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Samstag, 26. Oktober 2019

Gardeball 2019 mit Gänsehaut und brennendem Karabiner

19 Uhr: Das Gelände der Julius-Leber-Kaserne war sparsam beleuchtet. Wir fuhren bis ans Ende des Geländes - zum Tagungszentrum - einem Flachbau mit diversen Nebenräumen, einem Atrium und einem ausgebauten Keller. Hier wurde 2017 Joachim Gauck empfangen, als er seinen Abschiedsbesuch beim Wachbataillon absolvierte. Er hatte ein gutes Verhältnis zu seiner "Garde" und signierte damals sogar eine Kugel, die ihm kurz zuvor als alljährliche Mutprobe vom Weihnachtsbaum gestohlen worden war.

Der Gardeball ist - wie das Schrippenfest - ein interner Anlass, sich selbst zu feiern. So sollte auch ich diesmal keine Kamera mitbringen und stattdessen ohne beruflichen Druck in die gute Stimmung eintauchen. Für gute Stimmung war gesorgt: Es begann bereits mit dem Fackelspalier vor dem Haus. Im Haus warteten ein roter Teppich, der Kommandeur, Oberstleutnant Kai Beinke, Begrüßungsgetränke, erste Smalltalks und ein Fotoshooting auf dem roten Podest - dem Podest, auf dem sonst nur Präsidenten, Monarchen, Premierminister oder Generale stehen. Das Fotoshooting kam so gut an, dass am Ende sämtliche Kamera-Akkus leer waren.

Wachbataillon Gardeball 2019 Karabiner 98k
Gardeball 2019 des Wachbataillons im ehemaligen Offizierkasino der Julius-Leber-Kaserne - Drillteam mit brennendem Karabiner 98k; links im Hintergrund die beleuchteten Karabiner zum Empfang zukünftiger Staatsgäste aus der 4. Dimension (Weltraum); Foto: Bundeswehr / Zeichenstelle WachBtlBMVg
Kein Ball ohne Tischordnung. Die in Weiß gekleidete Ordonanz hatte alles feierlich eingedeckt und Namensschilder aufgestellt. Der Platz an Tisch 2 verschaffte uns einen sehr guten Überblick. Viele bekannte Gesichter durch sämtliche Dienstgrade - einige davon inzwischen YouTube-Stars. Der Saal war voll. An unserem Tisch saßen Sara Dähn und Thomas Blaeschke von Voice over Piano. Bei der Botschafter-Akkreditierung am Vortag hatte mir Kai Beinke verraten, dass er einst bei der durch Sara Dähn gesungenen Nationalhymne Gänsehaut bekommen habe. Nach dem Auftritt des Duos konnten die Gäste das nachempfinden.

Die musikalische Unterfütterung des Drillteams ist in den Sozialen Netzwerken sehr umstritten. Da gibt es die Befürworter der reinen Marschmusik und es gibt die Freunde von Techno. Das Drillteam bedient in letzter Zeit eher die Liebhaber moderner Klänge. Diesmal gab es jedoch noch weitere Highlights - im wahrsten Sinne des Wortes. Während zunächst die Gewehre in der üblichen Form durch den Saal gewirbelt worden waren, wurden Leuchtstreifen in Grün und Blau an den Karabinern eingeschaltet. Eine Hommage an die 4. Dimension: Weltraum. Es fehlten nur noch die markanten Summgeräusche, die die "Kraft des Saftes" hätten freisetzen können.

Beim letzten Teil der Vorführung hätte Meister Joda vermutlich verzückt ausgerufen: "Einen brennenden Karabiner du hast." Zwischen den Lasergewehren tauchte plötzlich ein oben und unten zur Fackel umfunktionierter Karabiner 98k auf. Für den Laien eine absolut professionelle und fehlerfreie Vorführung. Nur einem der Kompaniechefs war das nicht perfekt genug. Wie schwer das doch ist, mal eine Note 1 beim Wachbataillon zu bekommen. Gestern Abend war das aber egal! Kai Beinke bedankte sich bei jedem Einzelnen.

Besonders hervorzuheben sei noch das üppig gefüllte und sehr leckere Buffet. Wohl der Kaserne, die einen fähigen Koch hat. Essen, reden, tanzen, vernetzen, fotografieren lassen, beobachtend die Party auf sich wirken lassen, wieder essen, Cocktails probieren, Hände schütteln, Schulter klopfen und einfach den Abend genießen. Gegen Mitternacht verteilten sich die Gäste vor die Tür zum Rauchen und in den Disco-Keller. Betagtere Gäste seilten sich so langsam ab. Neben Militärattachés waren auch Angehörige von Partnergarden, pensionierte Gardekameraden, Familienangehörige aktiver Wachbataillon-Soldaten, befreundete Offiziere und einige zivile Unterstützer dabei gewesen.

Das Wachbataillon ist nun schon fast 25 Jahre in Berlin und wird diese Zeitmarke wohl beim Gardeball 2020 feiern.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 15. Oktober 2019

Eine Woche Oberleutnant - InfoDVag bei der Streitkräftebasis

"Herr Oberleutnant!" Oh, damit war ja ich gemeint. Neben mir saß ein Oberstleutnant, also der mit ST vor dem Leutnant und Laub unter den zwei Sternen. "Sind Sie Reservist? Ich frage nur, weil ich noch nie jemanden gesehen habe, der in dieser Art sein Barett trägt." Es gab da wohl eine Einweisungslücke zum Aufsetzen des Baretts. Erst zwei Tage zuvor war unsere Gruppe von 16 Männern und sieben Frauen vom Kampfstiefel bis zum Gefechtshelm eingekleidet worden. Das waren die 23 Teilnehmer der 23. Dienstlichen Veranstaltung zur Information in der Streitkräftebasis (InfoDVag SKB).

InfoDVag SKB LogSBw Garlstedt Flecktarn Uniform
23. InfoDVag der Streitkräftebasis (SKB) an der Logistikschule der Bundeswehr (LogSBw) in Garlstedt - Kompletteinkleidung vom Kampfstiefel bis zum Gefechtshelm
Der Insider spricht die Abkürzung als "Info-De-Fack" aus. Die Veranstaltung ist dafür gedacht, dass Outsider auch mal Insider sein dürfen und danach möglichst überall von ihren Erfahrungen berichten. Dafür schlüpfen für eine Woche Multiplikatoren aus Politik und Wirtschaft in die Rolle eines Soldaten und bekommen für diesen Zeitraum den Dienstgrad des Oberleutnants. Ein Oberleutnant hat zwei silberne Sterne ohne Laub auf der Schulter. Wahlweise kann man sich auch zum Oberleutnant zur See machen lassen und trägt dann zwei goldene Balken auf der Schulter. Das ist zwar dekorativ, aber zwangsweise mit einem blauen Schiffchen auf dem Kopf verbunden.

Das Programm dieser sieben Tage war so gestaltet, dass wir im Zeitraffer von der Ankunft bis zur Auskleidung sämtliche Stationen einer Soldatenkarriere miterleben konnten. Nachdem wir unsere Uniformen empfangen hatten, ging es zum Gelöbnisunterricht beim katholischen Seelsorger der Logistikschule (LogSBw). Er erzählte uns viel über die Militärseelsorge und bereitete uns auf den anschließenden Gelöbnisgottesdienst vor. An diesem nahmen auch der Schulkommandeur, Brigadegeneral Denk, und dessen Chef, Generalmajor Thomas, teil. Der durchaus talentierte Chor war aus Zivilisten der Umgebung rekrutiert worden.

InfoDVag SKB LogSBw Garlstedt Gelöbnis
23. InfoDVag der Streitkräftebasis (SKB) an der Logistikschule der Bundeswehr (LogSBw) in Garlstedt - Feierliches Gelöbnis und Beförderung zum Oberleutnant auf Gut Sandbeck - Foto: Logistikschule der Bundeswehr / Reiter
Der Ort des Gelöbnisses bot eine geniale Kulisse für Videoaufnahmen: kleiner Platz, großes Fachwerkhaus, illuminierte Bäume und Fackelschein. Zur Instrumentalbegleitung war das Marinemusikkorps Kiel angereist und es gab sogar eine Ehrenformation mit Truppenfahne und G36. Ein erheblicher Aufwand für 23 Zivilisten, die sich nur mal eine Woche informieren wollten. Die ungewohnte Haltung beim "Rührt euch!" ließ so manche Schulter der durchschnittlich 50-Jährigen schmerzen. Man hoffte auf ein baldiges Ende der Reden und eine Kurzversion der gespielten Märsche. Des Großen Kurfürsten Reitermarsch wurde zur muskulären Qual. Ich dachte an die Rekruten, die bei Gelöbnissen in Scharen umkippen. Nun stand ich selbst hier und ersehnte das "Still gestanden!" Wir bekamen eine Urkunde und die Schulterklappen - Schlag auf die Schulter, mehrere Handschläge und fertig war das Gelöbnis.

InfoDVag SKB LogSBw Garlstedt Hindernisbahn Holzwand
23. InfoDVag der Streitkräftebasis (SKB) an der Logistikschule der Bundeswehr (LogSBw) in Garlstedt - Überwinden der Holzwand auf der Hindernisbahn - Foto: Logistikschule der Bundeswehr / Reiter
Gleich am nächsten Tag stand die Hindernisbahn auf dem Programm. Die Betreuer waren so um die 20 und mussten sich das Lachen verkneifen, als sie unseren betagten Haufen anmarschieren sahen. Zunächst wurden wir an den einzelnen Hindernissen eingewiesen. Zwei Soldaten machten die Übung vor. Das sah schon recht entspannt aus. Dann sollten wir als Acht-Personen-Team auf Zeit die Bahn überwinden. Bis auf die Holzwand (Eskaladierwand) war das auch für uns gut machbar. An der Holzwand halfen wir uns gegenseitig, so dass es alle schafften. Das Teamergebnis lag bei etwas über fünf Minuten. Einer der Betreuer war allerdings traurig: Hatte er doch gerade einen Kasten Bier verloren, weil es alle über die Wand geschafft hatten.

An diesem Tag gab es weitere Stationen: Orientierung mit Nachtsichtgerät im finsteren Keller und das Selbstfahren eines großen Actros-LKWs. Während jeweils zwei Actros unterwegs waren, fuhren die anderen Teammitglieder mit einem Fahrschul-Leopard durch die Landschaft oder wühlten sich mit Dingo und Eagle durch den Schlamm. Die Tür des Dingo und deren Fensterscheibe ist stark gepanzert und wiegt weit über 100 kg. Dadurch entfällt im Dingo die Kindersicherung.

Der nächste Härtetest stand uns am Folgetag bevor: Antreten um 5:45 Uhr. Wir sollten für zwei Tage zur ILÜ 2019 in den Großraum Celle "verlegen". Die Informationslehrübung - kurz ILÜ - stellt mit erheblichem Aufwand beispielhafte Lagebilder und Fähigkeiten der Streitkräfte dar. Teilweise müssen die beteiligten Soldaten knapp 30 Mal die gleichen Szenen spielen, damit sich die insgesamt 5.000 Besucher ein Bild davon machen können. In unserem Durchlauf war der neue Generalstabslehrgang dabei. Ständig liefen uns Jörg Vollmer (Inspekteur des Heeres) und Ullrich Spannuth (Kommandeur VJTF 2019) über den Weg. Da wir als Insider galten und zwei Tage zur Verfügung hatten, konnten wir auf der ILÜ auch Stationen sehen, die an dem einen Presse-/VIP-Tag ausgelassen wurden.

InfoDVag SKB LogSBw Garlstedt ILÜ 2019 LandOp
23. InfoDVag der Streitkräftebasis (SKB) an der Logistikschule der Bundeswehr (LogSBw) in Garlstedt - Zweitägiger Ausflug zur ILÜ 2019 LandOp mit diversen Stationen inklusive des abschließenden Gefechtsschießens sowie einem längeren Gespräch mit dem Inspekteur der Streitkräftebasis, Generalleutnant Martin Schelleis
Zwischenzeitlich hatte ich mich in die Geheimnisse des Barett-Aufsetzens einweisen lassen. So sah ich die Gelegenheit gekommen, das Fachwissen aus dem Wachbataillon in Anwendung zu bringen: Als wir am großen ILÜ-Festzelt vorbeikamen, standen zwei Gefreite am Eingang. Diese erkennt man an den vielen Strichen auf der Schulter. Als Oberleutnant waren sie mir unterstellt - zumindest vom Dienstgrad her. Da sie wie ein Spalier dort standen, befahl ich ihnen: "Ehrenspalier Stü!" Hm, keine Reaktion. "Wieso reagieren Sie nicht?" - "Wir sollen doch nicht darauf reagieren." - "Ach so, na gut, egal." Ihre Kinnladen fielen nach unten und ich folgte schnell meiner Gruppe zur Unterkunft.

Auch in Haus 24 eine neue Erfahrung soldatischen Lebensalltags: Acht-Personen-Zimmer mit Doppelstockbetten. Zunächst waren wir mit der Aufteilung des Raumes und der Zuordnung der Schränke - pardon Spinde - überfordert, konnten dann aber anhand unserer Gewichtsklassen Entscheidungen für oben und unten treffen. Dank der Infos aus einer Festschrift des Wachbataillons hatte ich eine große Mehrfachsteckdose mitgebracht. So konnte die Versorgung sämtlicher Handys sichergestellt werden. Übrigens war das gar kein Zimmer, sondern eine Stube.

InfoDVag SKB LogSBw Garlstedt G36 Treffer
23. InfoDVag der Streitkräftebasis (SKB) an der Logistikschule der Bundeswehr (LogSBw) in Garlstedt - Zählen und anschließendes Abkleben der G36-Treffer auf 100 Meter Entfernung - Foto: Logistikschule der Bundeswehr / Reiter
Vor der InfoDVag hatte ich mich gefragt, wie wohl das Zusammenspiel von 100% Alpha-Tieren unter Bundeswehrbedingungen laufen werde. Ich war positiv überrascht. Die Multiplikatoren, die im zivilen Berufsleben selbst ihre Ziele definieren und permanent Entscheidungen treffen, gaben sich hier völlig in die Situation hinein: "Es soll regnen. Zieht ihr die Regenklamotten an?" - "Nein, es wurde noch nichts befohlen." Ein Teilnehmer bemerkte, dass das wie Urlaub sei. Man müsse sich um nichts kümmern, man bekomme immer sein Essen und es werde gesagt, was man anzuziehen und in den Rucksack zu packen habe. Die Wege zur Kantine wurden geführt mit "Rechtsschwenk" und "Linksschwenk". Ab und zu wurde auf die Kopfbedeckung verwiesen: draußen immer auf und drinnen immer ab - immer! Eine Regel, die in Eigenverantwortung zu befolgen war.

Die Kameradschaft innerhalb unserer InfoDVag-Gruppe war genial. Es galt das allgemeine Du und man half sich bei sämtlichen Gelegenheiten gegenseitig. In der Acht-Bett-Stube wurde das besonders deutlich, als die später erscheinenden Kameraden leise und im Dunkeln ihre Betten bezogen oder im Dunkeln ihr persönliches Morgenprogramm absolvierten. Rücksichtnahme und Hilfe waren bemerkenswert großgeschrieben.

Auch der Inspekteur der Streitkräftebasis, Generalleutnant Martin Schelleis, baute einen guten Draht zu uns auf. Wir hatten einen sehr offenen und angenehmen Dialog, so dass wir letztlich etwa eineinhalb Stunden bei Kaffee und Keksen mit ihm im Zelt saßen. Er kam deswegen sogar eine halbe Stunde zu spät zu seiner anschließenden Kommandeurstagung. Der Inspekteur zeigte sich dort begeistert vom Interesse unserer InfoDVag-Gruppe.

InfoDVag SKB LogSBw Garlstedt Pistole P8
23. InfoDVag der Streitkräftebasis (SKB) an der Logistikschule der Bundeswehr (LogSBw) in Garlstedt - Einweisung und scharfer Schuss mit der Pistole P8 - Foto: Logistikschule der Bundeswehr / Reiter
Um mit einigen cineastischen Mythen aufzuräumen, gab es am letzten vollen Tag eine Schießausbildung am Sturmgewehr G36 und der Pistole P8. Allen Pressemeldungen zum Trotz zeigte der Selbsttest, dass das G36 eine sehr leicht und problemlos bedienbare Waffe ist. Mit zehn Patronen sollten wir sitzend auf 100 Meter Entfernung eine Zielscheibe treffen. Gleich beim ersten Versuch konnte ich 94 von 100 Punkten erzielen. Die acht weiteren Löcher in meiner Zielscheibe waren wohl von meinen beiden Nachbarn, die diese Löcher vergeblich auf ihren Scheiben suchten. Die P8 ist deutlich komplizierter als das G36 und wirkt extrem schwer. Es ist also eher unwahrscheinlich, dass die zierliche Person im Film eine P8 aus der Handtasche zieht, sofort den Druckpunkt ermittelt und gleich beim ersten wild in die Gegend geballerten Schuss auch trifft. Mein linker Zeigefinger hatte gar nicht die Kraft, den Abzug zu betätigen. Beidhändig und mit rechts ging das aber nach diversen Durchläufen ganz gut.

Ein opulenter Grillabend leitete das Ende dieser spannenden Woche ein. Am Abreisetag gab es nur noch Vorträge und die komplexe Auskleidung. Bis auf die Unterhose mussten wir alles ablegen und in die ungewohnte Zivilkleidung schlüpfen. Was sollten wir nur bei dem Nieselregen anziehen? Wir waren wieder auf uns selbst gestellt und mussten eigene Entscheidungen treffen. Wenigstens für das Essen war gesorgt. Bepackt mit einem Lunchpaket und vielen Eindrücken ging es nach Hause.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 14. Oktober 2019

ILÜ 2019 Informationslehrübung mit Fokus auf Landes- und Bündnisverteidigung

Die Informationslehrübung im Großraum Celle - kurz ILÜ - ist eine aufwendig gestaltete Lehrveranstaltung für militärische Führungskräfte. Mit Auf- und Abbau nimmt die ILÜ etwa zwei Monate in Anspruch. In den letzten beiden Wochen finden die begehrten Vorführungen statt. In Staffeln reisen dann bis zu 15 Busse mit Angehörigen der Zielgruppe über das weitläufige Übungsgelände. Etwa 5.000 Besucher werden in dieser Zeit durch die Stationen geschleust. VIPs und Medienvertreter erscheinen zum Schluss, da diese eine Sekundärzielgruppe darstellen, die jedoch wegen ihrer multiplikativen Wirkung einen reibungslosen Ablauf sehen sollen. Die Darsteller selbst führen ihren Part bis zu 30 Mal vor.

ILÜ 2019 #ILÜ2019 InfoDVag SKB CIR
23. InfoDVag des SKB bei der ILÜ 2019 LandOp - Die 5. Dimension CIR Cyber-Informationsraum präsentierte sich diesmal in einem Kuppelzelt.
Unsere 23-köpfige InfoDVag-Gruppe hatte ein üppiges Zeitbudget von zwei Tagen. Dadurch konnten wir auch Stationen sehen, die dem gemeinen VIP oder Medienvertreter verborgen bleiben. Quellen berichten, dass das Medieninteresse gegenüber der ILÜ 2018 deutlich nachgelassen habe. Letzteres ist symptomatisch für die Berichterstattung über sicherheitspolitische Themen. Dabei konnte die ILÜ 2019 für wichtige Entwicklungen sensibilisieren. Was bereits bei verschiedenen Konferenzen wie der MSC angeklungen war, wurde auch auf der ILÜ klar kommuniziert: Es geht um Landes- und Bündnisverteidigung.

ILÜ 2019 #ILÜ2019 InfoDVag SKB Logistik RSOM Staging Area
23. InfoDVag des SKB bei der ILÜ 2019 LandOp - Logistik bei jedem Wetter: Vorführung des Aufbaus und Betriebes einer Staging Area inklusive Erläuterung des RSOM-Prozesses. RSOM bedeutet Reception Staging Onward Movement und bezeichnet bei der NATO den sich ständig wiederholenden Prozess zwischen Abreise aus dem Heimatland bis zum Einsatz am Zielort.
Damit rückt die Gefahr näher an uns heran. Die ILÜ stellt die komplexen Abläufe bei einer Konfliktsituation zunächst in Teilstationen vor und führt diese dann im finalen Gefechtsschießen verbundener Kräfte zusammen. Ein Zahnrad greift in das andere. Es beginnt mit den logistischen Voraussetzungen für den Einsatz: Transport der Gerätschaften, Bau einer Staging Area im Hinterland, Anlegen vorgelagerter Versorgungsstützpunkte und Einrichtung von mobilen Rettungsstationen. Letztere waren diesmal besonders präsent. Die Patienten wurden sehr realitätsnah geschminkt und verarztet. Es wurden sogar MASCAL-Szenarien dargestellt. MASCAL ist die Situation, in der mehr Patienten als Kapazitäten vorhanden sind. Die Notaufnahme muss dann sehr schnelle Entscheidungen treffen, die über Leben und Tod der Verletzten entscheiden.

ILÜ 2019 #ILÜ2019 InfoDVag SKB Sanitätsdienst
23. InfoDVag des SKB bei der ILÜ 2019 LandOp - Ein großer Fokus der ILÜ 2019 wurde auf den Transport und die Versorgung von Verwundeten gelegt.
Es wurde deutlich, dass Kampf und Verwundung eine Einheit bilden. Während kämpfende Truppen im Rampenlicht stehen, könnten sie ohne die nachgelagerten Unterstützungs- und Versorgungskräfte nichts ausrichten. Es müssen Munition, Lebensmittel, Medikamente nachgeführt werden. Es muss Instandsetzungspunkte für defekte Geräte geben und der Verwundetentransport aus dem Gefechtsfeld muss gesichert sein. Wer sich heute freiwillig für den infanteristischen Dienst verpflichtet, weiß spätestens nach dieser ILÜ um die eigene gesundheitliche Gefährdung. Deshalb Respekt für die Soldaten, die diesen Job übernehmen.

ILÜ 2019 #ILÜ2019 InfoDVag SKB Gefechtsschießen
23. InfoDVag des SKB bei der ILÜ 2019 LandOp - Highligt der ILÜ ist das Gefechtsschießen, in dem alle vorher gezeigten Einzelkomponenten zum Einsatz kommen. Das Gefechtsschießen mit nahezu ununterbrochenem scharfen Schuss dauert etwa 90 Minuten und zeigt zunächst die Verzögerung des Feindes und anschließend den eigenen Angriff.
Die ILÜ 2019 LandOp (Landoperation) zeigte aber auch, dass die Ausstattung mit Material vorangeht. So waren erstaunlich viele Schützenpanzer Puma zu sehen. Wie das G36 sieht sich auch der Puma dem Spott der ansonsten desinteressierten Presse ausgesetzt. Ob die Gefahr der Landes- und Bündnisverteidigung in einen heißen Konflikt mündet, hängt vom cleveren Agieren und Reagieren der militärischen und politischen Entscheidungsträger ab. Momentan befinden wir uns in einer ähnlichen Situation wie zu Zeiten des Kalten Krieges: Aufrüstung und Abschreckung.

Videos:
Playlist mit thematisch zusammengestellten Videos zur ILÜ

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 26. September 2019

Admiral Manfred Nielson mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet

Manfred Nielson war einer von fünf Marineangehörigen in der Geschichte der Bundeswehr, die überhaupt in den Genuss kamen, zum Admiral befördert worden zu sein. Normalerweise endet die Karriere spätestens beim Vizeadmiral. Die nächste Stufe = Admiral wurde dadurch ermöglicht, dass er 2016 als Deputy Supreme Allied Commander Transformation (ACT) der NATO in Norfolk (USA) eingesetzt wurde. Das ist ein Posten für 4-Sterne-Generale oder eben die damit vergleichbaren Admirale.

Admiral Nielson ist 64 Jahre alt und trat bereits mit 18 in die Bundeswehr ein. Seine maritime Verwendung beschäftigte sich hauptsächlich mit Minensuche und Unterwasserwaffen. Zwischendurch studierte er drei Jahre in Hamburg und schloss diesen Lebensabschnitt als Diplom-Kaufmann ab.

1985 gab es ein kurzes Intermezzo am BMVg, das ihn im Folgejahr zum Admiralslehrgang an die Führungsakademie in Hamburg katapultierte. Anschließend war er Korvettenkapitän, was mit einem Major vergleichbar ist. Zwischen 1988 und 2002 gab es ein reges Hin und Her zwischen Minensuche und BMVg. Dabei schaukelte sich sein Dienstgrad bis zum Kapitän zur See hoch. Das ist vergleichbar mit einem Oberst, also eine Stufe vor Brigadegeneral beziehungsweise Flottillenadmiral.

Admiral Manfred Nielson DSACT ACT NATO Großer Zapfenstreich
Großer Zapfenstreich für Admiral Manfred Nielson DSACT (Deputy Supreme Allied Commander Transformation) - Ausmarsch der Formation des Großen Zapfenstreiches - vorne auf dem Podest Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK), in der Mitte Admiral Manfred Nielson und rechts Generalinspekteur Eberhard Zorn
Als Leiter der Marineschule Mürwik (ab 2002) wurde Manfred Nielson relativ schnell zum Flottillenadmiral ernannt (2003). Kaum war er Flottillenadmiral, wurde er als Commander am Horn von Afrika eingesetzt. 2005 ging es dann mal wieder zurück ans BMVg. Drei Jahre später wurde er dann endlich in den wohlklingenden Dienstgrad eines Konteradmirals gehoben und arbeitete weiter im Verteidigungsministerium. Hätte er dort nicht die Abteilungen gewechselt, hätte man hier schon fast von Kontinuität sprechen können.

Bereits 2010 wurde er zum Generalleutnant - pardon - Vizeadmiral befördert, dem typischen Ende einer goldverzierten Karriere. Der Laie erkennt einen Vizeadmiral an einem sehr dicken und zwei dünnen Streifen am Ärmel. Flottillen- und Konteradmirale sind anhand der Streifen deutlich schwerer voneinander zu unterscheiden. Als Vizeadmiral war Manfred Nielson Befehlshaber der Flotte, Kommandeur der Streitkräftebasis und Leiter in besonderen Projektverwendungen des BMVg. Dass er 2016 zur NATO nach Norfolk ging, wurde bereits erwähnt.

Erwähnt wurde allerdings noch nicht, dass er heute einen Großen Zapfenstreich zur Verabschiedung in den Ruhestand bekam. Manfred Nielson weist die üblichen privaten Eckdaten eines Bundeswehroffiziers auf: verheiratet und zwei Kinder. Ein Spiegel der Persönlichkeit ist auch die Stückauswahl zur Serenade. Manfred Nielson hatte sich Folgendes gewünscht:

1) Fire in your heart (SE ILDEN LYSE) - Svein Gundersen, Arr.: Eilertsen/Eljas
2) America, the beautiful - Samuel Augustus Ward
3) Anchors aweigh - H. Miles/A. Zimmermann, Arr.: Paul Yoder

Video:
Großer Zapfenstreich für Admiral Manfred Nielson

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 25. September 2019

DIE REKRUTINNEN werben multimedial für Nachwuchs

Auch bei der Wahl des Titels für ihre neue 63-teilige Serie auf "Bundeswehr Exclusive" zeigt sich die Bundeswehr pragmatisch. Während der sprachlich verunsicherte Hauptstadtjournalist noch nach der aktuell korrekten Schreibweise für Rekrut*innen sucht, nutzt die Bundeswehr einfach nur Großbuchstaben für die Betitelung des Projektes: DIE REKRUTINNEN.

DIE REKRUTINNEN Bundeswehr Exclusive
DIE REKRUTINNEN auf Bundeswehr Exclusive - Vier der Protagonistinnen der neuen 63-teiligen Serie (v.l.n.r.) Lea ohne H, Melanie, Enny, Leah mit H
Schaut man sich den Kontext der 63 Folgen an, kommt ganz klar "Die RekrutInnen" als korrekte Schreibweise zum Einsatz. Da es sich um sieben Hauptdarstellerinnen und drei Hauptdarsteller handelt, wird das I bei "Innen" groß geschrieben und schließt damit Männer und Frauen ein. Die Werbeexperten der Bundeswehr setzten sogar noch einen drauf: Zur heutigen Vorschau von drei Teilen der Serie wurden T-Shirts für Männer und Frauen verteilt. Auf den Frauen-T-Shirts stand "DIE REKRUTINNEN" und auf den Männer-T-Shirts "DIE REKRUT INNEN".

Im Stauffenbergsaal des BMVg hatten sich um die 100 Jugendliche eingefunden. Diese sollten die drei Folgen ansehen und Fragen stellen. Hinzu kamen einige Pressevertreter, der Generalinspekteur, der Inspekteur der Luftwaffe, der Kompaniechef und der Spieß der RekrutInnen und vier der Protagonistinnen. Mädchen, die im Vergleich zur ersten Folge deutlich selbstbewusster, gereifter und schlanker wirkten.

DIE REKRUTINNEN Bundeswehr Exclusive
DIE REKRUTINNEN Bundeswehr Exclusive - Melanie macht ein Selfie mit Generalinspekteur Eberhard Zorn und dem Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz - Kameradschaft über alle Dienstgrade
Viele der im Video dargestellten RekrutInnen sind OffiziersanwärterInnen, die 24/7 mit der Kamera begleitet wurden. Peinlichst genau wurden sämtliche Marken weggepixelt: Mercedes, VW, Nike und sämtliche Nahrungsmittelverpackungen wie die typische Bundeswehr-Wasserpackung von Julimond in zartlila. Etwas viel Weitwinkeleinsatz, aber guter Schnitt und viele witzige Szenen, die nicht nur den Nerv der Zielgruppe treffen dürften.

Die gesamte Aktion hatte inklusive der Medienrechte sieben Millionen Euro gekostet. Gerechtfertigt wurden diese Kosten als Investition zur Nachwuchsgewinnung. Rechnet man das auf die 63 Folgen um, ergibt sich ein Betrag von über 100.000 Euro je Folge. Für 100.000 Euro bekommt man entweder einen neuen BMW 7er oder einen neuen TESLA oder ein halbes Einfamilienhaus im Umland Berlins oder 30 neue Truppenfahnen für das Wachbataillon.

DIE REKRUTINNEN werden jeweils Montag bis Donnerstag ab 17 Uhr ausgestrahlt.

Während YouTube das Leitmedium der Wahl ist, wird die Serie aber auch bei Instagram, Facebook, Snapchat und TikTok eingespeist. Was die mediale Kompetenz und Präsenz betrifft, hat die Bundeswehr weltweit gegenüber anderen Behörden die Nase vorn. Die beiden Kanäle Bundeswehr und Bundeswehr Exclusive haben insgesamt über 800.000 Abonnenten und über 300 Millionen Videozugriffe. Im Vergleich dazu liegt die Bundesregierung mit ihren 25.000 Abonnenten und knapp 5 Millionen Videozugriffen eher im Otto Normalbereich. Über das Wirtschafts-, das Innen- oder das Finanzministerium reden wir hier am besten gar nicht. Allein das BMZ scheint noch ein gewisses mediales Potenzial zu haben.

Video: 
Interview mit den Protagonistinnen und dem Generalinspekteur anlässlich der Preview der neuen Serie DIE REKRUTINNEN

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 24. September 2019

Streitkräftebasis verabschiedet Generalleutnant Peter Bohrer mit einem Großen Zapfenstreich

Peter Bohrer steht kurz vor seinem 63. Geburtstag und wurde heute im Bendlerblock mit einem Großen Zapfenstreich in den Ruhestand verabschiedet. Mit 20 Jahren war er in die Bundeswehr eingetreten und hatte dort zunächst Wirtschafts- und Organisationswissenschaften studiert. Seine Verwendungen in der Bundeswehr hatten wiederkehrende Schwerpunkte: Logistik, Luftwaffe, Leitungspositionen im BMVg.

Es muss wohl sein Hang zur Logistik gewesen sein, der ihn immer wieder zur Streitkräftebasis (SKB) brachte. Zuletzt war er dort Chef des Stabes und seit 2015 Stellvertreter des Inspekteurs der SKB. Bis auf diese jüngste Verwendung war er nie länger als drei Jahre an einer Stelle eingesetzt.

Seine Beförderungen von Leutnant bis Oberstleutnant liefen bis 1993 in einem akzeptablen Tempo. Zwischen Oberstleutnant und Brigadegeneral (ein Stern) lagen dann jedoch 14 Jahre. In der Zwischenzeit war er als Oberst für zwei Jahre Adjutant des Generalinspekteurs. Den zweiten Stern (Generalmajor) bekam er 2010 und den dritten (Generalleutnant) fünf Jahre später.

Peter Bohrer hatte nie an die Spitze gestanden. Vielleicht wollte er das auch gar nicht. Er blieb im Hintergrund und fungierte von dort als wichtiges Rad im Uhrwerk Bundeswehr. Stabsarbeit war sein Revier. Er war Gruppenleiter, Büroleiter, Chef des Stabes, stellvertretender Verteidigungsattaché, stellvertretender Regimentskommandeur, Referent im Planungsstab, Stabsabteilungsleiter und eben zu guter Letzt Stellvertreter des Inspekteurs der Streitkräftebasis.

Wie bei solchen Anlässen üblich, durfte sich Peter Bohrer drei Musikstücke wünschen. Diese betrafen seine Leidenschaft als Jagdflieger, seine Tätigkeit für die Streitkräftebasis und ein privates Thema:

1) Fliegermarsch - Hermann Dostal, Bearb.: Hermann Männecke
2) Marsch der Streitkräftebasis - Gerhard Fetzer
3) Wie vor Jahr und Tag - Reinhard Mey, Bearb.: Guido Rennert

Der Große Zapfenstreich für Peter Bohrer lief auf Inspekteursebene und war deshalb nicht presseöffentlich. Da die Ministerin das Ziel hat, die Bundeswehr stärker in die Wahrnehmung der Öffentlichkeit zu transportieren, könnte sich das zukünftig ändern.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 19. September 2019

Stechschritt und die Tradition der Bundeswehr

Der Stechschritt war ein taktisches Element historischer Gefechte.

Damals war es üblich, die Soldaten in langen Linien gegenüber ihren Gegnern aufzustellen. Die Gegner machten das auch so. Es konnten drei oder mehr Linien hintereinander stehen - vergleichbar mit der Aufstellung der Ehrenformation bei Staatsbesuchen.

Um diese Linien möglichst effizient zu bewegen, wurde der Formaldienst geübt. Er wurde geübt und geübt und geübt und geübt. Es wurde marschiert, rechts um, links um, halt. Wenn ein Teil der Linie um 90° schwenken sollte, um dem Feind in die Flanke fallen zu können, musste das mit wenigen großen Schritten machbar sein. Hier kam der Stechschritt zum Einsatz. Dieser war aber auch innerhalb der Linien notwendig. Wenn nämlich die erste Reihe mit Bajonetten und wahllos einschlagenden Kugeln getroffen war, mussten die hinteren Reihen über die verwundeten Kameraden steigen. Dazu nutzen sie ebenfalls den Stechschritt.

Napoleon ändert die Spielregeln

Mit Napoleon änderten sich die Taktiken grundlegend. Napoleon hatte keine Zeit für lange Formalübungen und seine aus der Französischen Revolution kommenden Kämpfer hatten ohnehin keine Lust darauf. Er verfügte über eine Massenarmee mit suboptimaler Drillfähigkeit. Deshalb drehte Napoleon einfach die Linie um 90° und traf fortan wie ein Pfeil auf die in der Lineartradition wartenden feindlichen Truppen. Damit spaltete er die gegnerische Linie und hatte leichtes Spiel. Er setzte sich mit dieser neuen Taktik einfach über alte Spielregeln der Kriegsführung hinweg. Dass Flexibilität eine militärische Tugend ist, sagte bereits Sun Tsu vor mehr als 2.000 Jahren. Eine komplette Regelverschiebung überforderte jedoch die auf Ordnung, Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit getrimmten Preußen. So fuhren sie eine Niederlage nach der anderen ein und befanden sich schon kurz vor dem Aus.

Für Preußen war die Welt nicht mehr berechenbar. Es musste ein komplett neues Konzept her. Es musste eine Methode sein, die das Bestehen in einer unberechenbaren Welt ermöglichte. Der extreme Druck und passende gesellschaftliche Rahmenbedingungen stellten in Preußen eine gute Basis für eine militärische Neuorientierung dar: Die Maschine Armee wurde in einen Organismus umgebaut.

Von der Maschine zum Organismus

Alte Führungsstrukturen wurden über Bord geworfen und durch völlig neue ersetzt. Spezialisten wurden nur noch in den unteren Dienstgraden ausgebildet und Offiziere sollten fortan Alles können - die Geburtsstunde des Generalisten. Letzteres ist auch heute noch der Grundgedanke hinter der ständigen Versetzung von Offizieren bei der Bundeswehr. Offiziere sollen einen breiten Überblick erhalten, sich in sämtliche Themen einarbeiten können und den kleinteiligen Rest durch die Stäbe erledigen lassen. Wenn dann ein Offizier ausfällt, gibt es die entsprechenden Strukturen, die Erfüllung der Aufgabe mit anderen Personen fortzusetzen - das Prinzip "Jeder ist ersetzbar".

Während diese Innovation in Preußen auf fruchtbaren Boden fiel, wurde sie in anderen Armeen nicht umgesetzt. Amerikaner, Russen, Franzosen und auch die ehemalige NVA hielten an den historischen Kommandostrukturen fest. Das ist insofern unpraktisch, weil beim Wegfall eines Kommandeurs das Chaos beginnt. Betrachtet man das Thema rein strukturell, so hätte ein US-Offizier sofort eine NVA-Einheit führen können, nicht jedoch eine Einheit der Bundeswehr.

Stechschritt geht ins Brauchtum

Im Zuge dieser Umstrukturierung wurde auch der Stechschritt überflüssig. Er wurde zwar ab und zu noch bei Paraden vorgeführt, hatte aber keinen taktischen Nutzen mehr. Er ging in das Brauchtum über. Gleiches geschah mit der Fangschnur oder dem Portepee. Die Fangschnur hatte einst die Mütze des Offiziers vor dem Wegfliegen bewahrt. Das Portepee hatte den Säbel fixiert, falls dieser dem Reiter aus der Hand gefallen war. Im Zeitalter von Drohnen und Atomwaffen stellen diese Schnüre jedoch nur noch Brauchtum dar.

Leistung statt Optik

Apropos Atomwaffen: Mit Ende des Zweiten Weltkriegs war nicht etwa die globale Kriegsgefahr gebannt. Ohne den Puffer Deutschland standen sich plötzlich zwei Machtblöcke an der Elbe gegenüber und Mitteleuropa wurde als "Hauptkampffeld" des Dritten Weltkriegs definiert. Der Westen wollte den Kommunismus nicht und der Osten hätte seinen Einfluss gerne weiter nach Westen ausgedehnt.

So taten sich bis 1950 mehrere ehemalige Wehrmachtsgenerale zusammen und stellten einen Plan auf, wie Westeuropa gegen den Kommunismus zu verteidigen sei. Unter dem Schirm des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer begann eine Art Pokerspiel mit den drei Westalliierten. Die Westdeutschen sollten wieder bewaffnet werden und die drohende Gefahr aus dem Osten wirksam bekämpfen können. Die Gegenleistung sollte Souveränität sein. Im "Besprechungsplan" vom 5. Januar 1950 wurden dazu die wichtigsten Grundlagen formuliert:

  • Zusage der militärischen Gleichberechtigung der Bundesrepublik im Rahmen der europäisch-atlantischen Gemeinschaft
  • Verteidigung soweit östlich wie möglich
  • in sich führungsfähige moderne Verbände bis zur Korpsstärke mit eigener taktischer Luftwaffe und Küstenvorfeld-Streitkräften
  • gleichberechtigte Einordnung in den europäisch-atlantischen Oberbefehl
  • Begnadigung der als Kriegsverbrecher verurteilten deutschen Soldaten
  • Einstellung jeder Diffamierung des deutschen Soldaten
  • Versorgung der alten Berufssoldaten
  • Aufklärungsarbeit im deutschen Volk

Das Dokument umfasst zwar nur neun Seiten und stellt auch nur die Agenda für ein späteres Meeting in größerem Kreise dar, allerdings wurde in der Folge fast alles aus diesem Papier übernommen und praktisch umgesetzt. Das Papier diskutiert und verwirft den Ansatz einer verdeckten Bewaffnung durch Polizeiaufbau oder die Stellung von Hilfstruppen für die Alliierten. Es wendet sich in Punkt 6 gegen den formaldienstlichen Ballast: "keine reaktionären Tendenzen, keine Belastung mit Tradition".

Als wenige Jahre später die Einrichtung eines Wachbataillons zum Schutz der Bundesregierung diskutiert wurde, stand kurzzeitig eine "berittene Schwadron mit Musik" auf der Agenda. Diese wurde jedoch sehr schnell "wegen der Gefahr der Lächerlichkeit" verworfen.

Die Schöpfer des Besprechungsplans - General Dr. Hans Speidel, General a.D. Hermann Foertsch und Generalleutnant a.D. Adolf Heusinger - reduzierten die Aufgaben der neuen deutschen Armee auf ihre wesentliche Verteidigungsaufgabe. Zudem setzten sie starke demokratische Akzente, die bereits die heute praktizierte Rolle des Verteidigungsministers als fachfremdes Bindeglied zum Parlament definierte. Den fachlichen Teil sollten die Staatssekretäre übernehmen. Einen Staat im Staate sollte es nicht mehr geben.



Starkes Westbündnis und eine europäische Streitkraft

Die Generale hatten aus der Vergangenheit gelernt und wollten kein Rapallo mehr. Rapallo stand sinnbildlich für eine nationalistische Ausrichtung und Bündnisse in verschiedene Richtungen. Man traf deshalb die klare Entscheidung für das Westbündnis und für eine starke europäische Gemeinschaft. Ja, es wurde 1950 sogar mehrfach von einer europäischen Armee geredet, wie sie heute in zarten Ansätzen innerhalb der EU praktiziert wird. Nationale Alleingänge wurden aus den Lehren der Geschichte heraus verworfen.

Aus diesem preußisch pragmatischen Denkprozess heraus lässt sich erklären, warum die Bundeswehr kaum noch Zeit für Formaldienst verschwendet und den Stechschritt selbst beim Wachbataillon nicht mehr praktiziert. Das Argument, dass die Bundeswehr die Tradition der Jäger aufgegriffen habe, passt hier nur bedingt. Jäger waren besonders begehrte Soldaten, weil sie durch die Jagd (von Tieren) über exzellente Geländeerfahrungen verfügten, sie sich autark bewegen konnten, ihre privaten Gewehre viel präziser als die Militärbüchsen waren und sie sogar gezielt den Gegner treffen konnten.

Uniformen und Understatement

Das klare Bekenntnis zum Westen wirkte sich dann auch auf die Uniformen aus. Im Besprechungsplan von 1950 fällt der Begriff "Uniformgleichheit". Der "demokratische Grundgedanke" soll auch die Bundeswehr durchziehen und möglichst wenige Unterschiede in der Optik der Dienstgrade erkennen lassen. Diskussionen in den sozialen Netzwerken zeigen, dass die Optik immer wieder zu entsprechenden Rückschlüssen auf die Leistungsfähigkeit verleitet: Gute Optik = hohe Leistungsfähigkeit. Dem entzieht sich die Bundeswehr konsequent und wird deshalb gerne als marionettenhaftes Abbild einer transatlantischen Streitkraft beschimpft. Da die Amerikaner erst kurz vor der Abschaffung der Linientaktik ihre Armee aufgestellt hatten, konnte der Stechschritt in deren Brauchtum keinen Fuß fassen.

Da moderne Kriegsführung mit der 5. Dimension (CIR Cyber-Informationsraum) den Kampf um die Denkstrukturen definiert, setzen einige Länder auch heute noch auf dem Prinzip Optik = Leistung auf und kaschieren mit dem Stechschritt ihre militärische Schwäche. Die Bundeswehr hat das nicht nötig und konzentriert sich auf die Sachthemen. Das Weißbuch aus 2016 und die gegenseitige Unterstellung niederländischer oder polnischer Truppen verfolgt letztlich die pragmatischen Grundlagen des Besprechungsplans von 1950. Sachlichkeit, Pragmatismus, Treue und Zuverlässigkeit sind preußische Tugenden, die durch den Wegfall von Stechschritt und Portepee nicht tangiert werden.


Diesem Artikel liegen mehrere Hintergrundgespräche zugrunde - unter anderem mit Oberstleutnant Dr. Loch, dem Herausgeber des Buches "Das Wachbataillon beim Bundesministerium der Verteidigung (1957 - 2007)". Die Ausführungen entsprechen dem neuesten Stand der militärhistorischen Forschungen.

Autor: Matthias Baumann

Samstag, 14. September 2019

5. Kompanie des Wachbataillons feiert ihren 60. Geburtstag am Schloss Charlottenburg

Bei Bataillonseinsätzen im Schloss Bellevue marschieren sie immer am Schluss, die Soldaten in Luftwaffenuniform. Erste im Staat - also Präsidenten und Monarchen - werden bei ihren Antrittsbesuchen mit allen drei Teilstreitkräften begrüßt: Heer, Marine und Luftwaffe. Zweite und Dritte im Staate - wie Premierminister oder Kanzler - werden mit nur einer Teilstreitkraft begrüßt. Seit zweieinhalb Jahren in der Regel mit Heeresuniformträgern. Sind die anderen Kompanien im Urlaub oder anderweitig verplant, muss die 5. Kompanie in Heeresuniformen schlüpfen und damit die Gäste begrüßen.

60 Jahre 5. Kompanie Wachbataillon Luftwaffe Schloss Charlottenburg
60 Jahre 5. Kompanie des Wachbataillons (Luftwaffenkompanie): Übernahme der neuen Kompanieflagge während des Feierlichen Appells vor dem Schloss Charlottenburg
Nur bei Botschafter-Akkreditierungen dürfen sie standardmäßig ihre eigene Uniformfarbe tragen. Oder wenn ein Luftwaffenkommandeur seinen Kollegen Ingo Gerhartz besucht. Oder wenn die 5. Kompanie - wie heute - ihren Geburtstag feiert. Der Aufstellungsbefehl zur Gründungstag wurde zwar am 11. September 1959 erteilt, allerdings ist es bei runden Jubiläen üblich, den folgenden Samstag zum Feiern zu nutzen.

60 Jahre 5. Kompanie Wachbataillon Luftwaffe Schloss Charlottenburg
60 Jahre 5. Kompanie des Wachbataillons (Luftwaffenkompanie): "Dienstfahrzeug WachBtl BMVg" im Innenhof von Haus 46 in der Julius-Leber-Kaserne
Die Luftwaffenkompanie war Ende 1959 mit 9 Soldaten - darunter zwei Leutnante - in Siegburg gestartet. Ihre Aufgabe war die Verteidigung des Wachbataillons gegen Angriffe aus der Luft. Sie sollten also nicht selbst fliegen, sondern den Luftraum überwachen und sichern. Dazu bekam die Kompanie entsprechende Flugabwehrkanonen, mit denen eine Feuerkraft von bis zu 1.030 Schuss pro Minute erzeugt werden konnte. Das entspricht in etwa dem, was ein modernes Maschinengewehr leistet.

60 Jahre 5. Kompanie Wachbataillon Luftwaffe Schloss Charlottenburg
60 Jahre 5. Kompanie des Wachbataillons (Luftwaffenkompanie): Feierlicher Appell vor dem Schloss Charlottenburg
Die Verwendung als Flugabwehrbatterie endete 1990. Im Februar 2000 zog die 5. Kompanie von Siegburg nach Berlin um. In Berlin baute sie intensive Patenschaften mit dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf auf. Praktisch sieht das so aus, dass die Soldaten bei der Renovierung von Kitas helfen oder andere gemeinnützige Aktionen durchführen. Die Beziehung entwickelte sich so positiv, dass im August 2003 die damalige Bezirksbürgermeisterin zum Hauptmann h.c. ernannt wurde und ein Barett mit dem typischen Fraktur-W bekam. Im Gegenzug schenkte sie der Kompanie 2004 einen Buddy-Bären in blauer Luftwaffenuniform. Ergänzend dazu sei noch die Patenschaft mit der Reservistenkameradschaft 04 Wilmersdorf zu erwähnen. Diese hatten im April 2008 eine Kompaniefahne gestiftet.

60 Jahre 5. Kompanie Wachbataillon Luftwaffe Schloss Charlottenburg
60 Jahre 5. Kompanie des Wachbataillons (Luftwaffenkompanie): "Das goldene Buch" des Bezirkes Charlottenburg-Wilmersdorf und die Kompaniemaskottchen Pit und Paul. Pit (rechts)war aus Siegburg angereist. Paul (links mit Blick nach oben) wurde gestern durch den Bataillonskommandeur, Oberstleutnant Kai Beinke, zum Stabsgefreiten befördert.
Den guten Beziehungen zum Bezirk war es auch zu verdanken, dass das Schloss Charlottenburg als Kulisse für den heutigen Feierlichen Appell genutzt werden konnte. Die 5. Kompanie trat in ihrer eigenen Uniformfarbe an. Es wurden Musikstücke gespielt. Die Ehrenformation wurde abgeschritten. Drei Reden wurden gehalten: General Standortaufgaben Andreas Henne, Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann und der ehemalige Kompaniechef Brigadegeneral Wolfgang Ohl. Nach den drei Reden wurde eine Auszeichnung verliehen.

60 Jahre 5. Kompanie Wachbataillon Luftwaffe Schloss Charlottenburg
60 Jahre 5. Kompanie des Wachbataillons (Luftwaffenkompanie): (v.l.n.r.) Brigadegeneral Wolfgang Ohl, Brigadegeneral Andreas Henne und Oberstleutnant Kai Beinke vor dem Feierlichen Appell vor Schloss Charlottenburg
Das Highlight dieses Feierlichen Appells war jedoch die Übergabe einer neuen Kompanieflagge durch die Reservistenkameradschaft 04. Was mit der alten Flagge passiert, ist noch unklar. Klar ist jedoch, dass eine Flagge keine Fahne ist. Die Fahne ist in der Regel am Stiel angenagelt und eine Flagge kann gehisst werden. Es geht hier also nicht um die Truppenfahne, sondern um die Flagge, die vor dem Gebäude 46 in der Julius-Leber-Kaserne weht. Das eigentliche Flaggenzeremoniell lief so ähnlich ab wie bei einer Kommandoübergabe oder einem Gelöbnis. Danach folgten nur noch die Nationalhymne, der Schlachtruf "Semper Talis" und der Ausmarsch der Ehrenformation.

60 Jahre 5. Kompanie Wachbataillon Luftwaffe Schloss Charlottenburg
60 Jahre 5. Kompanie des Wachbataillons (Luftwaffenkompanie): Übernahme der neuen Kompanieflagge aus den Händen der Reservistenkameradschaft 04 Wilmersdorf während des Feierlichen Appells vor dem Schloss Charlottenburg
Der gesellige Teil mit Hoffest, Jazzband und Abendveranstaltung startete um 14 Uhr in der Julius-Leber-Kaserne. Zu den Gästen zählten neben den Bezirksvertretern auch ehemalige Soldaten und Offiziere der Luftwaffenkompanie, einige Kameraden aus anderen Kompanien, Familienangehörige und Freunde des Wachbataillons - vergleichbar mit dem alljährlichen Schrippenfest.

Zu Beginn des Jahres war die 5./- (so die interne Schreibweise einer Kompanie)  eine der kleinsten Kompanien des Wachbataillons. Inzwischen konnte ein beachtlicher Nachwuchs gewonnen werden, so dass sich die 5./- nun mit der 2./- oder 3./- messen kann. Der Chef dieser Luftwaffenkompanie wurde schon 1982 von Peter Schilling besungen: Major Tom - Major Tom Nestler.

Video:
60. Jahrestag der 5. Kompanie des Wachbataillons am Schloss Charlottenburg

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 27. August 2019

Bundespräsident Steinmeier besucht die Luftwaffe in Sanitz bei der FlaRakGrp 21

Der Bundespräsident besucht die Truppe auffallend oft. Im Juni war er bei der Streitkräftebasis in Garlstedt, vor drei Wochen mit dem Präsidenten von Portugal bei der Marine an der Ostsee und heute bei der Luftwaffe in Sanitz bei Rostock. Beim Besuch der slowakischen Präsidentin in der letzten Woche ließ er sogar eine kräftige Befehlsstimme über den Vorplatz von Schloss Bellevue schallen: "Guten Morgen Soldatinnen und Soldaten!"

Bundespräsident Steinmeier Luftwaffe FlaRakGrp 21 Sanitz
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besucht die Luftwaffe beim FlaRakGrp 21 in Sanitz - Der Bundespräsident im Gespräch mit dem Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz
Die Flugabwehrraketengruppe 21 - kurz FlaRakGrp 21 - gibt es seit 1987. Zu Beginn war sie noch ein Geschwader und wurde 1993 in eine Gruppe umbenannt. Damit besteht sie nur noch aus 23 Buchstaben. Seit 2013 ist sie dem Flugabwehrraketengeschwader 1 unterstellt. Das übergeordnete Geschwader besteht aus neun Silben und 27 Buchstaben. Kein Wunder, dass bei der Bundeswehr alles abgekürzt wird.

Bundespräsident Steinmeier Luftwaffe FlaRakGrp 21 Sanitz
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besucht die Luftwaffe beim FlaRakGrp 21 in Sanitz - Getarnter Gefechtsstand
Bei der aktuellen Bedrohungslage ist die Flugabwehr ähnlich wichtig, wie der Cyber-Informationsraum (CIR). Die FlaRakGrp 21 verfügt über moderne Technik wie leichte Flugabwehr Systeme (leFlaSys) auf Basis des kleinen Waffenträgers Wiesel sowie das System PATRIOT. Letzteres besteht aus mehreren mobilen Komponenten. Hinzu kommen Luftraumüberwachungsradaranlagen (32 Buchstaben) und bewegliche Gefechtsstände.

Das alles durfte sich der Bundespräsident heute in statischen und dynamischen Vorführungen anschauen. Statische Vorführungen sind eher der langweilige Teil, weil da nichts knallt und raucht. Bei Besuchen von Spitzenpolitiker*innen gibt es normalerweise nur statische Vorführungen. Ist jedoch ein General als Primärer-VIP anwesend, sollten unbedingt Ohrstöpsel eingesetzt werden. Da die Presseabteilung der Luftwaffe weiß, was das Männerherz erfreut, gab es heute eine dynamische Vorführung des PATRIOT-Systems. Allerdings ohne den ersehnten Knall. Die Lenkflugkörper dürfen nämlich nur auf speziellen Übungsplätzen in Zypern oder den USA abgefeuert werden.

Bundespräsident Steinmeier Luftwaffe FlaRakGrp 21 Sanitz
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besucht die Luftwaffe beim FlaRakGrp 21 in Sanitz - Gespräch mit Soldaten an den Komponenten des Waffensystems PATRIOT
Frank-Walter Steinmeier ist ein Gemeinschaftstyp. Deshalb war ihm das Einmischen in die Truppe wichtig. Dazu gab es Gelegenheit beim Mittagessen auf Holzbänken unter einem Tarnnetz, bei einer längeren Gesprächsrunde über Einsatzerfahrungen und einer Gesprächsrunde mit Regionalpolitikern über das Verhältnis der Gesellschaft zur Bundeswehr. Auch in Sanitz sind Bundeswehr und Gesellschaft eng verflochten. Wegen der sehr speziellen Qualifikation der Soldaten, gibt es wenige Pendler. Viele stammen aus Berlin und haben sich inzwischen im Großraum Rostock angesiedelt. Die Berufszufriedenheit scheint am Standort Sanitz sehr hoch zu sein.

Video:

Besuch des Bundespräsidenten bei der FlaRakGrp 21 in Sanitz

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 15. August 2019

Großer Zapfenstreich für Ursula von der Leyen

Ein großes Geheimnis sollten die Stücke der Serenade beim Großen Zapfenstreich für Ursula von der Leyen sein. Doch bereits am Wochenende war die Playlist an die Provinzpresse durchgesickert und wurde veröffentlicht. Beim Gelöbnis am 20. Juli waren Termin und Ort noch unbekannt. Es wurden Hannover, die Marineschule Mürwik und das Schloss Charlottenburg diskutiert. Drei Tage später standen Termin und Ort fest: 15. August 2019 im Bendlerblock. Wie einfallslos! Dafür aber gut zu erreichen für die etwa 600 Gäste. Eingeladen waren 1.200 mit einer wohl üblichen Teilnehmerquote von 50%.

Großer Zapfenstreich für Ursula von der Leyen
Großer Zapfenstreich für Ursula von der Leyen - Frau Leutnant mit der Urkunde
Die demonstrierte Frauenquote war deutlich höher: Auf dem Podest standen zwei Frauen und der Generalinspekteur. Eine Frau Leutnant übergab die aufwendig gestaltete Urkunde. Ursula von der Leyen hatte während ihrer Amtszeit von sechs Jahren einige unpopuläre Entscheidungen getroffen und mithilfe renommierter Beraterfirmen diverse Change-Prozesse angestoßen. Deshalb hatte sie sich wohl auch als eines der Stücke während der Serenade "Wind of Change" gewünscht.

Abgesehen von internen Changes, hatte sich auch sicherheitspolitisch Einiges in der Welt getan. Der IS kam zur Entfaltung. Russland setzte die historisch übliche Verschiebung von Grenzen am Schwarzen Meer fort. Die NATO einigte sich auf ein nationales Verteidigungsbudget von 2%. Das Weißbuch zur Sicherheitspolitik musste durch die Instanzen des Bundestages gekämpft werden. Hinzu kamen Maßnahmen, die die Work-Life-Balance fördern sollten. Für Letzteres wurde die ehemalige Familienministerin oft ausgelacht und kritisiert. Ganz abgesehen davon, dass ihr allein wegen ihrer Eigenschaft als Frau jegliche Kompetenz in Sachen Bundeswehr abgesprochen wurde.

Eingebettet war "Wind of Change" in "Ave verum corpus" und die Europahymne. "Ave verum corpus" ist Latein und bedeutet in holperiger Kirchensprache "Sei gegrüßet, wahrer Leib". Der aus zwei Strophen bestehende Reim ist ein Glaubensbekenntnis der Ministerin und fasst in wenigen Worten die Geburt von Jesus Christus durch Maria sowie seinen Tod am Kreuz zusammen. Der Text spricht von der durchbohrten Seite, fließendem Blut und der Prüfung des Todes: "in mortis examine".

Großer Zapfenstreich für Ursula von der Leyen
Großer Zapfenstreich für Ursula von der Leyen - Passend zum Genre von "ave verum corpus" hier noch ein kurzer Liedtext von Martin Luther: "... Lass fahren dahin! ..."
Das ist wohl für einige Zuhörer zu blutig, so dass sie den Titel auf "Ave verum" abkürzen. "Ave verum" könnte salopp mit "Hallo Wahrheit" übersetzt werden. Wahrheit und Politik sind nicht immer deckungsgleich. Wahrheit muss man auch vertragen können oder gerne als objektives Lagebild zur Selbstoptimierung annehmen. Gerade in der Bundeswehr, wo es um Leben und Tod geht, sollte das Lagebild immer nüchtern und anhand der wahren Gegebenheiten betrachtet werden.

Dass auch die Europahymne gewünscht wurde, passt natürlich zur nächsten Position Ursula von der Leyens bei der EU. Sie ist nun ganz oben angekommen und hat keine wirklich relevanten Aufstiegsoptionen mehr. Sie könnte noch UNO-Generalsekretärin, NATO-Generalsekretärin oder Päpstin werden, falls sich die katholische Kirche im Wind of Change der Austritte zu einer entsprechenden Frauenquote durchringt. Vielleicht geht sie dann aber auch in den Ruhestand. Immerhin ist sie ja schon 60 Jahre alt, obwohl man ihr das nicht ansieht.

Videos:
Großer Zapfenstreich für Ursula von der Leyen (ohne Wind of Change)
Großer Zapfenstreich für Ursula von der Leyen (Auskoppelung Wind of Change)

Autor: Matthias Baumann

Samstag, 10. August 2019

Voller Einsatz: 3 Tage mit der 4. Kompanie des Wachbataillons in Flensburg

Das hatte schon etwas von Klassenfahrt: 3 Tage unterwegs mit 40 jungen Männern in Flecktarn und davon zweimal sieben Stunden im Bus. "Ich habe vier Paar Schuhe mit", waren die ersten Worte des Presseoffiziers, als wir uns am Parkplatz sortierten. Ich hatte nur zwei Paar mit. Überhaupt war es unklar, wie man sich auf das Wetter in Flensburg vorbereiten sollte. Ein Wetterbericht kündigte Regen an, der andere behauptete das Gegenteil. Beides traf letztlich für Flensburg zu. Das Wetter an der Förde kann von einer Minute auf die andere von wolkenlos auf Monsunregen umschalten. Die Beschleunigung des Windes von Null auf Orkan stellt jedes Elektroauto in den Schatten.

Wachbataillon 4. Kompanie Marineschule Mürwik Flensburg
4. Kompanie des Wachbataillons zur Vereidigung der Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg - Sonnenuntergang gegenüber der Marineschule Mürwik - Segelschiff auf der Förde
Deshalb wurde wohl bei der vorgelagerten Kleidungskontrolle auch der Nässeschutz kontrolliert. Kontrolliert wurden auch die geknoteten Tücher, die Gürtel, die Handschuhe und die Vollzähligkeit der Soldaten. Dann ging es los. Wir waren relativ schnell in Hamburg, brauchten aber lange, bis wir wieder draußen waren. Die Reisezeit demonstrierte sehr anschaulich, wie groß Deutschland ist - und Hamburg. Als wir in Flensburg ankamen, hatte man dort gerade auf Regen umgeschaltet. Die Karabiner wurden eingelagert und die Stuben bezogen. Dann noch ein kurzes Antreten, Infos und Feierabend. Während ich auf der Treppe zur Förde auf den Sonnenuntergang wartete, liefen Offiziersanwärter mit riesigen Pizzaschachteln an mir vorbei. Es duftete. Nach zwei Stunden waren die Schachteln leer und wurden (vermutlich) fachgerecht entsorgt.

Wachbataillon 4. Kompanie Marineschule Mürwik Flensburg
4. Kompanie des Wachbataillons zur Vereidigung der Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg - Der Spieß (vorne links) verteilt die Stubenschlüssel.
Am nächsten Tag sollte die Vorübung für die Vereidigung stattfinden. "Leben in der Lage" heißt in Flensburg, dass sich die geplanten Zeiten dem Wetter anpassen und entsprechend unbeständig sind. So einigten wir uns darauf, immer nur den nächsten Termin anzupeilen und den Rest der einzig verlässlichen Konstante zu unterwerfen: der Lageänderung.

Wachbataillon 4. Kompanie Marineschule Mürwik Flensburg
4. Kompanie des Wachbataillons zur Vereidigung der Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg - Das Wachbataillon ist pünktlich und wartet auf den Start der Vorübung zur Vereidigung. Man beachte das detail im Hintergrund (Mitte).
Während das Wachbataillon bereits "Gewehr bei Fuß" auf dem Rasen vor dem "Roten Schloss am Meer" stand, machten die Offiziersanwärter auf der Treppe ihr gestelltes Gruppenfoto. Die 4. Kompanie hatte den Vormittag schon mit Standardübungen wie Ehrenposten und Bewegungsabläufen der Ehrenformation verbracht. Auch der Gruß des Admirals war geübt worden.

Wachbataillon 4. Kompanie Marineschule Mürwik Flensburg
4. Kompanie des Wachbataillons zur Vereidigung der Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg - Weiterbildung während der langen Busfahrt
Interessant übrigens, dass die Soldaten so trainiert werden, dass sie nur auf die Befehle reagieren, die im Wortlaut korrekt sind und in der passenden Reihenfolge gesprochen werden. Wenn der Kommandierende im falschen Moment "das Gewehr" sagt oder im anderen Moment den Artikel weglässt, kann es sein, dass die Soldaten einfach in ihrer bisherigen Haltung einfrieren. Besonders peinlich ist das beim Grüßen. Wenn die Soldaten das Gewehr nicht abgesetzt haben oder breitbeinig im "Rührt euch!" stehen, grüßen sie nicht zurück. Das Gewehr muss abgestellt und die Beine im "Stillgestanden" positioniert sein. Erst dann erschallt das "Tag Herr Admiral" gegen die nächstgelegene Häuserwand.

Wachbataillon 4. Kompanie Marineschule Mürwik Flensburg
4. Kompanie des Wachbataillons zur Vereidigung der Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg - Das Wachbataillon übt Griffe und Grüße.
Als Oberleutnant zur See kannte sich mein Pressebegleiter bestens an der Marineschule Mürwik aus. Er zeigte mir die im Haus verteilten Sammlerstücke und kannte sämtliche Abkürzungen durch das Gebäude. Es müssen dennoch viele Kilometer gewesen sein, die wir in den drei Tagen zu Fuß zurückgelegt haben. Im umliegenden Park konnten wir Hasen und Rehe beobachten, sahen die Waffenkammer, den Sportplatz und den nachgebauten Hauptmast der Gorch Fock. Unterwegs trafen wir den Presseoffizier der Marineschule, dessen Name den Namen seines Chefs enthielt. Flottillenadmiral Abry und sein Presseoffizier, Fregattenkapitän Gabrys. Ein Flottillenadmiral ist vergleichbar mit einem Brigadegeneral (ein Stern) und ein Fregattenkapitän mit einem Oberstleutnant. Es dauerte etwa drei Tage und einige Fettnäpfchen, bis ich die Dienstgrade ab Bootsmann drauf hatte. Bootsmänner sind vergleichbar mit Feldwebeln.

Wachbataillon 4. Kompanie Marineschule Mürwik Flensburg
4. Kompanie des Wachbataillons zur Vereidigung der Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg - Einweisung und Training der Fahnenabordnung der Marineschule Mürwik
Apropos Bootsmänner: Die Professionalität und die didaktische Kompetenz der Bootsmänner war beeindruckend. Fehler wurden freundlich aber bestimmt korrigiert. Von einer Sekunde auf die andere konnten sie von moderater Erklärstimme auf laute Befehlsstimme umschalten. Geübt wurde so lange, bis die Abläufe sauber funktionierten. So wurde die Fahnenabordnung der Marineschule von drei Bootsmännern des Wachbataillons eingewiesen und trainiert. Immerhin sollte das am Folgetag reibungslos klappen. Dafür gingen bei der Vereidigung andere Dinge schief, die aber nicht im Verantwortungsbereich des Wachbataillons lagen.

Die Vorübung war begleitet von einem stetigen Wechsel des Wetters: pralle Sonne und Starkregen. Es brauchte zwei Durchläufe, bis alle in etwa wussten, was sie wann zu tun oder zu lassen hatten. Es wurden zudem schwarze Schnüre gespannt, um die Stellplätze der einzelnen Züge zu markieren. Gelbe Quadrate setzten die Stoppmarken für die Zugführer. Auch die Fahnenabordnung bekam ihre persönliche Markierung.

Wachbataillon 4. Kompanie Marineschule Mürwik Flensburg
4. Kompanie des Wachbataillons zur Vereidigung der Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg - Das "Rote Schloss am Meer" reflektiert den Sonnenuntergang am Abend vor dem Gelöbnis.
Für den Abend hatte sich die Marineschule ein Betreuungsprogramm für das Wachbataillon ausgedacht: Burger und Förde-Rundfahrt. Letztere wäre beinahe ins Wasser gefallen - wegen des Windes. Für den nächsten Tag war wieder 6:55 Uhr zum Antreten im Vorraum befohlen. Die Soldaten wurden namentlich auf Vollzähligkeit geprüft und dann in den Tagesablauf eingewiesen. Es war davon auszugehen, dass die Vereidigung zum festgesetzten Zeitpunkt starten werde. Vor dem Haus wurde noch einmal angetreten und eine Rasurkontrolle durchgeführt. Dann ging es zum Frühstück und anschließend in die Waffenkammer. Dort waren die Karabiner 98k eingelagert. Jeder dieser Karabiner hat unter dem Visierschieber eine Nummer. Diese ist einem bestimmten Soldaten zugewiesen. Der Soldat hat dafür auch eine Waffenkarte. Aus organisatorischen Gründen werden die Waffen erst nach dem Verlassen der Kammer untereinander getauscht. Diese Aktion könnte man auf die Gestaltung eines Kennenlernabends bei mehrtägigen Seminaren adaptieren.

Wachbataillon 4. Kompanie Marineschule Mürwik Flensburg
4. Kompanie des Wachbataillons zur Vereidigung der Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg - Warten auf die weiteren Beteiligten an der Ehrenformation
Das Wachbataillon setzte sich besonders sportliche Zeitmarken für ihr pünktliches Erscheinen. Das Heeresmusikkorps aus Hannover war in dieser Hinsicht deutlich entspannter. Dieses reiste erst am Morgen an. Zwischen Waffenempfang und Antreten am Sammelpunkt nur eine Stunde Zeit. In dieser Stunde wurden die Stiefel nachgeputzt, die Hemden gebügelt und die Nelson-Knoten zurechtgerückt. Anschließend wurden alle diese Elemente noch einmal von den Ausbildern geprüft und nachgebessert. Uhren oder Zimmerschlüssel wurden in einen zentralen Rucksack geworfen. Ausbuchtungen in den Hosen sind ein No Go. Armbanduhren können beim ständigen Greifen des Karabiners stören oder für Ermüdungserscheinungen beim langen Stehen sorgen. Fällt deswegen ein Karabiner auf den Boden, gibt es die Note 5 für den gesamten Einsatz.

Soweit es das Wachbataillon und dessen trainierte Fahnenabordnung betraf, klappte alles sehr gut bei der Vereidigung. Es war nur nicht so laut, wie im Bundeskanzleramt oder anderen Einsatzorten in Berlin. Die genagelten Stiefel stapften über den Rasen und beim "Gewehr ab" wurde der Karabiner kaum hörbar in das feuchte Gras gerammt.

Wachbataillon 4. Kompanie Marineschule Mürwik Flensburg
4. Kompanie des Wachbataillons zur Vereidigung der Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg - Das ist der Beweis: Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee mit "Burgern in Uniform".
Wie üblich waren viele zivile Zuschauer erschienen. Über das Tourismusbüro hatte man sich wohl Karten für die Vereidigung besorgen können. Entsprechend überlaufen war nach dem Event der Essenssaal. Dort hätte das Wachbataillon gemäß Plan noch ein Süppchen zur Stärkung für die Rückfahrt zu sich nehmen sollen.

Wie schon Sun Tsu sagte, ist Flexibilität eine militärische Tugend. Diese äußerte sich darin, dass die Soldaten ihre Waffen in den Bus packten, Flecktarn anzogen und auf den nächsten Rasthof an der Autobahn hofften. Diese Hoffnung wurde nach Ausreizung der Lenkzeit des Fahrers tatsächlich erfüllt. 45 Minuten hatten die Bürger in Uniform Zeit, Burger und Pommes zu verspeisen. Danach ging es weiter zur Julius-Leber-Kaserne in Berlin-Tegel. Gegen halb neun waren die Waffen, die Truppenfahne und das Gepäck ausgeräumt. Die "Klassenfahrt" war zu Ende. Die Note für den Einsatz: Eins minus.

Videos:
3 Tage mit der 4. Kompanie des Wachbataillons an der Marineschule Mürwik in Flensburg
Vorübung zur Vereidigung an der Marineschule Mürwik

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 9. August 2019

Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg vereidigt

Die Marineschule Mürwik in Flensburg gilt als eine der schönsten Liegenschaften der Bundeswehr. Sie wurde sogar kurzzeitig als Austragungsort des Großen Zapfenstreiches für Ursula von der Leyen diskutiert. Dass sie öfter für Große Zapfenstreiche genutzt wird, belegen die Berichte des Wachbataillons und die Wachsflecken auf den Stufen zur Hafenanlage. Bezüglich Bausubstanz und Zustand könnte als ziviler Vergleich das Schloss Neuschwanstein herhalten.

Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg vereidigt
Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg vereidigt - Fahnenabordnung und Gelöbnisabordnung kurz vor der Vereidigung
Das "Rote Schloss am Meer" wurde 1910 durch Kaiser Wilhelm II. eingeweiht und erlebte epochale Wandel. Bereits bei der Anfahrt zuckten die etwa 40 Soldaten des Wachbataillons zusammen, als ihnen noch einmal nahegelegt wurde, unbedingt auf den korrekten Sitz von Knöpfen, Hosen und sonstigen Uniformteilen zu achten. Man würde gerne auf die zu erwartenden stundenlangen Rechtfertigungen auf den Gängen der Schule verzichten.

Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg vereidigt
Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg vereidigt - Rotes Schloss am Meer
Wie straff die Kleiderordnung gehandhabt wird, erlebten wir aus unmittelbarer Nähe. Ein Fregattenkapitän bekam nämlich "eins auf die Mütze", weil der weiße Teil seiner Kapitänsmütze nicht straff genug aufgespannt war - ähnlich einer Kochmütze. Bei den anderen Offizieren war das weiße Oberteil - hier gibt es sicher einen Fachbegriff - so straff gespannt, dass jeden Moment ein Plopp mit anschließendem Abflug zu erwarten war. Die Legende erzählt, dass auch im Essenssaal harte Regeln bestanden hatten. So durften die Studenten erst dann aufstehen, wenn auch der Admiral aufgestanden war. Bei zeitversetztem Essen etwas praxisfremd. Das scheint inzwischen etwas entspannter zu sein. Auch außerhalb der Bundeswehr gibt es Personen, die solche harten Vorschriften mögen: zum Beispiel meine Frau.

Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg vereidigt
Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg vereidigt - Vorübung am Donnerstag in Flecktarn
Heute wurde die Crew VII/2019 vereidigt. Crew ist hier als Studienjahrgang zu verstehen. Anhand stilbrechender Mützen in der Gelöbnisaufstellung war zu erkennen, dass auch Franzosen, Polen, Afrikaner und weitere Nationalitäten an der Marineschule Mürwik studieren. Es war sogar ein Heeresoffizier mit Schirmmütze erschienen. Graue Schirmmützen müssen inzwischen selbst gekauft werden, da das Heer das Barett zum Standard erklärt hat. Der Träger meinte jedoch, dass Schirmmützen "wieder im Kommen" seien.

Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg vereidigt
Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg vereidigt - Schirmmütze des Heeres vor gestelltem Gruppenfoto mit Offiziersanwärtern der Crew VII/2019
Für die Vereidigung war die 4. Kompanie des Wachbataillons angereist. Es ist zwar unüblich, dass das Wachbataillon bei Gelöbnissen einer Teilstreitkraft auftritt, aber auf Nachfrage lässt sich das gelegentlich einrichten. Immerhin ist die kleine 4. Kompanie die Marinekompanie im Wachbataillon. Besser gesagt, sind die Soldaten dieser Kompanie Marineinfanteristen. Das ist ein wichtiges Detail, denn die "echten" Marinesoldaten reißen ihre Witze über die Marineinfanterie. Diese ist nämlich vorrangig für Sicherungsaufgaben an Land, also im Hafen, am Strand oder in Küstennähe mit Schnellbooten eingesetzt. Viele von ihnen haben in ihrer Dienstzeit noch nicht eine Seemeile zurückgelegt. Dafür aber viele Kilometer im Bus.

Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg vereidigt
Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg vereidigt - Rasurkontrolle und letzte Korrekturen an der Kleidung der 4. Kompanie des Wachbataillons
Die Vereidigung lief wie üblich ab: Einmarsch der Offiziersanwärter, Einmarsch der Truppenfahnen mit Ehrenformation, dazu Musik vom Heeresmusikkorps Hannover. Wegen der atemberaubenden Kulisse fiel es gar nicht so sehr auf, dass die Hannoveraner in Heeresuniform über den Rasen marschierten und damit den Stil der Gesamtformation brachen. Hinter der Truppenfahne des Wachbataillons wurde die Truppenfahne der Marineschule Mürwik getragen und dahinter folgte die Truppenfahne einer polnischen Partnerschule. Auch das stellte einen gewissen Stilbruch dar, weil Fahnenträger aus anderen Ländern ihre eigenen Bewegungen und Fahnenhaltungen haben. Optisch erinnerte es an die demokratischen Aufbrüche in Polen zur Zeit der Solidarność.

Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg vereidigt
Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg vereidigt - Flottillenadmiral Abry vor der Marineschule Mürwik
Die Rede des Leiters der Schule, Flottillenadmiral Abry, war eine überzeugende PR für die Schule. Er zeigte sich begeistert von der eigenen Bildungseinrichtung und motivierte die Soldaten, sich mit Tradition und Moderne zu beschäftigen. Danach hielt der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichts, Bernhard Flor, seine Rede. Zunächst erklärte er ausführlich mehrere Artikel des Grundgesetzes. Auch lernten die Zuhörer, dass die Bundeswehr deshalb eine Parlamentsarmee sei, weil das Parlament über deren Bezahlung entscheide. Neu war auch der Wunsch, den er am Ende gegenüber den zukünftigen Marineoffizieren aussprach: "Ich wünsche Ihnen die sprichwörtliche Handbreit Wasser unter dem Wasser!"

Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg vereidigt
Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg vereidigt - Welcher Dienstgrad ist das? Bestimmung der Dienstgrade ist erlernbar in drei Tagen: Das Foto zeigt einen Fregattenkapitän alias Kap'tän alias Oberstleutnant. Die Streifen sind entscheidend. Der Stern hat für die Bestimmung des Dienstgrades keine Bedeutung..
Da es sich um Offiziersanwärter und nicht um Rekruten handelte, wurde geschworen und nicht gelobt. Deshalb war das auch kein Gelöbnis, sondern eine Vereidigung. Wie wichtig die Verwendung der korrekten Begriffe ist, kann der Besucher der Marineschule in einem Selbsttest erfahren, wenn er durch die Gänge wandelt, anerkennend nickend auf die vielen Exponate an der Wand zeigt und zu einem der Herren mit gut gespannter Offiziersmütze sagt: "Das sind aber große Paddel hier."

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Vereidigung der Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg
Vorübung zur Vereidigung der Crew VII/2019 an der Marineschule Mürwik in Flensburg

Autor: Matthias Baumann