Toxic Leadership ist ein weit verbreitetes Problem. Es zieht sich durch sämtliche Gesellschaftsbereiche. Deshalb gibt es in den USA inzwischen Trainer und Unternehmensberater, die genau dieses Thema aufgreifen und Handlungsempfehlungen für Betroffene und übergeordnete Führungskräfte anbieten. In Deutschland wird dieses Thema erst seit 2017 wahrgenommen. Mit einem Aufsatz hatte Oberst Jahnke vom Zentrum Innere Führung der Bundeswehr den Stein ins Rollen gebracht. Erst wenige Unternehmensberater haben das hierzulande für die Wirtschaft aufgegriffen. Üblicherweise wird mit rüden Methoden gegen Stimmen vorgegangen, die toxische Leitung in den eigenen Reihen ansprechen. Kontaktverbote und die "Mauer des Schweigens" sind äußerlich erkennbare Zeichen für diese problematischen Konstrukte. Mit einer Mauer des Schweigens sieht sich die Bundeswehr auch bei der 2. Kompanie des KSK konfrontiert. Das Schweigen resultiert aus Angst oder einer mehr oder weniger berechtigten Loyalität.

Wie wichtig es ist, dass die übergeordneten Instanzen bei Toxic Leadership eingreifen, zeigt das Beispiel KSK. Die Ministerin und der Generalinspekteur haben die Lagebereinigung zur Chefsache erklärt und stellten sich deshalb heute auch den unkalkulierbaren Fragen der Presse. Den Verantwortungsträgern der Bundeswehr ist bewusst, dass ein Verschweigen oder Vertuschen von kleinen Konfliktherden wie beim KSK zu einem flächendeckenden Problem führen können.

Pressekonferenz AKK Kramp-Karrenbauer Generalinspekteur Eberhard Zorn Arbeitsgruppe KSK
Pressekonferenz von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK und dem Generalinspekteur Eberhard Zorn zur Arbeitsgruppe KSK

Das KSK hat es nun selbst in der Hand, wie seine Zukunft aussieht. Dabei setzt die Arbeitsgruppe KSK auf eine Reformation von innen. Diese wird jedoch von oben beobachtet und als Chance statt Strafe gesehen. "Wer Teil des Problems sein will", muss die Bundeswehr verlassen oder wird versetzt. Wer sich kooperativ bei der Aufarbeitung zeigt, kann seine geplante Laufbahn fortsetzen. Fest steht, dass die 2. Kompanie aufgelöst wird, dass die übliche Rotation der Führungskräfte auch im KSK Einzug hält und dass die Sicherheitsüberprüfung auf Stufe 4 angehoben wird. Auch Reservisten werden in Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz vor der Beorderung stärker unter die Lupe genommen.

Die Arbeitsgruppe KSK - bestehend aus Generalinspekteur, Staatsekretär Tauber, Staatssekretär Hoofe, Heeresinspekteur Mais, KSK-Kommandeur Kreitmayr und der Wehrbeauftragten Högl - hat eine Frist gesetzt. Bis Ende Oktober sollen greifbare Ergebnisse vorliegen. Ansonsten werde man nach "neuen Möglichkeiten suchen". Denn die Fähigkeiten des KSK werden in jedem Fall gebraucht.

Unter die Lupe genommen wurden auch die extrem hohen Fehlbestände an Munition und Sprengstoff. So ist der Verbleib von 37.000 plus 48.000 Patronen für verschiedene Handwaffen ungeklärt. Besondere Sorge bereitet dem Generalinspekteur allerdings das Verschwinden von 62 kg Sprengstoff. Schon 1% davon machen ein Auto zu einem gefährlichen Flugobjekt. In diesem Zusammenhang fiel auf, dass die Bundeswehr zu viele analoge Bestandserfassungen vornimmt. Es gibt faktisch keine zentrale Übersicht zu Lager- und Fehlbeständen bei Munition, die per Knopfdruck abrufbar wäre. Ministerin und General zuckten heute mit den Schultern und verwiesen auf die Generalinventur, die bereits angeordnet sei. Stichtag für die Vorlage der Zahlen ist der 31. Dezember 2020.

Abschließend hier noch ein Zitat von Annegret Kramp-Karrenbauer: "Wenn ich 'eisernen Besen' sage, meine ich das nicht martialisch, aber ernst."

Edit: Hier eine interessante Zusatzlektüre aus dem KSK vom 25. Juli 2020.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 22. Juni 2020

Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink verlässt nach 6 Jahren Amtszeit die Militärseelsorge

Es sollte ein Rückblick auf sechs Jahre Amtszeit als Militärbischof werden. Dazu waren wir in den Wald der Erinnerung beim Einsatzführungskommando in Schwielowsee gefahren. Das Stabsmusikkorps hatte einen Trompeter gestellt und auch das Wetter spielte mit.

Bei der Sichtung des Videomaterials machten wir eine interessante Entdeckung: Der Bischof hatte sich selbst komplett zurückgenommen. Dabei sollte es doch um seine Amtszeit gehen. Zu Beginn nannte er seinen Namen und am Ende erwähnte er kurz, dass er in den Jahren 2014 bis 2020 an der Aufgabe gereift sei und viele wertvolle Impulse für sein eigenes Leben mitgenommen habe.

Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink verlässt nach 6 Jahren Amtszeit die Militärseelsorge
Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink verlässt am 15. Juli 2020 nach 6 Jahren Amtszeit die Militärseelsorge. Der Wald der Erinnerung verbindet Abschied, neues Leben und das Bewusstsein für einen wichtigen Dienst, der nur von wenigen geschätzt wird. Auf der Vorderseite des Kreuzes ist die Fußwaschung aus Johannes 13 abgebildet - ein Lebensprinzip des scheidenden Bischofs.
Letzteres wird eindrücklich in seinem Buch "Können Kriege gerecht sein?" dokumentiert. Als ehemaliger Friedensaktivist war er vor 26 Jahren ins Grübeln gekommen, als innerhalb von drei Monaten eine Million Menschen in Ruanda umgebracht wurden. Könnte ein Friedenserhalt durch bewaffnete Kräfte vielleicht doch in bestimmten Situationen sinnvoll sein?

Dann wurde er von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) als neuer Militärbischof angefragt. Da sich Sigurd Rink schon immer für Themen mit Konfliktpotenzial interessierte, willigte er ein und begann Mitte Juli 2014 seine Tätigkeit am ehrwürdigen Bischofssitz in der City West. Das Gebäude befindet sich in der Jebensstraße am Bahnhof Zoo - gegenüber der Bahnhofsmission. Hier hatte in den 1930ern bereits der umstrittene Reichsbischof Ludwig Müller residiert.

Im Büro hielt sich Sigurd Rink jedoch nur selten auf. Er war unentwegt auf Achse und besuchte die Standorte der Bundeswehr im In- und Ausland. Seine erste Reise - noch bevor er offiziell im Amt war - führte ihn in den Kosovo. Dort erlebte er hautnah die Bedrohungslage, das Leben im Feldlager, den direkten Schutz durch Feldjäger und Anschläge in der unmittelbaren Umgebung. So ging es weiter mit mehreren Besuchen in Afghanistan, in Mali oder dem weniger bekannten Einsatz am Horn von Afrika, wo die Bundeswehr bei der Piratenabwehr hilft.

Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink verlässt nach 6 Jahren Amtszeit die Militärseelsorge
Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink verlässt am 15. Juli 2020 nach 6 Jahren Amtszeit die Militärseelsorge. Die Soldaten im Auslandseinsatz hat er oft besucht. Eine gute seelsorgeliche Betreuung der Truppe in sämtlichen Lebenslagen war ihm sehr wichtig.
Die Reisen verliefen nach einem typischen Programm: Am ersten Abend traf er sich auf ein Bier mit den Soldaten vor Ort. In ungezwungener Atmosphäre konnten sich die Anwesenden kennenlernen und über die Freuden und Herausforderungen am Standort reden. Erst den Folgetag widmete er seinen Mitarbeitern - den Militärpfarrern, Seelsorgern und Pfarrhelfern. Diese werden in der Regel für vier Monate in die Auslandseinsätze entsendet und leben dort mitten in der Truppe. Sie sind nahbar, haben ein offenes Ohr und - was für viele Soldaten wichtig ist - dürfen von dem Gehörten nichts weitergeben. Sie unterliegen der Schweigepflicht und haben lediglich der Kirche Rechenschaft zu geben. Im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten sind deutsche Militärseelsorger nicht in die Kommandostrukturen eingebunden. Sie tragen zwar das gleiche Flecktarn, haben aber keinen Dienstgrad und sind durch ein Kreuz auf der Schulter gekennzeichnet.

Das Kreuz auf der Schulter ist ein gute Metapher für die Last, die die Soldaten bisweilen bei den Seelsorgern abladen: Tod von Kameraden, eigene Verwundung, Konflikte mit der Familie im fernen Deutschland, Mobbing durch toxische Führungskräfte und andere Herausforderungen des Alltags. Die Seelsorger sind aber auch für Andachten und Gottesdienste zuständig. Dabei haben sie sehr viele inhaltliche Freiräume und können auch mal mit den liturgischen Elementen experimentieren. Ziel ist es, den Soldaten in ihrer speziellen Situation zu dienen. Realitätsferne Stilelemente haben dort keinen Platz.

Wer in die Militärseelsorge geht, muss Pioniergeist haben und die so genannte Gehkultur mögen. Die Gehkultur steht im Gegensatz zur Kommkultur. Ein Militärpfarrer geht zu seiner Gemeinde, während ein herkömmlicher Pfarrer darauf wartet, dass die Gemeinde zu ihm kommt.

Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink verlässt nach 6 Jahren Amtszeit die Militärseelsorge
Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink verlässt am 15. Juli 2020 nach 6 Jahren Amtszeit die Militärseelsorge. Auch als Persönlichkeit reißt er eine Lücke. Sein Nachfolger wird voraussichtlich im Oktober 2020 das Amt antreten.
Nach sechs Jahren verlässt Sigurd Rink am 15. Juli 2020 die Evangelische Militärseelsorge. Er hätte dieses Amt gerne noch weiter ausgeführt. Einen Tag länger und er hätte diese Stelle aus juristischer Sicht dauerhaft inne gehabt. Die EKD hatte jedoch andere Pläne. So wechselt er zur Diakonie. Die Diakonie ist ein Spezialthema von ihm. Seine Doktorarbeit hatte er über Heinrich Grüber geschrieben, der sich als Bevollmächtigter der Evangelischen Kirche in der DDR immer auch für die sozialen Belange eingesetzt hatte. Die Doktorarbeit ist sehr spannend geschrieben und enthält kaum Fremdwörter oder alltagsferne Redewendungen.

Wer die Bücher des Militärbischofs liest oder mit ihm redet, stellt fest, dass Selbstdarstellung ein Fremdwort für ihn ist. Er blickt immer auf sein Gegenüber, auf seine Aufgaben und auf seine Mitarbeiter. Das kam auch beim Drehtermin im Wald der Erinnerung zum Ausdruck. Im Mittelpunkt standen die Seelsorge, der Dienst am Soldaten, die Wertschätzung gegenüber den Menschen im Einsatz und die Hinweise auf die wichtige Arbeit seiner Militärpfarrer und Pfarrhelfer. Er selbst sieht sich als Lernenden, der seine Persönlichkeit entwickelt und an den Stellen seines Wirkens etwas Gutes hinterlässt.

Video:
Rückblick auf 6 Jahre Evangelische Militärseelsorge mit Militärbischof Sigurd Rink

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 15. Mai 2020

Stabsmusikkorps spielt in Berliner Seniorenheimen

"Kommt wieder, immer wieder!", trällerte eine ältere Dame und bewegte sich mit ihrem Rollator zum Hintereingang des Seniorenheims. Die Combo des Stabsmusikkorps der Bundeswehr hatte gerade eine Zugabe für die Senioren gespielt: Mein kleiner grüner Kaktus. Auch der Klassiker Berliner Luft hatte im 20-minütigen Programm nicht gefehlt.

Stabsmusikkorps Combo Auftritte Vivantes-Seniorenheime
Stabsmusikkorps spielt in Berliner Seniorenheimen - Leiter des Stabsmusikkorps, Oberstleutnant Reinhard Kiauka, im Gespräch mit einem Bewohner des Seniorenheims
Die Berliner Luft bildete auch den klimatischen Rahmen für die Veranstaltung. Wegen Conora musste alles im Garten stattfinden. Immerhin spielte die Combo hier für die Hauptrisikogruppe. Der Leiter des Stabsmusikkorps, Oberstleutnant Reinhard Kiauka, ging mit gutem Beispiel voran und sprach selbst die Ansagen durch den Mundschutz ins Mikrofon. Ansonsten hielt er sich im Hintergrund und wippte bei den Stücken seiner fünf Kameraden mit.

Die Combo des Stabsmusikkorps besteht derzeit aus fünf Musikern: Stabsfeldwebel Grasse am Sousaphon, Stabsfeldwebel Huprich an der Trompete, Hauptfeldwebel Schilling an der Klarinette, Hauptfeldwebel Schneider an der Posaune und Oberfeldwebel Henzl am Akkordeon. Letzteres sorgte für die Klangfülle und den Grundbeat, was insbesondere bei den moderneren Stücken wichtig ist.

Stabsmusikkorps Combo Auftritte Vivantes-Seniorenheime
Stabsmusikkorps spielt in Berliner Seniorenheimen - Akkordeon und Sousaphon im Garten des Seniorenheims Büschingstraße 29
Zweit Tage zuvor hatte die Combo im Probensaal der Julius-Leber-Kaserne das Programm für die Seniorenheime geübt. Fachfremde Beobachter könnten die Frage stellen: "Wozu üben die überhaupt?" Die Musiker waren schon bei der Probe so stark mit den Klängen verschmolzen, dass man den Eindruck hatte, sie spielen das im Schlaf. Sie müssten nur zum Instrument greifen und schon kommen die besten Melodien heraus. Die Probe verlief schon fast in Form einer Jam-Session.

Welche Arbeit jedoch dahinter steckt, erläuterten uns die Musiker und Reinhard Kiauka. So könne man nicht einfach die verfügbaren Instrumente aus einem Notenwerk herausnehmen und separat spielen lassen. Das klinge zuweilen schrecklich. Deshalb müssen Melodien neu geschrieben und auf die Harmonie der verfügbaren Instrumente angepasst werden. Das nennt man Arrangement. Was die Combo mit Sousaphon, Trompete, Posaune, Klarinette und Akkordeon spielt, gibt es als Notenmaterial nicht zu kaufen. Das ist selbst geschrieben. Und hier liegt die erste Einstellungshürde für ambitionierte Musiker. Wer beim Stabsmusikkorps anfangen möchte, muss die geschriebenen Noten beherrschen.

Stabsmusikkorps Combo Auftritte Vivantes-Seniorenheime
Stabsmusikkorps spielt in Berliner Seniorenheimen - Einsames Üben der Combo des Stabsmusikkorps während der Corona-Abstandsregelungen - Das Foto zeigt den Probensaal in der Julius-Leber-Kaserne und Stabsfeldwebel Steffen Grasse mit seinem Sousaphon.
Teilweise schreiben die Kameraden im Bus ihre Arrangements und oft nutzen sie auch den Computer dafür. Letzterer ersetzt weniger die Kompetenz. Er dient hauptsächlich dem Zeitfaktor. Kompliziert wird es für das Spiel, wenn sich auch noch die Tonart ändert. Dann ist höchste Konzentration gefordert.

Reinhard Kiauka bestätigte, dass viele der Märsche, die bei Staatsbesuchen und ähnlichen Anlässen zum Tragen kommen, so im Unterbewusstsein verankert sind, dass sie kaum noch geübt werden müssen und Noten schon gar nicht dafür notwendig seien. Bei den gestrigen Auftritten in den Vivantes-Seniorenheimen in der Büschingstraße und am Weidenweg waren die Notenblätter wichtig. Dreizehn mögliche Stücke standen auf der Set-Liste. Alle für die fünf Instrumente der Combo arrangiert.

Tests der Musikhochschule Freiburg haben ergeben, dass die eingesetzten Blasinstrumente - außer vielleicht der Klarinette - ziemlich ungefährlich bezüglich der Verbreitung des Virus sind. Bei Trompete, Sousaphon und Posaune wird die Luft nicht einfach durchgeblasen, sondern der Ton vorrangig mit den Lippen erzeugt. Kritisch hingegen sind Instrumente wie die Blockflöte, die in Corona-Zeiten wie das Blasrohr eines Indianers wirkt. Da weite Sicherheitsabstände eingehalten wurden, war auch der Einsatz einer Klarinette möglich.
Stabsmusikkorps Combo Auftritte Vivantes-Seniorenheime
Stabsmusikkorps spielt in Berliner Seniorenheimen - Letzte Absprachen zum Auftritt in Flecktarn
Die Soldaten der Combo spielten in Flecktarn. Das störte die Senioren nicht. Allein Thriller von Michael Jackson erregte ambivalente Reaktionen. Ansonsten zeigten sich Heimbewohner und Mitarbeiter sehr dankbar für die Abwechslung während der Corona-Isolation. Reinhard Kiauka wurde nach den Konzerten in Erzählungen über alte Zeiten verwickelt und ging mit viel Empathie auf seine Gesprächspartner ein.

Videos:
Combo des Stabsmusikkorps bei der Probe in der Julius-Leber-Kaserne
Combo des Stabsmusikkorps im Seniorenheim Büschingstraße 29
Combo des Stabsmusikkorps im Seniorenheim Weidenweg 42

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 14. Mai 2020

200 Jahre Schrippenfest - Ausfall wegen #COVID19

Die Einladung zum diesjährigen Schrippenfest war am 11. März eingetroffen. Einen Tag bevor der Dominoeffekt der Terminabsagen angestoßen wurde. Den Reigen der Absagen begann am Nachmittag des 12. März standesgemäß der Bundespräsident. Es folgte die Kanzlerin und wenige Tage später die ILA. Ein befreundetes Paar hatte das Schloss Friedrichsfelde für ihre Hochzeit im April gebucht und musste wegen Corona auf das schimmlige Standesamt Hohenschönhausen ausweichen. Die Flugreise zu unserer Silberhochzeit im Mai wurde ebenfalls storniert.

Heute hätte das Schrippenfest des Wachbataillons stattgefunden. Aber wegen Corona wurde es abgesagt. Ausgerechnet zum 200. Jubiläum.

1819 war in Potsdam ein Infanterie-Lehrbataillon gegründet worden, welches dem Ersten Garderegiment zu Fuß (EGRzF) unterstellt wurde. Das Infanterie-Lehrbataillon war Garde und Experimentiereinheit zugleich. Es sollte sich um den Schutz des Dienstherrn kümmern, aber auch neue Waffen und Taktiken ausprobieren. Was bei der Garde funktionierte, wurde dann flächendeckend in der preußischen Armee eingeführt.

Schrippenfest 2020 Wachbataillon 1. Garderegiment zu Fuß
200. Jubiläum des Schrippenfestes fällt 2020 aus. Vor dem Neuen Palais in Potsdam fand 1820 das erste Schrippenfest des Infanterie-Lehrbataillons unter Schirmherrschaft von Friedrich Wilhelm III. statt. Das Infanterie-Lehrbataillon war Teil des 1. Garderegiments zu Fuß.
1820 - also vor 200 Jahren - fand das erste Schrippenfest statt. Das Schrippenfest hatte mehrere soziale Zielsetzungen: Das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Truppe sollte gestärkt werden. Die Soldaten und deren Familien sollten sich mal richtig satt essen und auch die Kinder des Potsdamer Militärwaisenhauses waren an diesem Tag gern gesehene Gäste. Letzteres hatte auch strategische Gründe: Die Waisenkinder bildeten ab einem bestimmten Alter den Nachwuchs.

Wegen der Aufgabenstellung des Lehrbataillons war die Anwesenheit des Königs wichtig. Wenn er keine Zeit hatte, fand das Schrippenfest nicht statt. Weil das gesamte Lehrbataillon feiern sollte, stellte das EGRzF die Bewachung der Communs, der Kaserne des Lehrbataillons. Das erste Schrippenfest fand am 2. Mai 1820 statt, dem Groß-Görschen-Tag. In den folgenden Jahren wurde es immer am ersten Pfingstwochenende gefeiert und entwickelte sich zu einem Potsdamer Volksfest.

Das Schrippenfest heißt Schrippenfest, weil neben 1 Quart Erbsensuppe, ¼ Pfund Speck, ¾ Quart dicken Milchreis, ½ Pfund Schmorfleisch, 1 Quart Bier, 1/8 Schnaps und 1 Pfund Weißbrot in Form einer Riesenschrippe von der Hof-Bäckerei Rabie gereicht wurde. Eine Schrippe ist das, was außerhalb Berlins als Brötchen bekannt ist.

In den folgenden 140 Jahren gab es einige historische Umbrüche mit Umgliederung, Umbenennung, Zerschlagung und Neuaufstellung dieser Spezialeinheit, so dass mit der Zeit auch das Schrippenfest in Vergessenheit geriet. Nach Aufstellung des Wachbataillons 1957 in Siegburg wurde ein Gartenfest eingeführt. Mit Umzug des Bataillons nach Berlin sollte das Gartenfest mitgenommen werden. Nur, dass es in der Julius-Leber-Kaserne eher Wald und Wiese, statt eines Gartens gibt. Zudem sollte das Gartenfest in Berlin auf einem Parkplatz stattfinden. Parkplatzfest? Wie langweilig! Ernst Schüßling, der heutige Geschäftsführer des von Rohdich'schen Legatenfonds, kramte auf Geheiß des damaligen Bataillons-Kommandeurs Peter Utsch in der Historie und stieß auf das Schrippenfest.

So wurde 2002 endlich wieder ein Schrippenfest in der wahren Heimat der Schrippe veranstaltet. Kommandeur Kai Beinke hat auch heute noch das Ziel, die Verbundenheit in der Truppe zu fördern und "nach 364 Tagen Strammstehen", auch mal einen Tag selbst mit den Soldaten zu feiern. Schrippenfeste sind ein geeigneter Anlass für Beförderungen oder Auszeichnungen. Unter den externen Gästen finden sich Regionalpolitiker, Unterstützer des Wachbataillons, Ehemalige sowie diplomatische und ministerielle Bezugspersonen.

Das heutige Wachbataillon ist keine Experimentiereinheit mehr, hat aber vergleichbare repräsentative und sichernde Aufgaben. Vier Kompanien kümmern sich vorrangig um die Durchführung der protokollarischen Aufgaben bei Staatsbesuchen, Anlässen des Diplomatischen Korps oder Gedenkfeiern. Die anderen Kompanien stehen für Sicherungsaufgaben bereit. Es ist allerdings so, dass alle Kompanien alles können müssen, insbesondere dann, wenn in der Urlaubszeit plötzlich ein Großer Zapfenstreich durchzuführen ist oder während Corona das Bundeswehrkrankenhaus gesichert werden soll.

Wer gerade ein Bier, eine Schrippe und ein Steak zur Hand hat, kann in der häuslichen Corona-Abgeschiedenheit des 200. Jahrestages des Schrippenfestes und der Soldaten des Wachbataillons gedenken, die 364 Tage im Jahr stramm stehen und heute eigentlich gefeiert hätten.

Video:
Zum 1. Schrippenfest 1820 in Potsdam

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 8. Mai 2020

75 Jahre Kriegsende und die hohe Wertschätzung über den Gräbern

Durch gemeinsames Gedenken seien neue Beziehungen entstanden - auch über die Grenzen politischer Bündnisse hinweg. So drückte sich der scheidende Evangelische Militärbischof, Sigurd Rink, heute am Rande einer Kranzniederlegung auf dem Commonwealth Friedhof an der Heerstraße aus. Er hatte schon mehrfach von seinen Erfahrungen bei der Auffindung und Umbettung deutscher Soldaten in den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion berichtet. Es finde "Versöhnung über den Gräbern" statt.

75 Jahre Kriegsende Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
75 Jahre Kriegsende - Kranzniederlegungen an Kriegsgräberstätten durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge - Commonwealth Soldatenfriedhof an der Heerstraße
Der Tod macht alle Menschen gleich. Beim ersten Blick über den Soldatenfriedhof kommt das sehr wirkungsvoll zum Ausdruck. Es ist kein Unterschied zu erkennen. Handelt es sich um einen Zeugen Jehovas, einen Katholiken, einen Juden oder einen Atheisten? Auch die Dienstgrade spielen in einem Feld von gleichförmigen weißen Steinen eine untergeordnete Rolle. Erst bei näherer Betrachtung erkennt der noch Lebende einige Details zur Person unterhalb des Steins: Geburtsdatum, Sterbedatum, Religionszugehörigkeit und den Dienstgrad.

75 Jahre Kriegsende Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
75 Jahre Kriegsende - Kranzniederlegungen an Kriegsgräberstätten durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge - Waldfriedhof am Olympiastadion - Evangelischer Militärbischof Dr. Sigurd Rink (links) und Volksbund-Präsident General a.D. Wolfgang Schneiderhan
Bischof Rink ist nachhaltig beeindruckt von der Wertschätzung, die ehemalige Feinde den deutschen Soldaten entgegenbringen. Deshalb engagiert er sich gerne für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Der Volksbund betreut über 830 Kriegsgräberstätten im Ausland. Bis heute werden Umbettungen vorgenommen. Allein in den Jahren 2018 und 2019 wurden über 20.000 Soldaten nach Deutschland überführt und fanden hier eine neue Ruhestätte.

Angehörige suchen nach wie vor nach vermissten Verwandten. Jedes Jahr gehen um die 30.000 solcher Anfragen beim Volksbund ein. Dann ist Forschungsarbeit gefragt, Archive und Datenbanken werden nach möglichen Übereinstimmungen durchforstet. Durch den Klimawandel schmelzen Gletscher und Schneemassen ab. Auf diesem Wege werden die sterblichen Überreste deutscher Soldaten in unwegsamen Bergregionen fernab der Heimat sichtbar und geborgen. Idealerweise tragen sie noch eine Erkennungsmarke. Dann können die Angehörigen relativ schnell informiert werden.

75 Jahre Kriegsende Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
75 Jahre Kriegsende - Kranzniederlegungen an Kriegsgräberstätten durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge - Jüdischer Friedhof an der Heerstraße - von links nach rechts: Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink, Volksbund-Landesgeschäftsführer Martin Bayer, Volksbund Präsident Wolfgang Schneiderhan, Britischer Botschafter Sebastian Wood KCMG
Während an der Neuen Wache die offizielle Kranzniederlegung der Bundesregierung stattfand, absolvierte der Volksbund heute einen wahren Marathon durch Berlin. Es begann mit einer Gedenkveranstaltung auf dem Commonwealth Soldatenfriedhof, ging weiter auf dem danebenliegenden jüdischen Friedhof, wurde fortgesetzt auf dem Waldfriedhof am Olympiastadion und endete am Nachmittag auf dem Friedhof Lilienstraße in Berlin-Neukölln. Es gibt allein in Berlin 172 Kriegsgräberstätten.

Videos:

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 6. Mai 2020

Deutschland prüft die Qualität von Maskenlieferungen aus China

Vor einer Woche hatte die Bundeswehr etwa 25 Millionen Schutzmasken aus China einfliegen lassen. In den Sozialen Netzwerken gingen daraufhin die Wogen hoch. Über den Fauxpas, dass die Ministerin als Primärvorbild selbst keine Maske trug, war man schnell wieder hinweg. Das ist der Vorteil eines Shitstorms: Er wirkt wie ein Platzregen, der plötzlich auftritt und schnell wieder vorbei ist. Profiteur eines Shitstorms ist in jedem Fall der Betreiber des betreffenden Kanals. Effizienter kann die Relevanz eines Mediums kaum gesteigert werden.

Nachhaltiger waren die ausländischen Kommentatoren: Russen und Ukrainer streiten sich bis heute darüber, ob die einzigartige Antonov 225 nun ein Ausdruck ukrainischer oder russischer Ingenieurskunst sei. Immerhin habe Kiew damals in der Sowjetunion gelegen. Teile der Tragfläche waren im heutigen Usbekistan hergestellt worden - auch eine ehemalige Sowjetrepublik.

#COVID19 Lieferung Schutzmasken aus China mit Antonov 225
#COVID19 - Medienwirksame Anlieferung von 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 am 27.04.2020 auf dem Flughafen Leipzig/Halle
Ein weiterer internationaler Diskussionspunkt ist die qualitative Bewertung der Ware aus China. China kämpft mit dem Makel der Urheberschaft des Corona-Virus und zieht alle medienstrategischen Register. Es wälzt die Schuld auf Dritte ab und gibt sich als der Helfer in Not. Dazu werden Tonnen von Schutzausrüstungen um den Globus gesendet. Das mediale Ziel wurde zunächst erreicht. Allerdings stellte sich heraus, dass die Hilfsgüter nur bedingt den westlichen Standards entsprechen.

Das gab Anlass zu einer Nachfrage in der heutigen Regierungspressekonferenz:

Das Gesundheitsministerium bestätigte, dass Deutschland Qualitätsprüfungen angeordnet habe, die nach entsprechenden Checklisten abgearbeitet werden. Die Prüfung erfolge in China und zusätzlich auch in Deutschland. Dadurch konnte eine Ausschussquote von 20% ermittelt werden. Mangelhafte Ware wird konsequent aussortiert und auch nicht bezahlt.

Bei Schutzausrüstungen für medizinisches Personal gebe es weitere Prüfungen, so dass möglichst keine Qualitätslücken entstehen.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 27. April 2020

Antonov 225 in Leipzig/Halle und die Schutzmasken in Theorie und Praxis

Himmel und Menschen - der erste richtige Pressetermin seit zweieinhalb Monaten. Eine lange Schlange stand vor Tor 71 des Frachtflughafens Leipzig/Halle. "So viele Sender gibt es doch gar nicht", bemerkte die Moderatorin eines unbekannten sächsischen TV-Mediums. Gemäß der Presseeinladung waren die Medienvertreter mit Warnwesten und Schutzmasken erschienen. Selbstgenähte Masken, Einwegmasken, Schals und Tücher. In kleinen Grüppchen durfte man das Häuschen am Tor 71 passieren. Gürtel, Schlüssel, Rucksack, Kamera, Stativ - alles wurde durchleuchtet. Nur der Mundschutz und die nichtmetallische Kleidung blieben an der Person.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert - Medienandrang am geöffneten Bug der Antonov 225
Der gemeine deutsche Journalist ist Brillenträger. Schutzmaske und Brille vertragen sich nicht so gut. Deshalb gab es zunächst Orientierungsprobleme. Sobald die Brille nicht mehr beschlagen war, konnte die Arbeit fortgesetzt werden. Ein Bekannter von der Bundeswehrredaktion schreckte zurück, als ich ihm wie gewohnt die Hand drücken wollte. Ach ja, Corona, geht also nicht.

An einer roten Linie reihten sich die Kameraleute im Abstand von ein bis zwei Metern auf. Das war bei der Menge der Personen gar nicht so einfach. Fast alle hatten noch ihre Masken auf. Regelmäßig beschlugen die Brillen. Sehr lästig. Nach einer kurzen Einweisung mit Hinweis auf Kaffee und Kaltgetränke setzte eine Lockerung ein. Statt der Maske waren plötzlich Kaffeebecher und Plastikflaschen im Mundbereich zu sehen. Wenige Minuten später musste es eine Insiderinformation gegeben haben, so dass sich 80% der Medienvertreter in den Eingangsbereich des benachbarten Hangars begaben. Wie praktisch, wenn man antizyklisch arbeitet und von der gegenüberliegenden Seite aus filmt.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert - Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK redet mit Brigadegeneral Klaus Frauenhoff - im Hintergrund eine Antonov 124 mit ukrainischer Lackierung
Kurz nach halb zehn traf die Ministerin ein. Brigadegeneral Klaus Frauenhoff vom Logistikzentrum der Bundeswehr in Wilhelmshaven stand zur Begrüßung bereit. Nur in welcher der schwarzen Limousinen sitzt sie? Sie entstieg dem ersten Wagen. Gut, dass General Frauenhoff keine Schutzmaske trug. Sonst hätte er vermutlich seine Chefin bloßgestellt. Sie trug nämlich auch keine. Niemand der Insassen der ministeriellen Fahrzeuge trug eine Schutzmaske. Warum auch? Schließlich sollten ja gleich über 10 Millionen Schutzmasken aus China geliefert werden.

Ein dichte Traube umringte die Ministerin und folgte dieser, wohin sie auch ging. Wo die Traube war, war die Ministerin. Wohl dem, der keine Bilder mit Annegret Kramp-Karrenbauer bei seiner Redaktion abliefern musste. Der konnte sich nämlich ungestört auf die Technik konzentrieren. Diese flog gegen zehn Uhr in Form einer Antonov 225 ein. Die Antonov 225 ist ein fliegendes Einzelstück und gilt als das größte Transportflugzeug der Welt. Deshalb hatten sich auch zahlreiche Spotter rings um das Flughafengelände versammelt.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert - 14 Doppelräder unter dem Rumpf der Antonov 225
Der Rumpf der AN-225 liegt sehr tief und wird von 14 Doppelrädern getragen. Die zwei Doppelräder unterhalb des Cockpits werden zusammen mit der Laderampe eingeklappt. Eine faszinierende Konstruktion: Zuerst öffnet sich die Spitze des Flugzeuges nach oben. Danach bewegt sich die Laderampe nach vorne, stabilisiert sich selbst mit riesigen Metallstempeln auf der Rollfläche und klappt dann weitere Teile aus. Im heutigen Szenario kamen dadurch weiß gekleidete Männer zum Vorschein. Keine Außerirdischen, sondern Flugbegleiter. Das Weiße waren Schutzanzüge. Sie trugen zudem Schutzmasken im Gesicht. Bei der Einstellung des Piloten für dieses einzigartige Fluggerät wurde wohl auch auf dessen Namen geachtet: Dmitri Antonov.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert
Verfolgt von einer dichtgedrängten Schar Medienvertreter kletterte die Ministerin die steile Leiter ins Cockpit hinauf. Die Unterredung dauert nicht sehr lange. Anschließend gab es ein Pressestatement mit Fragemöglichkeit zur heutigen Lieferung von Schutzmasken aus China. Es gibt drei Teillieferungen von etwa 25 Millionen Schutzmasken. Die Antonov 225 hatte 10.330.000 Masken an Bord. Die anderen werden mit der kleineren Antonov 124 geliefert. Insgesamt wurden Verträge über 256 Millionen OP-Masken, 30 Millionen FFP2-Masken (Schadstoffkonzentration bis zum 10-fachen des Arbeitsschutzgrenzwertes, Schadstoffe werden zu 94% ausgefiltert) und 22 Millionen FFP3-Masken (Schadstoffkonzentration bis zum 30-fachen des Arbeitsschutzgrenzwertes, Schadstoffe werden zu 99% ausgefiltert) unterzeichnet.

Die Antonov-Flugzeuge gehören der Ukraine, werden aber per Outsourcing für verschiedene Luftfrachtthemen durch die NATO genutzt. Für die NATO ist das recht praktisch und kostengünstig. Die Ukraine hingegen profitiert davon, dass sie bei der NATO einen Fuß in der Tür hat. Will sie doch schon länger NATO-Mitglied werden. Die NATO lehnt das wegen der fragilen Situation um die Krim bisher ab.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert - Soldaten des Logistikbataillons 171 aus Burg laden die Kisten mit den Schutzmasken aus.
Während die Ministerin auf die Fragen der Presse einging, wurde ein mobiles Förderband in die Antonov 225 geschoben - per Muskelkraft. Gabelstapler und Hubwagen brachten Paletten und zeitnah begann das Ausladen der großen Pappkartons. Annegret Kramp-Karrenbauer kontrollierte die Beschriftung einer der ersten Umverpackungen: Chinesisch. Dann gab sie noch ein Interview und verließ das Areal.

Das Ausladen der kompletten Fracht wurde auf sechs Stunden beziffert. Die Profis vom Logistikbataillon 171 aus Burg waren eigens dafür angereist und hatten auch schon eine Art Zwischenlager auf dem Rollfeld eingerichtet. Die private Spedition Kühne + Nagel sollte dann den Rest erledigen und die Masken auf die Bundesländer verteilen. Wer sie letztlich bekommt, hängt vom angemeldeten Bedarf ab.

Video:
Antonov 225 liefert 10 Millionen Schutzmasken in Leipzig/Halle an

Autor: Matthias Baumann

Montag, 23. März 2020

US Defender: eine Chronologie und die Vermengung mit Corona

Mit 61,6 Milliarden USD hat Russland den viertgrößten Verteidigungshaushalt der Welt. Das entspricht etwa einem Drittel der chinesischen Ausgaben (181,1 Mrd.) und etwa 9% des US-Budgets. Deutschland, Frankreich und Großbritannien kommen gemeinsam auf 155,6 Milliarden USD. Auch wenn in Westeuropa gerne der Begriff des Kaputtsparens strapaziert wird.

Russlands modernisierte Fähigkeiten

Diese Zahlen sind kaum beunruhigend. Beunruhigender sind die Fähigkeiten, die dahinter stecken. Diese sind nicht 1:1 miteinander vergleichbar. Während der Westen bei Flugzeugen, Drohnen, Helikoptern und Schiffen die Nase vorn hat, glänzt Russland mit Personalstärke, der Anzahl von Panzern und modernisierten Raketensystemen. Letztere haben eine deutlich höhere Reichweite als westliche Systeme und erreichen bemerkenswerte Geschwindigkeiten bis Mach 6 - so wie die 3M22 Zircon Rakete, die gegen Schiffe und U-Boote zum Einsatz gebracht werden kann.

Durch die Annexion der Krim konnte Russland die Reichweite seiner Raketen deutlich verbessern. Der Einstieg in den Syrien-Konflikt bot eine ideale Grundlage zum Test der neuen Waffensysteme. Inzwischen stagniert die Weiterentwicklung, weil der Rubel schwächelt und die Rüstungsindustrie bisher hauptsächlich auf Pump gebaut hatte. Die Gesamtschulden belaufen sich bereits auf 2 Trilliarden Rubel = 30 Milliarden USD. Die Regierung zahlt erst lange nach Auslieferung.

US Defender Europe 20 #DEF20 #DefenderEurope
US Defender Europe 20 #DEF20 #DefenderEurope - Der Inspekteur der Streitkräftebasis #SKB, Generalleutnant Martin Schelleis, nahm an fast allen Presseterminen dabei. Die Journalisten konnten bei vielen Gelegenheiten direkt mit ihm ins Gespräch kommen.
Schnelle Verlegung großer Truppenverbände

Eine weitere Fähigkeit Russlands bereitet der NATO schon seit einigen Jahren Sorgen: die extrem schnelle Verlegung großer Truppenverbände. Das hatte die NATO letztmalig vor dem Fall der Mauer geübt und dann völlig aus dem Fokus verloren. Mit US Defender Europe 20 sollte das mal wieder geübt werden. Wichtigstes Transitland sollte Deutschland darstellen. Fahrzeuge und Gerätschaften der US-Streitkräfte sollten per Schiff in Europa eintreffen und die US-Soldaten per Flugzeug. Dann sollten die Fahrzeuge und Soldaten durch Deutschland reisen und letztlich in Polen eine Abschlussübung absolvieren. Eine kleinere Übung mit etwa 5.000 Soldaten war für die Region Bergen geplant.

10. Oktober 2019

Die Zahl der Beteiligten sollte im Verlauf der Übung auf 37.000 ansteigen und auf polnischem Territorium ihren Höhepunkt erreichen. Da es sich vorrangig um eine logistische Übung handelte, war auf deutscher Seite die Streitkräftebasis SKB dafür zuständig. Der Inspekteur der SKB, Generalleutnant Martin Schelleis, äußerte sich bereits Mitte Oktober 2019 begeistert über die Möglichkeit dieser Übung. Deutschland werde als Host Nation für die Anlandung und den Transit nach Polen dienen. Von Corona war damals noch keine Rede.

31. Dezember 2019

Am Silvestertag 2019 informierte China die Weltgesundheitsorganisation WHO über das Corona-Virus. Bis zur Münchner Sicherheitskonferenz MSC Mitte Februar 2020 schien das Virus nur China zu betreffen. Deren Außenminister Wang Yi sang damals Lobhymnen auf das "überlegene System" Chinas, das das Corona-Problem so heldenhaft in den Griff bekommen habe.

14. Januar 2020

Am 14. Januar 2020 gab es in Berlin eine größere Pressekonferenz zu US Defender. Die Medien interessierten sich hauptsächlich für die Auswirkungen auf den Straßenverkehr. Die Generale Schelleis und Rohling beantworteten alle mehr oder weniger wichtigen Fragen mit Kompetenz und Geduld. Nur eine Frage konnte nicht beantwortet werden: Was kostet die Übung?

Den Generalen war wichtig, dass eine möglichst hohe Transparenz gewahrt wird. So wurden explizit auch Medien der gegnerischen Kräfte eingeladen. Zudem wurden sämtliche Schwellenwerte des Wiener Dokumentes von 2011 (OSZE) unterschritten. Insbesondere in den Punkten 67.1 und 67.2 sind die Übungsintervalle und Personalstärken nachzulesen. 

US Defender Europe 20 #DEF20 #DefenderEurope
US Defender Europe 20 #DEF20 #DefenderEurope - Eine Übung zum Anfassen und Mitfahren: Die Streitkräftebasis #SKB legte Wert auf Transparenz.
23. Januar 2020

Zu den Presseterminen im Rahmen von US Defender konnten sich neben Berufsjournalisten auch Betreiber kleinerer YouTube- und Social-Media-Kanäle anmelden. Vor Ort herrschte Chancengleichheit. Jeder durfte mit dem Inspekteur der SKB reden und seine Fragen loswerden. Auf Wunsch wurden sogar Sonderprogramme mit Journalisten durchgeführt.

Am 23. Januar 2020 wurde unter den Augen der Presse eine Zeltstadt in Garlstedt bei Bremen aufgebaut. Die Arbeit der Spezialpioniere konnte begutachtet werden und die verantwortlichen Offiziere standen für Fragen zur Verfügung.

1. Februar 2020

Die Luftwaffe holte am Wochenende um den 1. Februar 2020 etwa 100 Deutsche aus dem Corona-Gebiet in China zurück. Die Initiative hatte das Auswärtige Amt übernommen und die Bundeswehr um Hilfe gebeten. Der mattgraue A310 mit der Kennung 10+23 fliegt normalerweise VIPs oder das Wachbataillon zu ihren Zielorten.

12. Februar 2020

Am 12. Februar 2020 fand der zweite Pressetermin im eigentlichen Geschehen statt. Die Schiffe aus den USA waren noch nicht eingetroffen. Deshalb wurden in Bergen bei Celle Fahrzeuge auf Schwerlasttransporter verladen, die die Amerikaner ohnehin in Europa gelagert hatten. Eine Zugladung voll Humwees und eine Zugladung voll Panzer und Haubitzen wurde an diesem Tag bewegt. Zudem wurde der Aufbau eines Tanklagers gezeigt.

21. Februar 2020

Am 21. Februar 2020 gab es zwei weitere Pressetermine. In Bremerhaven traf das erste Schiff aus Amerika ein. Es enthielt viele sandfarbene Panzer. Auch hier war der Inspekteur SKB anwesend und konnte ohne vorherige Abstimmung der Fragen konsultiert werden. Bereits am Morgen waren in Hamburg US-Soldaten eingeflogen worden. Für den gemeinen Hauptstadtjournalisten wäre Viertel nach sechs viel zu früh gewesen. Von den regionalen Pressekollegen wurde der Termin aber gerne genutzt.

US Defender Europe 20 #DEF20 #DefenderEurope
US Defender Europe 20 #DEF20 #DefenderEurope - Sandfarbene US-Fahrzeuge als Übungsmaterial für das Logistikmanöver US Defender.
26. Februar 2020

Am 26. Februar 2020 war das zweite Schiff aus den USA in Bremerhaven eingetroffen. Dieses enthielt fast nur unbewaffnete LKWs und Humwees. Sandfarbene Fahrzeuge soweit das Auge reichte. In Ausstattung, Lackierung und Zustand waren die Fahrzeuge kaum für die Austragung eines konventionellen Konfliktes geeignet. Ein wichtiger Beweis dafür, dass es sich bei US Defender vorrangig um eine logistische Übung handelte. An jenem Abend wurden vier Konvois zusammengestellt und Richtung Hagenow geleitet. Verkehrstechnisch lief das völlig reibungslos ab.

10. März 2020

Anfang März kündigte Frank-Walter Steinmeier über die Presseabteilung der SKB seinen Besuch bei US Defender in Bergen an. Das Programm sollte in etwa dem vom 12. Februar 2020 entsprechen. Dem Bundespräsidenten wird regelmäßig unterstellt, dass er sich nicht für die Bundeswehr interessiere. Das entspricht nur bedingt den Tatsachen. Wer Zugriff auf die Flugbereitschaft des BMVg hat, ist mit dem Hubschrauber (Cougar) nur eine Stunde zwischen Berlin und Bergen unterwegs.

12. März 2020

Am Nachmittag des 12. März 2020 wurde der Besuch des Bundespräsidenten für den 17. März 2020 in Bergen abgesagt. Grund: Corona-Virus. Eine halbe Stunde später traf ein weiteres Mail ein, worin die Entscheidung des US-Hauptquartiers USAREUR mitgeteilt wurde, dass die an US Defender beteiligten US-Soldaten wegen Corona reduziert werden. Zur deutschen Beteiligung an der Übung gab es zu dem Zeitpunkt noch keine weitere Entscheidung.

US Defender Europe 20 #DEF20 #DefenderEurope
US Defender Europe 20 #DEF20 #DefenderEurope - Der Inspekteur der Streitkräftebasis #SKB, Generalleutnant Martin Schelleis, nahm an fast allen Presseterminen dabei. Die Journalisten konnten bei vielen Gelegenheiten direkt mit ihm ins Gespräch kommen.
13. März 2020

Am 13. März 2020 wurden "alle US-Truppenbewegungen faktisch ausgesetzt". In einer Pressemitteilung der SKB hieß es weiter: "Es werden absehbar keine weiteren Schiffe in Belgien und den Niederlanden entladen, noch weitere Soldaten auf deutschen Flughäfen eingeflogen." Die meisten Truppenteile hätten ohnehin schon ihre Zielorte erreicht. Am Abend desselben Tages kam die Info, dass die Bundeswehr ihre Beteiligung an der Übung in Bergen-Munster abgesagt habe. Diese Übung hätte mit insgesamt 5.000 Soldaten zwischen dem 16. und 30. April 2020 dort stattfinden sollen. Das war eine einseitige Entscheidung der Bundeswehr. Die NATO-Partner hatten sich noch nicht dazu geäußert.

16. März 2020

Am 16. März 2020 wurden die Übungsanteile von US Defender in Deutschland beendet. Laut Presseabteilung der SKB waren die "mit der Verlegung umfangreicher alliierter Kräfte verbundenen Ausbildungsziele" bereits erreicht worden. Die weiteren Übungsanteile auf Truppenübungsplätzen wie Bergen "entfallen". Damit war US Defender in Deutschland offiziell vorbei.

20. März 2020

Durch die vorzeitige Beendigung von US Defender waren die Kräfte der SKB wieder frei für andere Aufgaben. Als Logistikprofis werden sie in der näheren Zukunft für die Koordination der Maßnahmen gegen Corona gebraucht und haben dazu auch schon diverse "Hilfeleistungsanträge" bekommen.

Russland erklärt die Welt

Eine letzte große Fähigkeit Russlands besteht in der Produktion von Desinformationen und Fake News. Das beginnt beim inländischen Umgang mit Corona: In Russland gibt es offiziell gar kein Corona. Die Leute sterben dort höchstens an Lungenentzündungen. Sollte Corona irgendwann nicht mehr zu vertuschen sein, stehen die Schuldigen schon fest: USA, NATO, EU und US Defender. Je nach Zielgruppe bedient sich Russland unterschiedlicher Narrative (Erzählungen). Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt.

US Defender Europe 20 #DEF20 #DefenderEurope
US Defender Europe 20 #DEF20 #DefenderEurope - Logo der Übung mit flammendem Schwert in Anlehnung an das Wappen der U.S. Army Europe
Wer die USA mag, aber die Bundesregierung hasst, bekommt das Narrativ, dass während US Defender die amerikanischen Soldaten nach Berlin marschieren und Deutschland von der Bundesregierung befreien. Wer die USA nicht mag, bekommt das Narrativ, dass Corona durch den Westen inszeniert sei, um heimlich weitere US-Truppen in Europa zu stationieren. Diese sollen dann einen Bürgerkrieg niederschlagen. Vermengt wird das Ganze noch mit pseudoreligiösen Theorien über den Erzengel Michael mit seinem flammenden Schwert. Letzteres wurde ihm erst in der Kirchengeschichte angedichtet und hat keine biblische Grundlage. In Zeiten der Politikverdrossenheit, vieler verbaler und thematischer Tabus seitens der politischen Korrektheit und des sonstigen ideologischen Vakuums finden diese Geschichten in Mitteleuropa viele offene Ohren. Russland hat also freie Bahn, die freiheitlich-demokratische Grundordnung effektiv von innen zu zersetzen.

Das strategische Ziel Russlands ist ein Keil zwischen Europa und den USA, ein Keil innerhalb der NATO sowie eine Zersplitterung der Länder und Gesellschaften Europas. Nur so kann sich Russland als potenter Player auf der geostrategischen Bühne zurückmelden. Dass die USA Russland nur als kleinen nervenden Störer im Primärkonflikt mit China ansehen, wurde auf der MSC sehr deutlich. In den Reden der amerikanischen Spitzenpolitiker wurde Russland nur in Nebensätzen erwähnt.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 26. Februar 2020

US Defender: Feldjäger und Konvois

Das Whiskyglas schlittert über den Tresen. "Der Fremde ist in der Stadt", spricht eine rauchige Stimme in den ebenso rauchigen Raum. Kurz darauf poltern Barstühle zu Boden. Revolver werden entsichert. Typischerweise folgt eine von unten gefilmte Szene auf dem staubigen Vorplatz des Saloons. Breitbeinig positioniert sich der Verteidiger seines Reviers. Revolvergurt - die Hände bereit zum Ziehen: Showdown im Wilden Westen.

Die Feldjäger der Bundeswehr sind recht selten in der Öffentlichkeit zu sehen. Aber wenn sie zu sehen sind, dann fallen sie durch ihre besondere Optik auf: starke Motorräder aus dem Hause BMW, breite Schultern in grauen Lederkombis mit weißen Gürteln. Zu Fuß bewegen sie sich wie typische Nahkämpfer. Sie tragen Handschellen und Pistolen an der Seite und dazu die markante schwarze Armbinde mit dem Schriftzug MP - Militärpolizei. Feldjäger bewegen sich aber auch in VW-Bussen wie dem T6 oder dem geländegängigen Widder. Ab und zu ist auch ein Nissan Pathfinder oder ein Spezialumbau der Mercedes G-Klasse dabei.

US Defender #DefenderEurope #DEF20 Feldjäger Konvois US Fahrzeuge
US Defender #DefenderEurope #DEF20 - Feldjäger warten auf den Marschbefehl für den ersten Konvoi.
Die beeindruckende Optik ist jedoch nicht die Kernaufgabe der Feldjäger. Die Militärpolizei hat polizeiliche Aufgaben innerhalb der Bundeswehr zu erfüllen und ist nach Anlegen der schwarzen Armbinde auch weisungsberechtigt gegenüber höherrangigen Soldaten. Nur selten taucht ein Feldjäger ab Leutnant (ein Silberstern ohne Laub) im öffentlichen Geschehen auf. Zumeist sieht man spezialisierte Unteroffiziere. Da gibt es Personenschützer, Spurensicherer, Kriminalermittler, Eskortenfahrer, Hundeführer, Gefahrgutermittler und Festnahmeeinheiten.

Wegen der Zuständigkeit für die gesamte Bundeswehr sind die Feldjäger deutschlandweit verteilt und untergliedern sich in drei Regimenter. Für die Unterstützung der Verlegung amerikanischer Fahrzeuge von Bremerhaven nach Hagenow im Rahmen der Großübung US Defender Europe 20 war die 4. Kompanie des 2. Feldjägerregimentes aus Wilhelmshaven angefordert worden. Wilhelmshaven liegt zwar auf der Landkarte direkt neben Bremerhaven, wird aber durch den Jadebusen und die Weser getrennt. Das heißt: Umweg von zwei Stunden über Bremen.

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US Defender #DefenderEurope #DEF20 - Feldjäger positionieren sich für die folgenden Aufgaben.
Der Arbeitstag der 4. Kompanie begann um 14 Uhr. Es sollten heute vier amerikanische Konvois zu je 20 Fahrzeugen aus dem Hafengelände geleitet und sicher auf die A1 Richtung Hamburg gebracht werden. Das Ziel der Etappe war Hagenow in Mecklenburg-Vorpommern - eine Strecke von etwa 260 Kilometern. Bei einer so langen Strecke ist es wichtig, dass alle regionalen und übergeordneten Zuständigkeiten geklärt sind. Die 4. Kompanie war nur für die Begleitung und Sicherung bis zur A1 zuständig und ab dort wurde an die nächsten Feldjäger und Polizisten übergeben. Feldjäger und die zivile Polizei arbeiten hier Hand in Hand, wobei die Landespolizei auf den öffentlichen Verkehrswegen deutlich höhere Befugnisse hat. Das ist aber weitestgehend unbekannt, so dass die Feldjäger das durch ihre reine Erscheinung kompensieren können.

Beim Eintreffen in Bremerhaven wurden gerade die letzten Vorbereitungen für den ersten Konvoi getroffen. Die US-Armee hatte mit dem zweiten Schiff - GREEN BAY - fast nur in Wüstenfarbe lackierte Autos angeliefert. Es waren keine Bewaffnungen zu sehen und der Zustand der Fahrzeuge wurde auch rege bei den Feldjägern diskutiert. Jedenfalls lieferte dieser Fuhrpark einen klaren Beweis dafür, dass es bei US Defender tatsächlich nur um das Üben logistischer Vorgänge geht.

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US Defender #DefenderEurope #DEF20 - Militärpolizei der US-Streitkräfte während der Einweisung am Sandkasten.
Wenn man etwas bei der Bundeswehr lernt, dann ist es Geduld. Pünktliches Erscheinen und Warten auf die nächste Aktion gehen dem Bundeswehrsoldaten schon in den ersten Tagen ins Unterbewusstsein über. So waren die Kameraden schon kurz nach drei vor Ort und konnten so ganz langsam die Einweisung um 17 Uhr vorbereiten. Diese sollte am Sandkasten stattfinden.

Der T6 setzte sich entsprechend pünktlich in Bewegung, fuhr vorbei an den unzähligen amerikanische Wüstenfahrzeugen und bog dann in eine flache, aber riesige Halle ein. Ganz hinten sah man einen Container und daneben den Sandkasten. Neonröhren erleuchteten die Halle. Jetzt wäre der Moment, wo der Verbrecher mit seinem Sportwagen in die Halle einfährt und das Feuer eröffnet. Eine wilde Verfolgungsjagd beginnt und endet am Sandkasten - soweit das Drehbuch zum Actionfilm. In der Realität erreichte der T6 den Sandkasten ohne Zwischenfälle.

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US Defender #DefenderEurope #DEF20 - Feldjäger weisen die Beteiligten am Sandkasten ein.
Der Sandkasten war gar kein Sandkasten. Der Asphalt war mit Kreidestrichen bemalt. Die Parkmarkierungen dienten als Grenzen zwischen den Bundesländern sowie Polen. Holzklötzer markierten Städte und Haltepunkte. Farbige Geschenkbänder kennzeichneten den Streckenverlauf. Sehr einfach, aber für den Zweck völlig ausreichend. Abwechselnd traten die Lenker der kolonneninternen Leitfahrzeuge und die am Geschehen beteiligten Militärpolizisten herzu. Den Amerikanern wurden auch noch einige deutsche Verkehrsregeln erläutert. Die Fahrer hatten die Herausforderung, die Meilen im Tacho auf km/h umzurechnen. 80 km/h entsprechen 49,71 Meilen pro Stunde.

Um den normalen Verkehr nicht zu stören, wurde bereits vor Beginn der Großübung festgelegt, dass die Konvois nachts rollen. Die Nacht in Norddeutschland begann heute um 18 Uhr. Die erste Kolonne startete und musste noch durch einen Zollpunkt fahren. Hier wurden rein formal die Zollpapiere geprüft. Dann ging es weiter durch die Innenstadt von Bremerhaven und relativ schnell auf die Autobahn A 27. Dort konnte auf 80 km/h beschleunigt und der A1 entgegengefahren werden. Das Tempo bestimmen die regionalen Begleitfahrzeuge. So lange sie für die Strecke zuständig sind, fahren sie voraus und verlassen die Kolonne, sobald sie an den nächsten Zuständigkeitsabschnitt übergeben haben. Die Übergabe erfolgt normalerweise nahtlos an einer passenden Ausfahrt.

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US Defender #DefenderEurope #DEF20 - Der vierte Konvoi ist bereit für die Abfahrt. Die Konvois haben eigene Fahrzeuge am Anfang und am Ende. Davor und dahinter fahren die regional zuständigen Polizisten oder Feldjäger.
Beim zweiten Konvoi gab es eine Panne. Besser gesagt, der Fahrer des drittletzten Fahrzeuges war eingeschlafen und hatte die Abfahrt seiner Gruppe verpasst. Die Abfahrt erfolgte immer im Halbstundentakt. Nun war das Situationsmanagement der Feldjäger gefragt. "Leben in der Lage" heißt das bei der Bundeswehr. Nach dem Erwachen des Fahrers wurden die drei Hinterbliebenen an eine wichtige Kreuzung in Bremerhaven geleitet und dann vom Zugführer höchst persönlich in Empfang genommen. Er fuhr nun mit seinem T6 und Blaulicht vorne weg. Als Zugführer konnte er auch das Tempo der Kolonne bestimmen: Sie sollten auf 50 reduzieren. In diesem Falle waren Kilometer pro Stunde gemeint. Das reichte jedoch nicht. 40 km/h! Mit ihren 40 km/h zwang die Kolonne sämtliche LKWs auf die Mittelspur. So war irgendwann das Ende des Konvois frei und die drei Nachzügler konnten hinten angeschlossen werden. Der Teilauftrag war erledigt. Runter von der Autobahn und wieder zum Hafen.

Im Hafen machte sich gerade die vierte Kolonne fertig zum Abmarsch. Marsch ist im Verständnis der Bundeswehr nicht nur die Bewegung zu Fuß. So weit lief alles nach Plan. Nur noch ein sandfarbener Abschleppwagen der US-Armee hatte eine kurze Panne. Aber auch das wurde schnell geklärt, so dass er ebenfalls nach Hagenow rollen konnte.

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US Defender #DefenderEurope #DEF20 - Feldjäger stimmen sich ab. Im Hintergrund ein VW-Bus T6 und im Vordergrund ein Nissan Pathfinder. Die Autos sind teilweise schon mit den neuen Taschen für das G36 ausgerüstet. Diese sind deutlich praktischer als die alten Halterungen in der Mitte.
Die Feldjäger trafen sich anschließend auf der Polizeidirektion in Bremerhaven. Hier mischten sich Flecktarn und schwarze Polizeiuniformen. Man hatte sehr viel Kaffee gekocht. Bis auf die Nachzügler und den Abschleppwagen war kaum etwas auszuwerten. Die Zusammenarbeit der Polizei mit den Feldjägern war hervorragend - ebenso die Stimmung. Gegen 21:30 Uhr waren die Feldjäger wieder in der Kaserne von Garlstedt zurück und konnten dort noch ihre eigene kurze Auswertungsrunde machen. Dann ploppten zwei Kronkorken und der Arbeitstag war zu Ende.

Video:
US Defender - Feldjäger und 4 Konvois

Autor: Matthias Baumann