Dienstag, 8. September 2020

Neue Weltordnung? Neue Partner? Partner-Atlas der Konrad-Adenauer-Stiftung veröffentlicht

Der Begriff der Neuen Weltordnung ist längst nicht mehr exklusiv für Verschwörungstheoretiker gepachtet. Die Neue Weltordnung kommt langsam aber sicher auf uns zu. So waren sich die Panelisten heute in der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) einig darüber, dass wir uns momentan in einer Zwischenphase befinden: der Übergang von der alten regelbasierten und vom Westen dominierten Weltordnung in eine Neue Weltordnung mit schemenhaft erkennbaren Strukturen diktatorischer Systeme.

Dabei ähnelt die Wahl der Mittel zur Herbeiführung dieser Ordnung eher den Gepflogenheiten des 19. Jahrhunderts. Damals wurden neue Machtverhältnisse auf militärischem Wege durchgesetzt. Heute werden die neuen Positionen unter Nutzung aller zur Verfügung stehenden Mittel ausgefochten - inklusive der modernen Informationstechnologien. Die Art und Weise der Mittelverwendung ist zudem sehr uneuropäisch. Von daher wird auch die Neue Weltordnung mit bisherigen Weltordnungen nicht vergleichbar sein. Bezog sich das Ringen früher um territoriale Macht, kämpft man heute zusätzlich um Flüsse: Warenflüsse, Informationsflüsse, Geldflüsse, Datenströme, Migrationsströme und Trinkwasser.

Partner-Atlas der Konrad-Adenauer-Stiftung KAS veröffentlicht
Partner-Atlas der Konrad-Adenauer-Stiftung veröffentlicht - Diese 300-seitige Momentaufnmahme wird online unter www.Partner-Atlas.com fortgeschrieben.
Die USA machen schon seit einigen Jahren deutlich, dass sie nicht mehr an der internationalen Führerschaft interessiert sind. Damit machen sie sich zum vergleichbaren Wettbewerber gegenüber China, Indien, Russland und der Türkei. Europa hatte sich bisher im Schatten des großen Partners USA entspannt. Jetzt muss es die Komfortzone verlassen und selbst Verantwortung übernehmen. Es gibt sogar die Anfrage, eine wertebasierte Führungsrolle zu übernehmen. Deutschland kann das nicht alleine leisten. Frankreich auch nicht. Die Visegrád-Staaten erst recht nicht. Im Idealfall bilden Deutschland und Frankreich den Kern einer europäischen Koalition. Dieser ausgewogene Kern zweier sehr unterschiedlicher Nationen bietet vielen EU-Staaten eine Anschlussfähigkeit.

Deutschland und Frankreich könnten verschiedene Dinge voneinander lernen - beispielsweise das Denken in machtpolitischen Kategorien. Wenn dieses Denken konsolidiert ist, geht es darum, eine einheitliche machtpolitische Sprache zu sprechen. Wenn das gegeben ist, wird die EU zu einem weiteren Pol der Neuen Weltordnung. Die introvertierte Sicht der USA wirkt sich aber auch auf andere alte Partner aus: Australien fühlt sich zunehmend allein gelassen und sucht Hilfe in Europa. Das demokratische Zentral- und Südamerika ist ebenfalls sehr offen für Partner aus Europa.

Es ist also noch nicht alles entschieden - Zwischenphase eben. China redet offen darüber, was es will. Russland und die Türkei demonstrieren, was sie wollen. Die größten Unsicherheitsfaktoren für eine finale Prognose stellen derzeit die USA und die EU dar.

Der vorgestellte Partner-Atlas der KAS umfasst 300 Seiten und geht exemplarisch auf 25 Staaten in fünf Regionen der Welt ein. Das Buch ist eine Momentaufnahme, bei dessen Druck noch keine Wahlen in Belarus stattgefunden hatten und auch noch kein Fall Nawalny vorgekommen war. Der Atlas beschäftigt sich mit der Passgenauigkeit bestimmter Länder zu den fünf Hauptinteressen Deutschlands: regelbasierte Weltordnung, Wohlstand und freier Handel, Sicherheit und Stabilität, Ressourcen und Klimaschutz sowie die Regulierung globaler Migrationsströme.

Bisher war man immer davon ausgegangen, dass Partnerschaften von Regierung zu Regierung eingegangen werden. Umso erstaunlicher ist es, dass im Atlas auch Staaten genannt sind, deren Regierungen nicht mit unserem Demokratieverständnis harmonieren. Dazu wurde ausgeführt, dass es hier durchaus um langfristige Beziehungen geht, die Wahlperioden überspannen und einen ebenso großen Fokus auf die Zivilgesellschaft der potenziellen Partner haben. Ein Beispiel dafür ist Belarus. Belarus bedient das deutsche Interesse Sicherheit an der Ostflanke der EU. Belarus ist zwar im gewissen Sinne abhängig von Russland, wehrt sich aber regelmäßig gegen Einflussversuche aus Moskau.

Bei der internationalen Partnersuche kann Deutschland von seinem guten Ruf profitieren. Deutschland wird als ein vertrauenswürdiger Akteur wahrgenommen, der keine hidden agenda (verdeckte Ziele) verfolgt und selbstlos hilft. Je nach Mentalität wird das zuweilen auch ausgenutzt. In Afrika beispielsweise werden deutsche Hilfen gerne gegen chinesische Investitionen ausgespielt. Hier ist wohl eine machtpolitische Emanzipation nach dem Vorbild Frankreichs notwendig.

NATO- und EU-Staaten kommen im Partner-Atlas gar nicht vor. Das liegt daran, dass man diese Partnerschaften als gegeben ansieht. Wie fragil diese Sichtweise ist, zeigt das Beispiel USA.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 7. September 2020

Bundesregierung hält einen Deal zum Brexit noch für möglich

Heute gehen die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien über die Modalitäten des Brexit in eine neue Runde. Boris Johnson lässt keinen Zweifel daran, dass ihm ein No-Deal-Brexit sehr gelegen käme. Würde er doch damit ein Feindbild inszenieren können, dass ihm bei der Erklärung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Niedergangs seines Landes hilft. Neben einer lautstarken Bewerbung des No Deal setzte er der EU für Mitte Oktober ein Ultimatum. Länger wolle er nicht verhandeln.

Bundesregierung hält einen Deal zum #Brexit noch für möglich
Bundesregierung hält einen Deal zum Brexit noch für möglich
In der heutigen Regierungspressekonferenz zeigte sich Steffen Seibert, Sprecher der Bundesregierung, überzeugt davon, dass man trotz der kurzen Zeit noch ein sinnvolles Verhandlungsergebnis erzielen könne. Die Bundesregierung messe diesen Verhandlungen eine hohe Priorität bei. Auch wenn die EU von einem Ausstieg Großbritanniens profitieren könnte, ist man doch daran interessiert, nicht zu viel Porzellan zu zerschlagen. Es komme aber auf die Kooperation der Briten an. Wenn sich diese weiterhin quer stellen, wird es zum No-Deal-Brexit kommen.

Autor: Matthias Baumann

Samstag, 5. September 2020

Corona, Querdenker und fremde Mächte

Am letzten Samstag fanden in der City von Berlin wieder Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen statt. Organisiert wurde das maßgeblich von der Initiative "Querdenken 711" aus Stuttgart. Pressekollegen aus Berlin hatten den Anlass gemieden und den Samstag lieber auf der heimischen Terrasse, im Umland oder auf dem Balkon verbracht. Freunde und Bekannte wollten sich auch nicht in das Getümmel stürzen und verbrachten den Tag an der urbanen Peripherie.

Umso präsenter stellte sich die gesellschaftliche Peripherie in der City dar. Nach G20 in Hamburg war kaum noch etwas los in Deutschland. Endlich wieder Randale und das möglichst in einer Stadt, zu der man selbst keine Beziehung hat. Im Fahrwasser der schwäbischen Demo tummelte sich eine wahre "Melange" (Mischung) verfassungsrechtlich bedenklicher Akteure. Je nach inhaltlichem Schwerpunkt des Betrachters fielen diesem schwarz-weiß-rote Reichsfahnen, eine Fahne der Türkei oder zwei Fahnen der USA auf. An den Spitzen der Fahnen waren oftmals noch aufblasbare oder aus Pappe gebastelte Buchstaben "Q" zu sehen. Q wie Q-Anon oder Querdenken 711.

Verschwörungsgeschichten

Q-Anon ist nur eine von vielen Verschwörungsgeschichten, die derzeit unser Land überschwemmen. Demokratische Prozesse, Entscheidungsverantwortung und Meinungspluralität sind den Bürgern wohl zu anstrengend geworden, so dass diktatorische Zustände und in sich geschlossene Deutungssysteme wieder attraktiv erscheinen. Deren Anhänger zeigen bereits religiöse Anwandlungen und einen entsprechenden Fanatismus bei der Verteidigung ihrer elitären Erkenntnisse - und seien sie noch so abstrus.

Der Phantasie der Erfinder von Verschwörungstheorien sind keine Grenzen gesetzt. Hauptsache, die Story ist in sich schlüssig. Zielpublikum gibt es genug. Deshalb lassen sich Verschwörungsgeschichten auch gut als Geschäftsmodell aufziehen. Es muss lediglich auf vorhandene Missstände hingewiesen und dazu ein Schuldiger definiert werden. Ob der benannte Schuldige tatsächlich verantwortlich ist, spielt keine Rolle. Durch die Jagd auf diesen Einen wird von den ursprünglichen Problemen abgelenkt, ein gutes Gefühl des "Wir tun etwas" erzeugt und die initialen Missstände nicht gelöst. Wie simpel diese Theorien gestrickt sind, wird schon dadurch deutlich, dass bis heute "der Jude" den Platzhalter des Schuldigen ausfüllt. Die Dynamik entwickelt sich fast von selbst und am Ende will keiner die Verantwortung für die nicht erfolgte Lösung der Probleme und den Zusammenbruch des verqueren Denkgebildes tragen.

Ich sehe was, was du nicht siehst.

Während die Bundesregierung auf breiter Front erschüttert über die Fahnen des Deutschen Reiches war, relativierten das andere Beobachter mit den ein bis drei Fahnen der Türkei und der USA. Blind schienen jedoch die meisten gegenüber der überproportional hohen Anzahl russischer Fahnen zu sein: weiß-blau-rot als Fahne, weiß-blau-rot mit Adler, weiß-blau-rot am Rucksack, weiß-blau-rot kombiniert mit Querdenken-Fahne. Was haben so viele Russland-Fahnen auf einer Kundgebung gegen die Corona-Maßnahmen zu tun?

In sämtlichen sicherheitspolitischen Publikationen über den Cyber-Informationsraum (CIR) ist zu lesen, dass Russland hochentwickelte Fähigkeiten auf diesem Gebiet hat und diese auch konsequent und aggressiv einsetzt. Die baltischen Staaten arbeiten schon seit vielen Jahren an ihrer Resilienz gegenüber der Einflussnahme "fremder Mächte" in ihre Innenpolitik. Russland geht dabei sehr kreativ vor. Es beschäftigt behördliche und externe Kräfte mit der Beeinflussung von Diskussionen in sozialen Netzwerken sowie dem Verbreiten von Fake News und Halbwahrheiten. Russland unterfüttert medial und finanziell antidemokratische Kräfte in der EU und versucht damit den politischen Gegenpol an seiner Westflanke zu schwächen.

Die Frage nach der Zuständigkeit

Laut Aussage eines Sprechers des Innenministeriums habe man die Desinformationskampagnen zwar auf dem Radar, man solle sie aber nicht überbewerten. Die Bundesregierung sieht den Aufbau einer entsprechenden Resilienz in Deutschland als Querschnittsaufgabe. Wie bei Querschnittsaufgaben üblich, versanden diese, falls nicht jemand die Initiative zu deren Koordinierung ergreift. Dass in Deutschland tatsächlich kaum etwas in dieser Richtung getan wird, zeigen die Indizien und der jüngste Bericht der SWP (Stiftung Wissenschaft und Politik) über militärische Cyber-Operationen. Gerne wird auf die Geheimhaltung verwiesen. Dennoch entfalten auch geheime Aktionen zumeist sichtbare Wirkungen. Die Bundeswehr mit ihrem Kommando CIR darf in Bezug auf Desinformation gar nicht aktiv werden. Zuvor müssten die verfassungsrechtlichen und ethischen Grundlagen im Bundestag diskutiert werden. Kostbare Zeit, die angesichts der aktiven Einflussnahme russischer Akteure nicht zur Verfügung steht.

Apropos Verfassaung: Die wenigen Polizisten, die am Samstag den Eintritt der Demonstranten in den Bundestag verhindert haben, können von Glück reden, dass das eine unorganisierte und spontane Aktion war. Die beiden Polizisten mit ihren Stöcken hätten für trainierte Kampfsportler nur eine bedingte Hürde dargestellt. Jetzt werden sie als Helden gefeiert und durften am Montag sogar den Bundespräsidenten besuchen.

In Sicht auf die überforderte Bundespolizei kam die Frage auf, unter welchen Bedingungen das Wachbataillon zur Unterstützung am Reichstag eingesetzt werden könne. Immerhin ist der Schutz des Regierungssitzes Bestandteil von dessen Auftrag. Während des Corona-Lockdowns hatten Soldaten des Wachbataillons verschiedene Unterstützungsleistungen erbracht: Hilfsmitteltransporte, Objektschutz am Bundeswehrkrankenhaus und ähnliches. Warum dann nicht auch Präsenz zeigen am Reichstag? Es muss ja nicht gleich mit dem Transportpanzer Fuchs und auflafettierter Granatmaschinenwaffe vorgefahren werden. Dazu die Antwort eines Sprechers der Bundeswehr: "Eine Unterstützung durch das Wachbataillon für den Schutz des Regierungssitzes unter Inanspruchnahme hoheitlicher Zwangs- und Eingriffsbefugnisse müsste verfassungsrechtlich ausdrücklich zugelassen sein. Außerhalb eines Inneren Notstandes, des Spannungs- oder Verteidigungsfalles oder eines besonders schweren Unglücksfalles katastrophischen Ausmaßes ist dies nicht zulässig."

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 3. September 2020

Brexit und Corona verdoppeln die Rezession in Großbritannien

Der Termin war clever gelegt: Eine Stunde vor der Regierungspressekonferenz wollten gestern die BCCG (British Chamber of Commerce in Germany) und KPMG über die Auswirkungen der Corona-Krise und des Brexit auf Unternehmen mit Bezug zu Großbritannien informieren. Es sollten auch Forderungen gegenüber der Bundesregierung vorgetragen werden. Trotz der eleganten Terminkombination und mehrfacher Ankündigungen spiegelte die Zahl der anwesenden Journalisten, dass der Brexit inzwischen als ein ähnlich langweiliges Thema wie die ständig verschobene Eröffnung des BER gewertet wird.

Medialer Schwung kommt dann wohl erst wieder zum Jahresende auf. Dabei hat der bevorstehende Brexit bereits jetzt für eine Verdoppelung der Corona-Rezension in Großbritannien gesorgt. Während das BIP anderer EU-Staaten jeweils um etwa 10% eingebrochen ist, liegt das Minus von Großbritannien bei über 20%. Wie hart der Brexit wird, weiß vermutlich nicht einmal Boris Johnson. Bisher hatte er auf Zeit gespielt und kurz vor Ultimo seine Rosinenpicker-Forderungen gestellt. Darauf wird sich die EU wohl nicht mehr einlassen, zumal sie selbst mit Corona-Themen und sicherheitspolitischen Herausforderungen an der Ostflanke beschäftigt ist.

BCCG KPMG COVID19 Brexit
BCCG und KPMG informieren über die wirtschaftlichen Auswirkungen von Brexit und COVID19 auf Unternehmen mit Beziehungen zu Großbritannien. London in der Abendsonne - Brexit und der Niedergang eines Wirtschaftsstandortes.
Die EU hat wegen des Brexit eher wirtschaftliche Bedenken. Der britische Fokus hingegen liegt auf der gesellschaftlichen Komponente des Ausstiegs. Diese Sicht wird sich in vier Monaten rächen, wenn wichtige Lieferketten von und zur Insel unterbrochen oder zumindest empfindlich verzögert werden. Ab 2021 gilt Großbritannien als Drittstaat, mit dem nach allgemeinen WTO-Regeln gehandelt wird. Mehr als 20 Unternehmen aus dem Finanzsektor waren bereits vor zwei Jahren abgewandert und agieren nun von Frankfurt am Main aus. Industriebetriebe haben ihre Produktionsstätten auf das Festland der EU verlagert. Wer im Vereinigten Königreich bleibt, wird seine Waren mit einem gewissen Preisaufschlag anbieten müssen. Das betrifft auch die exportierende Automobilindustrie.

Die EU kann schon fast als Profiteur dieses wirtschaftlichen Niedergangs betrachtet werden. Sie gewinnt durch die Standortverlagerungen. Sie gewinnt durch britische Auslandsinvestitionen und sie gewinnt wertvolle Direktkontakte zu den USA, Japan und China. Bisher galt das United Kingdom nämlich als "Tor nach Europa". Aber nicht nur das BIP ist um über 20% eingebrochen. Zeitgleich stieg die Inflation um 10%. Wie Großbritannien unter diesen Umständen den Traum einer neuen Steueroase im Norden Europas träumen kann, ist schleierhaft.

Andreas Glunz von der KPMG ging auch auf die wirtschaftlichen Folgen von Corona ein. So sehen 50% befragter Unternehmen gar keine Auswirkungen. Die wenigsten Befragten befürchten eine Insolvenz. Es werde zwar signifikante Umsatzeinbußen geben, die jedoch mit längst überfälligen Maßnahmen zur Kostensenkung abgefangen werden. Das heißt in der Regel Mitarbeiterabbau und Digitalisierung. Letzteres kostet zwar Geld, lässt sich aber zurzeit gut über die Füllhörner des Konjunkturpaketes kompensieren.

So bezogen sich auch die Forderungen der BCCG an die Bundesregierung auf zwei wesentliche Punkte: Abbau von Bürokratie und Förderung der digitalen Infrastruktur. Oder wie es Günther Oettinger formulieren würde: "Lieber Schlaglöcher als Funklöcher".

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 2. September 2020

Peter Tauber besucht die Logistikschule in Garlstedt

Jedes Jahr durchlaufen etwa 13.000 Teilnehmer über 220 Trainingstypen an der Logistikschule der Bundeswehr im niedersächsischen Garlstedt. Wie diese Ausbildung auch unter Corona-Hygienemaßnahmen funktioniert, darüber machte sich heute der parlamentarische Staatssekretär Dr. Peter Tauber ein Bild vor Ort.

Nachdem er vom Kommandeur der Logistikschule, Brigadegeneral André Denk begrüßt und in den Auftrag der Schule eingewiesen worden war, ging es zur ersten Besichtigungsstation, dem logistischen Übungszentrum. Hier zeigte der stellvertretende Leiter dieses Bereichs, Oberstleutnant Christoph Schladt, dem Besucher die einsatznahe Ausbildung von Soldatinnen und Soldaten, die in Kürze ihren Dienst im Auslandseinsatz - beispielsweise in Mali - versehen werden.

Bei dieser Station stellte Dr. Tauber fest, dass die Ausbildungsansprüche an die Truppe in den letzten Jahren deutlich gestiegen seien. Die Bundeswehr von heute muss sich neben der Ausbildung der Einsatzkontingente für Auslandseinsätze auch vermehrt der gewachsenen Herausforderung der Bündnis- und Landesverteidigung stellen.

Peter Tauber besucht die Logistikschule LogSBw in Garlstedt
Peter Tauber besucht die Logistikschule der Bundeswehr (LogSBw) in Garlstedt - hier beim Funktionstest eines Bergepanzers - Foto: Andreas Plaggenmeier
Danach ging es in den technischen Bereich, also den Ort der Schulgeländes, an dem das schwere Gerät und die Fahrzeuge untergebracht sind. Dort wurde der Gast von Oberst Klaus-Dieter Betz, Leiter Bereich Lehre und Ausbildung sowie stellvertretender Kommandeur der Logistikschule, umfangreich eingewiesen. Das hierzu eingesetzte Fahrzeug, ein Schwerlasttransporter, veranschaulichte die Schwere der Aufgabe, der sich alle Beteiligten stellen.

Einen Einblick in die praktische Ausbildung erhielt der Staatssekretär dann an in den folgenden Stationen. Als erstes wurde die Ausbildung am Containerstapler ORION präsentiert, ein geländegängiges Fahrzeug, welches sowohl als Gabelstapler als auch als Containerumschlagfahrzeug genutzt werden kann. Hier fragte Dr. Tauber beim  Ausbildungsleiter nach, ob man mit dem Gerät zufrieden sei: Ja! Die Herausforderungen beim Umgang lägen unter anderem in den motorischen Fähigkeiten des Bedienungspersonals.

Ein deutlich schwereres Fahrzeug wurde dann an der nächsten Station präsentiert. Der Bergepanzer 3 ist ein Kettenfahrzeug, das unter Gefechtsbedingungen ausgefallene Panzer bergen kann. Hier ließ es sich Dr. Tauber nicht nehmen, den 12-Zylinder-Motor aus dem Leopard 2 einem Funktionstest zu unterziehen. Nach Einweisung durch Fachpersonal natürlich.

Ein schönes Beispiel für ein gelungenes Rüstungsprojekt konnte dann an der letzten Station besichtigt werden. Im Jahr 2017 bestellte das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr insgesamt 33 Bergekranfahrzeuge G-BKF, deren Auslieferung vor kurzem zeit- und budgetgerecht begann. Die Logistikschule der Bundeswehr bildet nun die Soldaten aus, die später in der Truppe die eigentlichen Besatzungen der Fahrzeuge schulen.  Auch hier ließ es sich Dr. Tauber nicht nehmen, das neue Fahrzeug einem ausführlichen Funktionstest zu unterziehen.

Video:
Dr. Peter Tauber an der LogSBw in Garlstedt

Gastbeitrag: Andreas Plaggenmeier

Freitag, 28. August 2020

Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden

Die Offizierschule des Heeres wurde 1956 in Hannover gegründet - ein Jahr nach Gründung der Bundeswehr. 1998 zog sie nach Dresden um und ist dort auf dem historischen Areal der Albertstadt beheimatet. Jährlich werden hier etwa 4.500 militärische Führungskräfte ausgebildet. Diese gehören nicht nur zum Heer, sondern auch zu anderen Einheiten, die sich auf dem Land bewegen - also Angehörige des Sanitätsdienstes, der Streitkräftebasis und des Kommandos CIR (Cyber-Informationsraum).

Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden
Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden - Übergabeappell im Zeichen von Corona - Foto: Bundeswehr / Sebastian Kelm
Wie an Offizierschulen üblich, gibt es auch in Dresden einige ausländische Studenten. Derzeit studieren hier 60 Personen aus Großbritannien, Frankreich, Irak, Jordanien und weiteren Staaten. Die politischen Verhältnisse in den entsendenden Staaten spielen nur eine untergeordnete Rolle. Schließlich geht es um das Erlernen des militärischen Handwerkszeugs wie Taktik und Führung. So kann es gelegentlich vorkommen, dass ein stolzer Absolvent in sein afrikanisches Land zurückkehrt und wie Moussa Dadis Camara aus Guinea das Wissen zur Durchführung eines Staatsstreiches anwendet. Dass Fähigkeiten und übergebene "Werkzeuge" später nicht immer im Sinne des Vermittelnden eingesetzt werden, entspricht dem allgemeinen Lebensrisiko.

Apropos Risiko: Beim heutigen Übergabeappell zum Kommandowechsel an der Offizierschule wurde das Risiko einer flächendeckenden Ansteckung mit Corona dadurch minimiert, dass die Paradeaufstellung in entsprechendem Abstand angetreten war. Der Platz vor dem Schulgebäude sah fast wie ein Steckhalma-Spiel aus. Es waren heute auch neue Kommandos zu hören: "Masken ab!" und "Masken auf!" Von Corona lässt sich die Offizierschule nicht behindern. Schon einen Monat nach Start des Lockdowns wurde der Lehrbetrieb wieder aufgenommen. Unter strikten Hygieneauflagen finden seitdem wieder Laufbahnprüfungen und Fortbildungen statt.

Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden Brigadegeneral Martin Hein
Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden - Brigadegeneral Martin Hein geht nach zwei Jahren Offizierschul-Kommando als Verbindungsoffizier nach Florida. Foto: Bundeswehr / Sebastian Kelm
Heute entband der Kommandeur des Ausbildungskommandos, Generalmajor Norbert Wagner, den Brigadegeneral Martin Hein vom Kommando der Schule. Martin Hein ist jetzt 61 Jahre alt. Mit 19 Jahren war er in die Bundeswehr eingetreten. Dass er eine Vergangenheit bei den Panzertruppen hat, war an seinem schwarzen Barett zu erkennen. Der scheidende Kommandeur schaut auf diverse Verwendungen im englischsprachigen Raum zurück. Kein Wunder, dass er nun als Leiter des Deutschen Verbindungskommandos im Zentralkommando der US-Streitkräfte nach Tampa/Florida versetzt wird. Er war zwei Jahre Kommandeur der Offizierschule, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Der neue Kommandeur der Schule, Brigadegeneral Olaf Rohde, bedient ebenfalls die deutsche Offiziersnorm: verheiratet und zwei Kinder. Er ist Jahrgang 1966 und trat mit 22 Jahren in die Bundeswehr ein. Auch er hat eine Panzervergangenheit und trägt das schwarze Barett. Olaf Rohde war Zugführer, Kompaniechef, Kommandeur und Referatsleiter im BMVg. Darüber hinaus hat er Einsatzerfahrung bei SFOR und ISAF.

Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden Brigadegeneral Olaf Rohde
Kommandowechsel bei der Offizierschule des Heeres in Dresden - Brigadegeneral Olaf Rohde hat heute das Kommando über die Offizierschule des Heeres in Dresden übernommen. Foto: Bundeswehr / Sebastian Kelm
Der Appell hatte noch weitere abgewandelte Elemente: Das Stabsmusikkorps hatte nur eine Minimalbesetzung von sechs Musikern entsandt. Eigentlich wäre das Luftwaffenmusikkorps aus Erfurt für den Termin zuständig gewesen. Das klappte aber wegen der Corona-Auflagen für die Anreise nicht. Das Abschreiten der Paradeaufstellung fand ohne Musikbegleitung statt. Die Truppenfahne der Offizierschule stand nur in der Nähe, wurde aber nicht in die Hand übergeben. Und auch der kreuzweise Handschlag des Generalmajors musste wegen der Abstandsregeln entfallen - sehr zu seinem Bedauern.

Corona konnte jedoch nicht verhindern, dass die Schule weiter Wissen und Fähigkeiten vermittelt und dass Olaf Rohde laut und deutlich feststellte: "Offizierschule des Heeres hört auf mein Kommando!"

Video:
Übergabeappell an der Offizierschule des Heeres in Dresden

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 27. August 2020

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei Bundeskanzlerin Angela Merkel

Die Kanzlerin hatte heute ein stilechtes Jäckchen an: Dunkelgrün. Die Farbe der NATO ist zwar Blau, aber Grün passt zum Umfeld, in dem die Soldaten trainieren. Am Vormittag traf sich NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit Angela Merkel zu Gesprächen. Diese waren vollgepackt mit aktuellen Themen. Themen, die erschreckend nah an das Gebiet der EU herangerückt sind und sogar als Konflikt zwischen NATO-Partnern ausgetragen werden. Es ging um das östliche Mittelmeer, Belarus und die Verteidigungsfähigkeit Europas.

Letztere ist insofern wichtig, weil die Gefahr einer zweiten Amtszeit amerikanischer Unberechenbarkeit besteht. Der NATO-Generalsekretär sprach sich deshalb noch einmal für die Stärkung der transatlantischen Beziehungen aus und machte klar, dass auch die Sicherheitsinteressen der USA auf dem Spiel stehen. Alliierte sollten wieder eng zusammenarbeiten. Wie fragil die Zusammenarbeit in der NATO ist, zeigt der momentane Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei Bundeskanzlerin Angela Merkel - FNC Framework Nations Concept
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rande des 7. Treffens des FNC Framework Nations Concept
Jens Stoltenberg war ohnehin in Berlin. Im Hotel InterContinental treffen sich derzeit 20 Verteidigungsminister, in deren Runde der NATO-Chef natürlich nicht fehlen darf. Das Format nennt sich FNC - Framework Nations Concept. Seit 2014 hat Deutschland als "Lead Nation" die Leitung des FNC inne. Schirmherrinm ist die NATO. Nach der ersten Corona-Welle wurde die Gelegenheit genutzt und das insgesamt siebte Treffen anberaumt - unter strengen Corona-Auflagen und mit eingeschränkter journalistischer Begleitung.

16 der 20 Staaten gehören sowohl der EU als auch der NATO an. Es sei der 4. Fortschrittsbericht erarbeitet worden, der laut Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer auf breite Zustimmung stoße. Im Kern gehe es um ein Lagebild und die daraus abzuleitende Stärkung europäischer Fähigkeiten der Selbstverteidigung. Der Tenor folgt ihrer Amtsvorgängerin, die die europäische Verteidigungsfähigkeit stärken wollte, sich aber klar zur NATO inklusive der USA bekannte.

Jens Stoltenberg hütete sich vor Drohungen gegenüber Belarus und stellte lediglich fest, dass dort demokratische Zustände eingehalten werden sollten. Unklarheit herrscht zurzeit noch über den Fortgang des Afghanistan-Einsatzes: "Wie geht es weiter?", fragte die Kanzlerin. Auch das sollte Gegenstand des Gespräches sein.

Autor: Matthias Baumann

FDP-Fraktion reicht Verfassungsklage gegen den Solidaritätszuschlag ein

Am Montag reichte die FDP-Fraktion eine Klageschrift gegen den Soli beim Bundesverfassungsgericht ein. Nach Artikel 106 Absatz 1 Punkt 6 darf der Bund Ergänzungsabgaben zur Einkommenssteuer und der Körperschaftssteuer erheben. Einkommenssteuer zahlen etwa die Hälfte aller Bundesbürger und Körperschaftsteuer betrifft Kapitalgesellschaften wie GmbHs.

FDP-Fraktion reicht Verfassungsklage gegen den Solidaritätszuschlag ein - Dr. Florian Toncar
FDP-Fraktion reicht Verfassungsklage gegen den Solidaritätszuschlag ein - Dr. Florian Toncar in der Bundespressekonferenz
Auf diesen Absatz des Grundgesetzes stützte sich das Gesetz zur Erhebung des Solidaritätszuschlages - kurz und liebevoll "Soli" genannt. Der Zweck war damals der "Solidarpakt Ost". Inzwischen zeigt sich Strukturschwäche aber nicht mehr eindeutig an der Himmelsrichtung, sondern an Bedürftigkeiten quer durch die Bundesrepublik. Deshalb ist der Zweck nicht mehr gegeben. Zudem war das Gestz Ende 2019 ausgelaufen. Das interessierte die Große Koalition aber wenig, so dass ein entsprechendes Änderungsgesetz auf den Weg gebracht worden war, das erst ab 2021 eine Entlastung von 90% der Soli-Zahler vorsieht. Allerdings bringen die verbleibenden 10% trotzdem noch um die 50% des bisherigen Betrages auf. Das bedeutet, dass in diesem Jahr 20 Milliarden Euro erwartet werden und in 2021 immer noch 10 Milliarden Euro.

Wie zu erwarten war, wurde der Soli nicht 1:1 in den Aufbau Ost gesteckt. Er floss in den großen Topf des Bundeshaushaltes ein. Sicher kam auch ein Teil davon zweckgebunden an, aber nicht alles. Solch eine Ergänzungsabgabe ist attraktiv für den Bund. Kann doch aktuell damit die Corona-Krise gegenfinanziert werden. Eine Umwidmung ist formaljuristisch nicht möglich. Für Corona müsste eine separate Ergänzungsabgabe erhoben werden.

Bezüglich des Timings wollte sich Dr. Florian Toncar, finanzpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, nicht festlegen. Es dauere so lange, wie es eben beim Verfassungsgericht dauere. Man habe die Klageschrift am Montag eingereicht. Als nächstes werde es noch einige Schriftwechsel mit dem Gericht geben. Besonders erfreut wäre die FDP-Fraktion über eine persönliche Anhörung. Dass die Kläger ihr Anliegen wortgewandt vortragen können, haben sie heute in der Bundespressekonferenz bewiesen. Florian Toncar wurde unterstützt von Christian Dürr, dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der FDP.

FDP-Fraktion reicht Verfassungsklage gegen den Solidaritätszuschlag ein - Christian Dürr
FDP-Fraktion reicht Verfassungsklage gegen den Solidaritätszuschlag ein - Christian Dürr in der Bundespressekonferenz
Seitens der FDP erwartet man zwei mögliche Urteile: Das Wunschurteil wäre, dass das Änderungsgesetz ab Januar 2020 für Nichtig erklärt wird und der Bund den Soli rückwirkend zum 1. Januar an die Steuerzahler erstattet. Das zweite vorstellbare Ergebnis wäre, dass das Verfassungsgericht dem Bund eine Frist zur Nachbesserung setzt. Das wäre zumindest ein Teilerfolg. Mit einer Ablehnung sei nicht zu rechnen. Die FDP-Fraktion setzt mit dem Verfassungsgericht alles auf eine Karte: Wegen der Zuständigkeit für das Grundgesetz konnten sie sich gar nicht durch die Instanzen der Finanzgerichte klagen, sondern mussten sich direkt an Karlsruhe wenden. Sollte das Unterfangen wider Erwarten scheitern, erscheint eine Weitergabe an den Europäischen Gerichtshof wenig sinnvoll.

Es bleibt die Spannung, wann das Urteil vorliegt und wieviel Euro tatsächlich zurückerstattet werden. Die Finanzbehörden drücken bereits in den jährlichen Einkommensbescheiden ihre Zweifel an der "Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995" aus und deklarieren dessen Festsetzung "gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO" als "vorläufig".

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 26. August 2020

Lieber tot als vermisst: Schicksalsklärung Zweiter Weltkrieg des DRK-Suchdienstes bis 2025 verlängert

Am 1. Juni 2009 endete der Air-France-Flug 447 von Rio de Janeiro nach Paris im Atlantik. Alle 228 Insassen kamen dabei ums Leben. An ihrem Tod bestand kein Zweifel. Allerdings wusste zunächst niemand, wo genau der Absturz stattgefunden hatte. Die trauernden Angehörigen konnten den Tod an keinem Ort festmachen, so dass ihnen ein wichtiger Schritt im Trauerprozess verwehrt war.

Erst 6 Tage nach dem Absturz fand man die ersten Wrackteile und Leichen. Doch keine Spur vom Flugschreiber und dem Rest des Airbus A330-203. Nach knapp zwei Jahren - bei der inzwischen vierten Suchaktion - wurde auf 4.000 Metern Tiefe ein Trümmerfeld mit Teilen des Flugzeuges entdeckt. Es folgte eine weitere Aktion, bei der der Flugschreiber und dessen Speichermodul geborgen werden konnten. Am 3. Juni 2011 hatte das Warten der Angehörigen ein Ende. Die Ursache war geklärt und es gab einen konkreten Ort. Jetzt konnten sich Angehörige auf den Weg machen und am Ort des Absturzes Abschied von ihren Verwandten und Freunden nehmen.

Pressekonferenz DRK-Suchdienst Gerda Hasselfeldt
Pressekonferenz zum DRK-Suchdienst mit Gerda Hasselfeldt, Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes
Der Zweite Weltkrieg hat ein Vielfaches solcher Schicksale produziert. Bis 1950 wurden 14 Millionen Suchanfragen gestellt und knapp 9 Millionen davon geklärt. Das betraf nicht nur Soldaten, sondern auch Zivilisten. Die Suche nach Soldaten gestaltete sich etwas einfacher. Diese hatten Erkennungsmarken aus Metall, waren in ihren Einheiten registriert worden, wurden in den Karteien der Lazarette inklusive ihres Krankheitsbildes erfasst und mussten Eingangspapiere in Gefangenenlagern unterzeichnen. Deutsche Soldaten wurden in Russland akribisch katalogisiert, was jedoch nicht bedeutete, dass sie gut behandelt wurden. Viele Kriegsgefangene starben in russischen Lagern an Unterernährung.

Da es noch keine Computer gab, wurde die Registrierung auf Karteikarten vorgenommen. Wenn also jemand eine Suchanfrage an das DRK oder den Volksbund stellte, mussten diese analogen Daten erst einmal mühsam verknüpft werden. Hinzu kamen der "Eiserne Vorhang" und der "Kalte Krieg". Man habe dennoch sehr konstruktiv mit den Unterabteilungen des Roten Kreuzes zusammengearbeitet und konnte viele der Anfragen beantworten. Wichtig dabei war, dass sich Suchende und Gesuchte beim DRK meldeten. Alles noch analog per Brief.

Pressekonferenz DRK-Suchdienst BMI Staatssekretär Dr. Markus Kerber
Pressekonferenz zum DRK-Suchdienst mit Staatssekretär Dr. Markus Kerber, Bundesministerium des Innern
Mit der Auflösung der Sowjetunion wurden auch die Archive geöffnet und zum Vorschein kamen Berge von Karteikarten. Da diese jedoch in Russland verbleiben sollten, schreitet deren Digitalisierung nur langsam voran. Man ist auf die Zuarbeit der russischen Stellen angewiesen. In Deutschland arbeiten 98 Mitarbeiter für den DRK-Suchdienst. 25 Mitarbeiter davon sitzen in München und beschäftigen sich ausschließlich mit Suchanfragen zum Zweiten Weltkrieg: Zivilisten und Soldaten - ganz selten betrifft es Personen aus Skandinavien oder Russland.

Für 2020 erwartet das DRK 11.000 Anfragen zu Vermissten des Zweiten Weltkriegs. Die Erfolgsquote liegt bei 20%. Mit fortschreitender Digitalisierung kann diese Quote sicher noch gesteigert werden. Es lohnt sich also, nach einer gewissen Zeit wieder anzufragen, falls frühere Gesuche ins Leere gelaufen waren. Sinnvoll ist auch eine Anfrage bei anderen Organisationen wie dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Wenn nämlich die Datenpools noch nicht abgeglichen wurden, kann es sein, dass längst Informationen über das Schicksal des Angehörigen vorliegen, nur eben an einer anderen Stelle.

Pressekonferenz DRK-Suchdienst Prof. Dr. Magnus Brechtken Institut für Zeitgeschichte
Pressekonferenz zum DRK-Suchdienst mit Prof. Dr. Magnus Brechtken, Stellvertretendet Direktor Institut für Zeitgeschichte - Forschungsvorhaben "Suchende und Gesuchte des Zweiten Weltkriegs"
Bei der heutigen Pressekonferenz waren auch zwei Suchende zugegen, die Ende 2019 zu Findenden geworden waren. Sie hatten letztendlich dicke Briefumschläge mit sämtlichen Unterlagen zu den letzten Lebensmonaten ihrer Väter bekommen. Es brauchte einige Tage, bis sie die neuen Erkenntnisse verdaut hatten. Dann stellte sich aber innerer Frieden bei ihnen ein. Die Unterlagen enthielten neben Todesort und Ursache sogar Informationen zur Position der Grabstätte. Die beiden Angehörigen sind nun um die 80 Jahre alt. Wenn sie sich rüstig genug fühlen und Corona eine Verschnaufpause macht, könnten sie nach Russland reisen und direkt am Grab Abschied nehmen. Der Volksbund bietet sogar Umbettungen nach Deutschland an.

Per Bundestagsbeschluss von 1953 fördert das Bundesinnenministerium (BMI) die Arbeit des DRK-Suchdienstes. Die Rubrik Zweiter Weltkrieg sollte eigentlich 2023 geschlossen werden. Wegen des nach wie vor hohen Interesses am Verbleib von Verwandten, wurde dieser Zeitraum nun auf 2025 verlängert. Inzwischen fragen nämlich nicht nur Ehepartner und Kinder, sondern auch Enkel an. Nicht abgeschlossene Trauerprozesse können Familien und deren Folgegenerationen belasten. Deshalb fühlt sich das BMI als "Heimatministerium" der "psychischen Stabilität" in der Heimat verpflichtet.

Ergänzend sei erwähnt, dass der DRK-Suchdienst seine Aufgaben über das Thema Zweiter Weltkrieg hinaus sieht. In Zusammenarbeit mit weltweiten Rot-Kreuz- und Rot-Halbmond-Stellen findet es Personen aus aktuellen Krisenregionen, stellt per Internet oder Telefon Kontakte zwischen Suchenden und Gesuchten her und sieht seinen Auftrag erfüllt, wenn sich die Personen endlich wieder physisch in den Armen liegen. Diese Arbeit wird auch nach 2025 weitergehen.

Autor: Matthias Baumann

Sloweniens Präsident Borut Pahor im Schloss Bellevue empfangen

Bundespräsident Steinmeier und sein Gast, der slowenische Präsident Borut Pahor, hielten sich an die Corona-Regeln. Foto mit Maske, Foto ohne Maske, aber dafür mit entsprechendem Abstand. Während Borut Pahor jedes Mal elegant seine Maske im Sakko verschwinden ließ, behielt der Bundespräsident seine Maske in der Hand. Trotz des Abstandes war die morgendliche Begrüßung sehr herzlich.

Sloweniens Präsident Borut Pahor von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue empfangen
Sloweniens Präsident Borut Pahor (links) von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue empfangen - Staatsbesuch unter Corona-Bedingungen
Borut Pahor wurde vor 56 Jahren im ehemaligen Jugoslawien geboren. 1990 startete der diplomierte Politikwissenschaftler seine Karriere im slowenischen Parlament. Das war in der heißen Phase der Abkoppelung von Jugoslawien. Borut Pahor ist Sozialdemokrat - wie sein heute besuchter Amtskollege. Zeitgleich mit der Aufnahme seines Landes in die EU zog er 2004 ins Europäische Parlament ein. 2008 wurde er zum Ministerpräsidenten Sloweniens gewählt und legte deshalb sein Mandat in Brüssel nieder. 2011 musste er zurücktreten, nachdem einige Parlamentskollegen wegen Korruption aufgeflogen waren. Die Regierung verzeichnete damals in der Bevölkerung eine Unzufriedenheitsquote von über 80%.

Wenngleich die Sozialisten nach den anschließenden Neuwahlen nicht mehr die Regierungspartei stellten, wurde Borut Pahor ein Jahr später doch zum Präsidenten ernannt. 2017 wurde er in diesem Amt bestätigt. In Slowenien scheint die Demokratie also gut zu funktionieren.

Sloweniens Präsident Borut Pahor von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue empfangen
Sloweniens Präsident Borut Pahor (links) von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue empfangen - Frank-Walter Steinmeier hält Abstand und seine Maske in der Hand. Im Hintergrund der Ehrenposten des Wachbataillons. Mehr militärische Ehre wurde wegen Corona nicht zugelassen - keine Hymnen und kein Abschreiten der Ehrenformation.
Slowenien grenzt an Österreich, Ungarn und Kroatien. Das Land hat 2,1 Millionen Einwohner, was in etwa der Bevölkerungsanzahl von Hamburg entspricht. Die Wirtschaftskraft lag 2019 bei 26.000 Euro pro Kopf. Das Verteidigungsbudget beträgt beschauliche 1,16% des BIP.

Seit 16 Jahren ist Slowenien auch Mitglied der NATO und sollte schon deutlich weiter entwickelt sein. Auswertungen haben Bürokratie und deren Nebenschauplätze als kontraproduktiv erkannt. Dabei bedarf es in Slowenien wichtiger Modernisierungsmaßnahmen. Deren Durchführung wird jedoch seitens der EU und der NATO nach wie vor als "Herausforderungen" angesehen. So gibt es insbesondere bei der Sicherung des Luftraumes erhebliche Defizite. Ungarn und Italien müssen in diesem Bereich aushelfen.

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Autor: Matthias Baumann