Der Bewahrer von heute sei der Verlierer von morgen oder anders formuliert: wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Großkonzerne der Region gäben bereits digitale Standards vor, die teilweise aktiv in die Geschäftsprozesse der Zulieferer eingreifen. Man könne sich dem zwar für eine kurze Zeit entziehen, müsse dann aber in Kauf nehmen, dass sich "die Großen" nach einer überschaubaren Übergangszeit an den Wettbewerber wenden.
Volker Kauder zeigte sich als Freund von Wirtschaft 4.0 und erhob einen gewissen Anspruch auf die durch ihn produzierten Daten. Der in diesem Zusammenhang mehrfach zitierte Fahrstuhl, der automatisch Wartungsintervalle an den Reparatur-Dienstleister übermittelt, verblasst neben den technischen Möglichkeiten intelligenter Häuser mit automatischer Kühlschrankbefüllung oder dem fahrerlos einparkenden Auto.
Angela Merkel zu "Wirtschaft 4.0 - Chancen für Deutschland" |
Die Kanzlerin war noch gut im Thema, da sie bereits auf dem gestrigen BDI Tag der Deutschen Industrie eine gute halbe Stunde zur Digitalisierung der Industrie referiert hatte.
Angela Merkel zu "Wirtschaft 4.0 - Chancen für Deutschland" |
Catharina von Delden, Gründungsmitglied der innosabi GmbH, holte die Kanzlerin etwas auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie berichtete, dass sie jeden verdienten Cent in das Unternehmen reinvestiere und selbst auf der Gehaltsliste ganz unten stehe. "Passion" sei die Hauptmotivation oder wie Florian Langenscheidt es einmal formulierte: "Money follows Passion". Das ist praktisch gelebtes "Loslassen" eines modernen Unternehmers. Loslassen von Verantwortung in die Hände mündiger Mitarbeiter. Auch beim Stahlkonzern Klöckner werde das laut Giesbert Rühl praktiziert. Dazu habe man dort ein Ampelsystem für Entscheidungsprozesse eingeführt.
Catharina von Delden hatte zwei Wünsche: mehr gute Entwickler und mehr öffentliche Vergaben an innovative kleine Unternehmen. "Ich nehme das mal auf", sagte die Kanzlerin und löste damit eine rege Diskussion in sämtlichen sozialen Netzwerken aus. Die innosabi-Chefin diskutierte noch während der Veranstaltung fleißig per Smartphone mit und berichtete dann über den Meinungstrend.
Diskussionsrunde zu "Wirtschaft 4.0 - Chancen für Deutschland" |
Prof. Dr. Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln sprach von der durchbrochenen Lernkurve. Es sei inzwischen nicht mehr so, dass ein heute erfolgreiches Unternehmen automatisch auch morgen noch am Markt sei. Disruption! Disruption als Ablösung bekannter Produkte durch innovativere Produkte, Disruption in gewachsenen Abteilungen einer Firma, Disruption in Denkmustern oder Disruption in der Automobilindustrie beim Nachentwickeln innovativer eMobility-Konzepte à la Tesla.
Disruption übrigens auch innerhalb der Gesellschaft, nämlich zwischen vernetzten und unvernetzten Menschen. Digital Natives und Digital Immigrants behalten den allgemeinen Anschluss. Die Rentnerin ohne DSL und Smartphone kann aber vielleicht bald keinen Schnittkäse auf ihr Brötchen legen, weil sie nicht weiß, wie sie dem Kühlschrank mitteilt, dass er per Twitter eine Bestellung beim Lebensmittelversand auslösen soll. Auch Lehrer sind zunehmend disruptiert, wenn sie mit neuer Technik wie Smartboards konfrontiert werden. Angel Merkel empfahl, dass doch einfach die Schüler ihre Lehrer einweisen sollten und dann zum eigentlichen Unterricht wieder die Rollen getauscht werden. So machen Digital Natives ihre Lehrer zu Digital Immigrants.
Überhaupt müssten laut der Kanzlerin viele Begriffe neu definiert werden. "Was ist ein Auto", kann zukünftig ganz anders beantwortet werden als noch vor zehn Jahren. Wobei wir wieder bei der Ausgangsfrage von Michael Fuchs wären: "Was ist eine Dampfmaschine"?
Autor: Matthias Baumann