Mittwoch, 14. März 2018

Von der Zipfelmütze zum Barett - Besuch beim Wachbataillon des BMVg

Nieselregen, Baustellen, dichter Verkehr. Kurz vor zehn rollte ich auf das Gelände der Julius-Leber-Kaserne in Tegel. Eine große weiße Tafel wies den Weg zur 48 Alpha, dem Sitz des Wachbataillons - kurz WachBtl oder ganz korrekt abgekürzt WachBtl BMVg. Mein Gesprächspartner saß im Obergeschoss. Beinahe hätte ich ihn nicht erkannt. Keine graue Heeresuniform, kein Barett, sondern baren Hauptes in Camouflage. Die perfekte Tarnung gegenüber Zivilisten mit selektiver Wahrnehmung.

WachBtl Wachbataillon 1. Garde-Regiment zu Fuß Truppenfahne
Wachbataillon - Gemälde mit dem 1. Garde-Regiment zu Fuß - links davor erste Truppenfahne des Wachbataillons
Als Erstes gingen wir ins Nachbarbüro: Dienststube des Kommandeurs. Oberstleutnant Patrick Bernardy trug auch kein Barett und ebenfalls das kampfbereite Flecktarn. Ein Anblick, den ich aus dem Kanzleramt oder dem Schloss Bellevue nicht kannte. Es gab eine herzliche Begrüßung und Staunen über die gemütliche Stube. Überall Traditionsgegenstände aus 200 Jahren Militärgeschichte. Das Wetter tauchte den Raum in eine schummerige Atmosphäre. Der Oberstleutnant fragte, ob wir Licht einschalten sollten. Klick - für die Fotos reichte es.

Kaffee wurde herbeigebracht und so redeten wir über das 1. Garderegiment zu Fuß, protokollarische Abläufe und Zuständigkeiten. Das Garderegiment war hinter unserer Sitzecke in eine entscheidende Kampfhandlung verwickelt. Neben mir die erste Truppenfahne des Wachbataillons und vor uns Tassen mit dem typischen Fraktur-W und den Initialen FR für Fridericus Rex.

WachBtl Wachbataillon Grenadiersmütze
Grenadiers-Mütze: Bommel, Schild mit "Semper Talis", Adler, drei Granaten (Kugeln unter Adler) und FR-Initialen
Diese Initialen fanden sich auch auf der Grenadiers-Mütze wieder, die Patrick Bernardy aus dem Schrank holte. Die Grenadiere heißen so, weil sie zum Werfen von Granaten eingesetzt wurden. Beim Werfen störten jedoch die damals üblichen Dreiecks-Hüte. Deshalb wurden diese gegen Zipfelmützen ersetzt. Damit das dann nicht so verschlafen aussah, wurde noch ein Schild an der Frontseite angebracht. Oben am Schild wurde die Bommel befestigt. Interessante Details, die auf diesem Wege zu Tage traten.

Apropos Bommeln: Eine weitere Tradition des Wachbataillons ist die jährliche Mitnahme einer Kugel vom Weihnachtsbaum des Bundespräsidenten. Joachim Gauck hatte bei seinem Abschiedsbesuch vor einem Jahr die Kugel signiert, die ihm kurz vorher offiziell vom Baum abgenommen worden war. Dem Steuerzahler entsteht dadurch kein Schaden, da die Kugeln im Kreislauf der Behörden verbleiben.

WachBtl Wachbataillon
Wachbataillon - Traditionelle Kugeln vom Weihnachtsbaum des Bundespräsidenten
Viele Fragen, die in unserem YouTube-Kanal aufgekommen waren, wurden während des Gespräches beantwortet. So ist nun bekannt, dass die Karabiner 98 entmilitarisiert sind - bis auf 150 Stück, mit denen man noch Salut schießen könne. Die Pistolen der Zugführer sind alte Walther P1, von denen Schlitten und Lauf entfernt wurden. Ansonsten würden die nicht in die weißen Taschen passen. Das ist aber egal, da die Sicherung von Staatsbesuchen ausreichend durch Bundespolizei und Bundeskriminalamt gewährleistet ist. Bei Verteidigungsministern übernehmen Feldjäger diesen Part.

Dennoch müssen die Mitglieder des Wachbataillons alle üblichen Disziplinen des Heeressoldaten beherrschen. Je mehr Einsätze anstehen - Staatsbesuche, Ehrenspaliere, Ehrenzüge, Zapfenstreiche, Ehrenposten, Staatsbankette - umso höher ist die zeitliche Belastung für die Truppe. Mit der jüngst eingeführten Arbeitszeitregelung ist das kaum zu vereinbaren.

So hat das S3-Protokoll alle Hände voll zu tun, die Einsätze der Kompanien zu organisieren. S3 ist die Abteilung für die Ausbildungsplanung. Das S3-Protokoll stellt darin ein Spezialteam dar, das für die protokollarischen Aufgaben zuständig ist und relativ autonom agiert - vergleichbar mit dem Drill Sergeant der amerikanischen Streitkräfte. Sie sind letztlich nur dem Kommandeur unterstellt.

WachBtl Wachbataillon Kommandeur OTL Bernardy Truppenfahne
Wachbataillon - Kommandeur neben der Truppenfahne - im Hintergrund die Fahnenbänder
Einsatzbefehle können sehr kurzfristig eintreffen. Ehrenspaliere und Ehrenposten werden teilweise erst wenige Stunden vorher angefordert. Bei Salut in Tegel und für Staatsbesuche inklusive der Neuen Wache werden mehrere Tage Vorlauf benötigt. Premierminister im Kanzleramt sind ohne großen Aufwand sehr schnell und mit wenig Übungszeit zu bewerkstelligen. Bei komplexen Aktionen wie dem Großen Zapfenstreich wird länger geprobt. Am schwierigsten sind wohl Staatsbankette, da diese so selten stattfinden.

Nach den Einsätzen folgt die Vergabe von Noten. Auch dafür ist das S3-Protokoll zuständig. War der Kommandeur zugegen, hat er das letzte Wort. Mindestens vier Augen prüfen die Performance der eingesetzten Mannschaft. Lässt ein Soldat das Gewehr fallen, hat das eine 5 zur Folge. Dieser Soldat wird dann "nachgeprottet". Das heißt: Üben bis es klappt. Protter ist ein interner Begriff für Protokoll-Soldaten.

Freunde von NVA und Wehrmacht äußern immer wieder den Wunsch nach Stechschritt. Deshalb führte der Kommandeur sehr anschaulich vor, dass Stechschritt eher etwas für Anfänger ist. Stechschritt lässt sich deutlich einfacher ausführen. Das Knie muss dabei nämlich nicht bewegt werden und der Abstand innerhalb der Rotte ist besser zu halten.

Zur Truppenfahne: Spitzenpolitiker zeigen ihren Respekt gegenüber der Bundeswehr durch eine Verneigung vor der Truppenfahne. Sie unterliegt wegen ihrer regen Nutzung einem hohen Verschleiß. Die Anfertigung kostet inklusive Material etwa 3.500 Euro. Die Fahnenbänder zu den jeweiligen Staatsgästen werden in einer speziellen Zeremonie eingeweiht und dann bei jeder Gelegenheit an die Truppenfahne gehängt. Das erste Fahnenband wurde von der Queen gesponsert. Einige dieser Traditionen entwickeln sich situativ und ohne irgendwelche internationalen Vorgaben.

WachBtl Wachbataillon Fahnenbänder
Wachbataillon - Fahnenbänder in der Dienststube des Kommandeurs - ältestes Band von der Queen
Oft kommt die Frage auf, warum manchmal alle drei Teilstreitkräfte antreten und manchmal nur eine. Die Regel ist simpel: Erste im Staat und Monarchen haben einen Anspruch auf alle drei Teilstreitkräfte (TSK). Das ist dann ein Ehrenbataillon. Kommt nur ein Kanzler oder Ministerpräsident, reduziert sich der Anspruch auf eine TSK. Dann handelt es sich um eine Ehrenkompanie.

Das Protokoll des BMVg legt fest, welche TSK bei einem nachgeordneten Staatsgast antritt. Die etwa 1.000 Mitglieder des Wachbataillons haben alle drei Uniformen in ihrem Spind. Weltweit ist das Heer die stärkste TSK. Bei bekannten Seefahrernationen kann die Ehrenkompanie auch mal als Marineuniformträger (MUT) antreten. In Gedenken an die Luftschlacht 1940 mit England könnte beim Besuch von Theresa May durchaus eine Kompanie in Luftwaffen-Uniform eingesetzt werden.

Die jeweilige Uniform hat zudem Einfluss auf die Märsche, die das Musikkorps spielt. Bei den seltenen Auftritten einer Ehrenkompanie in Marine-Uniform sollten also unbedingt alle Märsche mitgefilmt werden. Marine ist so selten, dass die Fehlentscheidung beim Video zu Neuseelands Premierminister bisher nicht korrigiert werden konnte.

Bei Botschaftern läuft es anders. Die jeweils beauftragte Kompanie tritt in der ihr eigenen Uniform an. Es besteht also keinerlei Zusammenhang zu den jeweils akkreditierten Botschaftern.

Beim Empfang von Staatsoberhäuptern auf dem Flughafen Tegel obliegt es dem S3-Protokoll, die TSK des dortigen Ehrenspaliers auszuwählen. Das Protokoll-Team entscheidet hierbei völlig frei. In Tegel wird gelegentlich auch Salut geschossen. Dabei kommen sechs Haubitzen zum Einsatz, von denen die sechste Haubitze einen Schuss mehr abgibt. Diese Tradition geht auf die Marine zurück. Kriegsschiffe hatten in der Regel 20 Kanonen. Beim Anlaufen eines Hafens gaben sie 20 Schüsse ab, um zu signalisieren, dass die Kanonen leer sind. Der Hafen antwortete darauf mit einem Schuss.

WachBtl Wachbataillon OTL Bernardy
Wachbataillon - Kommandeur Oberstleutnant Patrick Bernardy an seinem Schreibtisch
Das Wachbataillon ist neben den protokollarischen Aufgaben insbesondere für den Schutz des Sitzes der Bundesregierung und des Verteidigungsministeriums zuständig. Deshalb auch die reguläre Ausbildung mit Nachtschießen und ähnlichem.

Der Leitspruch des Wachbataillons ist "semper talis" (stets gleich). Kein Wunder also, dass der Traditionsverband der aktiven und ehemaligen Soldaten des Bataillons mit Semper talis Bund e.V. benannt wurde. Der Bundesvorsitzende ist immer der jeweilige Kommandeur - aktuell Patrick Bernardy. Als Vorsitzender trägt er den goldenen Ring mit der roten Grenadiers-Mütze auf blauem Grund.

Nach drei Stunden verließ ich die Julius-Leber-Kaserne. Voll mit Eindrücken und wertvollen Informationen zur Beantwortung der Fragen in unserem YouTube-Kanal. Es nieselte immer noch ein wenig.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 8. März 2018

Botschafter von Argentinien, Russland, Bahrain und Ecuador beim Bundespräsidenten akkreditiert

Der Regensensor hatte viel zu tun auf der Fahrt zum Schloss Bellevue. Sehr unregelmäßig war die Intensität des Niederschlags. Schirm mitnehmen? Eine nasse Kamera riskieren? Am Schloss fiel die Entscheidung: Risiko statt Schirm. Der Presseandrang war deutlich geringer als erwartet. Heute sollte unter anderem der russische Botschafter akkreditiert werden.

Botschafter Akkreditierung Schloss Bellevue Argentinien Russland Bahrain Ecuador
Botschafter-Akkreditierung im Schloss Bellevue
Das Protokoll hat jedoch andere Regeln. Weltpolitische Stärke oder Sympathie spielen nur eine untergeordnete Rolle. Wer zuerst kommt, gibt auch zuerst sein Beglaubigungsschreiben im Obergeschoss ab. Dadurch ergab sich heute folgende Reihenfolge:

10:00 Uhr Argentinische Republik mit Edgardo Mario Malaroda
10:30 Uhr Russische Föderation mit Sergej J. Netschajew
11:00 Uhr Königreich Bahrain mit Abdulla Abdullatif Abdulla
11:30 Uhr Manual Antonio Mejía Dalmau

Um zwölf waren dann Fotografen und Wachbataillon ausreichend durchnässt. Dennoch lief alles nach Plan. Der Argentinische Botschafter rollte pünktlich vor das Schloss. Schirme wurden herbeigetragen. Argentinien erlebt gerade seinen Spätsommer. Argentiniens Botschafter Malaroda erlebt die letzten Wintertage in Berlin.

Botschafter Argentinien akkreditiert Edgardo Mario Malaroda
Botschafter Argentiniens akkreditiert - Edgardo Mario Malaroda
Die Exzellenz von der Südhalbkugel hatte sich etwas ganz Besonderes ausgedacht. Zur allgemeinen Verwunderung schrieb er etwa drei Minuten lang einen Text in das Gästebuch des Schlosses. Normalerweise setzen die Gäste nur kurz ihre Unterschrift unter die gedruckte Einleitung und stellen sich nach zehn Sekunden zum Foto zwischen den beiden Holztüren auf.

Botschafter Argentinien akkreditiert Edgardo Mario Malaroda
Botschafter Argentiniens akkreditiert - Edgardo Mario Malaroda und der liebevolle Gästebucheintrag
Edgardo Mario Malaroda hat sich viel vorgenommen. Er möchte eine "Botschaft mit offenen Türen schaffen". Die Herzlichkeit, die er in seinem Gästebuch-Eintrag zum Ausdruck bringt, soll Türen für Export und Import öffnen sowie die Beziehungen mit Argentinien auf sämtlichen Ebenen intensivieren.

So wurde es recht knapp mit dem nächsten Termin. Sergej J. Netschajew fuhr acht Minuten später als geplant vor. Immerhin musste ja noch die argentinische Flagge eingeholt und nach einem festen Ritual ins Trockene gebracht werden. Passend zum beschaulichen Medieninteresse erschien Seine Exzellenz aus der Russischen Föderation nur mit drei Fahrzeugen und einer sehr kleinen Delegation. Dafür trug er einen uniformähnlichen Anzug. Recherchen haben ergeben, dass es sich dabei wohl nicht um eine militärische Uniform handelt, sondern um ein Zeichen des Diplomatischen Korps Russlands.

Botschafter Russland akkreditiert Sergej J. Netschajew
Botschafter der Russischen Föderation akkreditiert - Sergej J. Netschajew
Der Botschafter hatte in Moskau Germanistik studiert, spricht fließend Deutsch und ist seit 1977 im diplomatischen Dienst. Außer eines kurzen Exkurses in die Mongolei war er fast nur in deutschsprachigen Ländern wie der DDR, der Bundesrepublik (Bonn) und Österreich tätig. Er ist also ein Kenner der deutschen Gesellschaft und Mentalität.

Botschafter Russland akkreditiert Sergej J. Netschajew
Botschafter der Russischen Föderation akkreditiert - Sergej J. Netschajew
Der Botschafter des Königreichs Bahrain Abdulla Abdullatif Abdulla folgte um 11:12 Uhr. Bahrain liegt im Persischen Golf nördlich von Katar und hat eine sehr ähnliche Flagge: Rot und Weiß mit einem zackigen Übergang. Wobei das Rot von Bahrain heller ist, als das von Katar. Bahrain hat auch weniger Zacken in der Fahne und mit 1,4 Millionen auch nur halb so viele Einwohnen wie Katar.

Botschafter Bahrain akkreditiert Abdualla Abdullatif Abdulla
Botschafter Bahrains akkreditiert
Auch für Abdulla muss das Wetter in Berlin ein gravierendes Erlebnis gewesen sein. Nach der Unterschrift im Gästebuch hatte er sich jedoch akklimatisiert und lächelte breit in die Kameras.

Bahrain ist eine konstitutionelle Monarchie. Der Islam ist Staatsreligion. Laut Verfassung dient die Sharia als Rechtsgrundlage. Für Hindus und Christen gilt jedoch eine modifizierte britische Rechtsprechung. Verletzungen der Menschenrechte betreffen vorrangig Frauen und Kinder. Auch die Presse ist extrem eingeschränkt.

Botschafter Bahrain akkreditiert Abdualla Abdullatif Abdulla
Botschafter Bahrains akkreditiert - Abdualla Abdullatif Abdulla
Öl und Aluminium sind die aktuellen Zugpferde der Wirtschaft. Wegen der geografischen Lage der 30 Inseln Bahrains stellt das Land seit Jahrtausenden einen wichtigen Knotenpunkt für den Handel zwischen Asien, Afrika und Europa dar. Wegen des gelockerten Alkoholausschanks zieht Bahrain viele Touristen aus der arabischen Welt an. Die Zahl der Touristen pro Jahr übersteigt die Einwohnerzahl um das Vierfache.

Apropos Vier: Der vierte Botschafter traf um 11:40 Uhr ein. Manuel Antonio Mejía Dalmau repräsentiert die Republik Ecuador. Auch wenn Ecuador am Äquator liegt, hat es doch ein sehr diversifiziertes Klima: heiß, kalt, trocken, nass. Ecuador hat eine schon fast dramatische Bevölkerungsentwicklung. Innerhalb von 70 Jahren ist die Bevölkerung um das Fünffache gewachsen. Über 70% der knapp 17 Millionen Menschen sind Mestizen. Mestizen sind aus der Verbindung von Europäern und Indianern hervorgegangen. Etwa 70% der Ecuadorianer gehören der römisch-katholischen Kirche an.

Botschafter Ecuador akkreditiert Manuel Antonio Mejía Dalmau
Botschafter Ecuadors akkreditiert - Manuel Antonio Mejía Dalmau
Der Bundespräsident modifiziert gerne die protokollarischen Gepflogenheiten. So hatte er damit begonnen, die Angehörigen der Botschafter für ein Gruppenfoto vor seine Plüschfahne zu holen. Bei Manuel Antonio Mejía Dalmau forderten das die Fotografen ein und es entstanden gut verwertbare Bilder (siehe Video). Nur zum Gespräch mit Frank-Walter Steinmeier durfte die Familie nicht mitkommen. Kurz nach zwölf rollten sie aber wieder gemeinsam vom Hof des Schlosses.

Botschafter Akkreditierung Schloss Bellevue
Botschafter Akkreditierung im Regen - 7 Schirme trocknen anschließend im Schloss
Der BMW 740 eDrive des Auswärtigen Amtes folgte. Der Ehrenzug marschierte vom Platz. Der Ehrenposten verließ seinen Standort vor der Tür und die Musiker verstauten ihre Trommeln im Bus des Stabsmusikkorps. Ich wischte das Objektiv trocken und verließ das Gelände des Präsidialamtes.

Video:
Akkreditierung von Botschaftern (Argentinien, Russland, Bahrain, Ecuador) bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 1. März 2018

Moving Rwanda - Ausbildung, Software und Mobilität für Ruanda

Nach einer kurzen Vorglüh-Phase sprang der Motor an. Minus neun Grad in Berlin. Der Diesel war noch nicht ausgeflockt, so konnte die Fahrt in die City beginnen. Auto, Bahn und Bus sind für uns eine Selbstverständlichkeit. Die Verkehrswege sind gut ausgebaut und selbst Amerikaner und Briten sprechen mit leuchtenden Augen das Wort "Autobahn" aus. Die Fahrzeug-Sättigung in Deutschland liegt bei 68%.

Nicht so in Afrika: 4% der Afrikaner besitzen ein Auto. Während in Deutschland jeder Bandscheibenvorfall oder 60. Geburtstag als Rechtfertigung zum Kauf eines SUV genutzt wird, sind Es-Ju-Wies oder Pick-up-Trucks in Afrika zwingend notwendig. Der deutsche Rentner muss lange suchen, bis er eine Offroad-Piste gefunden hat. In Afrika sind Pisten der Standard.

Moving Rwanda Mobilität Digitalisierung Ausbildung Ruanda BMZ
Moving Rwanda - Gespräch im BMZ - Minister Müller umrahmt von Volkswagen (links) und SAP (rechts)
Bei der gestrigen Gesprächsrunde im BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) wurde deutlich, wie wichtig funktionierende Verkehrssysteme für die Volkswirtschaft sind. Es beginnt beim Weg zur Schule, geht über den Weg zum Arzt, betrifft den Weg zur Arbeitsstelle und tangiert den Transport von Nahrungsmitteln und Waren. Sind diese Wege zu Fuß zurückzulegen, minimiert das die Chancen auf eine nachhaltig gute Entwicklung.

Über die Pisten von Afrika brausen zwar viele Pick-up-Trucks. Auf denen sitzen jedoch zumeist Islamisten mit Maschinengewehren, die mit ihren unbeweglichen Opfern eine leichte Beute haben. Pick-ups werden aber auch als Bus verwendet. Die Menschen stapeln sich dann regelrecht auf den Ladeflächen. Die nicht seltenen Unfälle haben entsprechend viele Tote zur Folge. Hier schließt sich der Kreis zum Transport ins Krankenhaus.

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Moving Rwanda - Gespräch und Unterzeichnung der Vereinbarung im BMZ (rechts: Dr. Carl-Christian von Weyhe, SAP)
Der Fokus der einstündigen Gesprächsrunde lag auf Ruanda. Ruanda hatte vor 24 Jahren einen Genozid erlebt, der innerhalb von drei Monaten etwa eine Million Menschenleben gekostet hatte. Das Land war verwüstet. Überall Waisenkinder. Ende oder Chance zum Neuanfang?

Runda ist nicht in der Depression stecken geblieben. Es läuft ein nationaler Versöhnungsprozess. Ruanda gilt als das Land Afrikas mit der höchsten wirtschaftlichen Wachstumsrate. Ruandas Präsident, Paul Kagame, spricht sogar schon von einem "Singapur Afrikas". Genau das ist der Ansatzpunkt für die deutsche Wirtschaft. So saßen also Vertreter von VW, Siemens, SAP und dem Ingenieurbüro Inros Lackner mit Bundesminister Gerd Müller am Tisch. Kugelschreiber lagen vor ihnen.

Moving Rwanda Mobilität Digitalisierung Ausbildung Ruanda BMZ
Moving Rwanda - Moving der unterzeichneten Vereinbarungen im BMZ (rechts: Dr. Klaus Richter, Inros Lackner)
Gerd Müller machte deutlich, dass sein Ministerium nicht mehr das Entwicklungshilfe-Ministerium sei. Man sei inzwischen "weg von der Gießkanne" gekommen und investiere in "Reform-Partnerschaften". "Wir wollen Fortschritte sehen", postulierte der Minister während seiner kurzweiligen aber fundierten Ausführungen. Entsprechend gut war die Stimmung im Raum.

Der Vertreter von Volkswagen führte mehrere Punkte an, warum sich ein Investment in Ruanda lohne:

  • straffer Rückenwind für wirtschaftlichen Fortschritt
  • niedrigste Kriminalität in Afrika
  • wenig Korruption
  • Bedingungen "passen wie ein Handschuh" auf die deutsche Unterstützung

Eines der konkreten Projekte ist eine Produktionsstätte von Volkswagen in Ruanda. Einheimische sollen die aus Südafrika gelieferten Teile zusammensetzen und zunächst Polo, Passat und einen Pick-up für den ruandischen Markt fertigen. Dadurch entstehen mehrere Tausend Arbeitsplätze. Ein weltpolitischer Hintergedanke dabei ist, den Menschen in ihrer Heimat Perspektive zu geben und die Migration in den Norden aufzuhalten. Dadurch wird #MovingRwanda eher zu einem #FixingRwanda.

Moving Rwanda Mobilität Digitalisierung Ausbildung Ruanda BMZ
Moving Rwanda - Unterzeichnung der Vereinbarung im BMZ (im Hintergrund der Botschafter Igor Cesar)
75% aller Ruander haben ein Handy. Das Netz ist teilweise besser ausgebaut als in Deutschland. Dennoch braucht das Land Geschäftsmodelle, die auch in Afrika funktionieren. Der flächendeckende Besitz von Autos ist momentan noch Utopie. Deshalb geht der Trend in Richtung Car Sharing. 75% der Einwohner könnten sich die eine App herunterladen und damit am Car Sharing teilnehmen. Die leicht zu handhabende App wurde von einem ruandischen Start-up entwickelt. Dort werkeln 12 Mitarbeiter an der Software.

Software ist übrigens auch das Stichwort für ein weiteres Projekt. In Kigali soll ein Digitalisierungszentrum entstehen, in dem 200 Jugendliche zu Programmierern ausgebildet werden. High Tech made in Afrika. Interessant ist auch der vom BMZ aufgesetzte "Marshallplan mit Afrika". Man beachte das "mit" statt "für" in der Formulierung.

Moving Rwanda Mobilität Digitalisierung Ausbildung Ruanda BMZ
Moving Rwanda - klare Sicht aus der 11. Etage des BMZ bei -9°C
Zum Ende des Gesprächs, das eigentlich nur aus den drei Wortbeiträgen des Ministers, des Volkswagen-Vertreters und des Botschafters bestand, wurden sechs blaue Mappen mit der Vereinbarung durchgereicht. Diese wurden von den Unternehmen und Gerd Müller unterzeichnet.

Es folgte ein gestelltes Gruppenfoto vor der blauen Wand. Dann war noch Zeit zum Networking bei Kaffee, Tee und Kuchen. Von der 11. Etage aus konnten wir die klare Sicht über Berlin genießen.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 28. Februar 2018

Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo schnuppert beim Antrittsbesuch die Berliner Winterluft

Auch wenn es die Anzahl der Ghanaer noch nicht in die Top 25 der Zuwanderungsstatistik geschafft hat, so begegnet man ihnen doch öfter in Berlin. Ghanaer möchten nicht als Ghanesen angesprochen werden. Vielleicht fühlen sie sich dadurch zu sehr an die Chinesen erinnert, die in Ghana stark investieren.

China baut die Infrastruktur aus, hat einen Staudamm samt Wasserkraftwerk errichtet und deckt etwa 1/3 aller Importe ab. Das chinesische Engagement in Afrika zielt in der Regel auf eine ungehemmte Rohstoff-Ausbeute ab. Bei Botschafter-Treffen gibt es bezüglich China immer wieder heftige Diskussionen unter den Afrikanern. Wegen der Chatham House Rules können diese hier im Detail nicht wiedergegeben werden.

Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo Berlin Angela Merkel
Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo zum Antrittsbesuch in Berlin
Rohstoffe hat Ghana reichlich: Gold, Diamanten, Erdöl, Bauxit, Mangan, Kalk, Kakao, Zucker, Kaffee, Tee, Kautschuk, Edelhölzer wie Mahagoni. Dass die Ghanaer Englisch sprechen, liegt an der jüngeren Geschichte. Im 17. Jahrhundert siedelten sich viele Europäer an der sprichwörtlichen Goldküste an. Den Kampf um das Gold gewannen 1820 die Briten. 1957 wurde Ghana unabhängig. In den 1970er Jahren erlebte Ghana eine Kleptokratie. In einer Kleptokratie verfügen die Machthaber willkürlich über das Eigentum der Bevölkerung und führen das Land in den wirtschaftlichen Ruin.

Ghana hat 28 Millionen Einwohner, die zu über 70% christlichen Kirchen angehören. Daneben gibt es noch den Islam und diverse Naturreligionen. Ghana hat eine Kinder- und Säuglingssterblichkeit von etwa 9% und leidet an Krankheiten wie Tuberkulose, Malaria, Hepatitis A/B, Gelbfieber, Typhus, Cholera und Meningitis. Viele dieser Krankheiten ließen sich durch Vorsorge-Impfungen vermeiden.

Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo Berlin Angela Merkel
Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel
Heute kam Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo zum Antrittsbesuch nach Berlin.

Er ist seit Januar 2017 im Amt und war knapp 13 Jahre alt, als sein Land unabhängig wurde. Er hatte in England Jura studiert und verfügt über einen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften. Bevor er 2001 Justizminister in Ghana wurde, war er in diversen internationalen Anwalts-Kanzleien tätig. Von 2003 bis 2007 fungierte er als Außenminister. Danach widmete er sich dem Wahlkampf um den Posten des Präsidenten. Ganze zehn Jahre hatte es gedauert, bis dieser Traum für ihn in Erfüllung ging.

Nun ist er hier, als Präsident Ghanas im kalten Berlin. Berlin hat momentan so niedrige Temperaturen, dass sogar die militärischen Ehren abgeblasen werden mussten. Es wäre ja peinlich, wenn während der Nationalhymnen die Instrumente versagen. Mein Diesel war zwar bei -9°C noch angesprungen, dafür meldete sich am Kanzleramt die Batterie - angeblich entladen.

Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo Berlin Angela Merkel
Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo bekommt praktische Hilfe von deutscher Seite
Die Pressekonferenz startete mit einer praktischen Hilfeleistung der Kanzlerin. Nana Addo Dankwa Akufo-Addo kam mit dem Kopfhörer nicht klar. Souverän unterbrach Angela Merkel ihre Ausführungen und half dem Präsidenten.

China wurde gar nicht thematisiert. Stattdessen warb die Kanzlerin für deutsche Investments in Ghana. Angesichts der reichen Bodenschätze sicher nicht uninteressant. Es ging auch um die generelle Verbesserung der Lebensbedingungen in Ghana, so dass Flucht-Ursachen bereits im Herkunftsland beseitigt werden. Die wenigsten in Deutschland lebenden Ghanaer haben laut Angela Merkel eine Bleibeperspektive.

Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo Berlin Angela Merkel
Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo bei Angela Merkel
Beide Politiker waren sich einig, dass ausländische Unterstützung verantwortungsvoll eingesetzt werden müsse. Damit gehen sie konform mit den Prinzipien des BMZ: Reform-Partnerschaft statt Gießkanne. "Wir wollen Fortschritte sehen", betonte Bundesminister Gerd Müller am Nachmittag im Zusammenhang mit einem anderen afrikanischen Staat. Gerd Müller führte zudem aus, dass Ghana vor 50 Jahren denselben Stand wie Südkorea gehabt habe. Südkorea sei ein Beispiel dafür, wie sich die Wirtschaft innerhalb von 50 Jahren entwickeln könne.

Die neue Richtung bei der Entwicklung des Kontinents ist der "Marshallplan mit Afrika", den das BMZ im Januar 2017 herausgebracht hat. Dieser Plan befindet sich in einer permanenten Weiterentwicklung und zielt auf Hilfe zur Selbsthilfe und letztlich auf Bleibeperspektiven für die Menschen vor Ort.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 21. Februar 2018

Ministerpräsident Mazedoniens bekennt sich bei seinem Antrittsbesuch zur EU und zur NATO

EJRM wird Mazedonien bei Google-Maps abgekürzt. EJRM steht für den etwas ungewöhnlichen Namen ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien. Google-Maps hat sich damit der offiziellen Bezeichnung angeschlossen, die Mazedonien als UNO-Mitglied hat.

In Mazedonien leben neun Volksgruppen, von denen die eigentlichen Mazedonier nur knapp 2/3 stellen. 25% der EJRM-Bürger sind Albaner. Diese leben in den Nordwest-Regionen des Landes. Türken machen knapp 4% der insgesamt zwei Millionen Einwohner aus. Die restlichen 6% setzen sich unter anderem aus Rumänen, Bosniaken oder slawischen Muslimen zusammen.

Mazedonischer Ministerpräsident Zoran Zaev Berlin Angela Merkel
Mazedonischer Ministerpräsident Zoran Zaev spricht sich in Berlin für die EU und die NATO aus.
Die ethnischen Mazedonier fühlen sich der orthodoxen Kirche zugehörig, alle anderen dem sunnitischen Islam. Bereits im ersten Jahrhundert hatte der christliche Missionar Paulus einen Traum: "Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns", lesen wir in Apostelgeschichte 16 Vers 9.

Nach Ende des Römischen Reiches ging Mazedonien an Byzanz über. Es folgten diverse ethnische Umstrukturierungen und Einwanderungen. Ab dem 7. Jahrhundert stand das Land unter bulgarischer Fremdherrschaft und fiel im späten Mittelalter an die Osmanen. Die Osmanen wurden erst mit den Balkankriegen von 1912-1913 abgeschüttelt. Unabhängig ist das Land seit 1991. Zuvor war es als Sozialistische Republik Mazedonien die südlichste Teilrepublik Jugoslawiens.

Ministerpräsident Zoran Zaev ist Sozialdemokrat, 43 Jahre alt und seit Mitte letzten Jahres im Amt. Heute absolvierte er seinen Antrittsbesuch in Berlin. Im Bundeskanzleramt wurde er mit militärischen Ehren empfangen.

Mazedonischer Ministerpräsident Zoran Zaev Berlin Angela Merkel
Mazedonischer Ministerpräsident Zoran Zaev begrüßt die deutschen Gesprächspartner
Deutschland ist der größte Handelspartner des Landes mit einem Volumen von 3,6 Mrd. Euro. Gemessen an der Einwohnerzahl sind das 1.800 Euro pro Kopf. Da auch Russland, China und die Türkei aktiv sind, stand bei der anschließenden Pressekonferenz die Frage nach der Loyalität im Raum. Zoran Zaev bekannte sich mehrfach proaktiv dazu, dass die Mitgliedschaften in der EU und der NATO ohne Alternative seien. Diese beiden Mitgliedschaften seien sogar das "strategische Ziel" seines Landes.

Die Kanzlerin räumte ein, dass die bürokratischen Mühlen der EU leider etwas langsam mahlen, so dass Länder wie China strukturell auf der Überholspur fahren und dann einen gewissen politischen Einfluss ausüben könnten. Generell müsse das "reziprok" laufen, so wie es auch den ethischen Grundsätzen der EU entspreche.

Die Bemühungen um einen EU-Beitritt hatten 2005 begonnen. Auf die Frage nach einem konkreten Jahr wie 2025 antwortete Angela Merkel, dass die Reife zum Beitritt anhand der Kennziffern wichtiger sei, als die Einhaltung bestimmter Jahreszahlen.

Mazedonischer Ministerpräsident Zoran Zaev Berlin Angela Merkel
Mazedonischer Ministerpräsident Zoran Zaev zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel
Immer wieder fiel der Begriff "Berliner Prozess". Dieser umfasst sämtliche Staaten der Region und zielt auf eine gute Entwicklung in sämtlichen Bereichen. Das beginnt mit dem Ausbau des Verkehrsnetzes und wichtiger Transitrouten, geht über die Förderung des Gesundheitswesens und endet bei der Vernetzung von Jugendinitiativen und Wissenschaftlern.

Der Name des Landes kollidierte in der Vergangenheit mehrfach mit Befindlichkeiten Griechenlands. Die EJRM grenzt an die griechische Region Mazedonien mit ihrem kulturellen Zentrum Thessaloniki. Der Anspruch auf Verwaltungshoheit, Geschichte und Namen ist vergleichbar mit den Identitätskonflikten von Franzosen und Deutschen im Elsass.

Aber auch hier hatte sich die Kanzlerin vermittelnd eingeschaltet. Beide Seiten seien inzwischen interessiert an einer Lösung und bewegten sich aufeinander zu. Da die Verhandlungen noch im Gange seien, wolle die Kanzlerin nicht konkreter werden. Das Handelsblatt berichtet bereits von ersten greifbaren Maßnahmen seitens der EJRM-Regierung.

Zoran Zaev lud Angela Merkel für dieses Jahr zu einem Gegenbesuch ein.

Video:
Empfang des Ministerpräsidenten Mazedoniens mit militärischen Ehren

Autor: Matthias Baumann

Samstag, 17. Februar 2018

Britische Premierministerin Theresa May zu Gesprächen in Berlin empfangen

Was in der Kirche Schisma heißt, nennt sich in der EU-Politik Brexit. Direkt nach der schweirigen Begegnung mit dem polnischen Ministerpräsidenten erschien gestern Nachmittag Theresa May im Kanzleramt - in einer normalen Mercedes-S-Klasse und ohne militärische Ehren. Diese hatte sie ja bereits zu ihrem Antrittsbesuch.

Britische Premierministerin Theresa May Berlin Angela Merkel
Britische Premierministerin Theresa May zu Gesprächen bei Angela Merkel
Theresa May war auf der Durchreise. Für heute ist die Teilnahme an der Münchner Sicherheitskonferenz (msc) vorgesehen. Die msc-Badges für die Begleitjournalisten wurden noch vor der Pressekonferenz ausgeteilt. Dazu war genug Zeit, denn die Gespräche dauerten eine Viertelstunde länger als geplant. Dann rannten Fotografen, eine Schneise wurde gebildet, die Speicherkarten der Kameras glühten und die beiden Damen traten vor die blaue Wand mit dem Bundesadler.

Zuvor hatten einige Fotografen sinniert, ob die beiden Rednerpulte näher beieinander stehen als sonst. Beide Damen hätten sich vom Pult aus die Hand geben können. Ans Wasserglas der anderen wären sie aber nur mit einer Fortbewegung gekommen.

Britische Premierministerin Theresa May Berlin Angela Merkel
Britische Premierministerin Theresa May bei Angela Merkel - Pressekonferenz
Und natürlich ging es um den Brexit. Die britische Regierung war ja selbst von dem Votum für einen Brexit überrascht worden und muss nun mit den Konsequenzen umgehen. Angela Merkel bemerkte, dass man sehr wohl unter Zeitdruck stehe, die Sache jedoch gründlich angehen wolle. Das erfordere eine gute und regelmäßige Kommunikation. Trotz des Austritts seien beide Seiten weiterhin an einer partnerschaftlichen Beziehung interessiert. Die Kanzlerin bezeichnete die Unterredung insgesamt als "konstruktives, freundschaftliches, enges und partnerschaftliches Gespräch".

Britische Premierministerin Theresa May Berlin Angela Merkel
Britische Premierministerin Theresa May bei Angela Merkel - Pressekonferenz
Passend zur mcs ging es um die vielen Felder der Sicherheitspolitik. Konkretes Thema war der vergessene Konflikt auf dem Balkan, dessen finale Beilegung beim sogenannten Berlin-Prozesses gemeinsam vorangetrieben wird. Die Fortschritte in der Ukraine kamen zur Sprache sowie die Besorgnis über die NATO-internen Unstimmigkeiten mit der Türkei.

Britische Premierministerin Theresa May Berlin Angela Merkel
Britische Premierministerin Theresa May bei Angela Merkel - Pressekonferenz
Theresa May ergänzte das noch um die Eindämmung der "russischen Aggression", den Kampf gegen den Terrorismus, die iranische Destabilisierung des Nahen Ostens, die Zusammenarbeit mit Israel und die sehr enge Zusammenarbeit zur Sicherung Europas. Man sehe sich denselben Bedrohungen gegenüber und müsse zukünftig sogar noch agiler zusammenarbeiten.

"Wir hängen natürlich voneinander ab, wir verlassen uns aufeinander", war ein klar formuliertes Statement der Premierministerin zum Auftakt der Pressekonferenz. Dann ging es um den Handel, gemeinsame europäische Geschichte und Bürger, die im jeweils anderen Land leben.

Britische Premierministerin Theresa May Berlin Angela Merkel
Britische Premierministerin Theresa May bei Angela Merkel - Pressekonferenz
Frau May übergab dem britischen Journalisten "James" das Wort. Er legte den Finger in die Wunde, da ihm das Gesagte offensichtlich zu unkonkret und schwammig war. Die Premierministerin antwortete darauf, dass sie mehrfach gesagt hätte, man müsse darüber reden, damit man in der Folge weiter darüber sprechen könne. Angela Merkel sagte, dass sie nicht frustriert sei über die Gespräche, sondern gespannt, wie sich Großbritannien konkret die zukünftige Partnerschaft vorstelle.

"Sky", rief Theresa May den zweiten britischen Journalisten auf. Dieser erkundigte sich nach einer eventuellen Rosinenpickerei der Briten. Beide Damen sprachen sich daraufhin für ein partnerschaftliches und faires Miteinander aus. Beide Seiten hätten bestimmte Interessen, die jedoch im Dialog anzugleichen seien. Es gäbe zudem keine bestimmten Knackpunkte bei den Verhandlungen, sondern eher komplexe strukturelle Abläufe. Wichtig sei, dass am Tag des Ausstiegs noch Flugzeuge starten könnten oder das Gesundheitssystem nicht zusammenbreche.

Britische Premierministerin Theresa May Berlin Angela Merkel
Britische Premierministerin Theresa May bei Angela Merkel - Pressekonferenz vor der letzten Frage
Worte, Taten und Gesten müssen nicht immer miteinander harmonieren. So zeigten die über siebzig Serienfotos eine gewisse Spannung zwischen den Damen. Diese wurde dadurch aufgelockert, dass das obligatorische Händeschütteln aktiv nach der dritten Pressefrage angegangen wurde. Es sollte aber noch eine vierte Frage folgen. So mussten sich die Damen dem Druck der Presse beugen und begaben sich lachend auf ihre Stellplätze zurück.

Pressekonferenz im Wortlaut auf bundesregierung.de

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 16. Februar 2018

Polnischer Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und der schwierige Antrittsbesuch in Berlin

Bei unserem Eintreffen am Kanzleramt wehte noch die italienische Fahne. Kurz darauf rollten die Motorrad-Eskorte und der Konvoi mit Ministerpräsident Paolo Gentiloni vom Ehrenhof. Ich war gespannt auf das Zeremoniell beim Wechsel der Flaggen. Klack - eine Dame in Knallrot ließ den Stab mit dem rot-weißen Tuch in den Ständer rutschen. Am Zaun zum öffentlichen Publikum hantierten zwei weitere Personen in Knallrot an der mittleren Fahnenstange und zogen stilgerecht die polnische Flagge hoch. Stilgerecht heißt in diesem Fall, dass die Fahne schwungvoll per Hand nach außen gezogen wurde, so dass sie zumindest die Chance hatte, im Winde zu wehen.

Ministerpräsident Polen Mateusz Morawiecki Antrittsbesuch Bundeskanzleramt
Polens Ministerpräsident, Mateusz Morawiecki, zum Antrittsbesuch im Bundeskanzleramt
Angela Merkel holt zurzeit offensichtlich die liegen gebliebenen Staatsbesuche nach. Am Morgen Italien, Mittags Polen und am Nachmittag Großbritannien. Mateusz Morawiecki war heute allerdings der einzige Spitzenpolitiker, der mit militärischen Ehren empfangen wurde. Das lag daran, dass er zum Antrittsbesuch nach Berlin kam.

Auch er wurde mit dem Mercedes-Maybach S560 vorgefahren. Bei Sebastian Kurz war im Januar noch spekuliert worden, ob er sein eigenes Fahrzeug gestellt habe. Offensichtlich folgt jedoch der Fuhrpark der Bundesregierung der konjunkturellen Lage Deutschlands. Scheinbar wird der Maybach auch nur bei Gästen eingesetzt, die mit militärischen Ehren empfangen werden. Für Theresa May stand später jedenfalls nur eine normale S-Klasse bereit.

Ministerpräsident Polen Mateusz Morawiecki Antrittsbesuch Bundeskanzleramt
Polens Ministerpräsident, Mateusz Morawiecki, zum Antrittsbesuch im Bundeskanzleramt
Morawiecki ist seit dem 11. Dezember 2017 im Amt. Im Sommer wird er fünfzig und ist damit vergleichsweise alt in der Riege der europäischen Protagonisten. Sein Vater, Kornel Morawiecki, hatte zum Kern der antikommunistischen Bewegung der 1980er Jahre gehört. Das hatte auf seinen Sohn abgefärbt, der bereits als Jugendlicher an der Demontage des sozialistischen Staates beteiligt gewesen war. Von daher theoretisch ein guter Gesprächspartner für Angela Merkel. In der Regierung von Beata Szydło war er als Wirtschaftsminister und später auch als Finanzminister tätig. Ende 2017 trat Beata Szydło als Ministerpräsidentin zurück, Mateusz Morawiecki rückte auf und Frau Szydło wurde seine Stellvertreterin.

Was Polen in Form der Diktatur des Proletariats in den 1980er Jahren abgeschafft hatte, wird nun mit Zwangsmaßnahmen unter anderem Etikett neu aufgelegt. So hat Polen eine in der EU sehr umstrittene Justizreform auf den Weg gebracht. Ferner sollen im Ausland lebende Polen bei ihren Vertretungen denunziert werden, wenn sie den Kurs der Regierung kritisieren. Morawiecki bagatellisierte das in der Pressekonferenz.

Auch wenn es wohl einige Fortschritte bei der Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik gäbe, stünden ernsthafte Meinungsverschiedenheiten im Raum. Eine Steilvorlage für das anschließende Gespräch mit Theresa May.

Video:
Antrittsbesuch des polnischen Ministerpräsidenten Mateuzs Morawiecki

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 15. Februar 2018

Sparen für die DSGVO

Ab dem 25. Mai 2018 tritt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft. Sie gilt für den Raum der EU und sieht drastische Strafen für Verstöße vor. Die Bußgelder sollen abschreckend und erzieherisch wirken. Diese haben eine Obergrenze von 20 Millionen Euro je Verstoß bzw. einen Standardsatz von 4% des Jahresumsatzes.

4% des Umsatzes

Da Umsatz und Ertrag auch von vermeintlichen Fachleuten gerne egalisiert werden, hier noch einmal der entscheidende Unterschied: Umsatz beinhaltet alle Einnahmen einer Firma ohne Gegenrechnung der Kosten. Ertrag ist das, was zwischen Umsatz und Kosten übrig bleibt. Bei Handwerkern ist gelegentlich zu beobachten, dass die Kosten sogar höher sind als der Umsatz. Dann gibt es keinen Ertrag, sondern Verlust.

Die DSGVO setzt jedoch auf dem Umsatz auf. Wohl dem, der das durch eine hohe Rendite - also einen hohen Ertrag - abfangen kann.

Es (be)trifft alle EU-Bürger.

Wie immer, wenn man sich in Brüssel etwas ausdenkt, geht es um viel Papier und exzessive Dokumentationspflichten. Ein klares Statement für 4.0 und Big Data. Nach DSGVO Kapitel 1 Artikel 2 (1) gilt das für Unternehmen, Verbände und alle EU-Bürger mit einem Computer oder Smartphone. Diese müssen zukünftig akribisch darauf achten, welche personenbezogenen Daten sie erheben, speichern, verarbeiten, ändern und löschen. Sämtliche Verarbeitungsschritte sind zu dokumentieren und auf Verlangen der Datenschutzbehörde auszuhändigen.

Ab zehn Mitarbeitern mit Zugriff auf personenbezogene Daten ist ein Datenschutzbeauftragter zu benennen. Die Haftung liegt jedoch beim Inhaber des Unternehmens oder dem Vorstand der Organisation. Wie Privatpersonen zur Rechenschaft gezogen werden, ist unklar. 4% des Brutto-Jahresgehaltes oder der Transferleistungen? Eine wohl eher theoretische Überlegung, die in der Praxis kaum zum Tragen kommen dürfte. Das wäre wohl zu unrentabel für die Datenschutzbehörden.

Es beginnt mit der E-Mail.

Privatpersonen könnten damit argumentieren, dass sie keine Datenbanken nutzen. Allerdings beginnt die Speicherung von personenbezogenen Daten bereits beim Empfang einer E-Mail. Über die Absenderadresse ist die Person am anderen Ende oft eindeutig identifizierbar. Vorsicht ist auch beim Speichern von Visitenkarten geboten. Dass eine Visitenkarte überreicht wurde, ist noch lange keine Genehmigung zur elektronischen Speicherung und Verarbeitung der darauf abgedruckten Daten.

Nach Kapitel 1 Artikel 2 (2) gibt es jedoch Ausnahmen. Wenn die personenbezogenen Daten zur Erfüllung eines Vertrages oder zur Geschäftsanbahnung notwendig sind, können diese gespeichert werden. Als Regel gilt: Zweck weg = Daten weg! Allerdings könnte für spätere Streitereien ein partielles Aufbewahren der Daten notwendig sein. Gleiches gilt für fiskalische Aufbewahrungsfristen.

Theorie und Praxis

Allein dieser sehr kurze Abriss zeigt, dass die DSGVO ähnlich praxisfremd ist wie die gerade EU-Banane. Was tun?

  • Als Sofortmaßnahme sollte die Datenschutzbestimmung auf der eigenen Webseiten überprüft und ergänzt werden.
  • Im ohnehin schon umfangreichen Mail-Impressum, sollte ein Link zu dieser Datenschutzerklärung eingefügt werden. Ferner ein Hinweis auf die Widerrufsmöglichkeit mit Löschoption der personenbezogenen Daten des Gegenübers.
  • Sinnvoll ist der Aufbau einer Blacklist. Diese enthält nur minimale Angaben wie die Mailadresse und dient der Verhinderung einer erneuten Kontaktierung oder detaillierten Speicherung von Daten.
  • Vorhandene Daten kategorisieren und konsequent ausmisten.
  • Datenverarbeitungsverträge mit sämtlichen Kunden und Dienstleistern abschließen.
  • Webseiten auf SSL-Verschlüsselung umstellen.
  • Updates einspielen, die die Historie von personenbezogenen Datensätzen dokumentiert.

Umsatz und Geschäftsmodelle

Allein die genannten Sofortmaßnahmen dürften den Umsatz der IT-Unternehmen steigern. Anbietern von SSL-Zertifikaten, Webhostern, Softwarehäusern, IT-Beratern und Medienanwälten erschließt sich mit der DSGVO ein erhebliches Umsatzpotenzial für 2018. Damit steigert sich gleichzeitig das Potenzial der Bußgelder aus 4% des Umsatzes. Das wiederum kommt der gesamten Gesellschaft zugute. Volkswirtschaft pur. Vielleicht wollen die Experten der EU ja doch nur das Beste?

Vielen Dank an die DPRG für den interessanten Infoabend!

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 26. Januar 2018

Botschafter von Südkorea und Neuseeland beim Bundespräsidenten akkreditiert

Heute standen zwei Botschafter-Akkreditierungen auf dem Terminplan des Bundespräsidenten: Südkorea und Neuseeland. Zum Wetter und dem Inselstaat neben Australien hätte ein Ehrenzug in Marine-Uniform gepasst. Die etwa 60 Soldaten traten jedoch als Heeresuniformträger - kurz HUT - auf.

Botschafter-Akkreditierung Südkorea Bum-Goo Jong
Akkreditierung des Botschafters von Südkorea: Bum-Goo Jong
Es regnete nicht, der Wind war mäßig und das Pflaster vor dem Schloss war nass. Pünktlich um zehn rollte der Konvoi des neuen Botschafters aus der Republik Korea auf den Hof. Die Republik Korea ist nach unserem Verständnis das demokratische Gegenstück zur Demokratischen Volksrepublik Korea. Deren Botschafter war übrigens die erste Exzellenz, die Frank-Walter Steinmeier nach seinem Amtsantritt als Bundespräsident akkreditiert hatte. Die Reihenfolge richtet sich strikt nach dem Eintreffen in Deutschland und ist frei von jeglicher politischer Wertung.

Botschafter-Akkreditierung Südkorea Bum-Goo Jong
Akkreditierung des Botschafters von Südkorea: Bum-Goo Jong
Bum-Goo Jong, so der Name des neuen Koreaners, wirkte ernst. Er war sehr höflich und scheint über hervorragende Deutsch-Kenntnisse zu verfügen. Kein Wunder, hat er doch an der Philipps-Universität Marburg Politische Wissenschaften studiert und dort promoviert. Auch seine Frau, die in klassischer asiatischer Kleidung erschien, fiel durch eine bemerkenswerte Höflichkeit auf. So bedankte sie sich mehrfach bei Service-Leiter Binnebössel für die professionelle Bewegung der Sitzgelegenheit am Gästebuch.

Im Februar fliegt Frank-Walter Steinmeier nach Südkorea. So passte diese Akkreditierung auch thematisch. Entsprechend knapp wurde die Zeit zwischen Abfahrt der Delegation und dem Eintreffen des nächsten Botschafters: Rupert Thomas Holborow.

Botschafter-Akkreditierung Neuseeland Rupert Thomas Holborow
Akkreditierung des Botschafters von Neuseeland: Rupert Thomas Holborow
Rupert Thomas Holborow löst nach etwa dreieinhalb Jahren Peter Rodney Harris als Botschafter Neuseelands ab. Der Neue war bereits als Abteilungsleiter im Wirtschaftssektor seines Außenministeriums tätig. Sein Fokus lag auf Handel und Export. Die Regierung Neuseelands hat eine Wachstumsagenda aufgestellt, die Holborow nun in Deutschland vorantreiben soll. Der freundliche Herr aus Down Under war zudem bisher Vize-Präsident des Handels-Komitees der OECD und Hochkommissar Neuseelands in Indien.

Botschafter-Akkreditierung Neuseeland Rupert Thomas Holborow
Akkreditierung des Botschafters von Neuseeland: Rupert Thomas Holborow
Die Legende erzählt, dass sein Vorvorgänger Peter Rider mit einem Schaf zur Akkreditierung erschienen sei. Ein sehr ungewöhnliches Gebaren für einen westlichen - politisch gesehen - Diplomaten. Holborow trug heute einen Umhang über seinem Anzug, der an das Gefieder eines exotischen Vogels erinnerte. Die genaue Erklärung blieb der Presse bisher verborgen.

Botschafter-Akkreditierung Neuseeland Rupert Thomas Holborow
Akkreditierung des Botschafters von Neuseeland: Rupert Thomas Holborow
Wir sind gespannt, wie Rupert T. Holborow die Wirtschaftsbeziehungen ankurbeln wird. Neuseeland gehört zum Commonwealth. Deshalb ergeben sich über die British Chamber of Commerce bestimmt bald weitere Berührungspunkte.

Video:
Akkreditierung der Botschafter von Südkorea und Neuseeland

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 17. Januar 2018

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz zum Antrittsbesuch bei Bundeskanzlerin Merkel

"Jung trifft alt", war der erste Kommentar zum Video mit Sebastian Kurz. Sebastian Kurz ist erst seit Kurzem im Amt. Der 31-Jährige fungiert seit einem Monat als Bundeskanzler von Österreich.

Heute besuchte er seine 63-jährige Amtskollegin in Berlin. Der aus Wien stammende Kanzler umwarb die "Mutti" mit den Stilmitteln der Jugend. Die Damen und Herren seiner Delegation zeigten sich gewohnt charmant. Handkuss für Angela Merkel.

Ob Sebastian Kurz Angst vor der Blamage hatte, mit einem älteren Audi A8 im Kanzleramt vorfahren zu müssen, konnte bisher nicht geklärt werden.*) Er entstieg einem Maybach mit Stuttgarter Kennzeichen. Maybach hatte der Daimler AG bis 2012 so hohe Verluste eingefahren, dass die Produktion zeitweilig ausgesetzt werden musste. Vor drei Jahren wurde der Maybach als veredelte S-Klasse wiederbelebt und kostet nur noch einen Teil des früheren Preises. Die drei aktuellen Maybach-Modelle sind ausschließlich als Lang-Version mit 5,462 m konfigurierbar. Damit wurde das Fahrzeug so geändert, dass es knapp 30 cm weniger als die traditionelle Kurz-Version misst.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz bei Angela Merkel
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz bei Angela Merkel
Das Presseinteresse war größer als üblich. Immerhin bot das Wahlergebnis unseres südlichen Nachbarn genug Stoff zu Auseinandersetzungen. Während in Deutschland schon seit über 100 Tagen um die Bildung einer handlungsfähigen Regierung gefeilscht wird, hatten die Koalitionsverhandlungen in Österreich keine zwei Monate gedauert. Das Ergebnis erzeugte einen Aufschrei in den westeuropäischen Medien, die fortan mit dem Wort "Rechtspopulismus" operierten.

Entsprechend fielen heute auch die Fragen in der anschließenden Pressekonferenz aus. Sebastian Kurz hörte sich die Fragen gelassen an, ließ keine Nervosität erkennen, bekam keine roten Ohren und auch keine Unsicherheit in der Stimme. Sehr professionell antwortete er auf die Fragen und stellte klar, dass Österreich demokratisch gewählt habe und sich die inhaltlichen Akzente der Wähler wohl verschoben hätten.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz bei Angela Merkel
Kurz zeigt, wo es langgeht: Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz bei Angela Merkel
Zwischen Merkel und Kurz gab es überraschend viel Übereinstimmung. Die Kanzler hatten über Sicherheit, Verteidigungspolitik und Terrorabwehr geredet. Es ging um Deutschland und Österreich als Nettozahler in der EU. Bei der Finanzierung neuer Projekte sollten sich die Nettozahler eng abstimmen. Sebastian Kurz sprach sich mehrfach für die EU aus. Es fielen dabei Worte wie "Geist der EU" oder "Pro Europa". Österreich wolle aktiv an der positiven Veränderung der EU mitwirken.

Beide Kanzler waren sich einig, dass die inner-europäische Freizügigkeit den Aspekt der Außengrenzen bisher vernachlässigt habe. Deshalb wolle man sich gemeinsam für die Stärkung der Außengrenzen einsetzen und illegale Migration reduzieren.

Angela Merkel begegnete den kritischen Fragen zum Rechtspopulismus damit, dass sich die österreichische "Regierung an den Taten messen" lassen wird. Ein Sahnehäubchen hatte sie dann allerdings noch: "Wir aus deutscher Perspektive haben gestaunt, dass nachdem Österreich uns gelehrt hat, was eine Maut ist, Österreich nun gegen unsere Maut klagen möchte..."

Video:
Antrittsbesuch des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz in Berlin

*) Die Spekulationen um den Maybach konnten insofern geklärt werden, dass dasselbe Fahrzeug am 16.02.2018 beim Besuch des polnischen Ministerpräsidenten ebenfalls zum Einsatz kam.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 12. Januar 2018

Elke Büdenbender empfängt die Angehörigen der Angehörigen des Diplomatischen Korps im Schloss Bellevue

Elke Büdenbender, die Ehefrau des Bundespräsidenten, hat heute zum Neujahrsempfang geladen. Einen Tag nach dem Neujahrsemfang, den ihr Mann für das Diplomatische Korps gegeben hatte. Gestern durften die Frauen nicht mit. Heute waren sie ausdrücklich erwünscht - persona grata sozusagen.

Diplomatisches Korps Neujahrsempfang 2018 Elke Büdenbender
Diplomaten-Gattinnen bei Elke Büdenbenders Neujahrsempfang 2018
Das Diplomatische Korps hat einen gefühlten Frauenanteil von 25 bis 30 Prozent. Besonders viele Frauen vertreten Länder Zentral- und Südamerikas sowie afrikanische Staaten. Da stellt sich die Frage: "Was ist mit den Männern?"

Schon die Bibel berichtet uns, dass die erste Frau - Eva - eigenständig agierte und mit anderen Lebewesen (Schlange) verhandelte. Frauen wie Angela Merkel hätten sicher dem angebotenen Köder (Frucht) in Beharrlichkeit widerstanden. Eva kannte sich jedoch auf dem diplomatischen Parkett noch nicht so gut aus. Wo war überhaupt ihr Mann? Der Text aus 1. Mose 3 impliziert, dass er teilnahmslos daneben gestanden haben muss und dann einfach die Frucht aus der Hand seiner Frau entgegennahm. Interessant ist dann auch die spätere Verkettung der Schuld-Zuweisung. Aber das führt uns hier vom Thema weg.

Diplomatisches Korps Neujahrsempfang 2018 Elke Büdenbender
Elke Büdenbenders Neujahrsempfang 2018
Die Frauen der männlichen Diplomaten füllten den großen Saal des Schlosses. Einige Stehtische waren noch frei. Am Eingang fuhren unentwegt schwarze Limousinen vor. Die Partnerinnen und Partner der in Deutschland akkreditierten Botschafterinnen und Botschafter betraten über einen roten Teppich das Schloss und begaben sich dann am Reitergemälde Friedrich Wilhelms III. vorbei in den Saal. Dort warteten Getränke auf die Damen und verschwindend wenigen Herren.

Die Männer im Saal gehörten entweder zum Bundeskriminalamt, zum Service-Team, zur Presse, zum Präsidialamt, zu den Jazz-Musikern oder zur Minderheit der Botschafterinnen-Partner. Saxophon, Schlagzeug, Bass und Flügel wurden von den durchweg männlichen Studierenden des Jazz-Instituts Berlin gespielt. Das Jazz-Institut Berlin ist ein Gemeinschaftsprojekt der Hochschule für Musik Hanns Eisler und der Universität der Künste.

Diplomatisches Korps Neujahrsempfang 2018 Elke Büdenbender
Jazz-Pianist bei Elke Büdenbenders Neujahrsempfang 2018
Stimmengewirr hallte durch den Saal. Viele der Anwesenden kannten sich bereits und unterhielten sich deutlich lebhafter, als man es von Empfängen mit den Botschaftern selbst gewohnt ist. Frauen sollen ja generell kommunikativer sein als Männer.

Gegen elf erschien die First Lady, die erste Frau im Staate kraft der familiären Verbindung zum Bundespräsidenten. In Amerika gibt es die etwas flapsig klingenden Abkürzungen POTUS und FLOTUS, die für President Of The United States und First Lady Of The United States stehen.

Diplomatisches Korps Neujahrsempfang 2018 Elke Büdenbender
Elke Büdenbender beim Neujahrsempfang 2018
Kein Neujahrsempfang ohne Rede: Elke Büdenbender sprach etwa 20 Minuten zu den anwesenden Damen und Herren. Sie bedankte sich für die gute Zusammenarbeit sowie die Unterstützung bei Reisen und Staatsbesuchen. Es folgte ein allgemeiner politischer Teil zur Lage in Deutschland und dem Engagement des Einzelnen. Am Ende freute sie sich über das folgende Stück der Jazz-Musiker. Weil nicht jede Diplomaten-Partnerin Deutsch verstand, wurde die Rede ins Englische übersetzt.

Diplomatisches Korps Neujahrsempfang 2018 Elke Büdenbender
Elke Büdenbender und Daniela Schadt beim Neujahrsempfang 2018
Anschließend verschwand die Präsidenten-Gattin in der bunten Menge. Dazu spielten die Musik-Studenten. Teller mit Häppchen wurden herbeigetragen und sogar alkoholische Getränke waren zu sehen. Auch die ehemalige First Lady Daniela Schadt war unter den Gästen. Beide Ladies waren dicht umringt und hatten sichtlich Freude am Neujahrsempfang. Eine Personengruppe war übrigens auch noch geladen: Vertreterinnen und Vertreter der Organisationen, die Elke Büdenbender als Schirmherrin oder anderweitig unterstützt.

Video:
Neujahrsempfang 2018 - Elke Büdenbender

Autor: Matthias Baumann

Montag, 8. Januar 2018

Katholischer Jahreseinstieg des Bundespräsidenten: Sternsinger und Malteser Ritterorden

Dass sich der evangelische Bundespräsident auch gut mit Orthodoxen und Katholiken versteht, hatte Frank-Walter Steinmeier bereits im letzten Jahr bewiesen. Im Juni hatte ihn der Patriarch von Konstantinopel besucht und im Oktober war er selbst zum Papst geflogen.

20*C+M+B+18 Sternsinger Diözese Eichstätt Schloss Bellevue
Der Leiter hält die Leiter: 20*C+M+B+18 Sternsinger aus der Diözese Eichstätt im Schloss Bellevue
Am Samstag war es kühl, aber nicht windig. Letzteres ist im Außenbereich von Schloss Bellevue sehr wichtig. Die Sonne schien und zauberte geheimnisvolle Reflexionen auf die goldenen Kronen der kleinen Könige aus der Diözese Eichstätt. Eine Diözese kann auch als Bistum bezeichnet werden und definiert einen kirchlichen Verwaltungsbezirk. Gegen elf klopften die Sternsinger an die Pforte des Schlosses. Der Bundespräsident und die First Lady öffneten.

Segen per Lied, Segen per Gedicht, Segen per Rede bestimmten den Besuch der Sternsinger. Als Ohrwurm blieb "Viel Glück und viel Segen" hängen. Das Lied galt dem Geburtstagskind Frank-Walter Steinmeier, der am 5. Januar 62 Jahre alt geworden war. Die Tradition des Sternsingens ist erst 60 Jahre alt. Seit 1983 hat diese sozial-missionarische Aktion auch die Bundespräsidenten als großzügige Spender entdeckt. Damals öffnete Karl Carstens die Tür zur Villa Hammerschmidt in Bonn. Seitdem klopfen Casper, Melchior und Balthasar jedes Jahr beim Präsidenten an.

20*C+M+B+18 Sternsinger Diözese Eichstätt Schloss Bellevue
20*C+M+B+18 Sternsinger aus der Diözese Eichstätt im Schloss Bellevue
Wie wir im katholischen Bayern hatten feststellen müssen, gibt es unzählige Variationen des Textes an der Tür. Die korrekte Schreibweise lautet:

20*C+M+B+18

Dabei harmonieren die Buchstaben CMB nur zufällig mit den drei Königen Caspar, Melchior und Balthasar. CMB steht für "Christus mansionem benedicat" und drückt die Bitte aus, dass Christus diese Wohnung segnen möge. Der Referenztext zu den drei Königen steht in der Bibel: Matthäus 2. Allerdings ist im griechischen Urtext von Magiern die Rede und eine Anzahl wird auch nicht genannt. Der Stern hinter der Hunderterstelle steht für den Stern von Bethlehem und die drei Kreuze zwischen CMB und Zehnerstelle für die biblischen Ereignisse um Ostern.

20*C+M+B+18 Sternsinger Diözese Eichstätt Schloss Bellevue
20*C+M+B+18 Sternsinger aus der Diözese Eichstätt im Schloss Bellevue
Den Kindern machte es jedenfalls viel Spaß. Der Bundespräsident ging auf die Verkleidung und den Kindertraum ein, mal einen Tag lang König sein zu dürfen. Er sprach auch über die Verantwortung eines guten Königs. Besonders bedankte er sich jedoch für das Wichtigste, das die Sternsinger bringen: Gottes Segen!

Danach gab es noch einen Kakao-Empfang.

Der Besuch derselben Sternsinger war für heute im Kanzleramt angekündigt. Auch die evangelische Kanzlerin hat an mehreren Durchgängen ein 20*C+M+B+18 zu stehen. Überhaupt sieht man diese Kreideschrift an vielen Türen von Landesvertretungen und Ministerien.

Während sich die Sänger auf den Besuch bei Angela Merkel vorbereiteten, hatte der Bundespräsident ein anderes Ereignis auf der Agenda: Botschafter-Akkreditierung.

Malteser Ritterorden Baron Maciej Heydel Botschafter akkreditiert
Souveräner Malteser Ritterorden - Baron Maciej Heydel als Botschafter akkreditiert
Kurz vor dem Neujahrsempfang des Diplomatischen Korps hätten eigentlich noch mehr Botschafter akkreditiert werden sollen. Es passte heute allerdings nur für den Botschafter des Souveränen Malteser Ritterordens. Ein Novum in mehrfacher Hinsicht. Es gab keinen Ehrenzug, keine Motorrad-Eskorte und keine Delegation. Seine Exzellenz wurde mit dem Fahrdienst der Bundesregierung in einer E-Klasse vor das Schloss chauffiert. Der Gästebucheintrag erfolgte im Eingangsbereich und die Übergabe des Beglaubigungsschreibens im Amtszimmer des Schlosses.

Baron Maciej Heydel war 1962 in Polen geboren worden, ist Unternehmensberater und war an einflussreichen Stellen der polnischen Politik tätig gewesen. Die Ergebnisse der Google-Recherchen zu den Maltesern sind ein akuter Fall für die Suchmaschinen-Optimierung. Unritterliche Kämpfe, Ritter spielen versus Ritter sein, Arbeits-Unrecht und ähnliche Dinge werden dem Suchenden präsentiert und zeigen einmal mehr, dass der Adel seine Macht hat abtreten müssen. Nämlich an Google. Der IT-Experte würde von Disruption sprechen.

Malteser Ritterorden Baron Maciej Heydel Botschafter akkreditiert
Souveräner Malteser Ritterorden - Baron Maciej Heydel als Botschafter akkreditiert
Die Malteser sind in Deutschland hauptsächlich durch ihre sozialen Einrichtungen, Krankenhäuser und Rettungsdienste bekannt. Per Satzung verfolgt der Ritterorden edle Ziele, gerät aber immer wieder durch Machtkämpfe in den eigenen Reihen in die Schlagzeilen.

Der Malteser Ritterorden wurde 1048 gegründet und startete in Jerusalem mit einer Kirche, einem Konvent und einem Hospital. 1113 wurden dem Orden des Heiligen Johannes - Johannes der Täufer ist gemeint - besondere Freiheiten unter dem Dach der Kirche eingeräumt. Damals gab es nur die allgemeine = katholische Kirche. Die Ritter waren zumeist theologische Laien, die sich an folgende drei Regeln zu halten hatten: Armut, Enthaltsamkeit und Gehorsam. Im Laufe der Zeit kamen auch militärische Aufgaben dazu. Schließlich wollte man die christlichen Pilger vor Übergriffen aus anderen Religionsgemeinschaften schützen.

Malteser Ritterorden Baron Maciej Heydel Botschafter akkreditiert
Souveräner Malteser Ritterorden - Baron Maciej Heydel (links) als Botschafter akkreditiert
1530, also kurz nachdem Luther seinen großen Auftritt in Wittenberg hatte, nahm der Orden die Insel Malta in Besitz. Von dort aus bildeten die Ritter eine stabile Ostflanke gegen das Osmanische Reich und wehrten zudem die Piraten aus Nordafrika ab. 1571 beteiligte sich der Orden an einer Seeschlacht gegen die Osmanen und leistete damit einen wichtigen Beitrag zum Stopp der Islamisierung Europas.

1798 gab es auf Malta allerdings einen Konflikt mit den christlichen Franzosen. Die Ritter hatten sich dazu verpflichtet, keine Waffen gegen Christen zu erheben. So konnte Napoleon die Insel ohne Widerstand einnehmen. Die Malteser zogen dann auf das europäische Festland um. Im 20. Jahrhundert verschob sich der Fokus des Ordens wieder zugunsten der karitativen Aufgaben.

Bei Defilees des Diplomatischen Korps wurde der Vertreter des Souveränen Malteser Ritterordens bisher immer im Block nach den Botschaftern und Geschäftsträgern anerkannter Staaten genannt: Palästinensische Mission, Souveräner Malteser Ritterorden und danach internationale Vertretungen wie Weltbank und EU-Kommission. Seit Herbst 2017 gibt es diplomatische Beziehungen zum Malteserorden, so dass sich Baron Maciej Heydel zukünftig in die übliche Reihenfolge der Botschafter gemäß Akkreditierungszeitpunkt eintakten kann.

Video:
20*C+M+B+18 Sternsinger im Schloss Bellevue

Autor: Matthias Baumann