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Mittwoch, 5. August 2020

Libanon: Die Explosion tangiert auch deutsche Staatsbürger und Immobilien

Heute um zehn nahm der Krisenstab der Bundesregierung zur Großexplosion im Libanon seine Arbeit auf. Es trafen sich Vertreter des BMI, des BMZ, des Auswärtigen Amtes und des BMVg. Die Lage ist noch sehr unübersichtlich.

Bekannt ist derzeit nur, dass das Gebäude der Botschaft und das Goethe-Institut stark beschädigt sind. Es gibt auch schon einige Meldungen zu verletzten Deutschen. Genaue Zahlen wollte das Auswärtige Amt gegen halb zwölf aber noch nicht herausgeben, weil die Daten erst einmal gesammelt und geordnet werden.

Insgesamt 250.000 Einwohner Beiruts sollen jetzt ohne Wohnraum dastehen. Darunter auch viele Deutsche, die für diverse Hilfsorganisationen arbeiten. Deutschland engagiert sich schon länger in dem krisengeschüttelten Land: Bildungsprojekte, Wirtschaftsförderung und nicht zuletzt bei UNIFIL.

Die Soldaten der UNIFIL waren auf dem Meer unterwegs, so dass sie nur insofern betroffen sind, dass sie möglicherweise in den nächsten Tagen für Hilfeleistungen eingesetzt werden. Ein weiteres UNIFIL-Schiff ist von Zypern aus in die Region aufgebrochen. Die Luftwaffe hält ihre medizinisch nutzbare A400M-Flotte ebenfalls für einen Einsatz bereit. Diese wurde aber noch nicht angefordert. Das Innenministerium erklärte seine Bereitschaft zur Entsendung von Forensikern, falls diese erbeten werden.

Auf jeden Fall fliegen heute Abend 47 Experten des THW (Technisches Hilfswerk) in den Libanon. Das THW unterhält eine Spezialeinheit "Bergung Ausland". Das Team wird von einem Hochbaustatiker begleitet, der die statische Sicherheit des Botschaftsgebäudes prüfen soll. Da das Auswärtige Amt eine weitere Liegenschaft im Libanon unterhält, kann der Botschaftsbetrieb nach einer kurzen Umzugsphase am alternativen Standort weitergeführt werden.

Zur Ursache der Explosion liegen der Bundesregierung bislang keine Erkenntnisse vor.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 29. Juni 2020

Präsidentin von Estland in Berlin empfangen

Kersti Kaljulaid hat ein für estnische Spitzenpolitiker ungewöhnliches Alter. Sie ist 50 und gehört damit zum älteren Drittel der Bevölkerung Ihres Landes. Die 1,2 Millionen Einwohner Estlands sind jung und medienaffin. Estland hat seine Verwaltung weitestgehend digitalisiert und wirbt mit Online-Anträgen für die estnische Staatsbürgerschaft. Das nennt sich E-Residency und ist eine virtuelle Aufenthaltsgenehmigung mit stark reduzierten Rechten. Sie dient hauptsächlich dazu, eine Firma mit Sitz in Europa, also Estland, gründen zu können.

Wegen des hohen Digitalisierungsgrades ist Estland auch ein interessantes Trainingsfeld für Russland. Cyber-Angriffe und Desinformationskampagnen werden regelmäßig an dem kleinen baltischen Staat ausprobiert und - erfolgreich abgewiesen. Nicht ohne Grund hat die NATO in Tallin ihr Cybersecurity Center of Excellence eingerichtet. Der Grad der Resilienz gegenüber Desinformation ist ähnlich hoch wie in Finnland. Sehr praktisch also, dass die Präsidentin neben Russisch, Französisch und Englisch auch Finnisch spricht.

Präsidentin von Estland, Kersti Kaljulaid, zum Abendessen bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue
Die Präsidentin von Estland, Kersti Kaljulaid, besucht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Abendessen im Schloss Bellevue. Das Foto zeigt den obligatorischen Eintrag ins Gästebuch.
Kersti Kaljulaid studierte eine ungewöhnliche Kombination: Biologie (Genetik) und Wirtschaftswissenschaften. Als stetig könnte man ihr anschließendes Berufsleben nicht bezeichnen. Sie wechselte mehrfach die Unternehmen von der Telekommunikation bis zur Finanzbranche und stieg 1999 als Beraterin bei der Regierung ein. Ab 2004 vertrat sie ihr Land beim Europäischen Rechnungshof und im Oktober 2016 wurde sie als erste Frau für das Amt des Präsidenten von Estland vereidigt.

Ihr heutiger Besuch führte sie zunächst in ihre Botschaft. Der Anlass war das 100-jährige Bestehen der Botschaft Estlands in Berlin. Das Haus liegt gegenüber des Hintereingangs zum Verteidigungsministerium. Die Bebauung des Areals um die Hildebrandstraße 5 fand bereits 1853 statt. Namensgeber Hildebrand war ein Schokoladenfabrikant, der diesen Standort am Landwehrkanal für neue Immobilien vorgesehen hatte. Wegen der historischen Umbrüche mussten viele der Häuser um 1920 verkauft werden. Da Estland nicht genügend Mittel auftreiben konnte, bezahlte Konsul Voldemar Puhk aus eigener Tasche und richtete im Haus Nummer 5 ein Konsulat ein.

Auch die folgenden Jahre waren turbulent. Zunächst fiel das Haus an die Sowjetunion, die Estland als Sowjetrepublik eingemeindet hatte. Mit Ende des 2. Weltkrieges lag das Haus plötzlich im britischen Sektor und konnte deshalb von seinen Besitzern nicht genutzt werden. Es kam unter Treuhandverwaltung und diente als Mietshaus. Mit der Wiedervereinigung und dem Zerfall der Sowjetunion fiel das Haus wieder an Estland zurück und dient bis heute als dessen Botschaft.

Video:
Präsidentin von Estland, Kersti Kaljulaid, besucht Bundespräsident Steinmeier im Schloss Bellevue

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 17. Juni 2020

Olaf Scholz und das Wummspaket auf Abruf

Finanzminister Olaf Scholz zeigte sich begeistert: Nachtragshaushalt, Konjunkturpaket und seine Leistung. Heute stellte er den Nachtragshaushalt zur Umsetzung des Konjunkturpaketes vor. "Das ist ein Wummspaket, mit dem wir aus der Krise kommen können".

Die Neuverschuldung von 218,5 Milliarden Euro sei momentan sehr günstig zu bewerkstelligen. Die Zinsen liegen bei 3%. Zudem ist das Wummspaket ein Wummspaket auf Abruf. Olaf Scholz hofft auf einen regen Abruf, aber wenn der Abruf nicht erfolgt, gibt es auch keine Verschuldung und damit auch keine Zinsbelastung. Die 218,5 Milliarden Euro sind also eher als eine Kreditlinie zu werten, die man vom Disporahmen eines Girokontos kennt. Allerdings mit dem traumhaften Zinssatz von 3%.

Das Konjunkturpaket selbst schlägt nur mit 103 Milliarden Euro zu Buche. Der Rest der 218,5 Milliarden Euro soll zur Finanzierung von Mehrausgaben und Mindereinnahmen genutzt werden.

Konjunkturpaket Nachtragshaushalt Bundesfinanzminister Olaf Scholz BMF
Bundesfinanzminister Olaf Scholz stellt den Nachtragshaushalt zum Konjunkturpaket vor.
Das Konjunkturpaket mit der Arbeitsbezeichnung Wumms sieht eine Menge von Maßnahmen zum Ankurbeln der Wirtschaft nach Corona vor. Eine wahre Verzückung huschte über das Gesicht des Ministers, als er von der Absenkung der Umsatzsteuer sprach. Diese sei bewusst "kurzzeitig, kurzfristig angekündigt und hoch". Die Fernseh- und Radiowerbung bestätige die Maßnahme als Wirtschaftsmotor. Auf kritische Details wie Kontenrahmen der Steuerberater, Umstellung von Kassensystemen oder das Thema Vorsteuer ging er nicht ein. Auf Nachfrage bestätigte er aber, dass die Umsatzsteuersenkung "definitiv" nicht verlängert werde.

Weitere Maßnahmen sind unter anderem die einmalige Stabilisierung der Gesundheitsfonds, die dauerhafte Unterstützung der Kommunen beim Wohngeld, der Kapazitätsausbau von Kitas und Ganztagsschulen, die Förderung von regionalen Wirtschaftsstrukturen, die Senkung der EEG-Umlage und Liquiditätshilfen für die Bundesagentur für Arbeit.

Ein besonderes Augenmerk gilt kleinen und mittelständischen Unternehmen. Diese sollen mit Wumms auf Abruf ihre Umsatzausfälle kompensieren und damit ihre Existenz sichern können.

Die Mittel des Konjunkturpaketes müssen innerhalb der nächsten zwei Jahre abgerufen werden. Ansonsten werden weniger Schulden aufgenommen und die schwarze Null ist schneller wieder erreicht. 20 Jahre soll die Rückzahlung dauern. Das erscheint einigen Experten zu kurz. Olaf Scholz geht jedoch von einer raschen Erholung der Wirtschaft aus und ist auch in diesem Punkt guter Hoffnung.

Der immer wieder kritisch beäugte Verteidigungshaushalt soll durch das Konjunkturpaket und die Neuverschuldung nicht tangiert werden. Der Finanzminister zeigte sich überzeugt, dass die NATO-Vereinbarung von 2% in "altbewährter" Zielstrebigkeit angegangen werde. Momentan sei man diesem Ziel ohnehin sehr nah, weil ja das Bruttoinlandsprodukt (BIP) so stark abgesunken sei. Betrachtet man die geschätzten Steuereinnahmen für 2020, erkennt man einen Rückgang um 20%. Das ist sehr viel. Wenn das BIP um 20% absinkt, hätte Deutschland mit 55 Milliarden Euro tatsächlich bald die 2%-Marke erreicht. In 2019 lag der Verteidigungshaushalt bei 43,2 Milliarden Euro und entsprach 1,25% des BIP. In 2020 ist er auf 45,2 Milliarden Euro beziffert - also 1,64% des eingebrochenen Bruttoinlandsprodukts.

Olaf Scholz schob aber auch der Frage nach dem Verteidigungshaushalt einen Werbeblock in eigener Sache hinterher. Das BIP werde steigen, weil "altbewährte" Kräfte und Methoden eingesetzt werden. Alles wird gut. Alles ist bezahlbar. Wir gehen einer gesunden Zukunft entgegen - oder so.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 11. Juni 2020

Konjunkturpaket und Senkung der Umsatzsteuer für den Zeitraum Juli bis Dezember 2020

Vor wenigen Tagen hat sich die Bundesregierung auf ein Konjunkturpaket verständigt. Dieses soll die Wirtschaft ankurbeln und Kaufanreize für private Endkunden schaffen. Letzteres soll durch eine Absenkung der Umsatzsteuer von 19 auf 16 Prozent beziehungsweise von 7 auf 5 Prozent erreicht werden. Diese Maßnahme soll von Juli bis Dezember 2020 gelten.

Skepsis über die geplante Wirkung des Steuergeschenkes

Was erst einmal ganz nett klingt, birgt doch jede Menge Fallen. So herrschte in der Bundespressekonferenz Skepsis darüber, ob dieses Steuergeschenk wirklich beim Endkunden ankomme. Sprecher der zuständigen Ministerien hingegen zeigten sich hoffnungsvoll. Es gebe Studien, dass das in anderen Ländern gut geklappt habe. Diese Hoffnung konnte jedoch nur mäßig ins Auditorium übertragen werden.

Aus gutem Grund: Bedenkt man den kaufmännischen Leitspruch "Im Einkauf liegt der Gewinn", wird klar, dass insbesondere der Einzelhandel die Steuersenkung für eine Steigerung seiner Rendite (Gewinn) nutzen könnte. Die Rendite ist wichtiger als der eigentliche Umsatz. Die Rendite ist nämlich das, was letztlich in der Tasche des Unternehmens hängen bleibt.

Endlich mehr Rendite

Nehmen wir einmal das Beispiel eines schwedischen Einrichtungshauses, dem ein Kalkulationsfaktor - auch Multi genannt - von 2 nachgesagt wird. Dabei wird der Einkaufspreis des Artikels mit 2 multipliziert und schon hat man den Verkaufspreis im Laden. Wenn also der fiktive Bilderrahmen Smørrebrød 10 Euro im Einkauf kostet, wird er im Regal für 20 Euro angeboten. In den 20 Euro wären aktuell 10 Euro Einkaufspreis und 3,19 Euro Umsatzsteuer enthalten. Die Rendite beträgt demnach 6,81 Euro (20 minus 10 minus 3,19 gleich 6,81). Wenn sich nun die Umsatzsteuer auf 16 % reduziert, sind nur noch 2,76 Euro als Umsatzsteuer (Vorsteuer) an das Finanzamt abzuführen und die Rendite liegt bei satten 7,24 Euro. Das entspricht einer Renditesteigerung von mehr als 6 %. Warum sollte man die an den Endkunden weitergeben, nachdem man wochenlang den Laden wegen Corona geschlossen halten musste?

Hinzu kommt der organisatorische Aufwand: Es gibt nur wenige Märkte, in denen elektronische Etiketten verwendet werden. In der Regel stecken Pappetiketten mit Barcodes, Artikelinfos und Preisen an den Regalen. In leistungsfähigen Warenwirtschaftssystemen kann ein Prozentsatz eingegeben werden, der dann beispielsweise einen Sortimentsbaustein um 2,5 % verteuert - Pardon - in unserem Falle um 2,5 % reduziert. Ist ein optisches Preisschema für die Neukalkulation hinterlegt, wird aus 9,95 Euro ein Preis von 9,75 Euro. Manch ein Lieblingsartikel kostet jetzt 2,99 Euro. Dieser müsste auf 2,91 Euro geändert werden. Eine sinnfreie Preisoptik, die entweder auf 2,89 reduziert würde oder einfach - Genau! - auf 2,99 Euro belassen wird.

Aus Drei mach Zweikommafünf

Warum nur 2,5 Prozent, wenn die Umsatzsteuer doch um 3 Prozentpunkte reduziert wird? Das lässt sich einfach nachrechnen: 119 Euro entsprechen einem Nettowert von 100 Euro plus 19 Euro Umsatzsteuer. Ab Juli würde auf 100 Euro netto eine Umsatzsteuer von 16 % aufgeschlagen werden. Das ergibt 116 Euro. 116 Euro sind aber 97,4789 % von 119 Euro - also nur rund 2,5% weniger. Warum also den Aufwand betreiben und wegen 2,5 % Kaufanreiz sämtliche Sortimente neu kalkulieren, Preisoptik prüfen und den Mitarbeitern neue Etiketten für die Regale übergeben? Wäre das ein Dauerzustand, könnte man das den wenigen Mitarbeitern in den Einzelhandelsfilialen noch verkaufen. Aber: Im Januar 2021 muss alles wieder rückgängig gemacht werden.

Die Vorsteuerfalle

Bei Geschäften zwischen Unternehmen gibt es weitere Fallen. Dort ist die Umsatzteuer ein durchlaufender Posten, der je nach Zahlungsturnus für eine temporäre Liquiditätsverbesserung sorgt. Irgendwann muss das Geld aber ans Finanzamt überwiesen werden. Wer ab dem Leistungszeitraum Juli 2020 eine Rechnung mit 19 % an seinen gewerblichen Kunden stellt, muss diese 19 % auch ans Finanzamt weitergeben. Nach Rechtslage Juli bis Dezember 2020 darf der Kunde auf der anderen Seite jedoch nur die dann geltenden 16 % bei der Umsatzsteuervoranmeldung abziehen. Auch, wenn er seinem Lieferanten die 19 % gezahlt hat.

Man könnte meinen, das sei nicht so dramatisch und sicher nur in Einzelfällen relevant. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Umsatzsteuer über viele Jahre stabil war und neuere Faktura- und Kassensysteme möglicherweise auf 19 % hartcodiert sind. Ganz zu schweigen von epochalen Projektzeiträumen für simple Umstellungen innerhalb namhafter Standardsoftware.

Die Gastronomie trifft es besonders hart. Diese muss in ihren Kassensystemen neuerdings nicht nur die Umsatzsteuer auf Artikelebene pflegen. Sie muss bis Ende Juni mit 19 % rechnen, ab Juli auf 5 % umstellen, ab Januar 2021 auf 7 % anheben und ab Juli 2021 wieder auf 19 %.

Und da wären noch Mietverträge oder Leasingverträge. Hier ist das jeweilige Ablaufdatum maßgebend. Wenn also die Zahlung zum 15. des Monats fällig ist, gilt der Steuersatz zum Enddatum dieses Turnus. Miete, die am 15. Juni für die kommenden 31 Tage zu zahlen wäre, müsste demnach schon mit 16 % abgerechnet werden, weil das Ende des Turnus im Juli liegt.

In eine Falle tappt auch, wer beispielsweise im September 2020 seinen Traumwagen sieht und dafür einen Leasingvertrag mit Sonderzahlung abschließt: Leasingverträge enden normalerweise nach zwei bis vier Jahren. Dann gilt aber wieder der Steuersatz von 19 %. Bei einer Sonderzahlung von 10.000 Euro netto würde die unterschiedliche Besteuerung 300 Euro ausmachen. Wer allerdings einen Leasingvertrag hat, der zwischen Juli und Dezember 2020 endet, kann sich bei seinem Autohaus unbeliebt machen, indem er die damalige Rechnung für die Leasingsonderzahlung auf 16% umschreiben und sich das Geld auszahlen lässt. Denn zum Leasingende gelten ja plötzlich 16% Umsatzsteuer. Das Autohaus muss die Rechnungskorrektur vornehmen und kann dann sehr umständlich den Ausgleich des Steuerbetrages beim Finanzamt beantragen.

Arbeit auf Hochtouren

Das Bundesfinanzministerium versicherte in den jüngsten Pressekonferenzen, dass es "auf Hochtouren" an den Details zur Behandlung dieser Umsatzsteuerkonstellationen arbeite. Man wolle "zeitnah" die Ergebnisse präsentieren  - voraussichtlich als Rundschreiben. Steuerberater warten händeringend auf entsprechende Sonderregelungen. Schon allein deshalb, weil auch deren Beratungssoftware nicht so kurzfristig auf die neuen Gegebenheiten angepasst werden kann.

Viele Unternehmen und Vermieter haben vermutlich bis heute noch nicht mitbekommen, dass es ab Juli eine Veränderung bei der Umsatzsteuer gibt.

Autor: Matthias Baumann

Weitere Infos zum Thema in der Stellungnahme des Deutschen Steuerberater-Verbandes

Montag, 8. Juni 2020

Botschafter von VAE, Georgien, Pakistan und Malta beim Bundespräsidenten akkreditiert

Fast vier Monate ist es her, dass Botschafter im Schloss Bellevue akkreditiert wurden. An jenem Tag gab es eine Terminüberschneidung mit dem letzten Präsenzbesuch einer Ministerpräsidentin im Bundeskanzleramt. Der nächste Staatsbesuch wurde wegen der beginnenden Corona-Maßnahmen abgesagt. Seitdem gab es häusliche Quarantäne und Webkonferenzen. Als Zeichen der Normalisierung flog Heiko Maas am Donnerstag nach Den Haag und traf dort seinen Amtskollegen Stef Blok - persönlich.

Dennoch lässt die Bundesregierung weiterhin Vorsicht walten. Termine der Kanzlerin oder des Bundespräsidenten werden stark kontingentiert, so dass eine Akkreditierung zu jedem Anlass notwendig ist. Auch die Botschafter werden nicht mit dem üblichen Konvoi aus schwarzen Limousinen vor das Schloss gefahren. Sie üben Social Distancing in einem Kleinbus. Auf die Delegation des Botschafters wird verzichtet. Ein Familienmitglied darf dabei sein. Selbst die Flagge wird von Mitarbeitern des Bundespräsidialamtes gehisst. Es gibt keinen Ehrenzug des Wachbataillons. Allein der Ehrenposten an der Tür darf zum Einsatz kommen. Besser als gar nichts.

Botschafter im Schloss Bellevue akkreditiert, Protokoll mit Ehrenposten und Bus
Botschafter im Schloss Bellevue akkreditiert: #COVID19 reduziert den Protokolleinsatz auf Ehrenposten und Kleinbus.
Mit dem Kleinbus trafen heute folgende Exzellenzen ein:

Vereinigte Arabische Emirate, Hafsa Abdulla Mohamed Sharif Alulama
Georgien, Levan Izoria
Islamische Republik Pakistan, Mohammad Faisal
Republik Malta, Marlene Bonnici

Botschafterin Hafsa Abdulla Mohamed Sharif Alulama kennt sich auf dem diplomatischen Parkett aus. Sie hat die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) bereits gegenüber Brasilien, Montenegro, Kosovo und Guyana vertreten.

Botschafterin der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) akkreditiert: Hafsa Abdulla Mohamed Sharif Alulama
Botschafterin der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) akkreditiert: Hafsa Abdulla Mohamed Sharif Alulama
Die VAE haben etwa 10 Millionen Einwohner, von denen nur 24% echte VAE-Bürger sind. Es gibt eine sehr starke Gruppe von Indern mit 30% und Pakistanis mit 20%. Der Rest teilt sich in Araber und Asiaten auf. Die VAE gehören zu den westlich orientierten Staaten der Region und kämpfen in einigen Konfliktherden an der Seite Saudi Arabiens. Sie mischen auch im Jemen mit und gelten dort als "successfull military player" (erfolgreicher militärischer Spieler). Wegen seiner westlichen Ausrichtung ist das Land auch Ziel asymmetrischer Angriffe von iranischer Seite.

Botschafterin der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) akkreditiert: Hafsa Abdulla Mohamed Sharif Alulama
Botschafterin der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) akkreditiert: Hafsa Abdulla Mohamed Sharif Alulama - Niederholen der Flogge der VAE unter Corona-Bedingungen
Der Fußweg von der Botschaft Georgiens zum Schloss Bellevue ist deutlich kürzer als der Weg vom Hotel Adlon zum Schloss. Aber, was nimmt man nicht alles auf sich, um protokollarische Gepflogenheiten zu bedienen? Botschafter-Akkreditierungen beginnen und enden grundsätzlich am Adlon. Das vereinfacht die Organisation. Zudem gibt es genug Platz für die Motorradeskorte und die Begleitfahrzeuge. Wobei es heute keine Mororradeskorte gab.

Botschafter von Georgien akkreditiert: Levan Izoria
Botschafter von Georgien akkreditiert: Levan Izoria
Georgien hat 5 Millionen Einwohner. Das Land leidet an einem unentwegt schwelenden Konflikt mit Russland, das die Abspaltung der Gebiete Abchasien und Südossetien aktiv unterstützt. Beide Gebiete grenzen an Russland und destabilisieren die Gesamtlage in der Region. Abchasien und Südossetien sind nur von wenigen Staaten wie Russland, Venezuela oder Syrien diplomatisch anerkannt. Wegen dieser Schwachstellen engagiert sich Georgien stark in der NATO, beteiligt sich als Partner an deren Missionen und strebt eine Mitgliedschaft an.

Botschafter von Georgien akkreditiert: Levan Izoria
Botschafter von Georgien akkreditiert: Levan Izoria - Flagge Georgiens
Botschafter Levan Izoria ist 46 Jahre alt, hat in Göttingen Jura studiert und später auch für die Konrad-Adenauer-Stiftung gearbeitet. Bis 2016 durchlief er einige akademische Posten an diversen westlichen Universitäten. In den letzten acht Jahren fungierte er als stellvertretender Innenminister, als Verteidigungsminister und zuletzt als Geheimdienstchef. Stellt sich die Frage, wie die Entsendung als Botschafter nach Deutschland bezüglich der Karriereentwicklung zu bewerten ist?

Botschafter der Islamischen Republik Pakistan akkreditiert: Mohammad Faisal
Botschafter der Islamischen Republik Pakistan akkreditiert: Mohammad Faisal (Mitte) mit seiner Gattin (links)
Pakistan hat 210 Millionen Einwohner. Da fällt es kaum auf, wenn zwei Millionen Pakistanis in den VAE leben. Pakistan bemüht sich seit vielen Jahren um gute Kontakte zur deutschen Wirtschaft. Die Botschafter gestalten Commonwealth-Treffen in Berlin oder laden Firmenvertreter in die Residenz des Botschafters ein. Gelegentlich kocht sogar dessen Gattin.

Botschafter der Islamischen Republik Pakistan akkreditiert: Mohammad Faisal - Flagge Pakistans
Immer größer werden von Jahr zu Jahr die Empfänge zum Nationalfeiertag Pakistans mit Modenschau, orientalischer Musik, Buffet und Gästen sämtlicher diplomatischer Couleur. Botschafter Mohammad Faisal hat Medizin und Jura studiert und war in den letzten Jahren Sprecher des Außenministeriums. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Bei der heutigen Akkreditierung war seine Frau dabei. Frank-Walter Steinmeier hatte nach seiner Amtsübernahme das Gruppenfoto mit Botschafter und dessen Familie als Element der Akkreditierungszeremonie eingeführt.

Die Frauenquote lag heute bei 50%. Eine Botschafterin zum Auftakt und eine zum Abschluss: Marlene Bonnici aus Malta. Marlene Bonnici hat in Oxford und Paris Diplomatie studiert. Eine Frau vom Fach also. Sie lehrte zunächst Deutsch im Bildungsministerium, war dann Botschafterin in Bonn und Brüssel, wirkte in ihrem Außenministerium und arbeitete als Büroleiterin des Premierministers. Ihr diplomatisches Spezialgebiet sind die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Malta und der EU.

Botschafterin der Republik Malta akkreditiert: Marlene Bonnici
Botschafterin der Republik Malta akkreditiert: Marlene Bonnici
Nur gut, dass der Botschafter des Malteser Ritterordens in der Defilee-Reihenfolge weit vor ihr läuft. Den Rittern auf Malta war 1798 eine Selbstverpflichtung auf die gepanzerten Füße gefallen. Sie durften nicht gegen christliche Nationen kämpfen. Deshalb übergaben sie die Inselgruppe kampflos an Napoleon. Das gefiel den verbliebenen Maltesern gar nicht, so dass sie die Briten um Hilfe baten. Bereits zwei Jahre später - also 1800 - übernahmen sie die Insel per Blockade von den Franzosen. Zur Sicherheit stationierten sie dort gleich ein Regiment und konnten Malta 1814 als britische Kronkolonie etablieren.

Botschafterin der Republik Malta akkreditiert: Marlene Bonnici
Botschafterin der Republik Malta akkreditiert: Marlene Bonnici - Flagge von Malta
Malta hat knapp 450.000 Einwohner, die maltesisch und englisch sprechen. Obwohl sich Malta als neutral deklariert, ist es doch sehr stark mit der westlichen Welt verbandelt. In der NATO wirkt Malta als Partner mit und nimmt aktiv an Übungen und Auslandseinsätzen wie UNIFIL im Libanon teil. Durch die jüngsten Entwicklungen im Mittelmeerraum haben sich auch die Beziehungen zu Italien intensiviert. Italien hilft beispielsweise bei der Luftraumüberwachung.

Nachdem der Kleinbus mit Marlene Bonnici vom Hof gerollt war, wurde die Flagge Maltas niedergeholt und die erste Botschafter-Akkreditierung unter Corona-Bedingungen war beendet.

Videos:
Akkreditierung Botschafterin der VAE, Hafsa Abdulla Mohamed Sharif Alulama
Akkreditierung Botschafter von Georgien, Levan Izoria
Akkreditierung Botschafter von Pakistan, Mohammad Faisal
Akkreditierung Botschafterin von Malta, Marlene Bonnici

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 29. Mai 2020

#COVID19 - Tod einer Branche

Mitte März 2020 wurden sämtliche protokollarische Termine abgesagt. Die Kanzlerin verschwand in der häuslichen Quarantäne. Der Bundespräsident zog sich ins Präsidialamt zurück. Kaum noch Pressetermine, leere Straßen und keine Sperrungen der Innenstadt für Staatsbesuche. Wen stört das schon? Ganz im Gegenteil: Ökoaktivisten, Neider und andere Kräfte möchten Luxuslimousinen, militärische Ehren und das Protokoll lieber heute als morgen abschaffen.

#COVID19 Chauffeur Limousine Service VLD Branche
#COVID19 trifft auch Chauffeur- und Limousinen-Dienstleister sehr hart. Auch Protokollaufträge werden von privaten Unternehmen abgewickelt.
Der initialen Absage von Staatsbesuchen folgte die Schließung von Restaurants, Kirchen, Museen, Bürohäusern und Flughäfen. Messen wie die ILA, die ITB und die Buchmesse wurden abgesagt. Keine Konzerte, keine Reisen, kein Schulunterricht, keine Tagesausflüge, kein Kitabesuch, keine Stadtrundfahrten. Leere Straßen, leere Autobahnen, Kinderbetreuung zu Hause, Videokonferenzen und Home Office.

Eine Situation, die eine kaum beachtete Branche tangiert: den Chauffeur- und Limousinen-Service. Diese Branche basiert auf ähnlichen Werten wie das Protokoll - vielleicht auch deshalb, weil das Protokoll ein wichtiger Auftraggeber ist: Da sein, nicht auffallen, vom Hintergrund aus das Ganze im Blick behalten, 100% Qualität liefern und nach dem Ereignis diskret aus dem Blickfeld verschwinden.

Unbekannt ist wohl, dass selbst die schwarzen Limos mit der Standarte des Bundespräsidenten auf kleine und mittelständische Unternehmen angemeldet sind. Diese unterhalten je nach Auftragslage und Stammkunden ein oder mehrere schwarze Fahrzeuge der Oberklasse. Die Unternehmer fahren oft selbst oder beschäftigen Familienangehörige und Mitarbeiter.

#COVID19 Chauffeur Limousine Service VLD Branche
#COVID19 trifft auch Chauffeur- und Limousinen-Dienstleister sehr hart. Chauffeur Matthias Walcker unterwegs auf den leeren Straßen Berlins.
Mehrere Quellen berichten, dass die Chauffeure ein außerordentlich kollegiales Verhältnis zueinander haben. Jeder gönne seinem Wettbewerber ein Stück vom Kuchen. Man wisse, dass man sich gegenseitig brauche. Bei Großaufträgen wie mehrtägigen Staatsbesuchen, Messen, Gipfeltreffen, Filmfestspielen und ähnlichem müsse man sich aufeinander verlassen können. Einer bucht den anderen dazu und wird bei nächster Gelegenheit selbst zur Ergänzung des Konvois angefragt.

Wer mit Dumpingangeboten oder Wucherpreisen an den Markt gehe, wird sich bald ein anderes Geschäft suchen müssen. So kommt es, dass Nutzer von Chauffeurdiensten in Deutschland eine moderate und stabile Preisgestaltung vorfinden. Zum Ehrenkodex gehört es auch, dem Kunden aus der Schweiz zu sagen: "Es freut mich, dass Sie mir die dreifachen Preise von Paris zahlen möchten, aber ich mache hier nicht die Branche kaputt." Abgerechnet wird nach Zeit. Wer die Preise unserer westlichen Nachbarn gewohnt ist, kann in Deutschland üppige Ausfahrten buchen.

#COVID19 Chauffeur Limousine Service VLD Branche
#COVID19 trifft auch Chauffeur- und Limousinen-Dienstleister sehr hart. Der elegante Fuhrpark produziert hohe Fixkosten bei null Euro Umsatz.
Durch Corona wurde Mitte März der Schalter umgelegt und das Umsatzniveau der gesamten Branche auf 5% abgesenkt. Darunter befinden sich Familien- und Einzelschicksale mit Einnahmen von null bis 120 Euro pro Monat bei weiterlaufenden Kosten. Fahrzeuge dieser Größenordnung werden in der Regel geleast oder finanziert und verursachen monatliche Aufwendungen von gut 1.500 Euro. Davon entfallen 85% auf administrative Fixkosten wie Steuern, Versicherungen und Leasing-/Finanzierungsraten. Dieses Geld ist zu zahlen, auch wenn das Auto nicht einen Kilometer bewegt wurde.

Chauffeure aus Berlin hatten Glück. Die Zuschüsse der IBB wurden bereits einen Tag nach Beantragung ausgezahlt. In Bundesländern wie Brandenburg lief das nicht so elegant. Dort musste zunächst ein Webformular ausgefüllt werden. Daraus wurde eine PDF erzeugt. Diese musste ausgedruckt, unterschrieben und per E-Mail an die Bank gesendet werden. Ein Chauffeur berichtete, dass es sogar noch einen zusätzlichen Briefwechsel gab. Durch diesen ineffizienten Ablauf erfolgte die Auszahlung erst nach mehreren Wochen - kurz vor dem gefürchteten Monatswechsel. Auch das ist bei Unternehmern anders als bei Angestellten: Während sich der Angestellte auf das Gehalt freut, muss der Unternehmer zum Monatsende so viel Geld erwirtschaftet haben, dass er Mieten, Kreditraten und Mitarbeiter bezahlen kann. Wohl dem, der ein finanzielles Polster hat.

#COVID19 Chauffeur Limousine Service VLD Branche
#COVID19 trifft auch Chauffeur- und Limousinen-Dienstleister sehr hart. Chauffeure warten auf neue Umsätze frühestens ab September 2020.
Fahrservice Ulrich ist ein kleines Familienunternehmen mit zwei Mitarbeitern. Nach einer Durststrecke von zwei Monaten ohne Einnahmen freute er sich über das Wiederanlaufen der Schulen und Kitas. So konnten die fehlenden Limo-Umsätze wenigstens mit Schülerfahrdiensten abgefedert werden. Wobei das auch noch viel zu wenig für die Kostendeckung ist. Einige Monate halte Burkhard Ulrich mit seiner Firma noch durch, brauche zum Jahresende jedoch dringend neue Aufträge. Er ist abhängig von der Entwicklung bei Flugreisen, Hotels und dem Protokoll der Bundesregierung.

Chauffeur und Einzelunternehmer Matthias Walcker musste wegen des positiven Corona-Tests eines Fahrgastes aus dem Bundestag für zwei Wochen in Quarantäne. Das ausgleichende Krankentagegeld fiel homöopathisch aus - ebenso seine Umsätze seit März 2020. Ein geschätzter Kollege von ihm musste bereits Insolvenz anmelden. In zwei Tagen steht der nächste Horror bevor: Monatswechsel. Matthias Walcker ist Schriftführer der Vereinigung der Chauffeur & Limousine Service Unternehmen (VLD e.V.) und geht davon aus, dass erst ab September neue Aufträge zu erwarten sind. Dabei hatte das Jahr so verheißungsvoll begonnen: Die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands hatte so viel Arbeit für die Branche avisiert, dass einige Unternehmer neue Fahrzeuge angeschafft und in weitere Mitarbeiter investiert hatten.

#COVID19 Chauffeur Limousine Service VLD Branche
#COVID19 trifft auch Chauffeur- und Limousinen-Dienstleister sehr hart. Chauffeur und Schriftführer des VLD e.V., Matthias Walcker, blickt besorgt in die Zukunft.
Fixkosten bleiben und bis September sind keine weiteren Einnahmen in Sicht. Das wird wohl das Aus für viele Chauffeurdienste bedeuten. Leider beauftragen die Ministerien zurzeit sehr spärlich, obwohl der Bedarf und die Mittel vorhanden seien. Einige Chauffeure haben den Absprung aus der Selbstständigkeit geschafft und wurden direkt bei den Behörden angestellt. Bitter für die Branche ist auch, dass das hohe Auftragsvolumen des Fahrdienstes für den Bundestag dem Bundeswehr-Fuhrpark zugefallen ist. Dieser arbeitet mit 450-Euro-Kräften und ist erkennbar an den Nummernschildern B-FD.

So bangt die Branche der Chauffeure weiter um ihre Existenz und hofft auf ein Überleben bis zum Wiederanlauf nach Corona.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 28. Mai 2020

Null Toleranz und starker Staat - Kriminalstatistiken für 2019 vorgestellt

Toleranz wird in Deutschland großgeschrieben. Das wissen auch Kriminelle sämtlicher Spektren und nutzen das seit vielen Jahren aus. Im Ausland macht man darüber bereits Witze und stilisiert Deutschland als Eldorado für Menschen, die unautorisiert und unbehelligt in den reich gefüllten Topf der mitteleuropäischen Wohlstandsgesellschaft greifen möchten.

Damit soll nun Schluss sein. Auf der gestrigen Pressekonferenz zur Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2019 (PKS) und der Statistik zur Politisch motivierten Kriminalität 2019 (PKM) fand Innenminister Horst Seehofer klare Worte. Er sprach sich mehrfach für einen starken Staat und eine Null-Toleranz-Strategie gegenüber Straftätern aus. Letztere habe bereits gute Wirkungen bei der Behandlung von Clankriminalität gezeigt. Deshalb soll sie auch für einen anderen Schwerpunkt eingesetzt werden: die PMK von rechts.

Die Politisch motivierte Kriminalität wird derzeit in fünf Bereiche gesplittet: rechts, links, nicht zuordenbar, ausländische Ideologien und religiöse Ideologien. Als "nicht zuordenbar" werden Taten erfasst, deren Urheber sich nicht eindeutig aus den hinterlassenen Beweismitteln oder der Rolle des Opfers erschließen lassen - beispielsweise die Zerstörung von Wahlplakaten von Parteien der bürgerlichen Mitte.

Bundespressekonferenz BPK Kriminalstatistik Bundesinnenminister Horst Seehofer
Bundespressekonferenz am 27.05.2020 zur Polizeilichen Kriminalstatistik 2019 und Statistik zur Politisch motivierten Kriminalität 2019 - Bundesinnenminister Horst Seehofer
Die religiös motivierten Taten machen inzwischen nur noch 1% der gesamten PMK aus. Diese haben derzeit ausschließlich islamistischen Hintergrund, insbesondere in Verbindung mit terroristischen Vereinigungen wie den Taliban, Lashkar-e-Taiba, dem so genannten Islamischer Staat und Al-Shabab. Statistisch gesehen übt diese Tätergruppe ein Gewaltdelikt pro Woche aus.

Die Straftaten aus der Kategorie der ausländischen Ideologien drehen sich in der Hauptsache um den Konflikt zwischen der Türkei und der PKK. Sie gingen zwar gegenüber 2018 um ein Viertel zurück, zeigen jedoch mit vier Vorfällen pro Tag einen weiteren Handlungsbedarf für die Polizei auf. Generell sind die Zahlen der ausländischen und islamistischen PMK stark rückläufig, was auf die neuen Methoden im Umgang mit Clans und die Abnahme der Zuwanderung zurückzuführen sei. In der Gesamtstatistik der PKS ist der Anteil von Tatverdächtigen ohne deutsche Staatsangehörigkeit jedoch gleichbleibend hoch. Er liegt bei einem Drittel.

Dem CSU-geführten Innenressort wird gerne eine "Blindheit auf dem rechten Auge" unterstellt. Die Zahlen zeigen, dass die CSU keineswegs blind ist. Über 22.000 Fälle von rechter PMK wurden 2019 registriert. Das ist mehr als doppelt so hoch wie die linke PMK. Das relativiert sich bei der Betrachtung der Steigerungsraten zum Vorjahr: Rechts liegt bei knapp 10% und links bei über 23%. Zwei Drittel der Fälle auf rechter Seite sind Propagandadelikte (§§ 86, 86a StGB). In den Unterkategorien Antisemitismus und Islamfeindlichkeit sind rechte Motivationen zu über 90% vertreten.

Zum Jahresbeginn 2019 wurde übrigens auch die Kategorie "Deutschlandfeindlich" eingeführt. Hier waren 132 Straftaten inklusive 22 Gewaltdelikte zu verzeichnen. Das ist jedoch kaum vergleichbar mit der Kategorie "Ausländerfeindlich" mit ihren insgesamt 3.703 Straftaten inklusive 506 Gewaltdelikten - darunter 492 von rechts.

Interessant ist der Bereich der "politischen Konfrontation": In der Auseinandersetzung zwischen rechts und links haben Linke über 5.000 Straftaten und über 300 Gewaltdelikte begangen, während Rechte nur etwa 1.000 Straftaten und 100 Gewaltdelikte zu verzeichnen haben. Ähnlich sieht es bei den immer brutaler werdenden Angriffen auf die Polizei aus. Links verzeichnet über 500 Gewaltdelikte bei knapp 1.500 Taten und rechts etwa 100 Gewaltdelikte bei knapp 1.200 Taten. Daraus lässt sich ableiten, dass links in erster Linie gegen rechts und die Polizei vorgeht, während sich rechts in der Hauptsache auf Ausländer und deren Ideologien konzentriert.

Die hohe Zahl der Propagandadelikte zeigt, dass ein Wettbewerb um den höchst möglichen Einfluss auf die Weltbilder der Bevölkerung im Gange ist. Längst muss ein Gefährder nicht mehr in fanatisierte Gruppen gehen. Er kann sich im heimischen Wohnzimmer radikalisieren und irgendwann als Einzeltäter zuschlagen. Deshalb beobachten Bundeskriminalamt (BKA) und Verfassungsschutz (BfV) verstärkt die Aktivitäten in Sozialen Netzwerken. Bezüglich Kinderpornografie arbeiten die deutschen Behörden sehr gut mit dem amerikanischen NCMEC zusammen. Im Fahrwasser dieser Ermittlungen werden auch andere Delikte verfolgt. Dadurch kam es 2019 zu einem hohen statistischen Anstieg der Straftaten, weil einfach mehr Licht in die Dunkelziffern gebracht wurde.

Skurrile Weltbilder werden seit einigen Jahren auch von Experten aus dem Ausland geformt und genährt. Sie erfinden je Zielgruppe die passenden Narrative. Diese Narrative sind falsche oder halbwahre Erzählungen, die in sich schlüssig sind und von Sinnsuchenden gerne aufgenommen werden. Während Finnland und die baltischen Staaten eine gewisse Resilienz gegenüber Fake News, Desinformationen und Verschwörungstheorien aufgebaut haben, gibt es erst seit Corona in Deutschland ein zartes Erwachen. Für die Abwehr scheint das Innenministerium mit seinen Unterbehörden wie dem BfV und dem Bundesnachrichtendienst (BND) zuständig zu sein. In der Bundespressekonferenz kam es diesbezüglich am 11. Mai 2020 zu einem Schlagabtausch zwischen BILD und RT Deutsch.

Auch wenn die Trefferquote im Internet deutlich steigt, ist die allgemeine Aufklärungsrate mit 57,5% nicht so beeindruckend. Bayern liegt bei über 60% und Berlin bei etwa 40%. Warum das so ist, erlebt der Berliner, wenn er mal als Betroffener einen Fall zur Anzeige bringt. An Horst Seehofer liegt das jedenfalls nicht. Er steht zur Polizei und fordert auch seine Kollegen aus der Politik dazu auf, der Polizei zu zeigen, "dass die Politik hinter ihnen steht". Wie eingangs erwähnt, arbeitet der Innenminister an einem starken Staat, der die Bürger auf Grundlage der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO) schützt und mit Null Toleranz gegen Straftäter vorgeht.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 6. Mai 2020

Deutschland prüft die Qualität von Maskenlieferungen aus China

Vor einer Woche hatte die Bundeswehr etwa 25 Millionen Schutzmasken aus China einfliegen lassen. In den Sozialen Netzwerken gingen daraufhin die Wogen hoch. Über den Fauxpas, dass die Ministerin als Primärvorbild selbst keine Maske trug, war man schnell wieder hinweg. Das ist der Vorteil eines Shitstorms: Er wirkt wie ein Platzregen, der plötzlich auftritt und schnell wieder vorbei ist. Profiteur eines Shitstorms ist in jedem Fall der Betreiber des betreffenden Kanals. Effizienter kann die Relevanz eines Mediums kaum gesteigert werden.

Nachhaltiger waren die ausländischen Kommentatoren: Russen und Ukrainer streiten sich bis heute darüber, ob die einzigartige Antonov 225 nun ein Ausdruck ukrainischer oder russischer Ingenieurskunst sei. Immerhin habe Kiew damals in der Sowjetunion gelegen. Teile der Tragfläche waren im heutigen Usbekistan hergestellt worden - auch eine ehemalige Sowjetrepublik.

#COVID19 Lieferung Schutzmasken aus China mit Antonov 225
#COVID19 - Medienwirksame Anlieferung von 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 am 27.04.2020 auf dem Flughafen Leipzig/Halle
Ein weiterer internationaler Diskussionspunkt ist die qualitative Bewertung der Ware aus China. China kämpft mit dem Makel der Urheberschaft des Corona-Virus und zieht alle medienstrategischen Register. Es wälzt die Schuld auf Dritte ab und gibt sich als der Helfer in Not. Dazu werden Tonnen von Schutzausrüstungen um den Globus gesendet. Das mediale Ziel wurde zunächst erreicht. Allerdings stellte sich heraus, dass die Hilfsgüter nur bedingt den westlichen Standards entsprechen.

Das gab Anlass zu einer Nachfrage in der heutigen Regierungspressekonferenz:

Das Gesundheitsministerium bestätigte, dass Deutschland Qualitätsprüfungen angeordnet habe, die nach entsprechenden Checklisten abgearbeitet werden. Die Prüfung erfolge in China und zusätzlich auch in Deutschland. Dadurch konnte eine Ausschussquote von 20% ermittelt werden. Mangelhafte Ware wird konsequent aussortiert und auch nicht bezahlt.

Bei Schutzausrüstungen für medizinisches Personal gebe es weitere Prüfungen, so dass möglichst keine Qualitätslücken entstehen.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 1. Mai 2020

Robert Koch-Institut und das Konzept zum Wiederanlauf von Gottesdiensten

Die Bundesregierung und die Länderchefs haben sich bei ihrem gestrigen Online-Meeting lobend über die gute Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften geäußert. Es waren Konzepte vorgelegt worden, die inzwischen auch vom Robert Koch-Institut kommentiert wurden.

Die Arbeitsgruppe aus Vertretern der evangelischen, katholischen und orthodoxen Kirche sowie jüdischer und muslimischer Dachverbände hat einen nachhaltig guten Eindruck bei der Bundesregierung hinterlassen. Auch die Presse hatte unentwegt nachgefragt, wann und in welcher Form es wieder mit Gottesdiensten losgehe. Allein dieses Segment der Corona-Bewältigung zeigt, dass die Bundesregierung nicht abgehoben agiert, sondern diverse Schnittmengen zur Einflussnahme durch die Gesellschaft vorhanden sind.

#COVID19 RKI Gottesdienste
#COVID19 - Gottesdienste können unter bestimmten Regeln wieder stattfinden. das Robert Koch-Institut (RKI) hat das gemeinsame Konzept der Religionsgemeinschaften entsprechend kommentiert. Die finale Umsetzung erfolgt gemäß der Selbstverpflichtung der Religionsgemeinschaften und der Auflagen der Bundesländer. (Archivfoto, 22.02.2019)
Um die Ausbreitung der Pandemie gezielt behindern zu können, sei eine Nachverfolgung der Infektionsketten notwendig. Dazu soll es demnächst eine App geben. Aber auch der Abstand zwischen Personen, die nicht in einem Haushalt leben, soll möglichst groß sein, damit keine Lücken in der Nachvollziehbarkeit der Verbreitung des Erregers entstehen.

Maßnahmen des Gesundheits- und Infektionsschutzes bei der Durchführung von Gottesdiensten und religiösen Handlungen sind zwar kein offizieller Bestandteil der Beschlüsse vom 30. April 2020, wurden aber als einzige Anlage dem Ergebnispapier beigefügt. Die oben genannten Glaubensgemeinschaften sind jedoch eine Selbstverpflichtung eingegangen, diese Maßnahmen einzuhalten.

Begrenzung der Teilnehmerzahl

Die Teilnehmerzahl soll sich an der Größe des Raumes orientieren. Auf keinen Fall darf es zu Menschenansammlungen kommen. Es soll auch nur das unbedingt notwendige liturgische Personal anwesend sein. Taufen, Beschneidungen, Trauungen und andere religiöse Feste sind im kleinen Kreise von Familienangehörigen und wenigen unverzichtbaren Personen durchzuführen. Auf Großveranstaltungen wie Konferenzen, Wallfahrten oder Prozessionen ist zu verzichten.

Abstand

Die allgemeinen Abstandsregeln von 1,5 bis 2 Metern gelten auch für Gottesdienste. So soll auch das Personal in diesem Abstand das Gebäude betreten und verlassen. Auch während der liturgischen Handlung ist dieser Abstand einzuhalten. Laufwege und mögliche Sitzplätze sind zu markieren. Nur Familien aus einem Haushalt dürfen zusammensitzen. Für größere Räume werden Ordner empfohlen. Ohnehin werden große Räume favorisiert, weil sich darin mehr Leute mit mehr Abstand aufhalten können. Auch bei der Seelsorge in Krankenhäusern, Pfarrbüros oder Privatwohnungen sind die entsprechenden Abstände einzuhalten.

Das Robert Koch-Institut verweist explizit auf Online-Gottesdienste. Diese haben mehrere Vorteile: kein Infektionsrisiko, Risikogruppen wie Senioren und Kranke können teilnehmen und die Reichweite ist größer.

Hygiene

Personen mit Krankheitssymptomen haben generell keinen Zutritt. Für die Durchsetzung dieser Regel sind Veranstalter und Ordner zuständig. Idealerweise tragen die Besucher eine Gesichtsmaske, die Mund und Nase bedeckt. Hier kann es zu länderspezifischen Abweichungen kommen. Körperkontakte wie Hände schütteln, küssen oder umarmen sind Tabu. Das gilt auch für liturgische Elemente mit Körperkontakt wie Handauflegung oder Abendmahl. Beichtstühle bleiben wegen ihrer räumlichen Beschaffenheit geschlossen. Für die Beichte müssen also kreative neue Formen mit Abstandswahrung geschaffen werden.

Gesangsbücher, Gebetsschals und Bibeln müssen Gottesdienstbesucher selbst mitbringen, da die Erreger eine bemerkenswert hohe Überlebensdauer auf sämtlichen Oberflächen aufweisen. Blasorchester, Chöre und Bands sind untersagt. Musik darf nur durch Einzelpersonen vorgetragen werden. Hier schlägt die Stunde des Mikrofons: Lautes Sprechen oder gemeinsames Singen sind wegen der exzessiven Verbreitung von Tröpfchen nicht erwünscht. Blasinstrumente sind ein absolutes No Go.

Weihwasserbecken bleiben leer, Handdesinfektion ist bereitzustellen, Kontaktflächen, Türen, Mikrofone, liturgische Geräte sind regelmäßig zu desinfizieren. Es ist für eine gute und natürliche Belüftung zu sorgen. Nach den Veranstaltungen sind die Kirchen und Gemeinderäume zu schließen.

Normalität

Eine Rückkehr zur Normalität wird noch eine Weile auf sich warten lassen. 14-tägig werden die Infektionszahlen und die Fortschritte der Forschung ausgewertet. Aufgrund dessen werden politische Entscheidungen getroffen. Bis mindestens Ende August sind Großveranstaltungen wie Volksfeste, Konzerte, Festivals, Sportevents untersagt. Auch ist noch nicht bekannt, wann und in welcher Intensität die erwartete zweite und dritte Welle der Pandemie über das Land zieht. Deshalb sei hier an zwei Worte erinnert, die die Kanzlerin in der gestrigen Pressekonferenz mehrfach in Zusammenhang gebracht hatte: Geduld und Verantwortung.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 27. April 2020

Antonov 225 in Leipzig/Halle und die Schutzmasken in Theorie und Praxis

Himmel und Menschen - der erste richtige Pressetermin seit zweieinhalb Monaten. Eine lange Schlange stand vor Tor 71 des Frachtflughafens Leipzig/Halle. "So viele Sender gibt es doch gar nicht", bemerkte die Moderatorin eines unbekannten sächsischen TV-Mediums. Gemäß der Presseeinladung waren die Medienvertreter mit Warnwesten und Schutzmasken erschienen. Selbstgenähte Masken, Einwegmasken, Schals und Tücher. In kleinen Grüppchen durfte man das Häuschen am Tor 71 passieren. Gürtel, Schlüssel, Rucksack, Kamera, Stativ - alles wurde durchleuchtet. Nur der Mundschutz und die nichtmetallische Kleidung blieben an der Person.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert - Medienandrang am geöffneten Bug der Antonov 225
Der gemeine deutsche Journalist ist Brillenträger. Schutzmaske und Brille vertragen sich nicht so gut. Deshalb gab es zunächst Orientierungsprobleme. Sobald die Brille nicht mehr beschlagen war, konnte die Arbeit fortgesetzt werden. Ein Bekannter von der Bundeswehrredaktion schreckte zurück, als ich ihm wie gewohnt die Hand drücken wollte. Ach ja, Corona, geht also nicht.

An einer roten Linie reihten sich die Kameraleute im Abstand von ein bis zwei Metern auf. Das war bei der Menge der Personen gar nicht so einfach. Fast alle hatten noch ihre Masken auf. Regelmäßig beschlugen die Brillen. Sehr lästig. Nach einer kurzen Einweisung mit Hinweis auf Kaffee und Kaltgetränke setzte eine Lockerung ein. Statt der Maske waren plötzlich Kaffeebecher und Plastikflaschen im Mundbereich zu sehen. Wenige Minuten später musste es eine Insiderinformation gegeben haben, so dass sich 80% der Medienvertreter in den Eingangsbereich des benachbarten Hangars begaben. Wie praktisch, wenn man antizyklisch arbeitet und von der gegenüberliegenden Seite aus filmt.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert - Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK redet mit Brigadegeneral Klaus Frauenhoff - im Hintergrund eine Antonov 124 mit ukrainischer Lackierung
Kurz nach halb zehn traf die Ministerin ein. Brigadegeneral Klaus Frauenhoff vom Logistikzentrum der Bundeswehr in Wilhelmshaven stand zur Begrüßung bereit. Nur in welcher der schwarzen Limousinen sitzt sie? Sie entstieg dem ersten Wagen. Gut, dass General Frauenhoff keine Schutzmaske trug. Sonst hätte er vermutlich seine Chefin bloßgestellt. Sie trug nämlich auch keine. Niemand der Insassen der ministeriellen Fahrzeuge trug eine Schutzmaske. Warum auch? Schließlich sollten ja gleich über 10 Millionen Schutzmasken aus China geliefert werden.

Ein dichte Traube umringte die Ministerin und folgte dieser, wohin sie auch ging. Wo die Traube war, war die Ministerin. Wohl dem, der keine Bilder mit Annegret Kramp-Karrenbauer bei seiner Redaktion abliefern musste. Der konnte sich nämlich ungestört auf die Technik konzentrieren. Diese flog gegen zehn Uhr in Form einer Antonov 225 ein. Die Antonov 225 ist ein fliegendes Einzelstück und gilt als das größte Transportflugzeug der Welt. Deshalb hatten sich auch zahlreiche Spotter rings um das Flughafengelände versammelt.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert - 14 Doppelräder unter dem Rumpf der Antonov 225
Der Rumpf der AN-225 liegt sehr tief und wird von 14 Doppelrädern getragen. Die zwei Doppelräder unterhalb des Cockpits werden zusammen mit der Laderampe eingeklappt. Eine faszinierende Konstruktion: Zuerst öffnet sich die Spitze des Flugzeuges nach oben. Danach bewegt sich die Laderampe nach vorne, stabilisiert sich selbst mit riesigen Metallstempeln auf der Rollfläche und klappt dann weitere Teile aus. Im heutigen Szenario kamen dadurch weiß gekleidete Männer zum Vorschein. Keine Außerirdischen, sondern Flugbegleiter. Das Weiße waren Schutzanzüge. Sie trugen zudem Schutzmasken im Gesicht. Bei der Einstellung des Piloten für dieses einzigartige Fluggerät wurde wohl auch auf dessen Namen geachtet: Dmitri Antonov.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert
Verfolgt von einer dichtgedrängten Schar Medienvertreter kletterte die Ministerin die steile Leiter ins Cockpit hinauf. Die Unterredung dauert nicht sehr lange. Anschließend gab es ein Pressestatement mit Fragemöglichkeit zur heutigen Lieferung von Schutzmasken aus China. Es gibt drei Teillieferungen von etwa 25 Millionen Schutzmasken. Die Antonov 225 hatte 10.330.000 Masken an Bord. Die anderen werden mit der kleineren Antonov 124 geliefert. Insgesamt wurden Verträge über 256 Millionen OP-Masken, 30 Millionen FFP2-Masken (Schadstoffkonzentration bis zum 10-fachen des Arbeitsschutzgrenzwertes, Schadstoffe werden zu 94% ausgefiltert) und 22 Millionen FFP3-Masken (Schadstoffkonzentration bis zum 30-fachen des Arbeitsschutzgrenzwertes, Schadstoffe werden zu 99% ausgefiltert) unterzeichnet.

Die Antonov-Flugzeuge gehören der Ukraine, werden aber per Outsourcing für verschiedene Luftfrachtthemen durch die NATO genutzt. Für die NATO ist das recht praktisch und kostengünstig. Die Ukraine hingegen profitiert davon, dass sie bei der NATO einen Fuß in der Tür hat. Will sie doch schon länger NATO-Mitglied werden. Die NATO lehnt das wegen der fragilen Situation um die Krim bisher ab.

#COVID19 Antonov 225 Schutzmasken Leipzig #AKK
#COVID19 - 10 Millionen Schutzmasken aus China mit Antonov 225 nach Leipzig/Halle geliefert - Soldaten des Logistikbataillons 171 aus Burg laden die Kisten mit den Schutzmasken aus.
Während die Ministerin auf die Fragen der Presse einging, wurde ein mobiles Förderband in die Antonov 225 geschoben - per Muskelkraft. Gabelstapler und Hubwagen brachten Paletten und zeitnah begann das Ausladen der großen Pappkartons. Annegret Kramp-Karrenbauer kontrollierte die Beschriftung einer der ersten Umverpackungen: Chinesisch. Dann gab sie noch ein Interview und verließ das Areal.

Das Ausladen der kompletten Fracht wurde auf sechs Stunden beziffert. Die Profis vom Logistikbataillon 171 aus Burg waren eigens dafür angereist und hatten auch schon eine Art Zwischenlager auf dem Rollfeld eingerichtet. Die private Spedition Kühne + Nagel sollte dann den Rest erledigen und die Masken auf die Bundesländer verteilen. Wer sie letztlich bekommt, hängt vom angemeldeten Bedarf ab.

Video:
Antonov 225 liefert 10 Millionen Schutzmasken in Leipzig/Halle an

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 21. April 2020

#COVID19 und die Offline-Gottesdienste

Religionsgemeinschaften sind nicht immer die Schnellsten, wenn es um die Nutzung moderner Technologien geht. Es wird zunächst geprüft, ob deren Nutzung mit den Grundlagen der Schrift harmoniert. Wenn sich das nicht zweifelsfrei klären lässt, wird die Meinung der Führer der Religionsgemeinschaft als Maßstab gesetzt. So kam es immer wieder zur Ablehnung von Neuerungen wie der Eisenbahn, des Autos, des Telefons oder des Fernsehers. Die Gläubigen wussten oft nur, dass deren Nutzung Sünde sei. Nur, warum?

So stellt auch Corona die Religionsgemeinschaften vor Herausforderungen, für die es kein historisches Beispiel gibt - außer vielleicht im Mittelalter die Pest. Damals wurde den Juden die Schuld gegeben. Als die Pandemie wütete, erfreuten sie sich bester Gesundheit. Dabei hatten sie mit ihren rituellen Waschungen nur das getan, was uns während Corona gebetsmühlenartig antrainiert wird.

Es gibt einige christliche Gemeinden, die die Klaviatur der neuen Medien beherrschen. Das sind in der Regel evangelische Freikirchen, die vor 20 oder 30 Jahren gegründet wurden. Gottesdienste im Kinosaal, Großleinwände, Liedtexte per Beamer, Musik mit Band sowie Predigten, die auch nach einer halben Stunde nicht langweilen. Diese Gemeinden können Corona medial sehr gut abfangen. Band und Pastor nehmen unter der Woche den Gottesdienst auf und streamen diesen dann per YouTube-Premiere in die Wohnzimmer ihrer Mitglieder. Ist Corona irgendwann vorbei, gibt es wieder Präsenztreffen mit weit über 100 Teilnehmern. Nicht selten trifft man sich am Sonntag sogar in mehreren Schichten, weil der Platz sonst nicht reicht.

An vielen etablierten Kirchen ist der mediale Zug vorbeigefahren. Welche der 20 älteren Damen würde sich das auch ansehen? Mitte März 2020 wurden aber auch diese Gemeinden aktiv und meldeten auf die Schnelle YouTube-Accounts an und probierten sich mit hochgeladenen Predigten aus. Die Zuschauerzahlen gleichen jedoch den Zahlen der Offline-Zuhörer.

#COVID10 Bundespressekonferenz 20.04.2020
#COVID10 In der Bundespressekonferenz informierte das BMI am 20.04.2020 über Lockerungen für Versammlungen von Religionsgemeinschaften
Am 17. April 2020 trafen sich Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften mit Staatssekretär Kerber im Bundesinnenministerium. Es sollte um einen baldigen Wiederanlauf der Offline-Gottesdienste gehen. Neben den Vertretern der evangelischen und der katholischen Kirche waren auch Archimandrit Sfiatkos von den orthodoxen Christen sowie ein Vertreter des Zentralrates der Juden und ein Vertreter der Muslime dabei. Letzteren ist die Lockerung der Corona-Beschränkungen wegen des bevorstehenden Ramadans wichtig.

Diese Herren haben ad hoc ein Arbeitsgremium gebildet, das ein Konzept zur schrittweisen Lockerung der Versammlungsregeln erarbeitet. Diese Regeln sollen dann für alle Religionsgemeinschaften in der gleichen Weise gelten und entsprechende Hygienevorgaben beinhalten.

Nicht am Tisch saß die Deutsche Evangelische Allianz (DEA). Die DEA versteht sich als Dachorganisation von gut 1,3 Millionen Christen in Deutschland. Mitglied kann jeder werden, der sich als Christ bezeichnet. Unter dem Dach der DEA sammeln sich viele der oben erwähnten Freikirchen mit ihren mehreren Hundert Gottesdienstbesuchern. Die Vertretenen nehmen ihre Dachorganisation nur einmal im Januar wahr. Wenn nämlich die Programmhefte für die Allianz-Gebetswoche herumgeschickt werden. Regionale Allianz-Vertreter - nicht die von der gleichnamigen Versicherung - putzen dann die Klinken der Gemeinden und werben für die Gebetswoche.

Ansonsten ist die Evangelische Allianz eine Gut-Wetter-Organisation, die sich auf das harmonische Miteinander unterschiedlicher Christen und Freikirchen konzentriert. Sind Probleme wie Machtmissbrauch oder Sektierertum zu lösen, fühlt sich die Allianz nicht mehr zuständig. Sie verweist dann regelmäßig auf den losen Zusammenschluss der Christen unter ihrem Dach sowie die autonom agierenden Regional-Allianzen. Kein Wunder also, wenn die DEA weder von ihren Vertretenen noch von der Politik als relevanter Player wahrgenommen wird.

So spielt die Evangelische Allianz auch bei der Erarbeitung des Konzeptes zur Wiedereinführung der Präsenzgottesdienste keine Rolle. Wenn Obergrenzen für Teilnehmerzahlen diskutiert werden, besteht die Gefahr, der Sichtweise einer Pressekollegin zu folgen: "Warum lässt man Gottesdienste nicht einfach pauschal zu? Da sitzt doch ohnehin kaum jemand in der Kirche." Einige Gemeinden werden sich dann weiter online treffen. Andere werden sich - wie Mitte Februar 2020 im Elsass geschehen - offline begegnen, herzlich umarmen und die Reproduktionszahlen von Corona in Schwung halten.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 15. April 2020

#COVID19 und die dosierte Lockerung

Während einer Pressekonferenz lernt man viel über die cleveren Exit-Strategien von Pressesprechern: "Das haben wir letzte Woche schon ausführlich thematisiert." - "Dazu gibt es aktuell nicht mehr zu sagen." - "Unser Standpunkt dazu ist unverändert." - "Dem Meeting will ich hier nicht vorgreifen." - "Die gewünschten Infos reiche ich nach."

Die ersten Schritte eines Exit hatte heute die Bundesregierung in einer Videokonferenz diskutiert. Das Social Distancing ließ nur die Präsenz von Angela Merkel, Olaf Scholz, Markus Söder und Hamburgs Oberbürgermeister Peter Tschentscher zu. Es war hart und kontrovers diskutiert worden. Die Kanzlerin äußerte sich anschließend erfreut über "das hohe Gut der Verschiedenartigkeit", durch das letztlich "gute Kompromisse gefunden" worden seien. Am stärksten musste dabei wohl der ambitionierte Kanzlerinnennachfolger Laschet zurückrudern. Markus Söder zeigte sich positiv überrascht, über die konstruktive Zusammenarbeit mit dem SPD-geführten Finanzministerium.

#COVID19 Bundespressekonferenz 15.04.2020
#COVID19 Bundespressekonferenz am 15.04.2020 - Wie ist der aktuelle Stand und wann erfolgt der Exit?
Weil das Lagebild in 14-tägigen Abständen wissenschaftlich fundiert dargelegt werde, werden auch die Entscheidungszyklen an diesen Zeitrahmen angepasst. Am 30. April 2020 findet das nächste Treffen dazu statt und tangiert dann die Maßnahmen ab 3. Mai 2020.

Das Land Berlin hat bereits eine detaillierte Liste mit Gewerben veröffentlicht, die mit und ohne Auflagen ihren Betrieb aufnehmen können. Sogar Hotels dürfen Gäste beherbergen, wenn diese einen wichtigen dienstlichen Grund nachweisen könne. Sportvereine, Religionsgemeinschaften und sonstige gruppenorientierte Einrichtungen dürfen weiterhin keine Veranstaltungen anbieten. Der Trend zu Gottesdiensten mit wenigen Besuchern in fortgeschrittenem Alter kann zwar nicht geleugnet werden. Allerdings trifft das nicht für alle Glaubensgemeinschaften zu. In der Frauenkirche Dresden oder den diversen evangelischen Freikirchen treffen sich Sonntag für Sonntag oft mehrere Hundert Personen. Ganz abgesehen von der oft herzlichen Atmosphäre, die eine Ausbreitung von Infektionen begünstigt. Am Freitag wird es im Bundesinnenministerium ein Treffen mit Religionsvertretern zu diesem Thema geben.

Laut Markus Söder sind Großveranstaltungen noch bis Ende August untersagt. Denn gerade dabei seien erhebliche Ansteckungen erfolgt. Wenn man zu leichtsinnig sei, könne die Kurve wieder nach oben gehen. Momentan bewege sich die Reproduktionsrate um den Faktor Eins. Die Zahlen bewegen sich derzeit zwischen 0,8 und 1,2 und die Dunkelziffer belaufe sich laut Gesundheitsministerium auf 1% der Gesamtbevölkerung. Das entspricht etwa 800.000 Personen.

Um die Maßnahmen weiter lockern zu können, arbeite man an der Tracking-App. Diese befinde sich gerade in der Testphase und man kläre noch deren Datenschutzaspekte. Die Nutzung solle freiwillig sein. Auch wenn sich Google und Apple ins Gespräch gebracht haben, bleibt die App doch ein eigenständiges EU-Produkt unter Mitwirkung des Robert Koch-Instituts und anderer offizieller Stellen.

Viele Eltern leiden unter der Last der geschlossenen Kitas und Schulen. Auch dieser Zustand soll erst ab Mai 2020 schrittweise geändert werden. Bei Schulen obliegt die letzte Entscheidung den Bundesländern. Ähnlich verhält es sich mit den Außengrenzen. Diese sollen noch bis 4. Mai 2020 geschlossen bleiben. Ausnahmen sind Belgien und die Niederlande mit ihrer Nähe zu den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass das Auswärtige Amt bisher rund 230.000 Bundesbürger aus 62 Ländern inklusive kleiner Karibikstaaten nach Deutschland zurückgeholt hat.

Im Schatten von Corona arbeiten aber auch geostrategische Gefährder ihre Agenda ab: Russland verlegt Söldner von Syrien nach Libyen und destabilisiert damit die Lage in Nordafrika. Dschihadisten planen Anschläge in Europa. Nordkorea testet Langstreckenraketen und Diktaturen interpretieren Corona zur Pflege ihres Feindbildes. Während Gesundheitsexperten in Deutschland von einer "vorsichtig positiven Tendenz" bei Corona reden, heißt es aus Sicherheitskreisen, dass die allgemeine "Gefährdungslage abstrakt hoch" sei.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 6. April 2020

#COVID19 - Osterfest im Zeichen der Pandemie

Zweieinhalb Wochen war das Auto nicht mehr bewegt worden. Arztbesuche und Einkäufe konnten zu Fuß absolviert werden. Präsenztermine waren seit dem 12. März 2020 ohnehin alle abgesagt worden. Kundenkontakte laufen komplett per Telefon und E-Mail. Der Wagen sprang an, als hätte es nie eine längere Standzeit gegeben. Dann ging es durch den zäh fließenden Verkehr in die City. Wo wollen die Leute nur alle hin? Auffällig waren die vielen fertigen Baustellen und der ausgebesserte Straßenbelag.

Die Mittagssonne knallte direkt in die große Fensterfront der Bundespressekonferenz. Zunächst mussten sich der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, und die Vertreter verschiedener Ministerien den Fragen der Journalisten stellen. Letztere hatten entsprechenden Abstand zueinander eingenommen. Für die zweite Stunde wurden Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Finanzminister Olaf Scholz erwartet.

Bundespressekonferenz #COVID19 Olaf Scholz Schnellkredit
Bundespressekonferenz zu #COVID19 - Olaf Scholz zu den Schnellkrediten bis 500.000 Euro
Zwei Stunden Corona: Interessant war zunächst, welche Exit-Strategie die Bundesregierung hat. Auf mehrfache Nachfrage wurde versichert, dass man "Tag und Nacht darüber nachdenke". Man könne das auch im Podcast der Kanzlerin nachhören. Der Hinweis auf die klar umrissene Exit-Strategie der Österreicher wurde damit vom Tisch gewischt, dass diese viel strengere Corona-Regeln hätten. Beispielsweise sind dort auch die Baumärkte geschlossen. Das hätte man dem Heer gelangweilter Familienväter in Deutschland nicht zumuten können (Anmerkung der Redaktion).

Etwas konkreter wurde das Gesundheitsministerium. So hätten von 1.160 Krankenhäusern bereits 1.015 freie Betten gemeldet. Das sind bundesweit 87,5% der Krankenhäuser. Die Gesamtkapazität umfasst derzeit 10.000 Beatmungsbetten. Es wurden weitere Zahlen genannt: Allein in der letzten Wochen seien 37 Millionen Gesichtsmasken und 25 Millionen Handschuhe an die Krankenhäuser ausgeliefert worden. Zudem sei durch die jüngsten Maßnahmen der Kontaktsperre die Verbreitungsrate des Virus auf Eins gesunken. Der Standardwert liegt bei zwei bis drei Infektionsweitergaben pro Person.

Bei der inneren Sicherheit gibt es einige Ambivalenzen, zu denen die Korrespondenten nachhakten. Wird es eine Tracking-App geben? Wer programmiert die? Ist die europaweit kompatibel? Die Bundesregierung begrüßt eine solche App und hat diesbezüglich schon einiges in die Wege geleitet. Allerdings müsse die App für den Schengenraum standardisiert werden.

Apropos Schengen: Während Deutschland an fast allen Außengrenzen Kontrollen eingeführt hat, gibt es zu Belgien und den Niederlanden keine Kontrollen? Das Innenministerium erklärte das mit Risikogebieten und der Entscheidungsfreiheit der angrenzenden Bundesländer. Wer keinen wichtigen Grund wie beispielsweise ein Arbeitsverhältnis nachweisen könne, werde an der Grenze abgewiesen. Bislang waren das 70.000 Personen. Ambivalent wird auch die Quarantäne nach der Einreise gehandhabt. Ausländer müssen sich sofort in ihre Zielunterkunft begeben und dort zwei Wochen in Quarantäne bleiben. Für Rückreisende Deutsche gilt das pauschal nicht.

Bundespressekonferenz #COVID19 Peter Altmaier Schnellkredit
Bundespressekonferenz zu #COVID19 - Peter Altmaier zu den Schnellkrediten bis 500.000 Euro
Peter Altmaier und Olaf Scholz demonstrierten eine glaubhafte Harmonie. Endlich ist die Große Koalition wieder zu Sachthemen zurückgekehrt und zeigt sich in diesen recht effizient. Mit einem bemerkenswerten Tempo hatten die beiden Minister auf die Situation reagiert und den verfügbaren EU-Rahmen ausgeschöpft. Sie kündigten sogar für "die nächsten Tage eine kleine Neuigkeit" an.

Aktuell ging es um ein Schnellkreditprogramm für Unternehmen bis 50 Mitarbeiter. Diese könnten relativ unkompliziert Kredite bis 500.000 Euro zu extrem günstigen Zinssätzen beantragen. Als Voraussetzung gelten die Zahlen der Vergangenheit: Wer schon 2019 existiert, Umsätze erwirtschaftet und Gewinne gemacht habe, sei qualifiziert für solch einen Kredit. Diese Kredite dürfen jedoch nicht zur Umschuldung verwendet werden, sondern sind als Ergänzung bestehender Kredite gedacht. Firmen über 50 Mitarbeiter können in diesem Zuge Kredite bis 800.000 Euro beantragen. Momentan wird noch über die Länge der Laufzeit diskutiert, weil fünf Jahre für viele Unternehmen zu kurz sind.

Den Ministern war klar, dass es zunächst einen Rückgang des Wirtschaftswachstums geben werde. Sie zeigten sich jedoch optimistisch, dass es schnell wieder aufwärts gehe und nach 20 Jahren die Kosten für die Corona-Zuschüsse und Kredite wieder eingespielt seien. Als Zeitrahmen wurden die Jahre 2023 bis 2043 genannt. Man sei nur deshalb so risikobereit, weil man auf die solide Wirtschaftsfähigkeit vertraue und damit eine geringe Ausfallwahrscheinlichkeit bestehe.

Peter Altmaier ergänzte die Ausführungen mit einem glühenden Plädoyer für den deutschen Mittelstand. Olaf Scholz lobte die Bankmitarbeiter, die so schnell entsprechende Wege geebnet und technische Voraussetzungen geschaffen hätten. Dass es hier um Taten statt Worte geht, zeigt der Umstand, dass die Zuschüsse an Kleinstunternehmer bereits am 1. April 2020 auf den Konten der Antragsteller gebucht wurden. Das war Peter Altmeier wichtig wegen der anstehenden Mietzahlungen. Das neue Programm der Schnellkredite bis 500.000 Euro soll bereits am Gründonnerstag anlaufen.

Ja, der Gründonnerstag! Ein Tag ohne Staus und das Kaffeetrinken mit der Oma. Keine Osterfeuer, kein Kirchgang, kein Ausflug ans Meer. Steffen Seibert zeigte Verständnis für die Situation und packte das in die Formulierung "Osterfest im Zeichen der Pandemie". Ob der Exit eine Woche nach Ostern zusammen mit dem Ende der Osterferien startet, ist aktuell noch unklar. Vermutlich denkt man auch darüber Tag und Nacht nach.

Vor der Bundespressekonferenz standen zwei schwarze Blaulicht-Limousinen. Damit fuhr der Finanzminister zum nächsten Termin. Peter Altmaier hingegen schwang sich aufs Fahrrad und radelte durch den Sonnenschein davon.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 20. Februar 2020

Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin besucht Angela Merkel in Berlin

Das, was gestern im Kanzleramt passierte, hat Potenzial für die neue politisch korrekte Schreibweise eines etablierten Begriffes: "CheFinnen". Angela Merkel traf ihre Amtskollegin Sanna Marin aus dem hohen Norden.

Sanna Marin ist 34 Jahre alt und regiert das Fünfeinhalb-Millionen-Volk der Finnen. Sie ist Sozialdemokratin und wurde kurz vor Weihnachten als Ministerpräsidentin vereidigt. Erst zwei Jahre zuvor hatte sie ihr Masterstudium in Verwaltungswissenschaften abgeschlossen. Dass sie so jung und so schnell an die Spitze katapultiert wurde, verdankt sie dem Umstand, dass Antti Rinne Anfang Dezember 2019 zurückgetreten war. Dieser hatte im Sommer seinen Antrittsbesuch absolviert und wurde Zeuge der zweiten merkelschen Zitterattacke auf dem roten Podest.

Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin besucht Angela Merkel in Berlin
Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin besucht Angela Merkel in Berlin
Die für Berlin typischen Baustellen haben nun auch den Bannkreis des Kanzleramtes erreicht. Das Brummen und Hämmern der Baumaschinen legte während der militärischen Ehren einen sonoren Beat unter die Hymnen. So waren die etwa 40 Demonstranten am Rande des Geländes kaum zu hören. Was das Anliegen der Demonstranten war, konnte nicht ermittelt werden, da alle Transparente auf Finnisch verfasst waren. Wegen des vielen Grüns könnte es sich um ein Umweltthema gehandelt haben.

Umwelt ist Sanna Marin sehr wichtig. Im Regierungsprogramm ist festgelegt, dass Finnland bis 2035 klimaneutral sein möchte. Zudem setzt sich die junge Ministerpräsidentin aktiv für die Landwirtschaft ein. "Grünes Wachstum", nannte sie das in der Pressekonferenz. Die Kanzlerin warf bezüglich der Agrarsubventionen die finanziellen Belastungen von Nettozahlern wie Deutschland ein. Eine Änderung von 1% auf 1,3% des Bruttoinlandsproduktes mache für Deutschland mehrere Milliarden Euro aus. Auch das degressive Rabattsystem gefiel der Kanzlerin gar nicht, da dieses letztlich eine nominelle Mehrbelastung Deutschlands bedeutet.

Beide CheFinnen vertreten einen Nettozahler der EU. Deshalb hatten sie gestern länger über das nächste Treffen des Europäischen Rates diskutiert. Für Finnland ist das Ergebnis wichtig und für Deutschland auch das Timing. Angela Merkel hofft, das während der deutschen Präsidentschaft wichtige Entscheidungen durchgebracht werden können. Sie geht aber von harten Verhandlungen aus.

Video:
Militärische Ehren für Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 19. Februar 2020

Botschafter von Andorra, Libyen, Portugal und Turkmenistan beim Bundespräsidenten akkreditiert

Heute wurden im Schloss Bellevue vier Botschafter akkreditiert. Hier die Exzellenzen in der Reihenfolge ihres Erscheinens:

Fürstentum Andorra, Jaume Serra Serra
Staat Libyen, Jamal Ali Omar Elbarag
Portugiesische Republik, Francisco Ribeiro de Menezes
Turkmenistan, Berdimurat Redjepov

Botschafter akkreditiert Andorra, Jaume Serra Serra
Botschafter des Fürstentums Andorra akkreditiert: Jaume Serra Serra
Andorra liegt in den Pyrenäen - irgendwo zwischen Frankreich und Spanien. Gesprochen wird dort Katalanisch und die Bevölkerungszahl liegt weit unter der von Cottbus. Die geografische Lage ermöglichte den Ureinwohnern Andorras ein weitestgehend von der Außenwelt abgeschottetes Eigenleben. Ab und zu schwappten Vertreter der Großmächte wie Hannibal oder die Römer oder die Franzosen mit ihrer Revolution über das Gebiet, konnten es aber nicht wirklich in ihre Strukturen eingemeinden.

Die Flagge könnte mit der Flagge Rumäniens verwechselt werden: Blau, Gelb, Rot. Die Bedeutung ist jedoch im Farbmix der Flaggen von Frankreich und Spanien zu suchen. Zudem wurde in der gelben Mitte ein Wappen angebracht.

Botschafter akkreditiert Andorra, Jaume Serra Serra
Botschafter des Fürstentums Andorra akkreditiert: Jaume Serra Serra - Flagge Andorras
Botschafter Jaume Serra Serra gehört der Liberalen Partei Andorras an. In seiner Vergangenheit hatte er mehrere Posten im Finanzwesen und der Energiewirtschaft bekleidet. 1994 fungierte er als Wirtschaftsminister, 2011 ging er als Botschafter zum Vatikan. Diese Position war besonders ehrenhaft, da der Katholizismus eine zentrale Rolle in Andorra spielt. 2015 ging er als Botschafter nach Portugal und heute ist er hier.

Botschafter akkreditiert Libyen Jamal Ali Omar Elbarag
Botschafter des Staates Libyen akkreditiert: Jamal Ali Omar Elbarag
Bei Libyen stellt sich zunächst die Frage: Wen vertritt der Botschafter eigentlich? Die Einheitsregierung von Fayez al-Sarraj oder den Beherrscher des größten Teils des Landes, General Chalifa Haftar? Gehen wir mal davon aus, dass er die international anerkannte Einheitsregierung vertritt. Ansonsten wird ja derzeit viel über Libyen berichtet, so dass wir uns hier auf wenige andere Punkte konzentrieren können. Nämlich darauf, dass Libyen etwa 7 Millionen Einwohner hat und über veraltete Waffensysteme aus russischer Produktion verfügt. Die Soldaten gelten als nicht sehr gut trainiert und haben durch die internen Konflikte viele Gerätschaften selbst zerstört. Weil diese Selbstzerstörung ein andauernder Prozess ist, verzichtet die Military Balance 2020 des IISS darauf, konkrete Zahlen zu gepanzerten Fahrzeugen oder aktiven Soldaten zu liefern.

Botschafter akkreditiert Libyen Jamal Ali Omar Elbarag
Botschafter des Staates Libyen akkreditiert: Jamal Ali Omar Elbarag - Flagge Libyens
Botschafter Jamal Ali Omar Elbarag war schon einmal vor zehn Jahren an der libyschen Botschaft in Berlin tätig. Damals lief in Libyen eine Spielart des Arabischen Frühlings ab, der zum Sturz des langjährigen Diktators Gaddafi führte. Der Frühlingsbegriff ist eine westliche Erfindung und wird in der Region gar nicht gerne gehört. Hat dieser Frühling doch ein gefährliches Machtvakuum hinterlassen, das der Westen nicht mit demokratischen Kräften zu füllen in der Lage war. Jamal Ali Omar Elbarag gilt als Opportunist und wurde deshalb zeitweilig mit Korruptionsvorwürfen aus dem Verkehr gezogen. Nun ist er wieder in Berlin.

Botschafter von Portugal akkreditiert: Francisco Ribeiro de Menezes
Botschafter der Portugiesischen Republik akkreditiert: Francisco Ribeiro de Menezes
Das Urlaubsziel Portugal bildet die Westgrenze Spaniens. Die Westgrenze Portugals bildet die Atlantikküste. Das Land hat 10 Millionen Einwohner, die ein Bruttoinlandsprodukt von 210 Milliarden Euro erwirtschaften. Der Verteidigungshaushalt der aktiven NATO-Mitglieds Portugals liegt bei 1,14%.

Botschafter von Portugal akkreditiert: Francisco Ribeiro de Menezes
Botschafter der Portugiesischen Republik akkreditiert: Francisco Ribeiro de Menezes - Flagge Portugals (Foto: Michael von Lingen / F. Mädje)
Botschafter Francisco Ribeiro de Menezes ist Jurist und Berufsdiplomat. Er war mehrfach an der Botschaft Portugals im Nachbarland Spanien eingesetzt, half aber zwischenzeitlich auch der eigenen Regierung aus einer Krise heraus. Francisco Ribeiro de Menezes ist um die 50 Jahre alt und gilt als medienscheu.

Botschafter Turkmenistans akrreditiert: Berdimurat Redjepov
Botschafter Turkmenistans akrreditiert: Berdimurat Redjepov (Foto: Michael von Lingen / F. Mädje)
Sehr kurzfristig war der Botschafter aus Turkmenistan in die heutige Akkreditierungsfolge eingebucht worden. Turkmenistan liegt am Kaspischen Meer und hat im Süden gleich zwei herausfordernde Nachbarn: Iran und Afghanistan. Mit seinen fünfeinhalb Millionen Einwohnern kann sich Turkmenistan mit den Finnen vergleichen. Sie verfügen über veraltete russische Militärtechnik - darunter 654 Panzer verschiedener T-Reihen. Deshalb ist es ihnen wichtig, einen Neutralitätsstatus in der Region zu haben.

Botschafter Turkmenistans akrreditiert: Berdimurat Redjepov
Botschafter Turkmenistans akrreditiert: Berdimurat Redjepov - Flagge Turkmenistans mit der 5er-Symbolik (Foto: Michael von Lingen / F. Mädje)
Die Flagge ist grün und enthält einen weißen Halbmond und weiße Sterne. Hinzu kommt ein rötliches Teppichmuster, das auch wieder die Fünf aufgreift: 5 Turkvölker, 5 Stämme, 5 Säulen des Islam. Botschafter Berdimurat Redjepov ist schon einige Jahre als Diplomat unterwegs und war bereits Botschafter in Italien.


Videos:
Akkreditierung des Botschafters von Andorra, Andorra, Jaume Serra Serra
Akkreditierung des Botschafters von Libyen, Jamal Ali Omar Elbarag

Autor: Matthias Baumann