Dienstag, 26. Mai 2020

WELT-Ballon schwebt wieder über Berlin

#COVID19 hat seit Mitte März sämtliche touristische Dienstleistungen lahm gelegt. Während der Fernsehturm inzwischen wieder geöffnet hat, macht der Kollhoff Tower am Potsdamer Platz noch Pause. Unter Wahrung auffälliger Abstandsregelungen haben auch einige Restaurants wieder ihre Pforten geöffnet. Dennoch sieht man kaum Touristen auf den Straßen Berlins.

Der WELT-Ballon am Finanzministerium sollte eigentlich seit gestern seinen Flugbetrieb aufnehmen, aber das Wetter spielte nicht mit. Bis abends war ein knallrotes Symbol auf der Webseite des Air Service Berlin zu sehen: Wind. Entscheidend ist dabei der Wind in 150 Metern Höhe. Es darf keine Böen geben und die Windgeschwindigkeit muss unter 13 Metern pro Sekunde liegen.

WELT-Ballon fliegt wieder nach #COVID19
WELT-Ballon schwebt wieder über Berlin nach #COVID19-Pause - Hygienemaßnahmen für den sanften Aufstieg
Punkt zehn wurde das Symbol heute auf Grün umgeschaltet: Aufstiegswetter. Der wirtschaftliche Aufstieg wird wohl noch eine Weile auf sich warten lassen, aber ein Anfang ist gemacht. Am Mittag kaufte ich das dritte Ticket nach der Corona-Sperre. Da der Ballon feste Flugzeiten hat und für ein bis 30 Passagiere aufsteigt, konnte ich den Ausblick als einziger Passagier genießen. 15 Minuten in 150 Metern Höhe. Das Wetter war so gut, dass man sogar das Tropical Island sehen konnte. Jedenfalls zeigte der Ballon-Pilot in die entsprechende Richtung mit den Windrädern am Horizont.

Der Air Service Berlin bietet neben dem Ballon-Aufstieg auch Rundflüge mit Helikopter an. Preislich geht es bei 99 Euro los und ist nach oben offen. Eine Buchung bietet sich für romantische Ausflüge ins Umland oder Filmaufnahmen aus der Vogelperspektive an.

Noch ist nicht abzusehen, welchen wirtschaftlichen Schaden #COVID19 verursacht hat, und welche Branchen sich wieder erholen können. Als der Ballon wieder den Boden berührte, hatte er eine ermutigende Anzahl Touristen angelockt, die ihn in freudiger Erwartung zum 3. Aufstieg betraten.

Video:
Aufstieg Nummer 2 mit dem WELT-Ballon nach der #COVID19-Pause

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 15. Mai 2020

Stabsmusikkorps spielt in Berliner Seniorenheimen

"Kommt wieder, immer wieder!", trällerte eine ältere Dame und bewegte sich mit ihrem Rollator zum Hintereingang des Seniorenheims. Die Combo des Stabsmusikkorps der Bundeswehr hatte gerade eine Zugabe für die Senioren gespielt: Mein kleiner grüner Kaktus. Auch der Klassiker Berliner Luft hatte im 20-minütigen Programm nicht gefehlt.

Stabsmusikkorps Combo Auftritte Vivantes-Seniorenheime
Stabsmusikkorps spielt in Berliner Seniorenheimen - Leiter des Stabsmusikkorps, Oberstleutnant Reinhard Kiauka, im Gespräch mit einem Bewohner des Seniorenheims
Die Berliner Luft bildete auch den klimatischen Rahmen für die Veranstaltung. Wegen Conora musste alles im Garten stattfinden. Immerhin spielte die Combo hier für die Hauptrisikogruppe. Der Leiter des Stabsmusikkorps, Oberstleutnant Reinhard Kiauka, ging mit gutem Beispiel voran und sprach selbst die Ansagen durch den Mundschutz ins Mikrofon. Ansonsten hielt er sich im Hintergrund und wippte bei den Stücken seiner fünf Kameraden mit.

Die Combo des Stabsmusikkorps besteht derzeit aus fünf Musikern: Stabsfeldwebel Grasse am Sousaphon, Stabsfeldwebel Huprich an der Trompete, Hauptfeldwebel Schilling an der Klarinette, Hauptfeldwebel Schneider an der Posaune und Oberfeldwebel Henzl am Akkordeon. Letzteres sorgte für die Klangfülle und den Grundbeat, was insbesondere bei den moderneren Stücken wichtig ist.

Stabsmusikkorps Combo Auftritte Vivantes-Seniorenheime
Stabsmusikkorps spielt in Berliner Seniorenheimen - Akkordeon und Sousaphon im Garten des Seniorenheims Büschingstraße 29
Zweit Tage zuvor hatte die Combo im Probensaal der Julius-Leber-Kaserne das Programm für die Seniorenheime geübt. Fachfremde Beobachter könnten die Frage stellen: "Wozu üben die überhaupt?" Die Musiker waren schon bei der Probe so stark mit den Klängen verschmolzen, dass man den Eindruck hatte, sie spielen das im Schlaf. Sie müssten nur zum Instrument greifen und schon kommen die besten Melodien heraus. Die Probe verlief schon fast in Form einer Jam-Session.

Welche Arbeit jedoch dahinter steckt, erläuterten uns die Musiker und Reinhard Kiauka. So könne man nicht einfach die verfügbaren Instrumente aus einem Notenwerk herausnehmen und separat spielen lassen. Das klinge zuweilen schrecklich. Deshalb müssen Melodien neu geschrieben und auf die Harmonie der verfügbaren Instrumente angepasst werden. Das nennt man Arrangement. Was die Combo mit Sousaphon, Trompete, Posaune, Klarinette und Akkordeon spielt, gibt es als Notenmaterial nicht zu kaufen. Das ist selbst geschrieben. Und hier liegt die erste Einstellungshürde für ambitionierte Musiker. Wer beim Stabsmusikkorps anfangen möchte, muss die geschriebenen Noten beherrschen.

Stabsmusikkorps Combo Auftritte Vivantes-Seniorenheime
Stabsmusikkorps spielt in Berliner Seniorenheimen - Einsames Üben der Combo des Stabsmusikkorps während der Corona-Abstandsregelungen - Das Foto zeigt den Probensaal in der Julius-Leber-Kaserne und Stabsfeldwebel Steffen Grasse mit seinem Sousaphon.
Teilweise schreiben die Kameraden im Bus ihre Arrangements und oft nutzen sie auch den Computer dafür. Letzterer ersetzt weniger die Kompetenz. Er dient hauptsächlich dem Zeitfaktor. Kompliziert wird es für das Spiel, wenn sich auch noch die Tonart ändert. Dann ist höchste Konzentration gefordert.

Reinhard Kiauka bestätigte, dass viele der Märsche, die bei Staatsbesuchen und ähnlichen Anlässen zum Tragen kommen, so im Unterbewusstsein verankert sind, dass sie kaum noch geübt werden müssen und Noten schon gar nicht dafür notwendig seien. Bei den gestrigen Auftritten in den Vivantes-Seniorenheimen in der Büschingstraße und am Weidenweg waren die Notenblätter wichtig. Dreizehn mögliche Stücke standen auf der Set-Liste. Alle für die fünf Instrumente der Combo arrangiert.

Tests der Musikhochschule Freiburg haben ergeben, dass die eingesetzten Blasinstrumente - außer vielleicht der Klarinette - ziemlich ungefährlich bezüglich der Verbreitung des Virus sind. Bei Trompete, Sousaphon und Posaune wird die Luft nicht einfach durchgeblasen, sondern der Ton vorrangig mit den Lippen erzeugt. Kritisch hingegen sind Instrumente wie die Blockflöte, die in Corona-Zeiten wie das Blasrohr eines Indianers wirkt. Da weite Sicherheitsabstände eingehalten wurden, war auch der Einsatz einer Klarinette möglich.
Stabsmusikkorps Combo Auftritte Vivantes-Seniorenheime
Stabsmusikkorps spielt in Berliner Seniorenheimen - Letzte Absprachen zum Auftritt in Flecktarn
Die Soldaten der Combo spielten in Flecktarn. Das störte die Senioren nicht. Allein Thriller von Michael Jackson erregte ambivalente Reaktionen. Ansonsten zeigten sich Heimbewohner und Mitarbeiter sehr dankbar für die Abwechslung während der Corona-Isolation. Reinhard Kiauka wurde nach den Konzerten in Erzählungen über alte Zeiten verwickelt und ging mit viel Empathie auf seine Gesprächspartner ein.

Videos:
Combo des Stabsmusikkorps bei der Probe in der Julius-Leber-Kaserne
Combo des Stabsmusikkorps im Seniorenheim Büschingstraße 29
Combo des Stabsmusikkorps im Seniorenheim Weidenweg 42

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 14. Mai 2020

200 Jahre Schrippenfest - Ausfall wegen #COVID19

Die Einladung zum diesjährigen Schrippenfest war am 11. März eingetroffen. Einen Tag bevor der Dominoeffekt der Terminabsagen angestoßen wurde. Den Reigen der Absagen begann am Nachmittag des 12. März standesgemäß der Bundespräsident. Es folgte die Kanzlerin und wenige Tage später die ILA. Ein befreundetes Paar hatte das Schloss Friedrichsfelde für ihre Hochzeit im April gebucht und musste wegen Corona auf das schimmlige Standesamt Hohenschönhausen ausweichen. Die Flugreise zu unserer Silberhochzeit im Mai wurde ebenfalls storniert.

Heute hätte das Schrippenfest des Wachbataillons stattgefunden. Aber wegen Corona wurde es abgesagt. Ausgerechnet zum 200. Jubiläum.

1819 war in Potsdam ein Infanterie-Lehrbataillon gegründet worden, welches dem Ersten Garderegiment zu Fuß (EGRzF) unterstellt wurde. Das Infanterie-Lehrbataillon war Garde und Experimentiereinheit zugleich. Es sollte sich um den Schutz des Dienstherrn kümmern, aber auch neue Waffen und Taktiken ausprobieren. Was bei der Garde funktionierte, wurde dann flächendeckend in der preußischen Armee eingeführt.

Schrippenfest 2020 Wachbataillon 1. Garderegiment zu Fuß
200. Jubiläum des Schrippenfestes fällt 2020 aus. Vor dem Neuen Palais in Potsdam fand 1820 das erste Schrippenfest des Infanterie-Lehrbataillons unter Schirmherrschaft von Friedrich Wilhelm III. statt. Das Infanterie-Lehrbataillon war Teil des 1. Garderegiments zu Fuß.
1820 - also vor 200 Jahren - fand das erste Schrippenfest statt. Das Schrippenfest hatte mehrere soziale Zielsetzungen: Das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Truppe sollte gestärkt werden. Die Soldaten und deren Familien sollten sich mal richtig satt essen und auch die Kinder des Potsdamer Militärwaisenhauses waren an diesem Tag gern gesehene Gäste. Letzteres hatte auch strategische Gründe: Die Waisenkinder bildeten ab einem bestimmten Alter den Nachwuchs.

Wegen der Aufgabenstellung des Lehrbataillons war die Anwesenheit des Königs wichtig. Wenn er keine Zeit hatte, fand das Schrippenfest nicht statt. Weil das gesamte Lehrbataillon feiern sollte, stellte das EGRzF die Bewachung der Communs, der Kaserne des Lehrbataillons. Das erste Schrippenfest fand am 2. Mai 1820 statt, dem Groß-Görschen-Tag. In den folgenden Jahren wurde es immer am ersten Pfingstwochenende gefeiert und entwickelte sich zu einem Potsdamer Volksfest.

Das Schrippenfest heißt Schrippenfest, weil neben 1 Quart Erbsensuppe, ¼ Pfund Speck, ¾ Quart dicken Milchreis, ½ Pfund Schmorfleisch, 1 Quart Bier, 1/8 Schnaps und 1 Pfund Weißbrot in Form einer Riesenschrippe von der Hof-Bäckerei Rabie gereicht wurde. Eine Schrippe ist das, was außerhalb Berlins als Brötchen bekannt ist.

In den folgenden 140 Jahren gab es einige historische Umbrüche mit Umgliederung, Umbenennung, Zerschlagung und Neuaufstellung dieser Spezialeinheit, so dass mit der Zeit auch das Schrippenfest in Vergessenheit geriet. Nach Aufstellung des Wachbataillons 1957 in Siegburg wurde ein Gartenfest eingeführt. Mit Umzug des Bataillons nach Berlin sollte das Gartenfest mitgenommen werden. Nur, dass es in der Julius-Leber-Kaserne eher Wald und Wiese, statt eines Gartens gibt. Zudem sollte das Gartenfest in Berlin auf einem Parkplatz stattfinden. Parkplatzfest? Wie langweilig! Ernst Schüßling, der heutige Geschäftsführer des von Rohdich'schen Legatenfonds, kramte auf Geheiß des damaligen Bataillons-Kommandeurs Peter Utsch in der Historie und stieß auf das Schrippenfest.

So wurde 2002 endlich wieder ein Schrippenfest in der wahren Heimat der Schrippe veranstaltet. Kommandeur Kai Beinke hat auch heute noch das Ziel, die Verbundenheit in der Truppe zu fördern und "nach 364 Tagen Strammstehen", auch mal einen Tag selbst mit den Soldaten zu feiern. Schrippenfeste sind ein geeigneter Anlass für Beförderungen oder Auszeichnungen. Unter den externen Gästen finden sich Regionalpolitiker, Unterstützer des Wachbataillons, Ehemalige sowie diplomatische und ministerielle Bezugspersonen.

Das heutige Wachbataillon ist keine Experimentiereinheit mehr, hat aber vergleichbare repräsentative und sichernde Aufgaben. Vier Kompanien kümmern sich vorrangig um die Durchführung der protokollarischen Aufgaben bei Staatsbesuchen, Anlässen des Diplomatischen Korps oder Gedenkfeiern. Die anderen Kompanien stehen für Sicherungsaufgaben bereit. Es ist allerdings so, dass alle Kompanien alles können müssen, insbesondere dann, wenn in der Urlaubszeit plötzlich ein Großer Zapfenstreich durchzuführen ist oder während Corona das Bundeswehrkrankenhaus gesichert werden soll.

Wer gerade ein Bier, eine Schrippe und ein Steak zur Hand hat, kann in der häuslichen Corona-Abgeschiedenheit des 200. Jahrestages des Schrippenfestes und der Soldaten des Wachbataillons gedenken, die 364 Tage im Jahr stramm stehen und heute eigentlich gefeiert hätten.

Video:
Zum 1. Schrippenfest 1820 in Potsdam

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 12. Mai 2020

Kriminalstatistik 2019 zur sexuellen Gewalt an Kindern vorgestellt

Die Täter stammen aus allen sozialen Schichten und sind zu 85% männlich. Es gibt also auch weibliche Täter. Allerdings ist deren Profil wenig erforscht, weil man Frauen solche Handlungen bislang nicht zugetraut hatte. Sie können die Taten elegant als mütterliche Fürsorge verschleiern. Täter sind ledig, verheiratet, heterosexuell oder LGBTQ-zugehörig. Es gibt kein geeignetes Raster, nach dem man eine Präventivfahndung durchführen könnte. Eines haben jedoch alle gemein: "Den Wunsch, Macht auszuüben und durch die Tat das Gefühl von Überlegenheit zu erleben."

Bundespressekonferenz: Kriminalstatistik 2019 zur sexuellen Gewalt an Kindern
Bundespressekonferenz: Kriminalstatistik 2019 zur sexuellen Gewalt an Kindern vorgestellt - Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA)
25% der Gewalt an Kindern findet im direkten familiären Umfeld statt. Weitere 50% erfolgen im sozialen Nahbereich: Verwandte, Nachbarn, Bekannte, Jugendeinrichtungen, Sportvereine, Schule. Somit entfallen 75% der Taten auf Personen, die ein Vertrauensverhältnis zu den Kindern hatten. Vorschussvertrauen oder erschlichenes Vertrauen werden von engsten Bezugspersonen zum Missbrauch benutzt. Dadurch erleiden Betroffene in der Regel einen lebenslangen Schaden in Bezug auf soziale Nähe und das Vertrauen in andere Menschen. In der gestrigen Pressekonferenz wurde explizit darauf hingewiesen, dass Fremdtäter eine Ausnahme darstellen.

Das Internet stellt dem Missbrauch neue Aktionsräume zur Verfügung. Die Tatgelegenheiten steigen, die Verbreitung visueller Tatbestände geht deutlich schneller und die Kontrollmöglichkeiten im sozialen Umfeld sinken. Zunehmend werden Chats in Online-Spielen zur Kontaktanbahnung mit Kindern genutzt. Durch die übliche Du-Ansprache wird der Unbekannte aus dem Netz schnell zum Freund. Täter und Opfer wähnen sich anonym.

Bundespressekonferenz: Kriminalstatistik 2019 zur sexuellen Gewalt an Kindern
Bundespressekonferenz: Kriminalstatistik 2019 zur sexuellen Gewalt an Kindern vorgestellt - Johannes-Wilhelm Rörig, Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs
Die Anonymität hat jedoch Grenzen. Der amerikanische Dienst NCMEC (National Center for Missing and Exploited Children) arbeitet eng mit dem Bundeskriminalamt (BKA) zusammen. 2019 gingen beim BKA 62.000 Hinweise mit Deutschlandbezug ein. BKA-Präsident Münch machte in der Pressekonferenz deutlich, dass die Verfolgung von Kindesmissbrauch Priorität habe: "Wir nehmen das Thema sehr ernst." So sei die Reaktionszeit auf Meldungen des NCMEC extrem kurz. Innerhalb weniger Stunden werde die angezeigte IP nachverfolgt und zeitnah an der Wohnungstür des mutmaßlichen Täters geklingelt.

Momentan stellen die Speicherzeiten von Verbindungsdaten eine gewisse Hürde dar. Jeder Provider habe seine eigenen Vorstellungen, wie lange die temporäre IP seiner Kunden nachvollziehbar sein solle. Wozu Verbindungsdaten speichern, wenn es nur noch Flatrates gibt? Ein weiteres Argument ist die vor zwei Jahren eingeführte DSGVO. Deshalb ist Gefahr im Verzug und das BKA muss schnell handeln. Die aktuellen Aufbewahrungszeiten liegen zwischen 24 Stunden und 7 Tagen. Deshalb können etwa 10% der auffällig gewordenen IPs nicht mehr bis zum Endpunkt verfolgt werden. Nach einem ersten Verdachtsfall können die Provider jedoch dazu verpflichtet werden, die Verbindungsdaten bis zu 10 Wochen aufzubewahren. Diese Zeit ist für die Ermittlungen ausreichend.

Bundespressekonferenz: Kriminalstatistik 2019 zur sexuellen Gewalt an Kindern
Bundespressekonferenz: Kriminalstatistik 2019 zur sexuellen Gewalt an Kindern vorgestellt - Rainer Becker, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe - Die ständige Kindervertretung e.V.
Durch die Ermittlungserfolge in Zusammenarbeit mit dem NCMEC wurde die Fallzahl deutlich nach oben korrigiert. Das sieht zwar in der Statistik nicht so gut aus, ist aber Ausdruck dessen, dass damit ein erheblicher Teil der Dunkelziffer ins Licht gezerrt wurde. Gerade wegen des vertrauensvollen Rahmens der Tatorte, der Peinlichkeit des Geschehens und der demografischen Ohnmacht der Opfer bleibt vieles im Dunkeln und wird aktiv von Eltern, Verwandten und Aufsichtspflichtigen vertuscht.

Wenn die Eltern Täter sind, wechseln sie häufig die Ärzte. Das nennt sich Doctor-Hopping. Dadurch wird die Historie des Missbrauchs verschleiert. Deshalb fordern die Ärzte des RISKID e.V. Gesetzesänderungen, die einen Austausch der Ärzte über eine zentrale Missbrauchsdatenbank ermöglicht. Man könne dort verdächtige Diagnosen hinterlegen, die einem neuen Kollegen ebenfalls zur Verfügung stehen. Daraus ließe sich dann trotz häufiger Arztwechsel eine Linie der Gewalt im häuslichen Umfeld nachweisen.

Bundespressekonferenz: Kriminalstatistik 2019 zur sexuellen Gewalt an Kindern
Bundespressekonferenz: Kriminalstatistik 2019 zur sexuellen Gewalt an Kindern vorgestellt - Dr. Ralf Kownatzki, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und Vorsitzender des RISKID e.V.
Es kam die Frage nach der Wirkung von Corona auf. Dazu gebe es bisher keine aussagekräftigen Zahlen. Corona wirke ambivalent auf das Thema: Einerseits schaffe die räumliche Nähe neue Tatgelegenheiten. Andererseits reden Kinder nun häufiger mit ihren Eltern und teilen ihnen ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung in der Schule oder dem Sportverein mit.

Auch wenn eine erschreckend hohe Zahl behinderter Kinder betroffen ist, gibt es keinen pauschalen Opfertyp. Je nach sozialer Konstellation kann es jeden treffen. Deshalb ist eine frühzeitige Prävention notwendig. Bereits im Kindergarten sollten die Kinder auf gesunde Grenzen trainiert werden. Das betrifft die eigenen Grenzen und die Akzeptanz der Grenzen anderer. Ergänzend sind die Schulen gefordert, mit Medienpädagogik bei den Kindern eine solide Medienkompetenz zu entwickeln. Dazu gehören auch Grundsatzfragen der Ethik. Letztlich stehen aber auch die Eltern in der Verantwortung. Sie sollen "Kein Kind alleine lassen", wie der Slogan einer aktuellen Initiative des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs lautet.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 8. Mai 2020

75 Jahre Kriegsende und die hohe Wertschätzung über den Gräbern

Durch gemeinsames Gedenken seien neue Beziehungen entstanden - auch über die Grenzen politischer Bündnisse hinweg. So drückte sich der scheidende Evangelische Militärbischof, Sigurd Rink, heute am Rande einer Kranzniederlegung auf dem Commonwealth Friedhof an der Heerstraße aus. Er hatte schon mehrfach von seinen Erfahrungen bei der Auffindung und Umbettung deutscher Soldaten in den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion berichtet. Es finde "Versöhnung über den Gräbern" statt.

75 Jahre Kriegsende Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
75 Jahre Kriegsende - Kranzniederlegungen an Kriegsgräberstätten durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge - Commonwealth Soldatenfriedhof an der Heerstraße
Der Tod macht alle Menschen gleich. Beim ersten Blick über den Soldatenfriedhof kommt das sehr wirkungsvoll zum Ausdruck. Es ist kein Unterschied zu erkennen. Handelt es sich um einen Zeugen Jehovas, einen Katholiken, einen Juden oder einen Atheisten? Auch die Dienstgrade spielen in einem Feld von gleichförmigen weißen Steinen eine untergeordnete Rolle. Erst bei näherer Betrachtung erkennt der noch Lebende einige Details zur Person unterhalb des Steins: Geburtsdatum, Sterbedatum, Religionszugehörigkeit und den Dienstgrad.

75 Jahre Kriegsende Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
75 Jahre Kriegsende - Kranzniederlegungen an Kriegsgräberstätten durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge - Waldfriedhof am Olympiastadion - Evangelischer Militärbischof Dr. Sigurd Rink (links) und Volksbund-Präsident General a.D. Wolfgang Schneiderhan
Bischof Rink ist nachhaltig beeindruckt von der Wertschätzung, die ehemalige Feinde den deutschen Soldaten entgegenbringen. Deshalb engagiert er sich gerne für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Der Volksbund betreut über 830 Kriegsgräberstätten im Ausland. Bis heute werden Umbettungen vorgenommen. Allein in den Jahren 2018 und 2019 wurden über 20.000 Soldaten nach Deutschland überführt und fanden hier eine neue Ruhestätte.

Angehörige suchen nach wie vor nach vermissten Verwandten. Jedes Jahr gehen um die 30.000 solcher Anfragen beim Volksbund ein. Dann ist Forschungsarbeit gefragt, Archive und Datenbanken werden nach möglichen Übereinstimmungen durchforstet. Durch den Klimawandel schmelzen Gletscher und Schneemassen ab. Auf diesem Wege werden die sterblichen Überreste deutscher Soldaten in unwegsamen Bergregionen fernab der Heimat sichtbar und geborgen. Idealerweise tragen sie noch eine Erkennungsmarke. Dann können die Angehörigen relativ schnell informiert werden.

75 Jahre Kriegsende Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
75 Jahre Kriegsende - Kranzniederlegungen an Kriegsgräberstätten durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge - Jüdischer Friedhof an der Heerstraße - von links nach rechts: Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink, Volksbund-Landesgeschäftsführer Martin Bayer, Volksbund Präsident Wolfgang Schneiderhan, Britischer Botschafter Sebastian Wood KCMG
Während an der Neuen Wache die offizielle Kranzniederlegung der Bundesregierung stattfand, absolvierte der Volksbund heute einen wahren Marathon durch Berlin. Es begann mit einer Gedenkveranstaltung auf dem Commonwealth Soldatenfriedhof, ging weiter auf dem danebenliegenden jüdischen Friedhof, wurde fortgesetzt auf dem Waldfriedhof am Olympiastadion und endete am Nachmittag auf dem Friedhof Lilienstraße in Berlin-Neukölln. Es gibt allein in Berlin 172 Kriegsgräberstätten.

Videos:

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 6. Mai 2020

Deutschland prüft die Qualität von Maskenlieferungen aus China

Vor einer Woche hatte die Bundeswehr etwa 25 Millionen Schutzmasken aus China einfliegen lassen. In den Sozialen Netzwerken gingen daraufhin die Wogen hoch. Über den Fauxpas, dass die Ministerin als Primärvorbild selbst keine Maske trug, war man schnell wieder hinweg. Das ist der Vorteil eines Shitstorms: Er wirkt wie ein Platzregen, der plötzlich auftritt und schnell wieder vorbei ist. Profiteur eines Shitstorms ist in jedem Fall der Betreiber des betreffenden Kanals. Effizienter kann die Relevanz eines Mediums kaum gesteigert werden.

Nachhaltiger waren die ausländischen Kommentatoren: Russen und Ukrainer streiten sich bis heute darüber, ob die einzigartige Antonov 225 nun ein Ausdruck ukrainischer oder russischer Ingenieurskunst sei. Immerhin habe Kiew damals in der Sowjetunion gelegen. Teile der Tragfläche waren im heutigen Usbekistan hergestellt worden - auch eine ehemalige Sowjetrepublik.

#COVID19 Lieferung Schutzmasken aus China mit Antonov 225
#COVID19 - Medienwirksame Anlieferung von 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 am 27.04.2020 auf dem Flughafen Leipzig/Halle
Ein weiterer internationaler Diskussionspunkt ist die qualitative Bewertung der Ware aus China. China kämpft mit dem Makel der Urheberschaft des Corona-Virus und zieht alle medienstrategischen Register. Es wälzt die Schuld auf Dritte ab und gibt sich als der Helfer in Not. Dazu werden Tonnen von Schutzausrüstungen um den Globus gesendet. Das mediale Ziel wurde zunächst erreicht. Allerdings stellte sich heraus, dass die Hilfsgüter nur bedingt den westlichen Standards entsprechen.

Das gab Anlass zu einer Nachfrage in der heutigen Regierungspressekonferenz:

Das Gesundheitsministerium bestätigte, dass Deutschland Qualitätsprüfungen angeordnet habe, die nach entsprechenden Checklisten abgearbeitet werden. Die Prüfung erfolge in China und zusätzlich auch in Deutschland. Dadurch konnte eine Ausschussquote von 20% ermittelt werden. Mangelhafte Ware wird konsequent aussortiert und auch nicht bezahlt.

Bei Schutzausrüstungen für medizinisches Personal gebe es weitere Prüfungen, so dass möglichst keine Qualitätslücken entstehen.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 1. Mai 2020

Robert Koch-Institut und das Konzept zum Wiederanlauf von Gottesdiensten

Die Bundesregierung und die Länderchefs haben sich bei ihrem gestrigen Online-Meeting lobend über die gute Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften geäußert. Es waren Konzepte vorgelegt worden, die inzwischen auch vom Robert Koch-Institut kommentiert wurden.

Die Arbeitsgruppe aus Vertretern der evangelischen, katholischen und orthodoxen Kirche sowie jüdischer und muslimischer Dachverbände hat einen nachhaltig guten Eindruck bei der Bundesregierung hinterlassen. Auch die Presse hatte unentwegt nachgefragt, wann und in welcher Form es wieder mit Gottesdiensten losgehe. Allein dieses Segment der Corona-Bewältigung zeigt, dass die Bundesregierung nicht abgehoben agiert, sondern diverse Schnittmengen zur Einflussnahme durch die Gesellschaft vorhanden sind.

#COVID19 RKI Gottesdienste
#COVID19 - Gottesdienste können unter bestimmten Regeln wieder stattfinden. das Robert Koch-Institut (RKI) hat das gemeinsame Konzept der Religionsgemeinschaften entsprechend kommentiert. Die finale Umsetzung erfolgt gemäß der Selbstverpflichtung der Religionsgemeinschaften und der Auflagen der Bundesländer. (Archivfoto, 22.02.2019)
Um die Ausbreitung der Pandemie gezielt behindern zu können, sei eine Nachverfolgung der Infektionsketten notwendig. Dazu soll es demnächst eine App geben. Aber auch der Abstand zwischen Personen, die nicht in einem Haushalt leben, soll möglichst groß sein, damit keine Lücken in der Nachvollziehbarkeit der Verbreitung des Erregers entstehen.

Maßnahmen des Gesundheits- und Infektionsschutzes bei der Durchführung von Gottesdiensten und religiösen Handlungen sind zwar kein offizieller Bestandteil der Beschlüsse vom 30. April 2020, wurden aber als einzige Anlage dem Ergebnispapier beigefügt. Die oben genannten Glaubensgemeinschaften sind jedoch eine Selbstverpflichtung eingegangen, diese Maßnahmen einzuhalten.

Begrenzung der Teilnehmerzahl

Die Teilnehmerzahl soll sich an der Größe des Raumes orientieren. Auf keinen Fall darf es zu Menschenansammlungen kommen. Es soll auch nur das unbedingt notwendige liturgische Personal anwesend sein. Taufen, Beschneidungen, Trauungen und andere religiöse Feste sind im kleinen Kreise von Familienangehörigen und wenigen unverzichtbaren Personen durchzuführen. Auf Großveranstaltungen wie Konferenzen, Wallfahrten oder Prozessionen ist zu verzichten.

Abstand

Die allgemeinen Abstandsregeln von 1,5 bis 2 Metern gelten auch für Gottesdienste. So soll auch das Personal in diesem Abstand das Gebäude betreten und verlassen. Auch während der liturgischen Handlung ist dieser Abstand einzuhalten. Laufwege und mögliche Sitzplätze sind zu markieren. Nur Familien aus einem Haushalt dürfen zusammensitzen. Für größere Räume werden Ordner empfohlen. Ohnehin werden große Räume favorisiert, weil sich darin mehr Leute mit mehr Abstand aufhalten können. Auch bei der Seelsorge in Krankenhäusern, Pfarrbüros oder Privatwohnungen sind die entsprechenden Abstände einzuhalten.

Das Robert Koch-Institut verweist explizit auf Online-Gottesdienste. Diese haben mehrere Vorteile: kein Infektionsrisiko, Risikogruppen wie Senioren und Kranke können teilnehmen und die Reichweite ist größer.

Hygiene

Personen mit Krankheitssymptomen haben generell keinen Zutritt. Für die Durchsetzung dieser Regel sind Veranstalter und Ordner zuständig. Idealerweise tragen die Besucher eine Gesichtsmaske, die Mund und Nase bedeckt. Hier kann es zu länderspezifischen Abweichungen kommen. Körperkontakte wie Hände schütteln, küssen oder umarmen sind Tabu. Das gilt auch für liturgische Elemente mit Körperkontakt wie Handauflegung oder Abendmahl. Beichtstühle bleiben wegen ihrer räumlichen Beschaffenheit geschlossen. Für die Beichte müssen also kreative neue Formen mit Abstandswahrung geschaffen werden.

Gesangsbücher, Gebetsschals und Bibeln müssen Gottesdienstbesucher selbst mitbringen, da die Erreger eine bemerkenswert hohe Überlebensdauer auf sämtlichen Oberflächen aufweisen. Blasorchester, Chöre und Bands sind untersagt. Musik darf nur durch Einzelpersonen vorgetragen werden. Hier schlägt die Stunde des Mikrofons: Lautes Sprechen oder gemeinsames Singen sind wegen der exzessiven Verbreitung von Tröpfchen nicht erwünscht. Blasinstrumente sind ein absolutes No Go.

Weihwasserbecken bleiben leer, Handdesinfektion ist bereitzustellen, Kontaktflächen, Türen, Mikrofone, liturgische Geräte sind regelmäßig zu desinfizieren. Es ist für eine gute und natürliche Belüftung zu sorgen. Nach den Veranstaltungen sind die Kirchen und Gemeinderäume zu schließen.

Normalität

Eine Rückkehr zur Normalität wird noch eine Weile auf sich warten lassen. 14-tägig werden die Infektionszahlen und die Fortschritte der Forschung ausgewertet. Aufgrund dessen werden politische Entscheidungen getroffen. Bis mindestens Ende August sind Großveranstaltungen wie Volksfeste, Konzerte, Festivals, Sportevents untersagt. Auch ist noch nicht bekannt, wann und in welcher Intensität die erwartete zweite und dritte Welle der Pandemie über das Land zieht. Deshalb sei hier an zwei Worte erinnert, die die Kanzlerin in der gestrigen Pressekonferenz mehrfach in Zusammenhang gebracht hatte: Geduld und Verantwortung.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 27. April 2020

Antonov 225 in Leipzig/Halle und die Schutzmasken in Theorie und Praxis

Himmel und Menschen - der erste richtige Pressetermin seit zweieinhalb Monaten. Eine lange Schlange stand vor Tor 71 des Frachtflughafens Leipzig/Halle. "So viele Sender gibt es doch gar nicht", bemerkte die Moderatorin eines unbekannten sächsischen TV-Mediums. Gemäß der Presseeinladung waren die Medienvertreter mit Warnwesten und Schutzmasken erschienen. Selbstgenähte Masken, Einwegmasken, Schals und Tücher. In kleinen Grüppchen durfte man das Häuschen am Tor 71 passieren. Gürtel, Schlüssel, Rucksack, Kamera, Stativ - alles wurde durchleuchtet. Nur der Mundschutz und die nichtmetallische Kleidung blieben an der Person.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert - Medienandrang am geöffneten Bug der Antonov 225
Der gemeine deutsche Journalist ist Brillenträger. Schutzmaske und Brille vertragen sich nicht so gut. Deshalb gab es zunächst Orientierungsprobleme. Sobald die Brille nicht mehr beschlagen war, konnte die Arbeit fortgesetzt werden. Ein Bekannter von der Bundeswehrredaktion schreckte zurück, als ich ihm wie gewohnt die Hand drücken wollte. Ach ja, Corona, geht also nicht.

An einer roten Linie reihten sich die Kameraleute im Abstand von ein bis zwei Metern auf. Das war bei der Menge der Personen gar nicht so einfach. Fast alle hatten noch ihre Masken auf. Regelmäßig beschlugen die Brillen. Sehr lästig. Nach einer kurzen Einweisung mit Hinweis auf Kaffee und Kaltgetränke setzte eine Lockerung ein. Statt der Maske waren plötzlich Kaffeebecher und Plastikflaschen im Mundbereich zu sehen. Wenige Minuten später musste es eine Insiderinformation gegeben haben, so dass sich 80% der Medienvertreter in den Eingangsbereich des benachbarten Hangars begaben. Wie praktisch, wenn man antizyklisch arbeitet und von der gegenüberliegenden Seite aus filmt.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert - Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK redet mit Brigadegeneral Klaus Frauenhoff - im Hintergrund eine Antonov 124 mit ukrainischer Lackierung
Kurz nach halb zehn traf die Ministerin ein. Brigadegeneral Klaus Frauenhoff vom Logistikzentrum der Bundeswehr in Wilhelmshaven stand zur Begrüßung bereit. Nur in welcher der schwarzen Limousinen sitzt sie? Sie entstieg dem ersten Wagen. Gut, dass General Frauenhoff keine Schutzmaske trug. Sonst hätte er vermutlich seine Chefin bloßgestellt. Sie trug nämlich auch keine. Niemand der Insassen der ministeriellen Fahrzeuge trug eine Schutzmaske. Warum auch? Schließlich sollten ja gleich über 10 Millionen Schutzmasken aus China geliefert werden.

Ein dichte Traube umringte die Ministerin und folgte dieser, wohin sie auch ging. Wo die Traube war, war die Ministerin. Wohl dem, der keine Bilder mit Annegret Kramp-Karrenbauer bei seiner Redaktion abliefern musste. Der konnte sich nämlich ungestört auf die Technik konzentrieren. Diese flog gegen zehn Uhr in Form einer Antonov 225 ein. Die Antonov 225 ist ein fliegendes Einzelstück und gilt als das größte Transportflugzeug der Welt. Deshalb hatten sich auch zahlreiche Spotter rings um das Flughafengelände versammelt.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert - 14 Doppelräder unter dem Rumpf der Antonov 225
Der Rumpf der AN-225 liegt sehr tief und wird von 14 Doppelrädern getragen. Die zwei Doppelräder unterhalb des Cockpits werden zusammen mit der Laderampe eingeklappt. Eine faszinierende Konstruktion: Zuerst öffnet sich die Spitze des Flugzeuges nach oben. Danach bewegt sich die Laderampe nach vorne, stabilisiert sich selbst mit riesigen Metallstempeln auf der Rollfläche und klappt dann weitere Teile aus. Im heutigen Szenario kamen dadurch weiß gekleidete Männer zum Vorschein. Keine Außerirdischen, sondern Flugbegleiter. Das Weiße waren Schutzanzüge. Sie trugen zudem Schutzmasken im Gesicht. Bei der Einstellung des Piloten für dieses einzigartige Fluggerät wurde wohl auch auf dessen Namen geachtet: Dmitri Antonov.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert
Verfolgt von einer dichtgedrängten Schar Medienvertreter kletterte die Ministerin die steile Leiter ins Cockpit hinauf. Die Unterredung dauert nicht sehr lange. Anschließend gab es ein Pressestatement mit Fragemöglichkeit zur heutigen Lieferung von Schutzmasken aus China. Es gibt drei Teillieferungen von etwa 25 Millionen Schutzmasken. Die Antonov 225 hatte 10.330.000 Masken an Bord. Die anderen werden mit der kleineren Antonov 124 geliefert. Insgesamt wurden Verträge über 256 Millionen OP-Masken, 30 Millionen FFP2-Masken (Schadstoffkonzentration bis zum 10-fachen des Arbeitsschutzgrenzwertes, Schadstoffe werden zu 94% ausgefiltert) und 22 Millionen FFP3-Masken (Schadstoffkonzentration bis zum 30-fachen des Arbeitsschutzgrenzwertes, Schadstoffe werden zu 99% ausgefiltert) unterzeichnet.

Die Antonov-Flugzeuge gehören der Ukraine, werden aber per Outsourcing für verschiedene Luftfrachtthemen durch die NATO genutzt. Für die NATO ist das recht praktisch und kostengünstig. Die Ukraine hingegen profitiert davon, dass sie bei der NATO einen Fuß in der Tür hat. Will sie doch schon länger NATO-Mitglied werden. Die NATO lehnt das wegen der fragilen Situation um die Krim bisher ab.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert - Soldaten des Logistikbataillons 171 aus Burg laden die Kisten mit den Schutzmasken aus.
Während die Ministerin auf die Fragen der Presse einging, wurde ein mobiles Förderband in die Antonov 225 geschoben - per Muskelkraft. Gabelstapler und Hubwagen brachten Paletten und zeitnah begann das Ausladen der großen Pappkartons. Annegret Kramp-Karrenbauer kontrollierte die Beschriftung einer der ersten Umverpackungen: Chinesisch. Dann gab sie noch ein Interview und verließ das Areal.

Das Ausladen der kompletten Fracht wurde auf sechs Stunden beziffert. Die Profis vom Logistikbataillon 171 aus Burg waren eigens dafür angereist und hatten auch schon eine Art Zwischenlager auf dem Rollfeld eingerichtet. Die private Spedition Kühne + Nagel sollte dann den Rest erledigen und die Masken auf die Bundesländer verteilen. Wer sie letztlich bekommt, hängt vom angemeldeten Bedarf ab.

Video:
Antonov 225 liefert 10 Millionen Schutzmasken in Leipzig/Halle an

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 21. April 2020

#COVID19 und die Offline-Gottesdienste

Religionsgemeinschaften sind nicht immer die Schnellsten, wenn es um die Nutzung moderner Technologien geht. Es wird zunächst geprüft, ob deren Nutzung mit den Grundlagen der Schrift harmoniert. Wenn sich das nicht zweifelsfrei klären lässt, wird die Meinung der Führer der Religionsgemeinschaft als Maßstab gesetzt. So kam es immer wieder zur Ablehnung von Neuerungen wie der Eisenbahn, des Autos, des Telefons oder des Fernsehers. Die Gläubigen wussten oft nur, dass deren Nutzung Sünde sei. Nur, warum?

So stellt auch Corona die Religionsgemeinschaften vor Herausforderungen, für die es kein historisches Beispiel gibt - außer vielleicht im Mittelalter die Pest. Damals wurde den Juden die Schuld gegeben. Als die Pandemie wütete, erfreuten sie sich bester Gesundheit. Dabei hatten sie mit ihren rituellen Waschungen nur das getan, was uns während Corona gebetsmühlenartig antrainiert wird.

Es gibt einige christliche Gemeinden, die die Klaviatur der neuen Medien beherrschen. Das sind in der Regel evangelische Freikirchen, die vor 20 oder 30 Jahren gegründet wurden. Gottesdienste im Kinosaal, Großleinwände, Liedtexte per Beamer, Musik mit Band sowie Predigten, die auch nach einer halben Stunde nicht langweilen. Diese Gemeinden können Corona medial sehr gut abfangen. Band und Pastor nehmen unter der Woche den Gottesdienst auf und streamen diesen dann per YouTube-Premiere in die Wohnzimmer ihrer Mitglieder. Ist Corona irgendwann vorbei, gibt es wieder Präsenztreffen mit weit über 100 Teilnehmern. Nicht selten trifft man sich am Sonntag sogar in mehreren Schichten, weil der Platz sonst nicht reicht.

An vielen etablierten Kirchen ist der mediale Zug vorbeigefahren. Welche der 20 älteren Damen würde sich das auch ansehen? Mitte März 2020 wurden aber auch diese Gemeinden aktiv und meldeten auf die Schnelle YouTube-Accounts an und probierten sich mit hochgeladenen Predigten aus. Die Zuschauerzahlen gleichen jedoch den Zahlen der Offline-Zuhörer.

#COVID10 Bundespressekonferenz 20.04.2020
#COVID10 In der Bundespressekonferenz informierte das BMI am 20.04.2020 über Lockerungen für Versammlungen von Religionsgemeinschaften
Am 17. April 2020 trafen sich Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften mit Staatssekretär Kerber im Bundesinnenministerium. Es sollte um einen baldigen Wiederanlauf der Offline-Gottesdienste gehen. Neben den Vertretern der evangelischen und der katholischen Kirche waren auch Archimandrit Sfiatkos von den orthodoxen Christen sowie ein Vertreter des Zentralrates der Juden und ein Vertreter der Muslime dabei. Letzteren ist die Lockerung der Corona-Beschränkungen wegen des bevorstehenden Ramadans wichtig.

Diese Herren haben ad hoc ein Arbeitsgremium gebildet, das ein Konzept zur schrittweisen Lockerung der Versammlungsregeln erarbeitet. Diese Regeln sollen dann für alle Religionsgemeinschaften in der gleichen Weise gelten und entsprechende Hygienevorgaben beinhalten.

Nicht am Tisch saß die Deutsche Evangelische Allianz (DEA). Die DEA versteht sich als Dachorganisation von gut 1,3 Millionen Christen in Deutschland. Mitglied kann jeder werden, der sich als Christ bezeichnet. Unter dem Dach der DEA sammeln sich viele der oben erwähnten Freikirchen mit ihren mehreren Hundert Gottesdienstbesuchern. Die Vertretenen nehmen ihre Dachorganisation nur einmal im Januar wahr. Wenn nämlich die Programmhefte für die Allianz-Gebetswoche herumgeschickt werden. Regionale Allianz-Vertreter - nicht die von der gleichnamigen Versicherung - putzen dann die Klinken der Gemeinden und werben für die Gebetswoche.

Ansonsten ist die Evangelische Allianz eine Gut-Wetter-Organisation, die sich auf das harmonische Miteinander unterschiedlicher Christen und Freikirchen konzentriert. Sind Probleme wie Machtmissbrauch oder Sektierertum zu lösen, fühlt sich die Allianz nicht mehr zuständig. Sie verweist dann regelmäßig auf den losen Zusammenschluss der Christen unter ihrem Dach sowie die autonom agierenden Regional-Allianzen. Kein Wunder also, wenn die DEA weder von ihren Vertretenen noch von der Politik als relevanter Player wahrgenommen wird.

So spielt die Evangelische Allianz auch bei der Erarbeitung des Konzeptes zur Wiedereinführung der Präsenzgottesdienste keine Rolle. Wenn Obergrenzen für Teilnehmerzahlen diskutiert werden, besteht die Gefahr, der Sichtweise einer Pressekollegin zu folgen: "Warum lässt man Gottesdienste nicht einfach pauschal zu? Da sitzt doch ohnehin kaum jemand in der Kirche." Einige Gemeinden werden sich dann weiter online treffen. Andere werden sich - wie Mitte Februar 2020 im Elsass geschehen - offline begegnen, herzlich umarmen und die Reproduktionszahlen von Corona in Schwung halten.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 15. April 2020

#COVID19 und die dosierte Lockerung

Während einer Pressekonferenz lernt man viel über die cleveren Exit-Strategien von Pressesprechern: "Das haben wir letzte Woche schon ausführlich thematisiert." - "Dazu gibt es aktuell nicht mehr zu sagen." - "Unser Standpunkt dazu ist unverändert." - "Dem Meeting will ich hier nicht vorgreifen." - "Die gewünschten Infos reiche ich nach."

Die ersten Schritte eines Exit hatte heute die Bundesregierung in einer Videokonferenz diskutiert. Das Social Distancing ließ nur die Präsenz von Angela Merkel, Olaf Scholz, Markus Söder und Hamburgs Oberbürgermeister Peter Tschentscher zu. Es war hart und kontrovers diskutiert worden. Die Kanzlerin äußerte sich anschließend erfreut über "das hohe Gut der Verschiedenartigkeit", durch das letztlich "gute Kompromisse gefunden" worden seien. Am stärksten musste dabei wohl der ambitionierte Kanzlerinnennachfolger Laschet zurückrudern. Markus Söder zeigte sich positiv überrascht, über die konstruktive Zusammenarbeit mit dem SPD-geführten Finanzministerium.

#COVID19 Bundespressekonferenz 15.04.2020
#COVID19 Bundespressekonferenz am 15.04.2020 - Wie ist der aktuelle Stand und wann erfolgt der Exit?
Weil das Lagebild in 14-tägigen Abständen wissenschaftlich fundiert dargelegt werde, werden auch die Entscheidungszyklen an diesen Zeitrahmen angepasst. Am 30. April 2020 findet das nächste Treffen dazu statt und tangiert dann die Maßnahmen ab 3. Mai 2020.

Das Land Berlin hat bereits eine detaillierte Liste mit Gewerben veröffentlicht, die mit und ohne Auflagen ihren Betrieb aufnehmen können. Sogar Hotels dürfen Gäste beherbergen, wenn diese einen wichtigen dienstlichen Grund nachweisen könne. Sportvereine, Religionsgemeinschaften und sonstige gruppenorientierte Einrichtungen dürfen weiterhin keine Veranstaltungen anbieten. Der Trend zu Gottesdiensten mit wenigen Besuchern in fortgeschrittenem Alter kann zwar nicht geleugnet werden. Allerdings trifft das nicht für alle Glaubensgemeinschaften zu. In der Frauenkirche Dresden oder den diversen evangelischen Freikirchen treffen sich Sonntag für Sonntag oft mehrere Hundert Personen. Ganz abgesehen von der oft herzlichen Atmosphäre, die eine Ausbreitung von Infektionen begünstigt. Am Freitag wird es im Bundesinnenministerium ein Treffen mit Religionsvertretern zu diesem Thema geben.

Laut Markus Söder sind Großveranstaltungen noch bis Ende August untersagt. Denn gerade dabei seien erhebliche Ansteckungen erfolgt. Wenn man zu leichtsinnig sei, könne die Kurve wieder nach oben gehen. Momentan bewege sich die Reproduktionsrate um den Faktor Eins. Die Zahlen bewegen sich derzeit zwischen 0,8 und 1,2 und die Dunkelziffer belaufe sich laut Gesundheitsministerium auf 1% der Gesamtbevölkerung. Das entspricht etwa 800.000 Personen.

Um die Maßnahmen weiter lockern zu können, arbeite man an der Tracking-App. Diese befinde sich gerade in der Testphase und man kläre noch deren Datenschutzaspekte. Die Nutzung solle freiwillig sein. Auch wenn sich Google und Apple ins Gespräch gebracht haben, bleibt die App doch ein eigenständiges EU-Produkt unter Mitwirkung des Robert Koch-Instituts und anderer offizieller Stellen.

Viele Eltern leiden unter der Last der geschlossenen Kitas und Schulen. Auch dieser Zustand soll erst ab Mai 2020 schrittweise geändert werden. Bei Schulen obliegt die letzte Entscheidung den Bundesländern. Ähnlich verhält es sich mit den Außengrenzen. Diese sollen noch bis 4. Mai 2020 geschlossen bleiben. Ausnahmen sind Belgien und die Niederlande mit ihrer Nähe zu den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass das Auswärtige Amt bisher rund 230.000 Bundesbürger aus 62 Ländern inklusive kleiner Karibikstaaten nach Deutschland zurückgeholt hat.

Im Schatten von Corona arbeiten aber auch geostrategische Gefährder ihre Agenda ab: Russland verlegt Söldner von Syrien nach Libyen und destabilisiert damit die Lage in Nordafrika. Dschihadisten planen Anschläge in Europa. Nordkorea testet Langstreckenraketen und Diktaturen interpretieren Corona zur Pflege ihres Feindbildes. Während Gesundheitsexperten in Deutschland von einer "vorsichtig positiven Tendenz" bei Corona reden, heißt es aus Sicherheitskreisen, dass die allgemeine "Gefährdungslage abstrakt hoch" sei.

Autor: Matthias Baumann