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Freitag, 10. November 2017

4. Workshop zur Überarbeitung des Traditionserlasses an der BAKS in Berlin

Egal, mit wem ich heute an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) sprach, die Erwartungshaltung gegenüber dem vierten und letzten Workshop zur Überarbeitung des Traditionserlasses war gedämpft. In Hamburg, Koblenz und Potsdam war soweit alles gesagt worden. Es zog sich eine rote Linie durch die Argumentation und die Themen. Der für die textliche Neufassung verantwortliche Oberst atmete auf, weil keine neuen Baustellen aufgerissen worden waren.

Das Wachbataillon war wieder nicht dabei. Der Generalinspekteur ließ sich durch Vizeadmiral Rühle vertreten und die Ministerin hatte mit Jamaika zu tun. Eine gemütliche Runde mit Herrschaften der obersten sechs Dienstgrade und viele bekannte Gesichter.


4. Workshop Traditionserlass BAKS Berlin
4. Workshop zum Traditionserlass an der BAKS in Berlin
General Pfeffer und die finale Entscheidung

Aus Zeitgründen musste ich eine Entscheidung treffen: Sektion IV Einsatzarmee mit Generalleutnant Pfeffer oder Sektion I mit einer ressortübergreifenden Traditionsbetrachtung. Beim Antrittsbesuch des Bundespräsidenten hatte ich General Pfeffer im Einsatzführungskommando erlebt. Ein kompetenter Mann, der viele Jahre seiner Dienstzeit bei den Gebirgsjägern verbracht hatte. Er wurde von seinem Presseoffizier begleitet. Der Bundespräsident war heute nicht dabei, hatte aber seinen Oberst zum Workshop geschickt.

Auch wenn der Vortrag von Herrn Pfeffer sicher spannend gewesen wäre, fiel die Entscheidung zugunsten der Sektion I. Traditionswürdige Ereignisse aus den Einsätzen waren bereits bei den vorherigen Workshops entfaltet worden. Sektion I hingegen versprach eine ganz neue Blickrichtung auf das Thema. Es sollten nämlich Bundespolizei, GSG 9 und der BND über ihre Traditionen berichten.

Bundespolizei ohne Tradition

Mathias Schaef von der Bundespolizei begann. Er zeichnete ein nüchternes Bild der Traditionslosigkeit. Die Gründung der Behörde erfolgte 1951 und war damit von jeglicher preußischer oder nationalsozialistischer Vergangenheit abgekoppelt.

Konrad Adenauer sorgte zwar für eine Wiedereingliederung ehemaliger Wehrmachtsangehöriger, aber zur Tradierung vergangener Bräuche reichten diese nicht aus. 1956 wurde die Bundespolizei in die Bundeswehr überführt. 1976 fand eine Rückbesinnung auf den Polizeistatus statt, der mit einer Angleichung von Uniformen und Amtsbezeichnungen einherging. Im Jahr des Mauerfalls gab es den ersten Auslandseinsatz - UNTAG Namibia. Bis 1994 hatten sie Kombattantenstatus, also durften an Kriegshandlungen teilnehmen. Erst vor 12 Jahren wurden sie in Bundespolizei umbenannt.

Diese ständigen Wechsel erklären auch, warum sich kaum eine Traditionslinie entwickeln konnte. Übrigens auch eine Argumentation, die vielfach in den Workshops aufkam. Regimenter werden auseinander gerissen, in "blutleere und technokratische" Worthülsen umbenannt und somit jegliche dauerhafte Identifikation des Soldaten mit seinem Regiment verhindert. Im Auslandseinsatz trifft dann eben ein Einsatzkontingent ein und nicht etwa das 3. Soundso-Regiment mit langjähriger gemeinsamer Kampferfahrung.

Die Motivation ziehe die Bundespolizei laut Mathias Schaef aus den täglichen Erfolgen, der guten Bezahlung, der exzellenten technischen Ausstattung und dem kollegialen Umgang miteinander. Ein hoher Wert sei die "Familie Bundespolizei".

4. Workshop Traditionserlass BAKS Berlin
GSG 9 - Kommandeur Jerome Fuchs beim 4. Workshop zum Traditionserlass an der BAKS in Berlin
Tradition und Stolz der GSG 9

Die GSG 9 ist eine Spezialeinheit der Bundespolizei und auf viele Dinge stolz - auch auf ihre Tradition. Der Name der Grenzschutzgruppe 9 wurde bis heute bewahrt. Er konnte sämtliche Umbenennungswellen überleben. Die Kollegen der GSG 9 reden sich als Kameraden an und sind stolz auf ihre Dienstkleidung. Jerome Fuchs, der Kommandeur der GSG 9, war heute mit seiner dunkelgrünen Tagesuniform erschienen. Damit stach er aus dem üblichen Grau-Schwarz im Saal heraus. Seine Mütze klemmte unter dem Dienstgrad-Abzeichen mit den vier gelben Sternen.

Begeistert erzählte der Kommandeur von seiner Truppe, der technischen Ausstattung, der cleveren Taktik, der zügigen Einsatzverlegung und den flachen Hierarchien. Bei der GSG 9 seien unkonventionelle und kreative Lagelösungen gefragt. Überraschungsmomente seien die Stärke der Gruppe. Während der Bewältigung einer komplexen Lage könne es vorkommen, dass der taktische Leiter kurzzeitig durch einen Grenadier - Anfänger - abgelöst wird, wenn dieser im entscheidenden Moment die beste Idee hat oder an der besseren Position steht. Die GSG 9 rekrutiere ihre Kameraden in einem strengen Auswahlverfahren. Dieses gewichte mehr die Praxiserfahrung als den Schein - den Schein von der Uni.

Jerome Fuchs berichtete von Kameradschaftstreffen und dem Gründungsvater Ulrich Wegener, der mit seinen 88 Jahren immer noch regelmäßig anrufe und sich nach dem Wohlergehen der GSG 9 erkundige. Kommandeur Fuchs ist übrigens der einzige Beamte der GSG 9, der öffentlich in Erscheinung tritt. Alle anderen arbeiten mit verdeckten Identitäten. Deshalb kann auch nur ein Teil der ausgeprägten Traditionen in den öffentlichen Raum gelangen.

Die geheime Tradition des BND

Ebenso verschleiert sind die Identitäten der Mitarbeiter des BND. Das liegt wohl in der Natur eines Nachrichtendienstes. Beim BND gibt es keine Uniformen, keine Abzeichen, keine speziellen Orden. Er ist dem Bundeskanzleramt direkt unterstellt und hat etwa 6.500 Mitarbeiter. 10% davon bilden eine Schnittmenge zur Bundeswehr.

Während die Bundeswehr mit eingezogenem Schwanz um die Vergangenheit vor 1945 herumschleicht, gibt der BND offen zu, dass 30% der Anfangsmitarbeiter aus NS-Personal mit Gestapo- und SD-Erfahrung rekrutiert worden waren. Offiziell wurde der BND am 1. April 1956 als Auslandsnachrichtedienst gegründet. Er ging aus der Organisation Gehlen hervor, die bis dahin unter amerikanischer Regie geführt worden war. Schwerpunkt: Abwehr des Kommunismus.

Wegen der natürlichen Intransparenz gab es bislang nur eine passive Aufbereitung der NS-Vergangenheit. Wobei sich das Thema ja bereits biologisch erledigt haben sollte. Seit 2010 wird intensiv an der Geschichte des BND geforscht und die Wissenschaftler haben laut BND-Historiker Bodo Hechelhammer vollen Aktenzugriff.

Das Bildnis des Gründungsvaters Reinhard Gehlen hänge zu Recht in einigen Räumen des BND. Mit einem Bildersturm würde man sich der Organisationsgeschichte berauben. Der kurz vor Kriegsende zum Generalmajor beförderte Gehlen hatte das Gespür dafür, dass die West-Alliierten seine Dienste und Netzwerke in der Auseinandersetzung mit dem kommunistischen Osten benötigen würden.

Tradition auf Regimentsebene

Nach diesen äußerst divergenten Traditionsverständnissen kam noch die Frage nach Migranten in der Bundeswehr auf. Freiheitliche demokratische Grundordnung war die kurze, aber alles zusammenfassende Antwort darauf. Wenn die FDGO das Leitbild des Migranten darstelle, sei die Zusammenarbeit unproblematisch. Bei der Polizei gehe der Trend ohnehin zu einer Öffnung für Beschäftigte aus EU-Ländern.

Ein ranghoher Offizier wiederholte am Rande der Veranstaltung noch einmal den wichtigen Punkt, den Flottillenadmiral Schneider in Hamburg eingebracht hatte: Beispiele statt Vorbilder! Tradierung des fachlichen Geschicks statt einer Person mit all ihren Schwächen und politischen Gesinnungen. Der neue Traditionserlass solle zudem nicht von oben diktiert, sondern auf Regimentsebene in einer persönlicher Beziehung zu der jeweiligen Tradition gelebt werden.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 12. Oktober 2017

3. Workshop zur Überarbeitung des Traditionserlasses am ZMSBw in Potsdam

Am ZMSBw ging es heute ans Eingemachte. In zwei Blöcken wurde die deutsche Militärgeschichte vor 1933 sowie nach 1933 diskutiert. Chronologisch korrekt war die Geschichte vor 1933 auf den Vormittag gelegt worden und die Geschichte nach 1933 auf den Nachmittag.

Die Ministerin war schon zum ersten Block erschienen und hatte mit regem Interesse zugehört. Auch der Generalinspekteur saß in der ersten Reihe des Auditoriums. Gruppenarbeiten wie in Hamburg waren diesmal nicht vorgesehen. Dafür gab es jeweils einen Impulsvortrag und geplante Kommentare, die auch als Vortrag hätten durchgehen können, so sie nicht aktiv auf den Vorredner eingegangen wären.

3. Workshop zum Traditionserlass am ZMSBw in Potsdam
3. Workshop zum Traditionserlass - Kommentator Dr. Christian Hartmann vom Institut für Zeitgeschichte München
Bedingt durch Herkunft und Berufsschwerpunkt der Diskutanten ging es wieder sehr kontrovers zu. Jeder setzte eigene Akzente bei der Betrachtung des Themas. Theoretiker und Praktiker kamen zu Wort. Es nütze nichts, wenn sich eine "elitäre Gruppe Intellektueller" treffe und Tradition von oben herab diktiere. Die Truppe müsse einbezogen werden.

Wehrmacht lebt subcutan weiter

So sei insbesondere bei Panzergrenadieren eine tiefe Verbundenheit mit der Wehrmacht zu verzeichnen. Das ist auch der Ministerin bewusst. Auf Befehl lasse sich das zwar in den Untergrund verlegen, schwinge aber im Bewusstsein der Soldaten weiterhin mit. Da wir uns auf intellektuell hohem Niveau bewegten, fiel das Wort subcutan (unter der Haut).

Der Argumentation des ersten Workshops in Hamburg folgend wurde das deutsche Wort Opfer in die lateinischen Begriffe victima und sacrificium zerlegt. Der Deutsche gehe immer noch als Victima (passives Opfer wie z.B. bei einem Unfall) mit der Geschichte um und verliere dadurch den Blick auf das wertvolle Sacrificium (bewusstes Opfer für ein höheres Ziel). Brigadegeneral Sollfrank vom Kommando Spezialkräfte in Calw stellte deshalb - durchaus provokant - handwerklich gelungene Einsätze der Wehrmacht vor. Zuvor hatte Prof. Wolffsohn die Betrachtung der Wehrmacht in Ethik und Funktion gesplittet. Demnach sei die Ethik der Wehrmacht abzulehnen. Ihre funktionale Professionalität sei jedoch noch heute Teil der militärischen Lehrpläne.

Vorbilder und ethische Grundsätze

Durch die bekannte Victima-Blockade erlebe die Truppe ein traditionelles Vakuum, das ausgeglichen werden müsse. Werde kein passendes Beispiel geliefert, komme es oft zur Befüllung mit falschen Vorbildern.

Brigadegeneral Sollfrank nannte einige Grundsätze, die in seiner Einheit gelten:

  • Ehre
  • Mut
  • Loyalität
  • Integrität
  • Entschlossenheit
  • Tapferkeit

Was sagt die Bibel?

Interessant waren auch die mehrfach einfließenden Grundlagen aus der Bibel. Das Tötungsverbot aus den 10 Geboten (2. Mose 20, 13) beziehe sich auf das Morden aus niederen Beweggründen. Aus dem ethischen Kontext des Alten Testamentes gehe jedoch hervor, dass zwischen Morden und Töten differenziert werde. Gekrönt wurden die Ausführungen mit dem Hinweis, dass Jesus als Sohn Davids bezeichnet wurde. David sei zunächst Räuberhauptmann, dann Kämpfer und später sogar Mörder gewesen (2. Samuel 11, 14-27). Ethisch konnte er das jedoch gerade biegen, da er den Mord an Uria bereut und um Vergebung gebeten habe.

Der darauf folgende Kommentator untermauerte das mit einer weiteren Bibelstelle aus 1. Samuel 15. Darin geht es um den ersten israelischen König Saul, der die Amalekiter vernichten soll. Er tötet allerdings nur die Männer und das minderwertige Vieh. Die Frauen, den König und die Wertsachen verschont er. Hier entstehe der Eindruck einer humanitären Maßnahme. Tatsächlich sei das aber ein Akt der Habsucht Sauls gewesen. Kurz darauf wird Saul durch den oben erwähnten David ersetzt.

Islam in der Bundeswehr

Der Traditionserlass muss in diesem Zusammenhang noch eine weitere Kennziffer berücksichtigen: 1/6 der Bundeswehr sei inzwischen durch Menschen mit Migrationshintergrund besetzt. Diese bringen unter anderem auch islamische Denkstrukturen mit. Hier sei ein Verweis auf die Trennung von Politik und Religion angebracht.

3. Workshop zum Traditionserlass am ZMSBw in Potsdam
3. Workshop zum Traditionserlass am ZMSBw in Potsdam
Aber zurück zur postheroischen Gesellschaft Deutschlands:

Im Saal fehlte die Zielgruppe. Dienststellen mit ständigen Anfragen zum richtigen Verhalten versuchten Antworten aus den Diskussionen zu extrahieren. Wie kommt es zur Verbindung des separaten Stranges Ethik mit dem separaten Strang Handwerk? Wie interagieren diese Stränge und wie können sie in den Köpfen und Handlungsmustern der Soldaten miteinander verzahnt werden? Wird der neue Traditionserlass überhaupt praxistauglich sein?

Fragen über Fragen und ein Ringen um nutzbare Ergebnisse. Als Außenstehender war ich davon beeindruckt, mit welcher Wertschätzung auch sehr unterschiedliche Standpunkte diskutiert werden konnten. Ich war davon beeindruckt, dass hochrangige Offiziere ein glaubhaftes Interesse am Dialog mit der Truppe haben und die Umsetzung des neuen Traditionserlasses gerne bis in die untersten Hierarchie-Ebenen verwirklicht sehen möchten. Nicht per Befehl, sondern als verinnerlichte ethische Grundlage zur Ausübung des Handwerks.

Autor: Matthias Baumann

Sonntag, 27. August 2017

Offene Türen im Bendlerblock

Die Bundeswehr ist bekannt für ihre Abkürzungen. TdoT BReg steht für den Tag der offenen Tür der Bundesregierung, an dem sämtliche Ministerien und das Kanzleramt für die Bevölkerung geöffnet haben. Da der Tag der offenen Tür gestern und heute stattfand, handelte es sich eher um ein Wochenende der offenen Tür, ein WEdoT BReg also.

Bei spannenden Einrichtungen wie dem BMI deutete die Anzahl der Menschen vor der geöffneten Tür auf lange Wartezeiten hin. Mit BMI ist nicht der Body-Mass-Index gemeint, sondern das Bundesministerium des Innern. Ähnliches vermuteten wir auch beim Kanzleramt und schauten dort gar nicht erst vorbei. Beim BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hätte man wohl ohne Wartezeit durchgehen können. Wir fuhren vorbei, denn wir wollten zum BMVg Bundesministerium der Verteidigung.

BMVg Bendlerblock Tag der offenen Tür 2017
BMVg - Bendlerblock - Tag der offenen Tür 2017
Es waren Vorführungen des Drillteams des WachBtl - ausgeschrieben Wachbataillon - und des MusKorpsBw, dem Musikkorps der Bundeswehr, angekündigt. Das MusKorpsBw ist nicht zu verwechseln mit dem StMusKorpsBw unter der Leitung von Oberstleutnant Kiauka. Letzteres ist fast immer dabei, wenn ein Staatsgast mit militärischen Ehren empfangen wird. Den Wagen parkten wir an der Tiergartenstraße und marschierten mit Kind und Kegel, also Vater, Mutter, Kindern, amtlichen Lichtbildausweisen und Kamera zur geöffneten Hintertür des Bendlerblocks.

Die logistische Leistungsfähigkeit der Bundeswehr wäre wohl in Frage gestellt worden, wenn sie beim TdoT nicht mit dem Massenandrang klar gekommen wäre. Es lief alles generalstabsmäßig: Lichtbildausweis, Personenkontrolle, Schere abgeben und schon war die Familie im Partybereich.

Wir gingen zunächst zum Ehrenmal der Bundeswehr. Dort sollte gleich eine Andacht stattfinden. Beim Anblick der Talare drehte die Familie ab und verschwand in einem der Infozelte. Ich blieb und konnte zusammen mit Jörg Vollmer, dem Inspekteur des Heeres, eine Predigt über Gebet und gute Entscheidungen hören. Während der evangelische Militärdekan Peter Schmidt durch das Programm führte, hielt der katholische Militärdekan Stephan van Dongen die Predigt und sprach den Abschlusssegen. Jörg Vollmer ging anschließend flankiert durch die beiden Talarträger in den südlichen Teil des Ehrenmals und legte dort einen Kranz nieder.

BMVg Bendlerblock Tag der offenen Tür 2017
BMVg - Bendlerblock - Tag der offenen Tür 2017 - Andacht im Ehrenmal der Bundeswehr
Das Programm war straff durchorganisiert. Sofort nach der Andacht musste ich zum nördlichen Bereich eilen, um das Drillteam des WachBtl sehen zu können. Keine Zeit, die Familie zu suchen. Kamera an und draufhalten. Eine Gruppe von 12 Soldaten wirbelte den umstrittenen Karabiner 98k durch die Luft, schwang ihn unter den Beinen hindurch, bewarf sich gegenseitig damit, fing ihn gekonnt auf und legte eine Choreographie wie beim Ballett hin. Beim Staatsbesuch kommen davon nur wenige Elemente zum Tragen. Aber gut zu wissen, dass die Männer und Frauen des WachBtl ihr Hauptarbeitsmittel so gut im Griff haben.

Klack, da lag ein Karabiner am Boden. Das Team ließ sich nicht aus dem Takt bringen. Aber das Wasser konnte schon im Munde zusammen laufen. Ein gefallener Karabiner kostet mindestens einen Kasten Bier für die Beteiligten. Beim Besuch eines Staatsoberhauptes steht das Wachbataillon mit über 100 Soldaten auf dem Platz und repräsentiert alle drei Teilstreitkräfte, kurz TSK. Das kann dann richtig teuer werden. Am härtesten trifft es den Soldaten, wenn er den Karabiner im Schloss Bellevue fallen lässt. Kanzleramt ist billiger, da dort weniger Soldaten im Ehrenhof Platz haben.

BMVg Bendlerblock Tag der offenen Tür 2017
BMVg - Bendlerblock - Tag der offenen Tür 2017 - Tornado zum Anfassen
Plötzlich tauchte die Familie auf. Schoko-Crêpe auf Pappteller, Armen und Nase. Zu wenig Servietten. Vor uns wurden weiß-rote Bänder gezogen, denn die Hundevorführung sollte gleich starten. Die Hunde kannte ich schon aus verschiedenen Verwendungen beim Abschnüffeln der Kameras beim Besuch des Bundespräsidenten auf der IGA, beim EinsFühKdo oder beim WachBtl. Bei der Einfahrt in die Führungsakademie in Hamburg inspizierten die Hunde ganze Fahrzeuge. Die Hunde werden dual ausgebildet: Personenschutz und Finden unerlaubter Dinge wie Sprengstoff.

BMVg Bendlerblock Tag der offenen Tür 2017
BMVg - Bendlerblock - Tag der offenen Tür 2017
Ein Highlight des TdoT war die einstündige Führung durch das Hauptgebäude. Hier mussten alle Smartphones abgeschaltet und die Fotoapparate abgegeben werden. Auch für die Presse gab es keine Ausnahme. Die Personenkontrolle wurde wiederholt und selbst die Metallknöpfe an den Jeans schlugen Alarm. Lichtbildausweise wurden gegen ein Badge der Bundeswehr eingetauscht. Das Schlüsselband durften die Besucher anschließend behalten.

Nach einem kurzen Imagefilm mit Gruß der Ministerin, wurden die Besucher durch den Südflügel des Gebäudes geführt. Wir schauten in Lichthöfe, in Räume mit gedeckten Tafeln, in einen Konferenzraum und in das Büro der Ministerin. Wir liefen über Flure mit rot-schwarzen Fußböden und gelangten schließlich in die Säulenhalle mit rotem Teppich.

Der rote Teppich misst 15 x 5 Meter und stellt Berlin-Tiergarten im Februar 1947 aus der Vogelperspektive dar. Eine helle Linie zieht sich über den Teppich. Kein Webfehler. Dort war das Original der Luftaufnahme geknickt. Hebt man etwa 20 Zentimeter des Teppichs an der Nord-West-Ecke hoch, wird ein Schild mit THAI PING CARPETS sichtbar. Ein Detail, das den Staatsgästen normalerweise entgeht, wenn sie vom Südeingang aus über den Teppich gen Norden schreiten. Ein Hingucker, der dazu mahnt, dass Berlin nie wieder so aussehen soll.

Zum Abschluss erlebten wir noch eine Vorführung des Ehrenpostens beim Besuch eines Staatsgastes. Die Motorräder und Begleitfahrzeuge der Feldjäger waren aufgebaut. Der Staatsgast wurde mit einem BMW 5er (F10) chauffiert. Als Gruppe durften wir den Gast spielen und durch das Portal, am roten Teppich vorbei, durch das Erdgeschoss dem Ausgang entgegen schreiten.

Die Führung dauerte eine Stunde und wurde von mehreren Feldjägern bewacht. Die Aufgaben der Bundespolizei in anderen Ministerien übernehmen im BMVg die Feldjäger. Diese sind zum Schutz des Verteidigungsministeriums, des Generalinspekteurs, der Ministerin und der gastierenden Verteidigungsminister zuständig. Beim TdoT waren ungewöhnlich viele Feldjäger von Leutnant bis Hauptmann zu sehen, gehört doch insgesamt ein Großteil zur Dienstgradgruppe der Feldwebel.

BMVg Bendlerblock Tag der offenen Tür 2017
BMVg - Bendlerblock - Tag der offenen Tür 2017 - Musikkorps der Bundeswehr
Zum Auftritt des Musikkorps wollte ich eine bessere Position als beim Drillteam haben und kletterte durch einen Fuchs. Das ist kein pelziges Tier, sondern ein gepanzertes Fahrzeug mit vielen Antennen. Ich setzte mich auf das Dach und hatte von dort eine sehr gute Kameraposition. Das Spektrum der Musikstücke war beeindruckend. Einer der Schlagzeuger holte zwischendurch sogar seine E-Gitarre hervor. Samba, Michael Jackson, Berliner Luft und Militärmärsche wurden hintereinander gespielt und man merkte den Musikern die Freude an ihrer Profession an.

BMVg Bendlerblock Tag der offenen Tür 2017
BMVg - Bendlerblock - Tag der offenen Tür 2017 - Musikkorps der Bundeswehr
Aber wo war nur die Familie? "Wir sind bei den Panzern", kam die Info per WhatsApp. Jute-Beutel im Tarndesign, prall gefüllt mit silbernen Beutelchen. Darin war Soldatennahrung für den Einsatz. Ich war froh, dass die Familie sich nicht gelangweilt hatte. Vier Stunden waren wir im Bendlerblock und immer noch nicht alles gesehen und mitgemacht.

Deshalb entschieden wir uns für einen weiteren TdoT im BMVg und stürzten uns am Sonntag noch einmal in das Getümmel.

Videos:
Andacht im Ehrenmal der Bundeswehr
Drillteam des Wachbataillons
Musikkorps der Bundeswehr

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 17. August 2017

Workshop-Serie zum Traditionserlass startet an der Führungsakademie in Hamburg

Den Diskussionen in unserem YouTube-Kanal folgend reduziert sich Tradition auf folgende Punkte: Pickelhaube, Karabiner und Stechschritt.

Traditionserlass Workshop Führungsakademie Hamburg
Workshop zum Traditionserlass an der Führungsakademie Hamburg - Ankunft der Ministerin
Heute startete an der Führungsakademie in Hamburg eine Workshop-Serie zur Überarbeitung des Traditionserlasses. Dieser war 1982 verfasst worden. Damals herrschte noch der Kalte Krieg. Regeln wie "Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen" (Ulrich de Maizière) dienten zur Abschreckung und damit zur Sicherung des Friedens. In den folgenden 35 Jahren gab es gravierende Veränderungen, die 1982 nicht abzusehen waren:

  • Wiedervereinigung
  • Armee im Auslandseinsatz
  • Frauen in der Bundeswehr
  • Aussetzung der Wehrpflicht
  • Internationale Kooperationen über die NATO hinaus

Bereits im Weißbuch 2016 wurde auf drei Seiten die Überarbeitung des Traditionserlasses angeregt. Das war zunächst nur eine Absichtserklärung und wurde durch neuerliche Vorkommnisse auf Truppenebene zur Chefsache. Auch diese reduzierten sich auf den Umgang mit Traditionen aus der frühen Mitte des 20. Jahrhunderts: Wehrmacht und Nationalsozialismus.

Tradition ist jedoch ein deutlich breiteres Feld mit vielen Referenzthemen. So waren sich die Teilnehmer in Hamburg darüber einig, dass Geschichte nicht gleich Tradition sei. Geschichte passiert und Tradition hält bestimmte Elemente dieser Geschichte fest. Daraus kann sich ein Brauchtum entwickeln.

Letztlich bestimmt die vorherrschende Ethik, welche Elemente der Geschichte als so wertvoll erachtet werden, dass sich daraus eine Tradition und ein Brauchtum extrahieren lassen. Die Diskussion über den Traditionserlass müsse deshalb bei der Ethik beginnen. Diese sei der Rahmen, in dem der Soldat sein Handwerk ausführt. Dieses Handwerk besteht nicht nur im Bohren von Brunnen oder der Hilfe bei Hochwasser.

Traditionserlass Workshop Führungsakademie Hamburg
Workshop zum Traditionserlass an der Führungsakademie Hamburg - Generalinspekteur Volker Wieker, Bundesministerin Ursula von der Leyen, Konteradmiral Carsten Stawitzki (v.l.n.r.)
Neben Ursula von der Leyen und Generalinspekteur Volker Wieker waren etwa 300 Teilnehmer in die Führungsakademie eingeladen worden. Darunter viele ausländische Offiziere, Professoren, Bundestagsabgeordnete, Beamte, ehemalige Generäle, Admirale, Offiziere von Leutnant bis Oberst und einige Generäle. Es war eine sehr heterogene Zusammensetzung aus allen drei Teilstreitkräften und sämtlichen Waffengattungen.

Mit ihren 62 Jahren ist die Bundeswehr inzwischen älter als die Reichswehr und die Wehrmacht zusammen. Durch verschiedene Einsätze hat sie geschichtliche Marken gesetzt, die durchaus traditionsstiftend sein können. Im Ausland beispielsweise werden Brücken nach deutschen Soldaten benannt und im Inland Schulen. Etwa 3.000 Angehörige der Bundeswehr waren im Dienst verstorben. Es fielen die Worte sacrificium und victima: Opfer im Sinne eines höheren Zieles oder Opfer eines Unfalls.

Traditionserlass Workshop Führungsakademie Hamburg
Workshop zum Traditionserlass an der Führungsakademie Hamburg - Teilnehmer aus dem Ausland
Beispiele aus Nachbarländern zeigten, dass Tradition nicht von oben diktiert werden könne. Per Erlass könnten nur Rahmenbedingungen geschaffen und Traditionen gefördert werden. Das eigentliche Bewusstsein entstehe jedoch auf Regimentsebene. Hilfreich sei dabei Kontinuität in vielfacher Hinsicht: Orte, Namen, Kameraden.

Nach den drei offiziellen Reden wurde auf Chatham-House-Rules umgeschaltet, so dass die heterogenen Diskutanten in den vier Panels frei und ungeschminkt ihre Meinung einbringen konnten. Ein sehr konstruktives Workshop-Klima, das durch hochkarätige Moderatoren geleitet wurde.

Es sind drei weitere Workshops geplant. Der nächste soll noch vor der Bundestagswahl beim Zentrum Innere Führung in Koblenz stattfinden. Bei so viel heterogener Kompetenz, die in einer respektvollen und konstruktiven Atmosphäre am Thema arbeitet, ist ein gut durchdachtes Endergebnis zu erwarten.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 28. Juni 2017

Viersterne-General Werner Freers mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet

Und wieder geht ein Viersterne-General in den Ruhestand. An gleicher Stelle wurde im März 2016 General Domröse verabschiedet. Gestern war es Werner Freers. Mit vier goldenen Sternen auf der Schulter hat er das höchste EdeKa erreicht, das ein Bundeswehrsoldat erreichen kann. EdeKa steht für das Ende der Karriere.

Großer Zapfenstreich General Freers
Großer Zapfenstreich zur Verabschiedung von General Werner Freers
Werner Freers war zuletzt Befehlshaber des Obersten Hauptquartiers der Alliierten Streitkräfte Europas. Schon lange ergänzen sich die europäischen Armeen mit Material und Fachkompetenz. Dadurch müssen nicht alle notwendigen Ressourcen von jedem Land selbst vorgehalten werden. Deutschland ist stark bei der Logistik, den Sanitätsdiensten und der Unterstützung aus der dritten Dimension, also der Luft.

General Freers war 1973 in die Bundeswehr eingetreten. Er studierte und wurde dann zum Hubschrauberführer ausgebildet. Bis 2012 hatte er viele nationale und internationale Stationen durchlaufen, beispielsweise als Kommandeur der Luftmechanisierten Brigade 1 in Fritzlar, als Kommandeur der Kabul Multinational Brigade sowie als Stabsabteilungsleiter Planung im BMVg.

Von 2010 bis 2012 fungierte er als Inspekteur des Heeres und machte sich um die Neuausrichtung des Heeres verdient. 2012 ging er in seine jüngste Verwendung als Chef des Stabes Supreme Headquarters Allied Powers Europe.

Großer Zapfenstreich General Freers
Großer Zapfenstreich zur Verabschiedung von General Werner Freers
Die Anzahl der Soldaten zum Großen Zapfenstreich musste wegen der Baumaßnahmen im Bendlerblock etwas reduziert werden. Das fiel aber nicht weiter auf. Die mit dem Fackelschein und den Musikstücken erzeugte Stimmung kam gut zur Entfaltung. Unter Jubel und Applaus wurde Werner Freers von den anwesenden Gästen verabschiedet und rollte dann mit einer Blaulicht-Eskorte vom Hof.

Ein Großer Zapfenstreich dauert etwa eine halbe Stunde. Er enthält neben den typischen Elementen wie "Helm ab zum Gebet" drei Wunschlieder des Geehrten. Gestern Abend wurden "Des Großen Kurfürsten Reitermarsch" von Cuno Graf von Moltke, "Verleih uns Frieden gnädiglich" von Johann Sebastian Bach und "Flieger, grüß mir die Sonne" von Allan Gray gespielt. Oberstleutnant Kiauka dirigierte und Oberstleutnant Bernardy kommandierte den Fackelzug.

Video:
Großer Zapfenstreich zur Verabschiedung von General Freers

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 20. Juni 2017

Bundespräsident absolviert seinen Antrittsbesuch bei der Bundeswehr im Einsatzführungskommando

Ein Bundespräsident, ein General und fünf Pressevertreter. Neun Uhr ist nicht die Zeit für den gemeinen Hauptstadt-Journalisten, insbesondere wenn der Termin im Nirgendwo stattfindet, also im Land Brandenburg. Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr - kurz EinsFüKdo - liegt am lauschigen Schwielowsee südwestlich von Potsdam.

Bundespräsident Steinmeier Antrittsbesuch Bundeswehr Einsatzführungskommando
Bundespräsident Steinmeier zum Antrittsbesuch bei der Bundeswehr - Einsatzführungskommando
Mohnblumen am Wegesrand, Vogelgezwitscher in der Henning-von-Tresckow-Kaserne und reichlich Sonne für die gute Ausleuchtung der Fotomotive. Die beiden Audi-Limousinen des Bundespräsidenten donnerten mehr als pünktlich über das Kopfsteinpflaster der Kaserne und hielten kurz vor der Ehrenformation an. Pünktlichkeit wird bei der Bundeswehr großgeschrieben.

Bundespräsident Steinmeier Antrittsbesuch Bundeswehr Einsatzführungskommando
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Generalleutnant Erich Pfeffer
"Guten Tag Soldatinnen und Soldaten", lautete der politisch korrekte Gruß des Bundespräsidenten, der mit einem lauten "Tag Herr Bundes-Präsident" erwidert wurde. Nach der Nationalhymne und dem Abschreiten der Ehrenformation gab es noch ein gemeinsames Foto mit dem Befehlshaber der Dienststelle, General Erich Pfeffer. Dann verschwanden die beiden Führungspersönlichkeiten im Hauptgebäude.

Erich Pfeffer ist Angehöriger des Heeres, hat langjährige Erfahrungen bei den Gebirgsjägern und trägt als Generalleutnant drei goldene Sterne auf der Schulter. Unterstützt wird er von Generalmajor Thorsten Poschwatta (zwei goldene Sterne, Luftwaffe) und Flottillenadmiral Jörg Klein. Alle drei Männer sind Mitte 50 und verheiratet.

Bundespräsident Steinmeier Antrittsbesuch Bundeswehr Einsatzführungskommando
Generalleutnant Pfeffer und Bundespräsident Steinmeier vor dem Hauptgebäude des Einsatzführungskommandos
Das EinsFüKdo wurde 2001 gegründet und koordiniert zurzeit 15 Einsätze weltweit. Es besteht ein reger Kontakt zu den multinationalen Hauptquartieren. Diese verteilen die Aufträge und das EinsFüKdo stellt sicher, dass diese mandatskonform und nach den Rechtsnormen unseres Landes durchgeführt werden. Erich Pfeffer ist dem Generalinspekteur Volker Wieker direkt unterstellt. Volker Wieker trägt vier goldene Sterne auf der Schulter.

Zur kompetenten Erfüllung des umfangreichen Pensums arbeiten am Schwielowsee militärische und zivile Mitarbeiter zusammen. In den Gesprächen am Rande des Antrittsbesuchs wurde deutlich, dass fast alle der heute anwesenden Offiziere über einschlägige Auslandserfahrungen verfügen. Sei es die zu kleine Schutzweste für Embedded Journalists in Afghanistan oder der allgegenwärtige Staub in Mali, so manch eine Episode erheiterte und interessierte die anwesenden Medienvertreter.

Bundespräsident Steinmeier Antrittsbesuch Bundeswehr Einsatzführungskommando
Kontrollraum des Einsatzführungskommandos
Die nächste presseöffentliche Station des Antrittsbesuchs des Bundespräsidenten bei der Bundeswehr war der Kontrollraum des Einsatzführungskommandos. Hier durfte nur bedingt gefilmt werden. Auf einem riesigen Screen wechselten Fotos von den Einsatzorten und eine große Weltkarte mit den Beschreibungen der 15 Einsätze. Frank-Walter Steinmeier wollte wissen, ob die hier beschäftigten Soldaten nur auf Anrufe warten oder auch proaktiv in den Einsatzgebieten nachfragen. Ja, das machen sie. Der Bundespräsident stand hinter einem wuchtigen weißen Telefon, das zwar technologisch überlebt wirkte, aber seinen wichtigen Zweck als zentraler Anlaufpunkt erfüllt.

Bundespräsident Steinmeier Antrittsbesuch Bundeswehr Einsatzführungskommando
Bundespräsident Steinmeier im Kontrollraum des Einsatzführungskommandos
Der Aufenthalt im klimatisierten Kontrollraum dauerte nicht sehr lange. Wir griffen noch eine Wasserflasche und eilten zum Wald der Erinnerung. Eine sehr beeindruckende Gedenkstätte für die gefallenen Bundeswehr-Soldaten. Besonders berührend sind die privaten Utensilien an den Bäumen rings um die Steinmonumente. Einige der Verstorbenen waren als Vertretung in den Einsatz gereist, einige im Bus zum Flughafen, einige kurz vor Dienstende, als der Hubschrauber abstürzte, sich ein Taxifahrer samt Auto in die Luft sprengte oder eine selbst gebaute Bombe unter der Treppe gezündet wurde. Auch den begleitenden Offizieren ging es nahe, als sie die Namen nannten und von den Umstände des Todes berichteten.

Bundespräsident Steinmeier Antrittsbesuch Bundeswehr Einsatzführungskommando
Stele mit Namen im Wald der Erinnerungen
Der Bundespräsident kam in Begleitung von Erich Pfeffer und nahm sich sehr viel Zeit für die Stelen mit den Namen. Seit zwei Jahren ist wohl kein Bundeswehr-Soldat mehr im Ausland ums Leben gekommen. Das jüngste Metallschild trägt den Namen Olaf Vatterodt. Er starb 2015 in Afgahnistan.

Frank-Walter Steinmeier legte einen Kranz am Ehrenmal nieder und ging dann in Begleitung des Generals durch den Wald zu verschiedenen Gedenkplätzen für die jeweiligen Einsatzorte. Er wirkte tief bewegt.

Bundespräsident Steinmeier Antrittsbesuch Bundeswehr Einsatzführungskommando
Bundespräsident Steinmeier und Generalleutnant Pfeffer im Wald der Erinnerungen
Nach einem kurzen Statement schrieb sich der Bundespräsident in das Erinnerungsbuch ein. Das nahm fast mehr Zeit in Anspruch als das Presse-Statement. Ein Mann, der Prioritäten setzt. Dann verließen die schwarzen A8-Limousinen das Gelände im grünen Umland von Berlin. Satter Motorsound, dann nur noch Vogelgezwitscher. Die Sonne schien und tauchte die Landschaft des Rückweges in ein angenehmes Licht.

Video:
Antrittsbesuch des Bundespräsidenten bei der Bundeswehr

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 1. Juni 2017

Französische Verteidigungsministerin Sylvie Goulard zum Antrittsbesuch in Berlin

Der Staatspräsident Frankreichs hatte bereits einen Tag nach Amtsantritt einen Besuch in Berlin absolviert. Sylvie Goulard brauchte zwei Wochen. Sie hatte die Amtsgeschäfte im französischen Verteidigungsministerium am 17. Mai übernommen. Damit stärkt sie die internationale Frauen-Quote in diesem Regierungssegment.

Verteidigungsministerin Frankreichs Sylvie Goulard Berlin
Verteidigungsministerin Frankreichs Sylvie Goulard zum Antrittsbesuch in Berlin
Die 52-jährige Sylvie Goulard begann ihre politische Laufbahn im Jahr des Mauerfalls. Als Mitarbeiterin des Außenministeriums hatte sie an den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen teilgenommen und war anschließend an mehreren Projekten mit dem Auswärtigen Amt beteiligt. Sylvie Goulard war beratend tätig, schreibt Essays und setzt sich für einen europäischen Föderalismus ein.

Beim heutigen Antrittsbesuch im Bendlerblock ging es um verschiedene neue Projekte und die Harmonisierung von Planungsprozessen. Die Dynamik ihres Staatspräsidenten schleift sich auch auf ihre Arbeitsweise durch. Moderner, schneller und effizienter soll die Zusammenarbeit der Streitkräfte und der regionalen Rüstungsindustrie werden. "Mehr Europa schaffen", sei das Ziel.

Verteidigungsministerin Frankreichs Sylvie Goulard Berlin
Verteidigungsministerin Frankreichs Sylvie Goulard zum Antrittsbesuch in Berlin
Es sind eine europäische Offiziersausbildung, ein gemeinsames Sanitätskommando und ein Logistic Hub geplant. Deutschland und Frankreich arbeiten bereits in Mali und Litauen eng zusammen.

Der Einsatz in der Sahel-Region um Mali, Niger, Burkina Faso, Mauretanien und den Tschad war Sylvie Goulard so wichtig, dass sie einen Tag nach Amtsantritt zu den französischen Truppen vor Ort reiste. Dort ließ sie sich bestätigen, dass sich die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr unter dem Dach von EUTM und MINUSMA sehr konstruktiv gestalte.

Passend zum wolkenfreien Himmel sprachen die Ministerinnen auch über eine konzertierte Lufttransport-Staffel, die in einem Krisenfall zur gegenseitigen Unterstützung dienen soll. Zusammen mit Italien und Spanien wird derzeit ein Industriezweig für Drohnen aufgebaut. Drohnen, die zwar nur eine mittlere Höhe erreichen, dafür aber mit einer langen Flugdauer punkten.

Video:
Antrittsbesuch der französischen Verteidigungsministerin Sylvie Goulard

Autor: Matthias Baumann

Sonntag, 28. Mai 2017

Bundespräsident fliegt beim #Kirchentag ein

Vor drei Tagen feierten wir Himmelfahrt. Gemäß des Neuen Testamentes war Jesus 40 Tage nach Ostern in den Himmel gefahren. Heute fuhr der Bundespräsident aus dem Himmel herab. Sein Helikopter landete auf den Elbwiesen südlich von Wittenberg und wurde dort von berittener Polizei bewacht.

#Kirchentag Abschlussgottesdienst Wittenberg Elbwiesen
#Kirchentag - Anreise zum Abschlussgottesdienst in Wittenberg auf den Elbwiesen
Das Fußvolk erreichte die Elbwiesen über erhebliche Umwege durch die Lutherstadt und zwei Brücken. Eine davon provisorisch durch die Bundeswehr gebaut. Von der Innenstadt bis zur Festwiese waren Laufzeiten von einer Stunde und mehr einzuplanen. 30°C und Sanitäter, die zum Abtransport der Kreislauf-Geschwächten bereit standen. Sehr vorbildlich deshalb, dass ausgerechnet Gesundheitsminister Gröhe einer der ersten Minister vor Ort war.

Kurz vor dem Abschlussgottesdienst gesellten sich das Oberhaupt der Kopten aus Ägypten, Innenminister de Maizière und mehrere Vertreter der katholischen und der evangelischen Kirche dazu.

#Kirchentag Abschlussgottesdienst Wittenberg Elbwiesen
#Kirchentag - 1/7 der Bläser beim Abschlussgottesdienst
Hinter der großen weißen Bühne saßen hunderte Bläser. Ihre Instrumente funkelten in der Sonne. Als sie das Lied "Nun jauchzt dem Herren, alle Welt" anstimmten, bekamen die Besucher einen Vorgeschmack auf die zu erwartenden Konzerte im Himmel. Als die Gedanken abschweiften, erschien der Bundespräsident neben der Bühne. Auch seine Frau, Elke Büdenbender, war dabei und jede Menge Fotografen.

Die Predigt zum Hohen Lied der Liebe aus 1. Korinther 13 hielt Erzbischof Thabo Makgoba von der Anglikanischen Kirche Südafrikas. Der Schwarze sprach Englisch mit afrikanischem Akzent. Wer kein Englisch verstand, konnte auf dem linken Screen deutsche Untertitel und eine Übersetzung in Gebärdensprache sehen. Die rechte Videowand stand für das unkommentierte Original zur Verfügung. Viele der aus "Bade-Würte-Berg" stammenden Sitznachbarn verstanden kein Englisch.


#Kirchentag Abschlussgottesdienst Wittenberg Elbwiesen
#Kirchentag - Festwiese für den Abschlussgottesdienst
So rauschte die Predigt an ihnen vorbei. Die Predigt hatte mit Martin Luther begonnen und lief über die allgemeine Ungerechtigkeit in der Welt in einem postulierten "I have a dream" aus.

Viel spannender war also das Drumherum. Dazu gehörten die immer wieder einsetzenden Bläser hinter der Bühne - wie schon erwähnt: Hunderte! Bewegend auch das gemeinsame Vaterunser, das gemeinsame Abendmahl und der Segen von EKD-Chef Bedford-Strohm im wehenden schwarzen Gewand. Die Sonne blitzte in das Kreuz über dem Talar und tauchte es in einen goldenen Glanz.


#Kirchentag Abschlussgottesdienst Wittenberg Elbwiesen
#Kirchentag - Abschlussgottesdienst mit Segen von Heinrich Bedford-Strohm
Der Altar war eine Leihgabe des Deutschen Katholikentages. Überhaupt zeigten sich die katholischen Gastredner sehr erfreut über die guten Beziehungen zu den Protestanten. Das sei vor zehn Jahren noch nicht so selbstverständlich gewesen. Frank-Walter Steinmeier begrüßte die Besucher mit "Liebe Schwestern und Brüder" und zeigte sich ebenfalls hoch erfreut darüber, dass die Christen unterschiedlicher Konfessionen und Denominationen auf einem guten Weg zur Bündelung ihrer Kräfte seien. Das solle weiter intensiviert werden.

Der Bundespräsident war selbst viele Jahre lang aktiv an den Evangelischen Kirchentagen beteiligt. Ein katholischer Redner brachte es auf den Punkt: Das verbindende Element ist Jesus Christus.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 17. März 2017

Großer Zapfenstreich für Joachim Gauck

Das Areal um das Schloss Bellevue war weiträumig abgesperrt. An der dritten Polizeisperre versuchte gerade ein Obdachloser aus der Bahnhofsmission Einlass zu bekommen. Er hatte die knallrote Einlasskarte der Bundesregierung umgehängt und wurde skeptisch überprüft. Es durften nur Personen passieren, die auf der Namensliste der Bundespolizei standen. Der Mann mit dem dicken braunen Mantel wurde durchgelassen und reihte sich mit uns am Eingang zum Schloss ein.

Großer Zapfenstreich Gauck
Großer Zapfenstreich zum Abschied von Bundespräsident Gauck - Gäste erscheinen im Schlossgarten
Der Große Zapfenstreich zur Verabschiedung von Bundespräsident Gauck sollte im Garten hinter dem Schloss stattfinden. Neben dem Mann aus der Bahnhofsmission waren weitere dreihundert "normale" Bürger und dreihundert offizielle Personen wie Minister, Botschafter, Offiziere und Kirchenvertreter eingeladen. Vor dem Teich gab es Tribünen für die Gäste und die Presse sowie ein rotes Podest für den Bundespräsidenten, die Verteidigungsministerin und den Generalinspekteur Volker Wieker.

Großer Zapfenstreich Gauck
Großer Zapfenstreich zum Abschied von Bundespräsident Gauck - Positionierung der Instrumente
Auf dem Pflaster zwischen Schloss und Rasenfläche waren mehrere schwarze Schnüre gespannt. Diese sollten zur optischen Führung der Fackelträger dienen und nicht als Stolperfalle für zu schnell laufende Gäste. Stolperfallen stellten eher die Plastikplatten der über den Rasen verlegten Wege dar. Der Zeremonienmeister des Schlosses konnte sich gerade noch fangen, als er bei schnellem Schritt plötzlich an der letzten Platte hängen blieb.

Großer Zapfenstreich Gauck
Großer Zapfenstreich zum Abschied von Bundespräsident Gauck - Fackelträger am Podest
Es wurde immer dunkler. Das Wetter war ideal für den Anlass. Gegen 18:25 Uhr erschienen die ersten Fackelträger und positionierten sich vor dem Schloss und auf dem Balkon. Der Pauker stimmte noch letzte Musikpassagen ab. Gäste kamen und begaben sich auf die Tribünen. Ein erstes Raunen ging durch die Menge, als Daniela Schadt aus dem Schloss kam. Zehn vor sieben schritten dann auch Joachim Gauck, Ursula von der Leyen und Volker Wieker vom Schloss aus auf das Podest zu. Kaum hatten sie sich auf dem Podest positioniert, erklang der Yorcksche Marsch zum Aufzug des Großen Zapfenstreiches.

Großer Zapfenstreich Gauck
Großer Zapfenstreich zum Abschied von Bundespräsident Gauck - Stabsmusikkorps
Es dauerte eine ganze Weile bis die ersten Fackeln sichtbar wurden. Keine Hektik. "Fackelträger, rechts, links um", waren die selten gehörten Befehle. Die das Wachbataillon und das Stabsmusikkorps begleitenden Fackelträger positionierten sich um den Platz. Es folgte die Meldung und mehrere Musikstücke inklusive der gewünschten "Über sieben Brücken" von Karat und "Ein feste Burg ist unser Gott" von Martin Luther.

Die Trommler präsentierten auch optisch eine ausgereifte Performance. Einen zeitlich bedeutenden Teil stellten der Zapfenstreichmarsch, der Ruf nach den Verspäteten, Verwundeten und Toten sowie das Gebet dar. Zum Gebet wurde per Befehl der Helm ab- und aufgesetzt. Das Publikum stand dazu. Das Publikum stand und sang auch zur bald folgenden Nationalhymne. Nach der Nationalhymne wurde der Große Zapfenstreich abgemeldet und verließ den Platz mit dem preußischen Zapfenstreichmarsch.

Großer Zapfenstreich Gauck
Großer Zapfenstreich zum Abschied von Bundespräsident Gauck - Fackelträger vor dem Schloss
Unter Beifall verließen auch der Bundespräsident, Frau von der Leyen und der Vier-Sterne-General das Podest und schritten zum Schloss. Die Gäste folgten und wurden seitlich von den verbliebenen Fackelträgern in Marineuniform flankiert. Das Schloss war auf allen Ebenen hell erleuchtet und ließ auf eine große Abschiedsfeier schließen.

Videos:
Großer Zapfenstreich im Garten von Schloss Bellevue - Langversion 35:44 Minuten
Großer Zapfenstreich - Helm ab zum Gebet

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 29. November 2016

BSC Berlin Security Conference

Heute und morgen findet in unserer Stadt die BSC Berlin Security Conference statt.

Unter den mehr als 1.000 angemeldeten Gästen sind 66 Admiräle und Generäle mit ein bis vier Sternen sowie europäische Minister, Botschafter und Militärattachés. Nicht jeder Oberst ist von einem General zu unterscheiden, da die silbernen Sterne in einigen Staaten ein goldenes Äquivalent haben und Generäle durch Striche auf den Schulterstücken optisch in die jeweilige Hierarchie eingetaktet werden.

Anhand des heute Gesagten könnte die Lage Europas als angespannt bis kritisch angesehen werden.

BSC Berlin Security Conference
BSC Berlin Security Conference
Die US-Botschafterin Susan Elliot sprach von "Transition" in der Beziehung zu Europa, während sich die NATO in einem Prozess des "shifting from insurance to defense" befinde. Sie betonte, dass Donald Trump bei den Republikanern keine Mehrheit für einen NATO-Ausstieg habe. Wichtig ist ihm insbesondere, dass die NATO-Staaten ihren Beitrag zum Rüstungshaushalt erfüllen. Warum auch soll die USA den Hauptteil der finanziellen Last tragen? Donald Trump denkt hier wie ein typischer Unternehmer in Kategorien des Return on Investment (ROI). Bessert Europa in diesem Bereich nicht nach, wird er sicher einen Weg finden, seine politischen Mitstreiter von einem NATO-Ausstieg zu überzeugen.

Der heutige Konferenztag demonstrierte auch sehr anschaulich, wie leicht es ist, große Truppenverbände innerhalb kürzester Zeit zielgerichtet in Bewegung zu versetzen. Es wurde lediglich angekündigt, dass diverse Reden auf Französisch gehalten werden und schon bewegten sich etwa 95% der Gäste im Saal auf die Kopfhörer für die Simultanübersetzung zu. Militärisch diszipliniert wurde diese sprachliche "Fähigkeitslücke" geschlossen. Bei einer zivilen Veranstaltung hätte das sicher zu erheblichen Verzögerungen geführt.

Es waren die Repräsentanten Frankreichs, die sehr offene und kritische Worte zur europäischen Zusammenarbeit fanden. Es gehe nicht mehr um "Bedrohungspotenzial" sondern um "konkrete Bedrohung". Dabei nehme jeder Staat eine andere Facette der komplexen Bedrohungssituation wahr und setze entsprechend andere Prioritäten. Das betrifft die Ostgrenzen, die Flüchtlingsströme im Süden und islamistischen Terror in Mitteleuropa. Der einstige Fokus der EU auf die Wirtschaft habe bisher die Verteidigung außen vor gelassen.

BSC Berlin Security Conference
BSC Berlin Security Conference
Apropos "außen": Fabrice Leggeri von Frontex referierte in allen drei Konferenzsprachen und berichtete über die Arbeit seiner "Agentur". So habe man ein System entwickelt, das 95% der Einreisenden per Screening erfasse und entsprechend genehmige. Für die restlichen 5% stehen Fachkräfte mit Spezialausbildung bereit, die entsprechenden Verdachtsmomenten nachgehen. Letzteres kann bis zu drei Tagen dauern, während die erstgenannten 95% in der Regel nach zehn Sekunden geklärt sind. Er sprach sich für starke Außengrenzen und ein freies Schengen innerhalb dieser Grenzen aus.

Besonders pikant war die "High-Level Debate" kurz vor dem Mittag. Der Wehrbeauftragte Dr. Barthels (SPD) empfand es als eine "super Idee", dass die EU-Staaten endlich auch auf dem Verteidigungssektor kooperieren. Der Franzose Arnaud Danjean forderte, dass erarbeitete und beschlossene Papiere endlich einmal umgesetzt werden sollten und brachte dazu konkrete Beispiele. Die deutsch-französische Zusammenarbeit wurde als "mutig, solidarisch, innovativ" bezeichnet.

Neben der oben bereits erwähnten Susan Elliot hatte der Russe Andrey Kelin Platz genommen. Nick Pickard von der Britischen Botschaft rundete das Panel ab. Letzterer sprach sich nach dem Brexit für eine weitere enge Zusammenarbeit mit den europäischen Staaten aus.

BSC Berlin Security Conference
BSC Berlin Security Conference - Zielfernrohre von Schmidt & Bender
Andrey Kelin hatte nicht nur die Damen und Herren auf der Bühne gegen sich, sondern auch einen Großteil des Plenums. Er betonte die russische Treue gegenüber den Abkommen von Minsk und stellte die Interpretation seines Staates zu Georgien und der Ukraine dar. Dabei wechselte sich bitteres mit laut schallendem Lachen im Saal ab. Nachdem ein Deutscher nach Ansatzpunkten für einen guten Dialog mit Russland gefragt hatte, goss ein Georgier mit der Frage nach den neuesten atomaren Bestrebungen Russlands wieder Öl ins Feuer. Nick Pickard nannte mehrere Beispiele versuchter Dialoge, die Moskau "blockiert" habe. Immerhin schlug sich der Russe wacker, auch wenn er mit seiner Position weit und breit allein auf der Flur saß.

Auch während der Konferenzpausen wurde weiter diskutiert, Visitenkarten getauscht, Zielfernrohre begutachtet, Helme auf mögliche Fallhöhe getestet oder einfach Networking betrieben. Letzteres war ausdrücklicher Wunsch der Veranstalter.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 16. November 2016

US-Präsident Barack Obama in Berlin

Die Ankunft der Airforce One war für 17:35 Uhr angekündigt. Pressevertreter waren gebeten, bis 15:00 Uhr vor Ort zu sein. Das klang nach einem hohen Andrang. Zudem waren spezielle Eventausweise und Sonderakkreditierungen ausgegeben worden, die auf ein Journalistenaufkommen wie beim Queen-Besuch hindeuteten.

US-Präsident Barack Obama in Berlin
US-Präsident Barack Obama in Berlin - Flaggen in TXL
Der militärische Teil des Flughafens Tegel TXL war weiträumig abgesperrt. Nieselregen benetzte die Frontscheibe und mit der passenden Akkreditierung passierten wir zwei Sperren. Dann lief es wie bei einem üblichen Transatlantikflug ab. Zu Fuß zur Abflughalle, dann der Sicherheitscheck und das Warten in einem Raum mit Gepäckförderbändern. Selbst einen Check-in hätte es gegeben, wenn Bordkarten relevant gewesen wären.

Im Wartebereich standen Kaffee und Kekse bereit. Die Journalisten prüften ihre Kameras oder wickelten diese in Folie ein. Es waren etwa vierzig Medienvertreter erschienen. Deutlich weniger als erwartet. Kaffee und Kekse wurden regelmäßig nachgefüllt, Akkreditierungen wurden verteilt und die ISO-Einstellungen diskutiert.

Die Ankunft der Maschine verzögerte sich nun doch, so dass die Anwesenden noch einmal auf den Bänken und dem Gepäckband Platz nehmen konnten. Gegen 17:25 Uhr wurden jedoch die Türen zum Rollfeld geöffnet und die Kameraleute quollen durch den engen Eingang. Als ich diesen passieren wollte, klemmte ich zwischen zwei seitlich hinzu drängenden Kameras fest. Mit etwas Druck war das Problem zu lösen, so dass ein guter Platz in der ersten Reihe der Pressetribüne gesichert werden konnte.

US-Präsident Barack Obama in Berlin
US-Präsident Barack Obama in Berlin - Wachbataillon kurz vor Ankunft der Airforce One
Auf der linken Seite trainierte eine kleine Gruppe des Wachbataillons die Schrittfolge und das Handling des Holzgewehrs. Offiziere mehrerer Teilstreitkräfte unterhielten sich. Der Regen hatte aufgehört. Einige gelb karierte VW-Busse fuhren hin und her. Dann hieß es: "Noch acht Minuten". Wir waren erstaunt über die vielen äußerst wichtigen Personen um uns herum.

US-Präsident Barack Obama in Berlin
US-Präsident Barack Obama in Berlin - Ankunft der Airforce One
Dann landete die Airforce One und rollte nach rechts bzw. nach Westen aus und verschwand. Die Maschine tauchte einfach nicht mehr auf. Nach gefühlten fünf Minuten blendeten uns die Lichter der riesigen Maschine. Sie kam auf uns zu, drehte und platzierte sich genau vor der Tribüne. Der entscheidende Ausgang lag nun direkt vor uns. Während aus dem hinteren Teil bereits die Begleitpresse und die sonstigen Bediensteten des Präsidenten quollen, wurde an der Front Door lediglich die Tür geöffnet. Eine Treppe fuhr heran und wurde für den Ausstieg von Barack Obama vorbereitet. Zwei Männer in Rot positionierten einen großen Teppichballen an der Gangway und begannen, diesen auszurollen. Sie rollten und rollten und zogen den roten Teppich gelegentlich glatt. Er endete kurz vor unserer Kameraposition.

US-Präsident Barack Obama in Berlin
US-Präsident Barack Obama in Berlin - Ausrollen des roten Teppichs
Während der Tross von den hinteren Sitzplätzen bereits die Koffer in einen der zahlreichen SUVs legte, ertönte links von uns das Signal für die Ehrenformation: "Maaaar". Die Soldaten setzten sich in Bewegung und schritten auf den roten Teppich zu und teilten sich kurz davor in eine linke und eine rechte Hälfte. Nur der Befehlshaber schritt über den Teppich bis an den Fuß der Treppe. Direkt dahinter kamen einige Offiziere, der amerikanische Botschafter Emerson mit seiner Gattin sowie Protokollchef Jürgen Mertens. John B. Emerson hantierte unentwegt an seinem Smartphone und hielt die Szenerie fotografisch fest.

Als die Delegationen platziert waren ging im Innenraum der Airforce One eine Tür auf und der Präsident, kurz PotUS genannt, erschien in der Ausstiegsluke. Er winkte kurz in die grellen Scheinwerfer und traf dabei genau die Richtung, wo auch die Bildreporter standen. Dann lief er schnell und mit einer sehr dynamischen Körperhaltung die Treppe herunter.

US-Präsident Barack Obama in Berlin
US-Präsident Barack Obama in Berlin - das Bild für die Presse
Inzwischen war auch "The Beast" im wahrsten Sinne des Wortes "vor-gefahren" und versperrte uns die Sicht auf das weitere Geschehen. Da das Protokoll weitestgehend identisch ist, war davon auszugehen, dass Barack Obama zunächst vom Botschafter und dem Protokollchef begrüßt wird und er dann die Hände der Delegationsteilnehmer schüttelt. Videoaufnahmen bekannter Medien bestätigten anschließend diese Vermutung.

Immer noch unentwegt mit dem Smartphone fotografierend lief Botschafter Emerson um "The Beast" und durfte im Fond Platz nehmen. Barack Obama stieg auf der rechten Seite ein. Die gerne bei Jaguar gestellte Frage "Wer sitzt hinten?" ließ sich in diesem Falle gut beantworten. Bemerkenswert waren die eingespielten Bewegungsabläufe der Security, die unter Einsatz ihrer körperlichen Unversehrtheit sämtliche Insassen effektiv schützten.

US-Präsident Barack Obama in Berlin
US-Präsident Barack Obama in Berlin - The Beast
Nach einigen Gedenkminuten im stehenden Beast gab es den "Befehl" zur Abfahrt. Ohne den latenten Klangteppich der Airforce One hätte man den Sound der Limousine sicher besser genießen können. Aber egal, dafür konnten wir nun den Konvoi aus S-Klassen, Cadillac, dunklen Kleinbussen und SUVs genießen, der mit sattem Motorgeräusch und rot-blauem Rundumlicht vom Flughafengelände rollte.

Als sich die Pressevertreter von der Bühne Richtung Empfangshalle begaben, wurden der einsam gewordenen Truppe des Wachbataillons die Befehle zum Abmarsch erteilt. Wir waren beeindruckt von dem Ereignis. Nicht nur wegen der Airforce One, des Präsidenten und seines gepanzerten Fahrzeuges, sondern auch von der perfekten Orga und der eingespielten Security.

Video: US-Präsident Barack Obama - Ankunft in TXL

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 1. Juni 2016

ILA 2016 - Luftfahrtmesse seit 1909

"Lasst die Fahrzeuge der Militärattachés durch", lautete das Kommando, das der Mann mit dem schwarzen Anzug und dem Knopf im Ohr in sein Revers sprach. Das Gelände der ILA ist weiträumig abgesperrt und nur Fahrzeuge mit Sondergenehmigung dürfen passieren. Regen peitscht gegen die Scheiben und wohl dem, der seinen Wagen nicht auf den schlammigen Freiflächen mit angeschlossener Shuttle-Haltestelle parken muss.

ILA 2016 @ILA_Berlin
ILA 2016 - Eröffnungsrede der Parlamentarischen Staatssekretärin Brigitte Zypries (links roter Knopf zum ILA-Start)
Wir sind bereits zur Eröffnungsrede der Parlamentarischen Staatssekretärin (BMWi ) Brigitte Zypries erschienen. Zu Ehren des internationalen Publikums spricht sie Englisch mit deutschem Akzent. Neben ihr ist ein großer roter Knopf aufgebaut, mit dem sie gegen 10:00 Uhr offiziell die ILA einschalten wird. Es könnte derselbe schwarz-rot-goldene Knopf sein, den Bundespräsident Gauck regelmäßig zum Einschalten des Weihnachtsbaumes vor dem Schloss Bellevue nutzt. Warum auch sollte jede Dienststelle des Bundes einen eigenen roten Knopf in den Nationalfarben vorhalten? Synergien beim fliegenden Wechsel materieller Ressourcen entlasten den Steuerzahler.

ILA 2016 @ILA_Berlin
ILA 2016 - technische Kunstwerke aus dem 3D-Drucker
Mit "fliegender Wechsel" könnte auch die Themenvielfalt auf der seit 1909 in unregelmäßigen Abständen stattfindenden Internationalen Luftfahrtausstellung beschreiben. Seit der ersten 100-tägigen Messe in Frankfurt/Main hat sich vieles weiterentwickelt und aus der Luftfahrtausstellung ist ein Branchentreff der Luft- und Raumfahrt geworden. Letzteres wird insbesondere beim Betreten der Halle 4 deutlich, wo der Besucher zunächst in orbitales Dunkel tappt und dann einen von der Decke herabhängenden Baum und diverse Weltraum-Flugobjekte wahrnimmt. Kurz darauf sieht sich der geneigte Interessent von holografischen Installationen und 3D-Druck umgeben.

ILA 2016 @ILA_Berlin
ILA 2016 - Messebau @ILA_Berlin
Die optische Anziehungskraft der Stände ist sehr unterschiedlich. Hier lockt ein riesiger Drehmomentschlüssel, dort ein schwarzer Hubschrauber in Originalgröße. Ein polnischer Offizier in Kampfanzug testet den Lenkeinschlag des Helikopters. Eine Schale mit knallrot-weißer Vollmilchschokolade lockt zur Drohne aus der Schweiz. Ein Stand im Disco-Look präsentiert die Produkte von Roketsan. Roketsan ist kein Wettbewerber von Domestos oder Meister Proper, sondern ein anatolischer Hersteller von Marschflugkörpern.

ILA 2016 @ILA_Berlin
ILA 2016 - Schoggi zur Drohne
Immer wieder laufen uns Männer mit Kabeln am Ohr oder Generäle mit goldenen Sternen und diversen Kordeln und Orden über den Weg. Dank der riesigen Namensschilder lassen sich die Gäste gut mit Namen anreden. Der amerikanische Botschafter John B. Emerson trägt kein Namensschild. Nach der Begutachtung eines Hubschraubersimulators winkt er uns zu. Eine Begegnung in entspannter Atmosphäre bei Rotwein bleibt haften. Zusammen mit seinen Militärkollegen in Tarngrün und Blau schaut er sich dann beim "US International Pavilion" um.

ILA 2016 @ILA_Berlin
ILA 2016 - US-Botschafter John B. Emerson beim US Pavilion
Die Bundeswehr wäre nicht die Bundeswehr, wenn deren Ausstellungshalle per überdachtem Übergang zu erreichen wäre. Nur die Vorstände - wird uns immer wieder gesagt - dürfen per Golf Caddy durch den strömenden Regen gefahren werden. Wir nehmen den Kampf gegen die Elemente auf und gelangen durch unser entschlossenes Vorangehen halbwegs trocken zur Bundeswehrhalle. Dort werden wir von einem zerlegten Hubschrauber und einem Kampfflugzeug in Originalgröße empfangen. Dahinter liegt ein Blut überströmter Soldat mit abgeschossenem Bein - eine Puppe. Gegenüber eine weitere Puppe mit Sturmgewehr. War das der Schütze? An einem Pult referiert ein Generalmajor. Überall silbernes Laub mit zwei oder drei Sternen und ab und zu ein General dazwischen. Man kennt sich, man grüßt sich, man freut sich über die gelungene Ausstellung.

ILA 2016 @ILA_Berlin
ILA 2016 - Selfie mit Fraunhofer @ILA_Berlin
Auf der Suche nach dem Pressezentrum laufen wir mehrfach durch den Regen und die Hallen 6, 4 und 2, essen zwischendrin etwas auf dem Stand des Landes Baden-Württemberg und staunen über die vielen mit der Luftfahrt verbundenen Dienstleister und Hersteller: Präzisionsdreher, Sitzmanufakturen, Gurthersteller, Propellerlieferanten, 3D-Druckfirmen, Forschungseinrichtungen, Drohnenproduzenten oder Hersteller von Missiles, die mit einer Kamera in der verglasten Aufprallspitze ausgerüstet sind und ihr Ziel selbstständig verfolgen.

Nach einem Kaffee im Pressezentrum decken wir uns mit Infomaterial ein und verlassen die ILA. Es regnet. Sigmar Gabriel wird für 13:00 Uhr erwartet und 13:18 beginnt der Messerundgang des Wirtschaftsministers mit seiner Staatssekretärin Zypries.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 13. April 2016

Verfügbarkeitsmanagement bei der Bundeswehr

Wenn Matthias Bannas vom BDWi zum Berliner Pub Talk einlädt, geht es kontrovers zu. Politisch Grüne und Schwarze oder Rosafarbene und Gelbe prallen aufeinander und diskutieren über Wohnungspolitik, das bedingungslose Grundeinkommen, Volksentscheide, Deutschland ohne Öl, Berlin als Fahrradstadt, die Lebensmittelbranche, Nudging und vieles mehr. Neben den Kontrahenten stehen zwei leere Stühle für Fragesteller oder Koreferenten aus dem Publikum bereit. Eine Herausforderung an die Moderation, die bisher immer glanzvoll gemeistert wurde.

Heute ging es deutlich harmonischer zu. Es waren Dr. Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter des Bundestages, und Harald Kujat, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr, eingeladen. Beide waren sich in der Sache einig: "Schlecht und falsch ausgerüstet".

Pub Talk Wehrbeauftragter Bartels Generalinspekteur Kujat
Pub Talk (vlnr.) Wehrbeauftragter Bartels, Moderator Schapke, General a.D. Kujat, Matthias Bannas
Hinter dem schönen Begriff des Verfügbarkeitsmanagements verberge sich die Verwaltung des Mangels bei der Bundeswehr. Statt der benötigten Ressourcen von 100% plus 30% Reserve habe man sich inzwischen auf 70% heruntergespart. Ersatzteile werden nicht einfach aus dem Depot geholt und ersetzt, sondern fehlen dann oftmals über den Zeitraum der Reparatur.

So komme es vor, dass sich Truppenteile gegenseitig behilflich sein müssen. Das fördert die Kameradschaft und trainiert das Improvisationstalent. Überhaupt habe sich General Kujat mit dem damaligen US-Verteidigungsminister Rumsfeld gegenseitig bezüglich der Soldaten hochgezogen. Die USA habe die bessere Ausrüstung, Deutschland habe die besseren Soldaten. In diesem Tenor äußerte sich Harald Kujat beim Pub Talk insbesondere bezüglich der Kreativität der Bundeswehrangehörigen bei der Meisterung ihrer Aufgaben mit nur 70% der notwendigen Ausrüstung.

Die Soldaten geben durchaus Zustandsberichte über den normalen und überspringenden Dienstweg weiter. Es wird nur eben unterwegs "Ebenen gerecht formuliert". In Portugal sei eine Einheit von Offizieren stationiert, die in den unterschiedlichen Einsatzszenarien auftaucht und die erkannten Engpässe ungeschminkt und direkt nach oben weitergibt.

Nach dem Kalten Krieg habe man kontinuierlich die Rüstungsausgaben gekürzt, da die "Einsatzwahrscheinlichkeit" nahe Null ging. Erst 2008 wurde man im Rahmen des Georgienkonfliktes wieder etwas wach, hatte es aber als "Zwischenschauspiel" betrachtet. Dann ging es mit der Annexion der Krim und der Etablierung von Rebellengruppen in der Ukraine weiter. Die weltweit aktive Bundeswehr hat aber auch international ihre Engpässe. Die Ausrüstung für Mali sei unverantwortlich unterdimensioniert, da die vorgesehenen Großgeräte noch im Afghanistaneinsatz seien. Mali sei jedoch ein Beispiel für die gute Teamarbeit der EU-Armeen. Nur Frankreich mache gerne ihr eigenes Ding und Großbritannien orientiere sich eher über den Atlantik, was in bestimmten Situationen aber auch gewisse Vorteile bietet.

"Strecken, schieben, streichen" war in den letzten Jahren das Motto der Bundeswehrausstattung. Inzwischen habe sich eine Trendwende eingestellt, die ein stetiges Wachstum der Rüstungsausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt vorsehe. Damit entsteht das Potenzial, dass nicht mehr hin und her geschoben, sondern tatsächliche Kampfkraft aufgebaut wird. Dazu warf ein Vertreter der Rüstungsindustrie ein, dass auch die Unternehmen ihre Kapazitäten verringert hätten und damit eine gewisse Anlaufzeit benötigen. Hinzu kämen die langen Angebotsläufe, die sich bei zwischenzeitlichen technischen Innovationen oder Änderungen weiter verzögern. Dass die Interessen von Parlament und Bundeswehr gelegentlich differieren, drückte General Kujat folgendermaßen aus:

"Nicht das Parlament entscheidet, ob es sich um einen Kampfeinsatz handelt, sondern der Gegner".

Zehn Minuten Pause, zweimal dreißig Minuten Talk, ein Thema und Harmonie auf dem Podium. Der zweite Teil des Themas "Wie einsatzfähig ist die Bundeswehr" wurde durch das Improvisationstalent und die geringe Einsatzwahrscheinlichkeit als nicht sehr kritisch eingestuft. Der oben genannte Rüstungsexperte sagte bei der Verabschiedung, dass auch eine Ausstattung von 70% noch sehr viel ist und für den Ernstfall ausreichend sein kann.

Den persönlichen Ernstfall erlebten wohl einige Teilnehmer nach dem Verlassen der Location. Das Ordnungsamt war nämlich mit voller Ausrüstung im Kampfeinsatz gegen abgelaufene Parkscheine unterwegs.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 16. März 2016

Großer Zapfenstreich für General Domröse

"Jetzt ist Zapfenstreich", sagt die Mutter und schaltet das Licht aus. Das Kind weiß nun, dass nach einem langen Tag im Kindergarten, nach Abendbrot und Gutenachtgeschichte sein Tag vorbei ist. Es schlummert ein und träumt vom Großwerden und den Erlebnissen auf dem Spielplatz.

Zapfenstreich General Domröse
Viersternegeneral Hans-Lothar Domröse
Der heutige Große Zapfenstreich diente der Verabschiedung von General Hans-Lothar Domröse in den Ruhestand. 1973 war er in die Bundeswehr eingetreten und zum Panzergrenadieroffizier ausgebildet worden. 2003 wurde er zum Brigadegeneral ernannt, genau drei Jahre später zum Generalmajor und weitere dreieinhalb Jahre später zum Generalleutnant. Im Dezember 2012 wurde die Schulterklappe Domröses mit dem vierten goldenen Stern dekoriert. Somit ging er heute als einer der ranghöchsten Soldaten der Bundeswehr in den Ruhestand.

Seine Führungsqualitäten hatten sich nicht nur während des Elbhochwassers 2002 bewährt, sondern kamen auch kontinuierlich bei internationalen Herausforderungen zum Einsatz. So war er während seiner Laufbahn als kommandierender General des Eurokorps, als Stabschef im ISAF-Hauptquartier in Kabul und als Deutscher Militärischer Vertreter im NATO-Hauptquartier in Belgien tätig. In seiner letzten "Verwendung" war er von Dezember 2012 bis März 2016 Oberbefehlshaber des Allied Joint Force Command Brunssum in den Niederlanden.

Mit Domröse scheidet einer von vier deutschen Viersternegenerälen aus dem Amt. Es verbleiben damit Volker Wieker als Generalinspekteur der Bundeswehr, Werner Freers als Chef des Stabes SHAPE (NATO-Hauptquartier) und Manfred Nielson als designierter Admiral und stellvertretender Oberbefehlshaber Allied Command Transformation, Norfolk (NATO). Der Nachfolger von General Domröse ist der italienische General Salvatore Farina.

Zapfenstreich General Domröse
Großer Zapfenstreich zur Verabschiedung von General Domröse
Der Große Zapfenstreich hat eine lange Tradition in Deutschland. Der "teutsche Soldat" wurde bereits kurz nach Luther mit dem Zapfenstreich konfrontiert. Damals ging ein Offizier mit Militärmusikern durch die Gasthäuser und schlug auf den Zapfhahn der Bierfässer. Dann war Schluss mit lustig und die Soldaten mussten sich zurück ins Lager begeben. 1726 wurde der Zapfenstreich erstmals ausführlich als Zeremonie beschrieben. Eine Renaissance erlebte der Zapfenstreich 1813 unter dem preußischen König Friedrich Wilhelm III, der einige Elemente wie stilles Gebet, Präsentieren des Gewehrs und das Blasen eines Militärliedes ergänzte.

Zapfenstreich General Domröse
Großer Zapfenstreich zur Verabschiedung von General Domröse
Auch heute noch wird der Zapfenstreich ohne technische Hilfsmittel wie Scheinwerfer oder Mikrophone durchgeführt. Diverse Fackelträger flankieren die Soldaten des Wachbataillons und erleuchten auf diese Weise den Innenhof des Bendlerblocks. Die Ministerin und General Domröse standen deshalb fast im Dunkeln und wurden nur durch den Schein von vier Fackeln illuminiert.

Vor über fünfhundert Gästen aus Politik, Bundeswehr und Diplomatie wurden Militärmärsche und weitere klassische Stücke gespielt. Zum Programm gehörten ferner die üblichen Meldungen, ein Choral mit abgesetztem Gefechtshelm, die Nationalhymne und eine eskortierte Abfahrt des Generals.

Laut Presseabteilung des Verteidigungsministeriums habe man bisher immer gutes Wetter beim Zapfenstreich gehabt. Das sei nichts Besonderes. Verwundert zeigte man sich jedoch über die rege Teilnahme an der Zeremonie. Lag das vielleicht an der Sympathie gegenüber einem Mann, der als Stratege seine eigene Meinung hatte und diese auch gegenüber der Bundesregierung vertrat?

Zapfenstreich General Domröse
Gäste beim Großen Zapfenstreich für General Domröse
Nach über zweiundvierzig interessanten und oftmals turbulenten Dienstjahren geht General Hans-Lothar Domröse im Alter von dreiundsechzig Jahren in den wohlverdienten Ruhestand.

"Jetzt ist Zapfenstreich", sagt die Mutter zu ihrem Kind und denkt vielleicht gar nicht daran, dass neben Vattenfall auch die Bundeswehr dafür Sorge trägt, dass sie am nächsten Tag wieder das Licht im Kinderzimmer einschalten kann.

Videos:
Großer Zapfenstreich zur Verabschiedung von General Domröse
Nationalhymne
Helm ab zum Gebet!

Autor: Matthias Baumann