Mittwoch, 5. August 2020
Libanon: Die Explosion tangiert auch deutsche Staatsbürger und Immobilien
Bekannt ist derzeit nur, dass das Gebäude der Botschaft und das Goethe-Institut stark beschädigt sind. Es gibt auch schon einige Meldungen zu verletzten Deutschen. Genaue Zahlen wollte das Auswärtige Amt gegen halb zwölf aber noch nicht herausgeben, weil die Daten erst einmal gesammelt und geordnet werden.
Insgesamt 250.000 Einwohner Beiruts sollen jetzt ohne Wohnraum dastehen. Darunter auch viele Deutsche, die für diverse Hilfsorganisationen arbeiten. Deutschland engagiert sich schon länger in dem krisengeschüttelten Land: Bildungsprojekte, Wirtschaftsförderung und nicht zuletzt bei UNIFIL.
Die Soldaten der UNIFIL waren auf dem Meer unterwegs, so dass sie nur insofern betroffen sind, dass sie möglicherweise in den nächsten Tagen für Hilfeleistungen eingesetzt werden. Ein weiteres UNIFIL-Schiff ist von Zypern aus in die Region aufgebrochen. Die Luftwaffe hält ihre medizinisch nutzbare A400M-Flotte ebenfalls für einen Einsatz bereit. Diese wurde aber noch nicht angefordert. Das Innenministerium erklärte seine Bereitschaft zur Entsendung von Forensikern, falls diese erbeten werden.
Auf jeden Fall fliegen heute Abend 47 Experten des THW (Technisches Hilfswerk) in den Libanon. Das THW unterhält eine Spezialeinheit "Bergung Ausland". Das Team wird von einem Hochbaustatiker begleitet, der die statische Sicherheit des Botschaftsgebäudes prüfen soll. Da das Auswärtige Amt eine weitere Liegenschaft im Libanon unterhält, kann der Botschaftsbetrieb nach einer kurzen Umzugsphase am alternativen Standort weitergeführt werden.
Zur Ursache der Explosion liegen der Bundesregierung bislang keine Erkenntnisse vor.
Autor: Matthias Baumann
Dienstag, 4. August 2020
Bernhard Felmberg wird ab Oktober neuer Evangelischer Militärbischof
In der Evangelischen Kirche passt diese Sonderrichtung der Nächstenliebe in das bunte Allerlei der Weltoffenheit. Eine oder mehrere Frauen neben der Ehepartnerin zu unterhalten? Warum nicht? Und egal, wem das geistliche Vorbild unter die Gürtellinie greift: Falls es Ärger gibt, mündet dieser in einer Versetzung mit beruflichem Aufstieg.
Diese Logik zieht sich durch verschiedene Lebensbereiche. Wegen des ausgeprägten Strebens nach Harmonie findet diese Logik in der Kirche jedoch einen besonders fruchtbaren Nährboden.
Oft trauen sich die zuständigen Leitungspersonen nicht, schnell und konsequent zu handeln. Gelegentlich haben die Verantwortlichen selbst etwas zu verbergen oder wollen einfach nur ihre Ruhe haben. So wird vertuscht, gedeckt und die Betroffenen zum Problem gemacht. Dabei wird gerne auf die vermeintliche Liebe zum Sünder, die Liebe zum Nächsten oder das Bibelzitat verwiesen, man solle den "Gesalbten des Herrn nicht antasten".
Kommen wir nun zurück zum designierten Militärbischof: Bis 2013 war Bernhard Felmberg Bevollmächtigter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Bundesregierung und der Europäischen Union. Die Frucht seines Liebeslebens war ein Disziplinarverfahren zu "Fragen der persönlichen Lebensführung". Dieses mündete in einen "Wartestand", während dessen er weiterhin seine Bezüge von mehr als 7.000 Euro monatlich erhielt. Die Pause war aber nur von kurzer Dauer. 2014 ging er als Unterabteilungsleiter ans BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit). 2015 wurde er zum Ministerialdirigenten ernannt. Damit war er in die Besoldungsstufe eines Brigadegenerals aufgestiegen. Andere Bewerber mit deutlich mehr Fachkompetenz waren bei der Vergabe des Postens ignoriert worden.
Im Oktober 2020 soll Bernhard Felmberg sein Amt als Militärbischof antreten. Eine weitere Steigerung der beruflichen Karriere. Seine zentrale Aufgabe hat der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strom bereits definiert: nämlich "in der Spur der friedensethischen Äußerungen der EKD" zu bleiben. Bis Oktober ist das Amt des Militärbischofs für zweieinhalb Monate nicht besetzt. Die Unterschriftsgewalt wird in dieser Zeit durch Thies Gundlach ausgeübt. Thies Gundlach ist Vizepräsident des Kirchenamtes der EKD.
Mit Bekanntgabe der Entscheidung für Bernhard Felmberg tauchte auch wieder das damalige Disziplinarverfahren auf. Wie ein Fußball, der tief unter der Wasseroberfläche festgehalten und dann einfach losgelassen wurde. Deshalb kam die altbewährte Methode der salbungsvollen Vertuschung zum Einsatz: Das Disziplinarverfahren ist eingestellt und Bernhard Felmberg wird nun als Mann mit "Brüchen in seiner Biografie" vermarktet. Ein cleveres Vorgehen: Dadurch wird der neue Bischof vom Gestalter zum Opfer seines Schicksals umgewidmet.
Es stellt sich die Frage, was Bernhard Felmberg den Soldaten im Auslandseinsatz antwortet, wenn diese von ihren Ehekonflikten im fernen Deutschland berichten? Kann er sich in die Betroffenen hineindenken, wenn es um hierarchische Auseinandersetzungen geht? Und was antwortet er, wenn traumatische Gefechtserfahrungen zu verarbeiten sind? Zitiert er dann die "friedensethischen Äußerungen der EKD"?
Autor: Matthias Baumann
Freitag, 24. Juli 2020
Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz startet im April 2021 an drei Ausbildungsstandorten
Bei der gestrigen Pressekonferenz stellte die Verteidigungsministerin deshalb keine Alternative zur Dienstpflicht oder gar einen verpflichtenden Wehrersatzdienst vor, sondern einen Baustein, der eine Lücke im Karrieregefüge der Bundeswehr schließt. Den Diskurs über die Wehrpflicht delegierte sie elegant an den Bundestag und ging gar nicht weiter darauf ein.
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Dein Jahr für Deutschland - Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschtz (Logo mit freundlicher Genehmigung der Bundeswehr) |
Die gravierendsten Unterschiede liegen im Zeitbudget und der Verortung. Im Heimatschutz beträgt die militärische Ausbildung 7 Monate an einem Standort, der sich möglichst nah am Wohnort befindet. Auslandseinsätze sind - wie der Name schon sagt - im Heimatschutz nicht vorgesehen. Auch die anschließenden 5 Monate Reserveeinsatz - in Summe also 12 Monate - sollen in Wohnnähe absolviert werden. Die Reserveeinsätze werden auf 6 Jahre verteilt.
Die Freiwilligen bekommen zunächst die allgemeine 3-monatige Grundausbildung und werden anschließend für infanteristische Aufgaben wie den Objektschutz ausgebildet. Im ersten Durchlauf wird das Modell mit 1.000 Soldaten getestet. Diese können sich ab September 2020 bewerben und beginnen frühestens im April 2021. Da es vorrangig um eine Stärkung der Reserve im Inland geht, können sich körperlich fitte Personen zwischen 17 und 65 Jahren bewerben. Die Möglichkeit, gänzlich ohne Wehrdienst in die Reserve aufgenommen zu werden, besteht weiterhin. Gute Erfahrungen wurden während Corona mit der Kampagne "Reserve hilft" gemacht.
Momentan sind drei Hauptstandorte für die Ausbildung der Freiwilligen vorgesehen: Berlin, Delmenhorst und Wildflecken in Bayern. Nach der Ausbildung stehen derzeit 30 Regionale Sicherungs- und Unterstützungskompanien (RSU) zur Verfügung. Die familiären und beruflichen Situationen werden beim späteren Reserveeinsatz berücksichtigt. Man könnte also fast schon von einem "Freiwilligen Wehrdienst light" sprechen.
Zuständig ist der stellvertretende Generalinspekteur, Generalleutnant Markus Laubenthal. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die 1.000 Soldaten im ersten Durchlauf nur der Anfang einer neuen Karrierelinie in der Bundeswehr sind. Die Idee zu diesem Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz gab es schon länger und wurde nun von Sabine Grohmann eingebracht. Sabine Grohmann ist seit 2018 für das Personalmanagement der Bundeswehr verantwortlich.
Autor: Matthias Baumann
Donnerstag, 16. Juli 2020
400 Seiten Verfassungsschutzbericht 2019
Rechtsextremismus
Das Bundesamt für Verfassungsschutz untersteht dem Bundesinnenministerium. Deshalb waren vor einer Woche auch Horst Seehofer und Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang zur Vorstellung des Berichtes in der Bundespressekonferenz erschienen. Wie Horst Seehofer regelmäßig betont, stellt der Rechtsextremismus momentan die höchste Gefahr dar. Es gibt viele Anhänger mit einer erheblichen Gewaltbereitschaft. So wurden 2019 über 21.000 Straftaten in diesem Motivationssegment registriert.
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Verfassungsschutzbericht 2019 in der Bundespressekonferenz durch Innenminister Horst Seehofer vorgestellt |
Interessant sind die Ausführungen über "Reichsbürger" und "Selbstverwalter". Nur bei 5% der "Reichsbürger" gibt es Überschneidungen mit dem Rechtsextremismus. Sie haben nämlich ihre sehr eigenen Vorstellungen, die oftmals auf Verschwörungstheorien basieren. Während sich "Reichsbürger" auf ein irgendwie geartetes Deutsches Reich berufen, nehmen "Selbstverwalter" eine UN-Resolution zur Grundlage ihrer Ansichten. Diese gebe ihnen das Recht auf den Eintritt in eine Selbstverwaltung ohne das administrative Drumherum der Bundesrepublik.
Linksextremismus
Linksextremismus verzeichnet in Deutschland signifikante Zuwachsraten. So halten sich zurzeit 33.500 bekannte Linksextreme mit den Rechtsextremen die Waage. 9.200 Linksextremisten gelten als gewaltorientiert. 2019 wurden etwa 9.849 Straftaten registriert.
Die Taktik der Szene hat sich geändert. Früher war es üblich, sich in Demonstrationen zu mischen und diese in ein gewalttätiges Chaos zu kippen. In Ermangelung von Großereignissen ist man dazu übergegangen, verdeckte und gezielte Aktionen durchzuführen. Beispielsweise werden "Hausbesuche" bei Personen abgestattet, die man als rechtsextrem deklariert hat. Die Definition einer rechtsextremen Zielperson folgt keiner objektiven Logik und erstreckt sich vom bekennenden Nazi über den AfD-Politiker bis zur Mitarbeiterin einer Immobilienfirma.
Die Wortwahl bei der Bezeichnung politischer Gegner ist nur bedingt diplomatisch, wird aber politisch korrekt gegendert: "Rassist*innen", "Rechte", "Reaktionäre", "Nazis", "Bullen" oder "Repressionsorgane". Die Themen sind durchweg "Anti": "antisoziale Strukturen", "Antigentrifizierung" und "Antifaschismus". Die Gentrifizierung ist besonders den Autonomen unter den Linken ein Dorn im Auge. Bedeutet es doch die Aufwertung eines Stadtteils durch Sanierungen und die damit verbundene Verteuerung der Mieten. Zur Gewinnung neuer Anhänger nutzt die Szene populäre Themen wie Umweltschutz oder die Wohnsituation. Ferner ist sie im Umfeld von Fußballspielen und Kampfsportvereinen aktiv, um dadurch die "revolutionäre" Schlagkraft zu erhöhen.
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Verfassungsschutzbericht 2019 in der Bundespressekonferenz durch Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang vorgestellt |
Autonome zählen zwar auch zum Linksextremismus, möchten sich aber nicht von einer sozialistischen Zwangsbeglückung gängeln lassen. Sie möchten ihr eigenes Ding machen und einfach nur frei und ohne Verantwortung leben.
Die Partei DIE LINKE eignet sich hervorragend zur Unterwanderung mit extremistischem Gedankengut. Von daher ist es kein Wunder, dass gleich mehrere Untergruppierungen durch den Verfassungsschutz beobachtet werden. Dazu gehören die "Sozialistische Alternative" (SAV), die "Kommunistische Plattform" (KPF), die "Sozialistische Linke" (SL) oder die "Antikapitalistische Linke" (AKL).
Soweit zu den einheimischen Themen. Darüber hinaus gibt es noch den Islamismus, ausländischen Extremismus und andere Eingriffe fremder Staaten.
Islamismus
Auch wenn der Islamismus in letzter Zeit etwas aus den Schlagzeilen geraten ist, ist das kein Grund für eine Entwarnung. Sehr aufmerksam werden Organisationen wie der IS, die HAMAS, al-Qaida, Al-Shabab, die Hizb Allah und die Muslimbruderschaft beobachtet. Fernab der öffentlichen Wahrnehmung regt der Verfassungsschutz Maßnahmen der Polizei an, die entsprechende Anschläge in Deutschland verhindert.
Wenn die islamistische Organisation nicht gerade ein weltweites Kalifat zum Ziel hat, nutzt sie Deutschland zur Rekrutierung neuer Kräfte und als Rückzugsgebiet. Corona hatte zunächst für einen Stillstand islamistischer Aktivitäten gesorgt. Diese wurden aber bald nach der ersten Starre ins Internet verlagert: Kontaktanbahnung und Propaganda über Soziale Netzwerke.
Ausländischer Extremismus
Ausländische Extremisten ohne direkten Bezug zum Islamismus lassen sich weitestgehend auf den Konflikt zwischen Türken und Kurden reduzieren. Dreh- und Angelpunkt ist die seit 1993 verbotene "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und deren Sympathieorganisationen. Als aktiver türkischer Gegenpol wäre die Ülkücü-Bewegung mit ihren fünfstelligen Mitgliederzahlen zu nennen. Ülkücü strebt ein neues Osmanisches Großreich unter Herrschaft der türkischen Ethnie an. Das Zusammentreffen von Ülkücü-Anhängern und Kurden in deutschen Städten hat eine besondere Brisanz. Ülkücü wird aber auch deshalb vom Verfassungsschutz beobachtet, weil es synonym für eine "desintegrative Wirkung" und die "Bildung einer Parallelgesellschaft" steht.
Spionage und Einflussnahme fremder Mächte
Das letzte große Kapitel des Berichtes befasst sich mit "Spionage, Cyberangriffen und sonstigen sicherheitsgefährdenden ... Aktivitäten für eine fremde Macht". Hier werden vier besonders aktive Staaten genannt: Russland, China, Iran und Türkei.
Russland fällt in verschiedenen Bereichen auf: Mit seinen Medien RT Deutsch und Sputnik nimmt es aktiv Einfluss auf die öffentliche Meinung. Wenn jemand Desinformation beherrscht, dann Russland. Russland kann aber auch "Cyber" und setzt diese Fähigkeit konsequent zum Ausforschen verschiedener Ziele in Deutschland ein. Darunter befinden sich Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Behörden und Medienunternehmen. Russland ist darin so gut, dass die Angriffe oft gar nicht bemerkt werden und langfristig virtuelle Türen für die russischen Geheimdienste offen stehen.
Russische Geheimdienste haben noch einen anderen Trumpf: der hohe Anteil Spätaussiedler in Deutschland. In einem Bundeswehr-Seminar wurde vermittelt, dass Russland langfristig arbeitet: Eigene Leute werden eingeschleust, leben ein normales Alltagsleben, besetzen wichtige Posten und zum festgesetzten Zeitpunkt wird einfach der Schalter umgelegt.
China konzentriert sich nach Maßgabe seiner Belt Road Initiative (BRI) auf wirtschaftliche Einflussnahme und das Ausspähen strategisch verwertbarer Informationen. Selbst kooperative Unternehmen oder Behörden werden gnadenlos angezapft. Eine besonders niedrige Schwelle zur Preisgabe sensibler Daten bieten chinesische Bezahlsysteme oder Mobilitätsangebote. Hier sollte der deutsche Nutzer wissen, dass Unternehmen in China zur uneingeschränkten Zusammenarbeit mit dem Staat - also der einen Partei - verpflichtet sind. Datenschutz gilt dort nichts, so dass auf Wunsch alle sensiblen Daten bei staatlichen Stellen landen.
China ist schon längst kein Kopierland mehr. China hat sich - unter den Augen westlicher Hybris - eine Marktführerschaft in verschiedenen Hochtechnologiebereichen erarbeitet. Die Investitionen in Deutschland sind zwar nominell rückläufig. Dafür ist die Qualität der Aufkäufe deutscher Firmen alarmierend. So pickt sich China besonders innovative Firmen heraus und zieht auf diesem Wege ganz legal das Know-how ab. Auch Agenten werden nicht mehr nur aus eigenen Staatsbürgern rekrutiert, sondern gezielt aus anderen Nationen angeworben. Die Details dazu würden hier den Rahmen sprengen.
Dem Iran geht es vorrangig um die Verfolgung der im Ausland lebenden Opposition. Ferner sucht er nach Wegen, an nuklear verwertbare Technologien heranzukommen. Die Türkei forscht die PKK und oppositionelle Strömungen aus. Wie Russland profitiert auch die Türkei bei der Beschaffung von Informationen von der hohen Zahl türkischstämmiger Personen in Deutschland.
Geistige Brandstifter und Täter
Thomas Haldenwang betonte in der Pressekonferenz, dass es nicht nur um die finalen Täter gehe, sondern auch um die "geistigen Brandstifter". Man habe in den letzten Jahren gelernt, dass immer eine "geistige Brandstiftung" der Radikalisierung und anschließenden Tat vorausgehe. Deshalb messe der Innenminister dem Thema Desinformation eine hohe Bedeutung bei. Das Thema werde durch die "Einheit hybride Bedrohungen" bearbeitet. Auch stimme man sich intensiv mit dem Verteidigungsministerium und dem Kanzleramt ab.
Zum Luxus einer Demokratie gehört es, dass ausführende und gesetzgebende Instanzen die nüchternen Erkenntnisse eines solchen Berichtes ignorieren. So kommt es regelmäßig zu Unstimmigkeiten zwischen dem Verfassungsschutz und wichtigen Entscheidungsträgern. Praktisch, wenn wenigstens der Innenminister seinem nachgeordneten Bundesamt den Rücken stärkt.
Video:
Mitschnitt der Pressekonferenz auf Phoenix
Autor: Matthias Baumann
Mittwoch, 8. Juli 2020
Altmunition in Ostsee und Nordsee
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Altmunition in Ostsee und Nordsee: Wie lange noch ist unbeschwerter Urlaub an Ostsee und Nordsee möglich? |
Laut einer 2011 angefertigten Studie ist von 1,6 Millionen Tonnen - also 1.600.000 Tonnen - konventioneller Munition in deutschen Gewässern auszugehen. Davon liegen 1,3 Millionen in der Nordsee. Das ist noch nicht alles. Hinzu kommen 170.000 Tonnen chemischer Kampfstoffmunition in der Nordsee und bis zu 65.000 Tonnen in der Ostsee. Die 90 Tonnen, die allein vor Helgoland lagern, klingen dann schon fast nach einer homöopathischen Menge. Als nördliche Militärbasis hat Helgoland prägende Erfahrungen mit Munition gesammelt. Ein Viertel der Insel war 1947 durch die Briten weggesprengt worden: Bunker und Munitionslager. Die Detonation habe man sogar noch im weit entfernten Cuxhaven wahrgenommen.
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Altmunition in Ostsee und Nordsee: 1947 wurde ein großer Teil von Helgoland weggesprengt. |
Für die Altmunition ist nicht etwa die Bundeswehr oder die NATO zuständig, sondern das Umweltministerium. Geht es hier doch um eine Gefährdung der Umwelt. So wurde festgestellt, dass Muscheln oder Plattfische in unmittelbarer Umgebung von Sprengkörpern auch deren Schadstoffe aufnehmen. Eine großflächige Verbreitung ist jedoch bis heute nicht erwiesen.
Eine umfangreiche Bergung oder Zerstörung der Altmunition ist ein Generationenwerk. Während Ankertauminen in wenigen Jahren zu beseitigen wären, kann das bei Grundminen oder Fliegerbomben bis zu 20 Jahren dauern. Voraussetzung ist natürlich, dass man mit der Beräumung beginnt. Momentan wird mit den Anrainerstaaten ein Konzept dazu entwickelt. Das Umweltministerium hat das als eines der zentralen Themen auf die Agenda des HELCOM-Vorsitzes gesetzt und hofft auf eine gute Kooperation innerhalb der Kommission.
Autor: Matthias Baumann
Mittwoch, 1. Juli 2020
AKK zu KSK: Toxic Leadership und strukturelle Schwachpunkte
Inzwischen hat sich vieles im KSK verselbständigt. Anders als sonst in der Bundeswehr fand kaum eine Rotation der Führungskräfte statt. Die Ausbildung wurde intern geregelt und auch ein Inspizieren war wegen des hohen Geheimhaltungsgrades nicht möglich. So konnten sich Strukturen und Gepflogenheiten entwickeln, die sehr eigen waren und sich jeglicher externer Kontrolle entzogen.
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Pressekonferenz von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK und dem Generalinspekteur Eberhard Zorn zur Arbeitsgruppe KSK |
Deshalb wurde analysiert, was das Besondere an der 2. Kompanie ist. Sie gehört zu den sechs Kommandokompanien, die die Spezialaufträge letztlich ausführen. Laut der Ministerin liegt eine der Ursachen für die Radikalisierung in dem enormen Druck, dem die Soldaten im Einsatz ausgesetzt sind, aber auch in den Vorstellungen, die die Soldaten selbst von ihren Aufgaben haben. Es gebe Differenzen bei der Bewertung parlamentarisch legitimierter Einsätze und dem, was man gerne selbst noch machen möchte. Druck als Begründung hinkt insofern, als dass es weitere Kompanien und Spezialkräfte wie die Kampftaucher gibt, bei denen bisher keine Radikalisierung aufgefallen ist. Es muss also noch andere Ursachen geben.
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Pressekonferenz von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK und dem Generalinspekteur Eberhard Zorn zur Arbeitsgruppe KSK |
Toxic Leadership ist ein weit verbreitetes Problem. Es zieht sich durch sämtliche Gesellschaftsbereiche. Deshalb gibt es in den USA inzwischen Trainer und Unternehmensberater, die genau dieses Thema aufgreifen und Handlungsempfehlungen für Betroffene und übergeordnete Führungskräfte anbieten. In Deutschland wird dieses Thema erst seit 2017 wahrgenommen. Mit einem Aufsatz hatte Oberst Jahnke vom Zentrum Innere Führung der Bundeswehr den Stein ins Rollen gebracht. Erst wenige Unternehmensberater haben das hierzulande für die Wirtschaft aufgegriffen. Üblicherweise wird mit rüden Methoden gegen Stimmen vorgegangen, die toxische Leitung in den eigenen Reihen ansprechen. Kontaktverbote und die "Mauer des Schweigens" sind äußerlich erkennbare Zeichen für diese problematischen Konstrukte. Mit einer Mauer des Schweigens sieht sich die Bundeswehr auch bei der 2. Kompanie des KSK konfrontiert. Das Schweigen resultiert aus Angst oder einer mehr oder weniger berechtigten Loyalität.
Wie wichtig es ist, dass die übergeordneten Instanzen bei Toxic Leadership eingreifen, zeigt das Beispiel KSK. Die Ministerin und der Generalinspekteur haben die Lagebereinigung zur Chefsache erklärt und stellten sich deshalb heute auch den unkalkulierbaren Fragen der Presse. Den Verantwortungsträgern der Bundeswehr ist bewusst, dass ein Verschweigen oder Vertuschen von kleinen Konfliktherden wie beim KSK zu einem flächendeckenden Problem führen können.
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Pressekonferenz von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK und dem Generalinspekteur Eberhard Zorn zur Arbeitsgruppe KSK |
Das KSK hat es nun selbst in der Hand, wie seine Zukunft aussieht. Dabei setzt die Arbeitsgruppe KSK auf eine Reformation von innen. Diese wird jedoch von oben beobachtet und als Chance statt Strafe gesehen. "Wer Teil des Problems sein will", muss die Bundeswehr verlassen oder wird versetzt. Wer sich kooperativ bei der Aufarbeitung zeigt, kann seine geplante Laufbahn fortsetzen. Fest steht, dass die 2. Kompanie aufgelöst wird, dass die übliche Rotation der Führungskräfte auch im KSK Einzug hält und dass die Sicherheitsüberprüfung auf Stufe 4 angehoben wird. Auch Reservisten werden in Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz vor der Beorderung stärker unter die Lupe genommen.
Die Arbeitsgruppe KSK - bestehend aus Generalinspekteur, Staatsekretär Tauber, Staatssekretär Hoofe, Heeresinspekteur Mais, KSK-Kommandeur Kreitmayr und der Wehrbeauftragten Högl - hat eine Frist gesetzt. Bis Ende Oktober sollen greifbare Ergebnisse vorliegen. Ansonsten werde man nach "neuen Möglichkeiten suchen". Denn die Fähigkeiten des KSK werden in jedem Fall gebraucht.
Unter die Lupe genommen wurden auch die extrem hohen Fehlbestände an Munition und Sprengstoff. So ist der Verbleib von 37.000 plus 48.000 Patronen für verschiedene Handwaffen ungeklärt. Besondere Sorge bereitet dem Generalinspekteur allerdings das Verschwinden von 62 kg Sprengstoff. Schon 1% davon machen ein Auto zu einem gefährlichen Flugobjekt. In diesem Zusammenhang fiel auf, dass die Bundeswehr zu viele analoge Bestandserfassungen vornimmt. Es gibt faktisch keine zentrale Übersicht zu Lager- und Fehlbeständen bei Munition, die per Knopfdruck abrufbar wäre. Ministerin und General zuckten heute mit den Schultern und verwiesen auf die Generalinventur, die bereits angeordnet sei. Stichtag für die Vorlage der Zahlen ist der 31. Dezember 2020.
Abschließend hier noch ein Zitat von Annegret Kramp-Karrenbauer: "Wenn ich 'eisernen Besen' sage, meine ich das nicht martialisch, aber ernst."
Edit: Hier eine interessante Zusatzlektüre aus dem KSK vom 25. Juli 2020.
Autor: Matthias Baumann
Montag, 29. Juni 2020
Präsidentin von Estland in Berlin empfangen
Wegen des hohen Digitalisierungsgrades ist Estland auch ein interessantes Trainingsfeld für Russland. Cyber-Angriffe und Desinformationskampagnen werden regelmäßig an dem kleinen baltischen Staat ausprobiert und - erfolgreich abgewiesen. Nicht ohne Grund hat die NATO in Tallin ihr Cybersecurity Center of Excellence eingerichtet. Der Grad der Resilienz gegenüber Desinformation ist ähnlich hoch wie in Finnland. Sehr praktisch also, dass die Präsidentin neben Russisch, Französisch und Englisch auch Finnisch spricht.
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Die Präsidentin von Estland, Kersti Kaljulaid, besucht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Abendessen im Schloss Bellevue. Das Foto zeigt den obligatorischen Eintrag ins Gästebuch. |
Ihr heutiger Besuch führte sie zunächst in ihre Botschaft. Der Anlass war das 100-jährige Bestehen der Botschaft Estlands in Berlin. Das Haus liegt gegenüber des Hintereingangs zum Verteidigungsministerium. Die Bebauung des Areals um die Hildebrandstraße 5 fand bereits 1853 statt. Namensgeber Hildebrand war ein Schokoladenfabrikant, der diesen Standort am Landwehrkanal für neue Immobilien vorgesehen hatte. Wegen der historischen Umbrüche mussten viele der Häuser um 1920 verkauft werden. Da Estland nicht genügend Mittel auftreiben konnte, bezahlte Konsul Voldemar Puhk aus eigener Tasche und richtete im Haus Nummer 5 ein Konsulat ein.
Auch die folgenden Jahre waren turbulent. Zunächst fiel das Haus an die Sowjetunion, die Estland als Sowjetrepublik eingemeindet hatte. Mit Ende des 2. Weltkrieges lag das Haus plötzlich im britischen Sektor und konnte deshalb von seinen Besitzern nicht genutzt werden. Es kam unter Treuhandverwaltung und diente als Mietshaus. Mit der Wiedervereinigung und dem Zerfall der Sowjetunion fiel das Haus wieder an Estland zurück und dient bis heute als dessen Botschaft.
Video:
Präsidentin von Estland, Kersti Kaljulaid, besucht Bundespräsident Steinmeier im Schloss Bellevue
Autor: Matthias Baumann
Montag, 22. Juni 2020
Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink verlässt nach 6 Jahren Amtszeit die Militärseelsorge
Bei der Sichtung des Videomaterials machten wir eine interessante Entdeckung: Der Bischof hatte sich selbst komplett zurückgenommen. Dabei sollte es doch um seine Amtszeit gehen. Zu Beginn nannte er seinen Namen und am Ende erwähnte er kurz, dass er in den Jahren 2014 bis 2020 an der Aufgabe gereift sei und viele wertvolle Impulse für sein eigenes Leben mitgenommen habe.
"Können Kriege gerecht sein?" dokumentiert. Als ehemaliger Friedensaktivist war er vor 26 Jahren ins Grübeln gekommen, als innerhalb von drei Monaten eine Million Menschen in Ruanda umgebracht wurden. Könnte ein Friedenserhalt durch bewaffnete Kräfte vielleicht doch in bestimmten Situationen sinnvoll sein?
Dann wurde er von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) als neuer Militärbischof angefragt. Da sich Sigurd Rink schon immer für Themen mit Konfliktpotenzial interessierte, willigte er ein und begann Mitte Juli 2014 seine Tätigkeit am ehrwürdigen Bischofssitz in der City West. Das Gebäude befindet sich in der Jebensstraße am Bahnhof Zoo - gegenüber der Bahnhofsmission. Hier hatte in den 1930ern bereits der umstrittene Reichsbischof Ludwig Müller residiert.
Im Büro hielt sich Sigurd Rink jedoch nur selten auf. Er war unentwegt auf Achse und besuchte die Standorte der Bundeswehr im In- und Ausland. Seine erste Reise - noch bevor er offiziell im Amt war - führte ihn in den Kosovo. Dort erlebte er hautnah die Bedrohungslage, das Leben im Feldlager, den direkten Schutz durch Feldjäger und Anschläge in der unmittelbaren Umgebung. So ging es weiter mit mehreren Besuchen in Afghanistan, in Mali oder dem weniger bekannten Einsatz am Horn von Afrika, wo die Bundeswehr bei der Piratenabwehr hilft.
Das Kreuz auf der Schulter ist ein gute Metapher für die Last, die die Soldaten bisweilen bei den Seelsorgern abladen: Tod von Kameraden, eigene Verwundung, Konflikte mit der Familie im fernen Deutschland, Mobbing durch toxische Führungskräfte und andere Herausforderungen des Alltags. Die Seelsorger sind aber auch für Andachten und Gottesdienste zuständig. Dabei haben sie sehr viele inhaltliche Freiräume und können auch mal mit den liturgischen Elementen experimentieren. Ziel ist es, den Soldaten in ihrer speziellen Situation zu dienen. Realitätsferne Stilelemente haben dort keinen Platz.
Wer in die Militärseelsorge geht, muss Pioniergeist haben und die so genannte Gehkultur mögen. Die Gehkultur steht im Gegensatz zur Kommkultur. Ein Militärpfarrer geht zu seiner Gemeinde, während ein herkömmlicher Pfarrer darauf wartet, dass die Gemeinde zu ihm kommt.
Doktorarbeit hatte er über Heinrich Grüber geschrieben, der sich als Bevollmächtigter der Evangelischen Kirche in der DDR immer auch für die sozialen Belange eingesetzt hatte. Die Doktorarbeit ist sehr spannend geschrieben und enthält kaum Fremdwörter oder alltagsferne Redewendungen.
Wer die Bücher des Militärbischofs liest oder mit ihm redet, stellt fest, dass Selbstdarstellung ein Fremdwort für ihn ist. Er blickt immer auf sein Gegenüber, auf seine Aufgaben und auf seine Mitarbeiter. Das kam auch beim Drehtermin im Wald der Erinnerung zum Ausdruck. Im Mittelpunkt standen die Seelsorge, der Dienst am Soldaten, die Wertschätzung gegenüber den Menschen im Einsatz und die Hinweise auf die wichtige Arbeit seiner Militärpfarrer und Pfarrhelfer. Er selbst sieht sich als Lernenden, der seine Persönlichkeit entwickelt und an den Stellen seines Wirkens etwas Gutes hinterlässt.
Video:
Rückblick auf 6 Jahre Evangelische Militärseelsorge mit Militärbischof Sigurd Rink
Autor: Matthias Baumann
Mittwoch, 17. Juni 2020
Olaf Scholz und das Wummspaket auf Abruf
Die Neuverschuldung von 218,5 Milliarden Euro sei momentan sehr günstig zu bewerkstelligen. Die Zinsen liegen bei 3%. Zudem ist das Wummspaket ein Wummspaket auf Abruf. Olaf Scholz hofft auf einen regen Abruf, aber wenn der Abruf nicht erfolgt, gibt es auch keine Verschuldung und damit auch keine Zinsbelastung. Die 218,5 Milliarden Euro sind also eher als eine Kreditlinie zu werten, die man vom Disporahmen eines Girokontos kennt. Allerdings mit dem traumhaften Zinssatz von 3%.
Das Konjunkturpaket selbst schlägt nur mit 103 Milliarden Euro zu Buche. Der Rest der 218,5 Milliarden Euro soll zur Finanzierung von Mehrausgaben und Mindereinnahmen genutzt werden.
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Bundesfinanzminister Olaf Scholz stellt den Nachtragshaushalt zum Konjunkturpaket vor. |
Weitere Maßnahmen sind unter anderem die einmalige Stabilisierung der Gesundheitsfonds, die dauerhafte Unterstützung der Kommunen beim Wohngeld, der Kapazitätsausbau von Kitas und Ganztagsschulen, die Förderung von regionalen Wirtschaftsstrukturen, die Senkung der EEG-Umlage und Liquiditätshilfen für die Bundesagentur für Arbeit.
Ein besonderes Augenmerk gilt kleinen und mittelständischen Unternehmen. Diese sollen mit Wumms auf Abruf ihre Umsatzausfälle kompensieren und damit ihre Existenz sichern können.
Die Mittel des Konjunkturpaketes müssen innerhalb der nächsten zwei Jahre abgerufen werden. Ansonsten werden weniger Schulden aufgenommen und die schwarze Null ist schneller wieder erreicht. 20 Jahre soll die Rückzahlung dauern. Das erscheint einigen Experten zu kurz. Olaf Scholz geht jedoch von einer raschen Erholung der Wirtschaft aus und ist auch in diesem Punkt guter Hoffnung.
Der immer wieder kritisch beäugte Verteidigungshaushalt soll durch das Konjunkturpaket und die Neuverschuldung nicht tangiert werden. Der Finanzminister zeigte sich überzeugt, dass die NATO-Vereinbarung von 2% in "altbewährter" Zielstrebigkeit angegangen werde. Momentan sei man diesem Ziel ohnehin sehr nah, weil ja das Bruttoinlandsprodukt (BIP) so stark abgesunken sei. Betrachtet man die geschätzten Steuereinnahmen für 2020, erkennt man einen Rückgang um 20%. Das ist sehr viel. Wenn das BIP um 20% absinkt, hätte Deutschland mit 55 Milliarden Euro tatsächlich bald die 2%-Marke erreicht. In 2019 lag der Verteidigungshaushalt bei 43,2 Milliarden Euro und entsprach 1,25% des BIP. In 2020 ist er auf 45,2 Milliarden Euro beziffert - also 1,64% des eingebrochenen Bruttoinlandsprodukts.
Olaf Scholz schob aber auch der Frage nach dem Verteidigungshaushalt einen Werbeblock in eigener Sache hinterher. Das BIP werde steigen, weil "altbewährte" Kräfte und Methoden eingesetzt werden. Alles wird gut. Alles ist bezahlbar. Wir gehen einer gesunden Zukunft entgegen - oder so.
Autor: Matthias Baumann
Donnerstag, 11. Juni 2020
Konjunkturpaket und Senkung der Umsatzsteuer für den Zeitraum Juli bis Dezember 2020
Skepsis über die geplante Wirkung des Steuergeschenkes
Was erst einmal ganz nett klingt, birgt doch jede Menge Fallen. So herrschte in der Bundespressekonferenz Skepsis darüber, ob dieses Steuergeschenk wirklich beim Endkunden ankomme. Sprecher der zuständigen Ministerien hingegen zeigten sich hoffnungsvoll. Es gebe Studien, dass das in anderen Ländern gut geklappt habe. Diese Hoffnung konnte jedoch nur mäßig ins Auditorium übertragen werden.
Aus gutem Grund: Bedenkt man den kaufmännischen Leitspruch "Im Einkauf liegt der Gewinn", wird klar, dass insbesondere der Einzelhandel die Steuersenkung für eine Steigerung seiner Rendite (Gewinn) nutzen könnte. Die Rendite ist wichtiger als der eigentliche Umsatz. Die Rendite ist nämlich das, was letztlich in der Tasche des Unternehmens hängen bleibt.
Endlich mehr Rendite
Nehmen wir einmal das Beispiel eines schwedischen Einrichtungshauses, dem ein Kalkulationsfaktor - auch Multi genannt - von 2 nachgesagt wird. Dabei wird der Einkaufspreis des Artikels mit 2 multipliziert und schon hat man den Verkaufspreis im Laden. Wenn also der fiktive Bilderrahmen Smørrebrød 10 Euro im Einkauf kostet, wird er im Regal für 20 Euro angeboten. In den 20 Euro wären aktuell 10 Euro Einkaufspreis und 3,19 Euro Umsatzsteuer enthalten. Die Rendite beträgt demnach 6,81 Euro (20 minus 10 minus 3,19 gleich 6,81). Wenn sich nun die Umsatzsteuer auf 16 % reduziert, sind nur noch 2,76 Euro als Umsatzsteuer (Vorsteuer) an das Finanzamt abzuführen und die Rendite liegt bei satten 7,24 Euro. Das entspricht einer Renditesteigerung von mehr als 6 %. Warum sollte man die an den Endkunden weitergeben, nachdem man wochenlang den Laden wegen Corona geschlossen halten musste?
Hinzu kommt der organisatorische Aufwand: Es gibt nur wenige Märkte, in denen elektronische Etiketten verwendet werden. In der Regel stecken Pappetiketten mit Barcodes, Artikelinfos und Preisen an den Regalen. In leistungsfähigen Warenwirtschaftssystemen kann ein Prozentsatz eingegeben werden, der dann beispielsweise einen Sortimentsbaustein um 2,5 % verteuert - Pardon - in unserem Falle um 2,5 % reduziert. Ist ein optisches Preisschema für die Neukalkulation hinterlegt, wird aus 9,95 Euro ein Preis von 9,75 Euro. Manch ein Lieblingsartikel kostet jetzt 2,99 Euro. Dieser müsste auf 2,91 Euro geändert werden. Eine sinnfreie Preisoptik, die entweder auf 2,89 reduziert würde oder einfach - Genau! - auf 2,99 Euro belassen wird.
Aus Drei mach Zweikommafünf
Warum nur 2,5 Prozent, wenn die Umsatzsteuer doch um 3 Prozentpunkte reduziert wird? Das lässt sich einfach nachrechnen: 119 Euro entsprechen einem Nettowert von 100 Euro plus 19 Euro Umsatzsteuer. Ab Juli würde auf 100 Euro netto eine Umsatzsteuer von 16 % aufgeschlagen werden. Das ergibt 116 Euro. 116 Euro sind aber 97,4789 % von 119 Euro - also nur rund 2,5% weniger. Warum also den Aufwand betreiben und wegen 2,5 % Kaufanreiz sämtliche Sortimente neu kalkulieren, Preisoptik prüfen und den Mitarbeitern neue Etiketten für die Regale übergeben? Wäre das ein Dauerzustand, könnte man das den wenigen Mitarbeitern in den Einzelhandelsfilialen noch verkaufen. Aber: Im Januar 2021 muss alles wieder rückgängig gemacht werden.
Die Vorsteuerfalle
Bei Geschäften zwischen Unternehmen gibt es weitere Fallen. Dort ist die Umsatzteuer ein durchlaufender Posten, der je nach Zahlungsturnus für eine temporäre Liquiditätsverbesserung sorgt. Irgendwann muss das Geld aber ans Finanzamt überwiesen werden. Wer ab dem Leistungszeitraum Juli 2020 eine Rechnung mit 19 % an seinen gewerblichen Kunden stellt, muss diese 19 % auch ans Finanzamt weitergeben. Nach Rechtslage Juli bis Dezember 2020 darf der Kunde auf der anderen Seite jedoch nur die dann geltenden 16 % bei der Umsatzsteuervoranmeldung abziehen. Auch, wenn er seinem Lieferanten die 19 % gezahlt hat.
Man könnte meinen, das sei nicht so dramatisch und sicher nur in Einzelfällen relevant. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Umsatzsteuer über viele Jahre stabil war und neuere Faktura- und Kassensysteme möglicherweise auf 19 % hartcodiert sind. Ganz zu schweigen von epochalen Projektzeiträumen für simple Umstellungen innerhalb namhafter Standardsoftware.
Die Gastronomie trifft es besonders hart. Diese muss in ihren Kassensystemen neuerdings nicht nur die Umsatzsteuer auf Artikelebene pflegen. Sie muss bis Ende Juni mit 19 % rechnen, ab Juli auf 5 % umstellen, ab Januar 2021 auf 7 % anheben und ab Juli 2021 wieder auf 19 %.
Und da wären noch Mietverträge oder Leasingverträge. Hier ist das jeweilige Ablaufdatum maßgebend. Wenn also die Zahlung zum 15. des Monats fällig ist, gilt der Steuersatz zum Enddatum dieses Turnus. Miete, die am 15. Juni für die kommenden 31 Tage zu zahlen wäre, müsste demnach schon mit 16 % abgerechnet werden, weil das Ende des Turnus im Juli liegt.
In eine Falle tappt auch, wer beispielsweise im September 2020 seinen Traumwagen sieht und dafür einen Leasingvertrag mit Sonderzahlung abschließt: Leasingverträge enden normalerweise nach zwei bis vier Jahren. Dann gilt aber wieder der Steuersatz von 19 %. Bei einer Sonderzahlung von 10.000 Euro netto würde die unterschiedliche Besteuerung 300 Euro ausmachen. Wer allerdings einen Leasingvertrag hat, der zwischen Juli und Dezember 2020 endet, kann sich bei seinem Autohaus unbeliebt machen, indem er die damalige Rechnung für die Leasingsonderzahlung auf 16% umschreiben und sich das Geld auszahlen lässt. Denn zum Leasingende gelten ja plötzlich 16% Umsatzsteuer. Das Autohaus muss die Rechnungskorrektur vornehmen und kann dann sehr umständlich den Ausgleich des Steuerbetrages beim Finanzamt beantragen.
Arbeit auf Hochtouren
Das Bundesfinanzministerium versicherte in den jüngsten Pressekonferenzen, dass es "auf Hochtouren" an den Details zur Behandlung dieser Umsatzsteuerkonstellationen arbeite. Man wolle "zeitnah" die Ergebnisse präsentieren - voraussichtlich als Rundschreiben. Steuerberater warten händeringend auf entsprechende Sonderregelungen. Schon allein deshalb, weil auch deren Beratungssoftware nicht so kurzfristig auf die neuen Gegebenheiten angepasst werden kann.
Viele Unternehmen und Vermieter haben vermutlich bis heute noch nicht mitbekommen, dass es ab Juli eine Veränderung bei der Umsatzsteuer gibt.
Autor: Matthias Baumann
Weitere Infos zum Thema in der Stellungnahme des Deutschen Steuerberater-Verbandes
Montag, 8. Juni 2020
Botschafter von VAE, Georgien, Pakistan und Malta beim Bundespräsidenten akkreditiert
Dennoch lässt die Bundesregierung weiterhin Vorsicht walten. Termine der Kanzlerin oder des Bundespräsidenten werden stark kontingentiert, so dass eine Akkreditierung zu jedem Anlass notwendig ist. Auch die Botschafter werden nicht mit dem üblichen Konvoi aus schwarzen Limousinen vor das Schloss gefahren. Sie üben Social Distancing in einem Kleinbus. Auf die Delegation des Botschafters wird verzichtet. Ein Familienmitglied darf dabei sein. Selbst die Flagge wird von Mitarbeitern des Bundespräsidialamtes gehisst. Es gibt keinen Ehrenzug des Wachbataillons. Allein der Ehrenposten an der Tür darf zum Einsatz kommen. Besser als gar nichts.
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Botschafter im Schloss Bellevue akkreditiert: #COVID19 reduziert den Protokolleinsatz auf Ehrenposten und Kleinbus. |
Vereinigte Arabische Emirate, Hafsa Abdulla Mohamed Sharif Alulama
Georgien, Levan Izoria
Islamische Republik Pakistan, Mohammad Faisal
Republik Malta, Marlene Bonnici
Botschafterin Hafsa Abdulla Mohamed Sharif Alulama kennt sich auf dem diplomatischen Parkett aus. Sie hat die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) bereits gegenüber Brasilien, Montenegro, Kosovo und Guyana vertreten.
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Botschafterin der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) akkreditiert: Hafsa Abdulla Mohamed Sharif Alulama |
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Botschafterin der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) akkreditiert: Hafsa Abdulla Mohamed Sharif Alulama - Niederholen der Flogge der VAE unter Corona-Bedingungen |
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Botschafter von Georgien akkreditiert: Levan Izoria |
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Botschafter von Georgien akkreditiert: Levan Izoria - Flagge Georgiens |
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Botschafter der Islamischen Republik Pakistan akkreditiert: Mohammad Faisal (Mitte) mit seiner Gattin (links) |
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Botschafter der Islamischen Republik Pakistan akkreditiert: Mohammad Faisal - Flagge Pakistans |
Die Frauenquote lag heute bei 50%. Eine Botschafterin zum Auftakt und eine zum Abschluss: Marlene Bonnici aus Malta. Marlene Bonnici hat in Oxford und Paris Diplomatie studiert. Eine Frau vom Fach also. Sie lehrte zunächst Deutsch im Bildungsministerium, war dann Botschafterin in Bonn und Brüssel, wirkte in ihrem Außenministerium und arbeitete als Büroleiterin des Premierministers. Ihr diplomatisches Spezialgebiet sind die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Malta und der EU.
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Botschafterin der Republik Malta akkreditiert: Marlene Bonnici |
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Botschafterin der Republik Malta akkreditiert: Marlene Bonnici - Flagge von Malta |
Nachdem der Kleinbus mit Marlene Bonnici vom Hof gerollt war, wurde die Flagge Maltas niedergeholt und die erste Botschafter-Akkreditierung unter Corona-Bedingungen war beendet.
Videos:
Akkreditierung Botschafterin der VAE, Hafsa Abdulla Mohamed Sharif Alulama
Akkreditierung Botschafter von Georgien, Levan Izoria
Akkreditierung Botschafter von Pakistan, Mohammad Faisal
Akkreditierung Botschafterin von Malta, Marlene Bonnici
Autor: Matthias Baumann
Freitag, 29. Mai 2020
#COVID19 - Tod einer Branche
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#COVID19 trifft auch Chauffeur- und Limousinen-Dienstleister sehr hart. Auch Protokollaufträge werden von privaten Unternehmen abgewickelt. |
Eine Situation, die eine kaum beachtete Branche tangiert: den Chauffeur- und Limousinen-Service. Diese Branche basiert auf ähnlichen Werten wie das Protokoll - vielleicht auch deshalb, weil das Protokoll ein wichtiger Auftraggeber ist: Da sein, nicht auffallen, vom Hintergrund aus das Ganze im Blick behalten, 100% Qualität liefern und nach dem Ereignis diskret aus dem Blickfeld verschwinden.
Unbekannt ist wohl, dass selbst die schwarzen Limos mit der Standarte des Bundespräsidenten auf kleine und mittelständische Unternehmen angemeldet sind. Diese unterhalten je nach Auftragslage und Stammkunden ein oder mehrere schwarze Fahrzeuge der Oberklasse. Die Unternehmer fahren oft selbst oder beschäftigen Familienangehörige und Mitarbeiter.
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#COVID19 trifft auch Chauffeur- und Limousinen-Dienstleister sehr hart. Chauffeur Matthias Walcker unterwegs auf den leeren Straßen Berlins. |
Wer mit Dumpingangeboten oder Wucherpreisen an den Markt gehe, wird sich bald ein anderes Geschäft suchen müssen. So kommt es, dass Nutzer von Chauffeurdiensten in Deutschland eine moderate und stabile Preisgestaltung vorfinden. Zum Ehrenkodex gehört es auch, dem Kunden aus der Schweiz zu sagen: "Es freut mich, dass Sie mir die dreifachen Preise von Paris zahlen möchten, aber ich mache hier nicht die Branche kaputt." Abgerechnet wird nach Zeit. Wer die Preise unserer westlichen Nachbarn gewohnt ist, kann in Deutschland üppige Ausfahrten buchen.
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#COVID19 trifft auch Chauffeur- und Limousinen-Dienstleister sehr hart. Der elegante Fuhrpark produziert hohe Fixkosten bei null Euro Umsatz. |
Chauffeure aus Berlin hatten Glück. Die Zuschüsse der IBB wurden bereits einen Tag nach Beantragung ausgezahlt. In Bundesländern wie Brandenburg lief das nicht so elegant. Dort musste zunächst ein Webformular ausgefüllt werden. Daraus wurde eine PDF erzeugt. Diese musste ausgedruckt, unterschrieben und per E-Mail an die Bank gesendet werden. Ein Chauffeur berichtete, dass es sogar noch einen zusätzlichen Briefwechsel gab. Durch diesen ineffizienten Ablauf erfolgte die Auszahlung erst nach mehreren Wochen - kurz vor dem gefürchteten Monatswechsel. Auch das ist bei Unternehmern anders als bei Angestellten: Während sich der Angestellte auf das Gehalt freut, muss der Unternehmer zum Monatsende so viel Geld erwirtschaftet haben, dass er Mieten, Kreditraten und Mitarbeiter bezahlen kann. Wohl dem, der ein finanzielles Polster hat.
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#COVID19 trifft auch Chauffeur- und Limousinen-Dienstleister sehr hart. Chauffeure warten auf neue Umsätze frühestens ab September 2020. |
Chauffeur und Einzelunternehmer Matthias Walcker musste wegen des positiven Corona-Tests eines Fahrgastes aus dem Bundestag für zwei Wochen in Quarantäne. Das ausgleichende Krankentagegeld fiel homöopathisch aus - ebenso seine Umsätze seit März 2020. Ein geschätzter Kollege von ihm musste bereits Insolvenz anmelden. In zwei Tagen steht der nächste Horror bevor: Monatswechsel. Matthias Walcker ist Schriftführer der Vereinigung der Chauffeur & Limousine Service Unternehmen (VLD e.V.) und geht davon aus, dass erst ab September neue Aufträge zu erwarten sind. Dabei hatte das Jahr so verheißungsvoll begonnen: Die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands hatte so viel Arbeit für die Branche avisiert, dass einige Unternehmer neue Fahrzeuge angeschafft und in weitere Mitarbeiter investiert hatten.
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#COVID19 trifft auch Chauffeur- und Limousinen-Dienstleister sehr hart. Chauffeur und Schriftführer des VLD e.V., Matthias Walcker, blickt besorgt in die Zukunft. |
So bangt die Branche der Chauffeure weiter um ihre Existenz und hofft auf ein Überleben bis zum Wiederanlauf nach Corona.
Autor: Matthias Baumann
Donnerstag, 28. Mai 2020
Null Toleranz und starker Staat - Kriminalstatistiken für 2019 vorgestellt
Damit soll nun Schluss sein. Auf der gestrigen Pressekonferenz zur Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2019 (PKS) und der Statistik zur Politisch motivierten Kriminalität 2019 (PKM) fand Innenminister Horst Seehofer klare Worte. Er sprach sich mehrfach für einen starken Staat und eine Null-Toleranz-Strategie gegenüber Straftätern aus. Letztere habe bereits gute Wirkungen bei der Behandlung von Clankriminalität gezeigt. Deshalb soll sie auch für einen anderen Schwerpunkt eingesetzt werden: die PMK von rechts.
Die Politisch motivierte Kriminalität wird derzeit in fünf Bereiche gesplittet: rechts, links, nicht zuordenbar, ausländische Ideologien und religiöse Ideologien. Als "nicht zuordenbar" werden Taten erfasst, deren Urheber sich nicht eindeutig aus den hinterlassenen Beweismitteln oder der Rolle des Opfers erschließen lassen - beispielsweise die Zerstörung von Wahlplakaten von Parteien der bürgerlichen Mitte.
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Bundespressekonferenz am 27.05.2020 zur Polizeilichen Kriminalstatistik 2019 und Statistik zur Politisch motivierten Kriminalität 2019 - Bundesinnenminister Horst Seehofer |
Die Straftaten aus der Kategorie der ausländischen Ideologien drehen sich in der Hauptsache um den Konflikt zwischen der Türkei und der PKK. Sie gingen zwar gegenüber 2018 um ein Viertel zurück, zeigen jedoch mit vier Vorfällen pro Tag einen weiteren Handlungsbedarf für die Polizei auf. Generell sind die Zahlen der ausländischen und islamistischen PMK stark rückläufig, was auf die neuen Methoden im Umgang mit Clans und die Abnahme der Zuwanderung zurückzuführen sei. In der Gesamtstatistik der PKS ist der Anteil von Tatverdächtigen ohne deutsche Staatsangehörigkeit jedoch gleichbleibend hoch. Er liegt bei einem Drittel.
Dem CSU-geführten Innenressort wird gerne eine "Blindheit auf dem rechten Auge" unterstellt. Die Zahlen zeigen, dass die CSU keineswegs blind ist. Über 22.000 Fälle von rechter PMK wurden 2019 registriert. Das ist mehr als doppelt so hoch wie die linke PMK. Das relativiert sich bei der Betrachtung der Steigerungsraten zum Vorjahr: Rechts liegt bei knapp 10% und links bei über 23%. Zwei Drittel der Fälle auf rechter Seite sind Propagandadelikte (§§ 86, 86a StGB). In den Unterkategorien Antisemitismus und Islamfeindlichkeit sind rechte Motivationen zu über 90% vertreten.
Zum Jahresbeginn 2019 wurde übrigens auch die Kategorie "Deutschlandfeindlich" eingeführt. Hier waren 132 Straftaten inklusive 22 Gewaltdelikte zu verzeichnen. Das ist jedoch kaum vergleichbar mit der Kategorie "Ausländerfeindlich" mit ihren insgesamt 3.703 Straftaten inklusive 506 Gewaltdelikten - darunter 492 von rechts.
Interessant ist der Bereich der "politischen Konfrontation": In der Auseinandersetzung zwischen rechts und links haben Linke über 5.000 Straftaten und über 300 Gewaltdelikte begangen, während Rechte nur etwa 1.000 Straftaten und 100 Gewaltdelikte zu verzeichnen haben. Ähnlich sieht es bei den immer brutaler werdenden Angriffen auf die Polizei aus. Links verzeichnet über 500 Gewaltdelikte bei knapp 1.500 Taten und rechts etwa 100 Gewaltdelikte bei knapp 1.200 Taten. Daraus lässt sich ableiten, dass links in erster Linie gegen rechts und die Polizei vorgeht, während sich rechts in der Hauptsache auf Ausländer und deren Ideologien konzentriert.
Die hohe Zahl der Propagandadelikte zeigt, dass ein Wettbewerb um den höchst möglichen Einfluss auf die Weltbilder der Bevölkerung im Gange ist. Längst muss ein Gefährder nicht mehr in fanatisierte Gruppen gehen. Er kann sich im heimischen Wohnzimmer radikalisieren und irgendwann als Einzeltäter zuschlagen. Deshalb beobachten Bundeskriminalamt (BKA) und Verfassungsschutz (BfV) verstärkt die Aktivitäten in Sozialen Netzwerken. Bezüglich Kinderpornografie arbeiten die deutschen Behörden sehr gut mit dem amerikanischen NCMEC zusammen. Im Fahrwasser dieser Ermittlungen werden auch andere Delikte verfolgt. Dadurch kam es 2019 zu einem hohen statistischen Anstieg der Straftaten, weil einfach mehr Licht in die Dunkelziffern gebracht wurde.
Skurrile Weltbilder werden seit einigen Jahren auch von Experten aus dem Ausland geformt und genährt. Sie erfinden je Zielgruppe die passenden Narrative. Diese Narrative sind falsche oder halbwahre Erzählungen, die in sich schlüssig sind und von Sinnsuchenden gerne aufgenommen werden. Während Finnland und die baltischen Staaten eine gewisse Resilienz gegenüber Fake News, Desinformationen und Verschwörungstheorien aufgebaut haben, gibt es erst seit Corona in Deutschland ein zartes Erwachen. Für die Abwehr scheint das Innenministerium mit seinen Unterbehörden wie dem BfV und dem Bundesnachrichtendienst (BND) zuständig zu sein. In der Bundespressekonferenz kam es diesbezüglich am 11. Mai 2020 zu einem Schlagabtausch zwischen BILD und RT Deutsch.
Auch wenn die Trefferquote im Internet deutlich steigt, ist die allgemeine Aufklärungsrate mit 57,5% nicht so beeindruckend. Bayern liegt bei über 60% und Berlin bei etwa 40%. Warum das so ist, erlebt der Berliner, wenn er mal als Betroffener einen Fall zur Anzeige bringt. An Horst Seehofer liegt das jedenfalls nicht. Er steht zur Polizei und fordert auch seine Kollegen aus der Politik dazu auf, der Polizei zu zeigen, "dass die Politik hinter ihnen steht". Wie eingangs erwähnt, arbeitet der Innenminister an einem starken Staat, der die Bürger auf Grundlage der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO) schützt und mit Null Toleranz gegen Straftäter vorgeht.
Autor: Matthias Baumann
Dienstag, 26. Mai 2020
WELT-Ballon schwebt wieder über Berlin
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WELT-Ballon schwebt wieder über Berlin nach #COVID19-Pause - Hygienemaßnahmen für den sanften Aufstieg |
Noch ist nicht abzusehen, welchen wirtschaftlichen Schaden #COVID19 verursacht hat, und welche Branchen sich wieder erholen können. Als der Ballon wieder den Boden berührte, hatte er eine ermutigende Anzahl Touristen angelockt, die ihn in freudiger Erwartung zum 3. Aufstieg betraten.
Video:
Aufstieg Nummer 2 mit dem WELT-Ballon nach der #COVID19-Pause
Autor: Matthias Baumann