Dienstag, 24. Juni 2025

Diplomatisches Korps besucht die „Gorch Fock“

Bundespräsident Steinmeier veranstaltet jedes Jahr eine Reise mit dem Diplomatischen Korps und stellt dabei verschiedene Regionen Deutschlands vor. Dieses Mal ging es nach Mecklenburg-Vorpommern und auf die Gorch Fock.

Die Diplomaten hatten sich zunächst die Mecklenburger Metallguss GmbH angeschaut, waren anschließend zum Mittagessen nach Schwinkendorf zum Schloss und Gut Ulrichshusen gefahren und durften nach einer Ansprache des Bundespräsidenten das Mittagessen einnehmen. Dann bewegte sich der lange Konvoi aus schwarzen Limousinen und Bussen nach Rostock, wo eine Hafenrundfahrt geplant war.

Der letzte Programmpunkt der Reise in den Nordosten Deutschlands war ein Empfang auf dem Segelschulschiff der Bundeswehr „Gorch Fock“. Die „Gorch Fock“ ist prädestiniert für diplomatische Anlässe. Es reist um die Welt, gibt Empfänge in den jeweiligen Häfen und führt dort die internationalen Schlüsselpersonen zusammen. Auch die Kadetten sind sehr international aufgestellt, so dass deutsche Marinesoldaten und die Stammbesatzung immer vom Wind der weiten Welt umweht sind.

Die „Gorch Fock“ an sich erregte schon jede Menge Aufmerksamkeit bei Urlaubern und Passanten an der Mittelmole in Warnemünde. Die hohe Präsenz an Polizei, Feldjägern und Marinesoldaten zog weitere Schaulustige an. Dicht gedrängt und mit fotobereitem Handy warteten sie auf das, was gleich passieren würde. Zwei Schlauchboote mit Marinesicherungssoldaten patrouillierten zwischen den Molen. Kurz vor 18 Uhr legten der Bundespräsident und seine Gäste an. Auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig war dabei.

Die Urlauber waren ganz aus dem Häuschen und sorgten dafür, dass Frau Schwesig und der Bundespräsident in der Gunst des Volkes baden konnten. Das ließen sie sich nicht entgehen und begrüßten die Zuschauer mit Handschlag und Smalltalk. Im Protokoll war das wohl nicht vorgesehen. Die Botschafter stellten sich währenddessen bereits zum Gruppenfoto vor der „Gorch Fock“ auf. Nach dem Foto wurde für den Bundespräsidenten „Seite gepfiffen“ und seine Flagge gehisst. Die Diplomaten folgten und der Empfang auf dem Schiff konnte beginnen.


In Deutschland sind etwa 130 Botschafter akkreditiert, von denen etwa 2/3 an der Fahrt teilgenommen hatten. Entsprechend gut war das Deck des Schiffes gefüllt. Das Essen für diese Empfänge bereitet das Schiffspersonal selbst vor. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Zudem passt das Buffet immer zum Anlass oder dem jeweils besuchten Ort oder Land.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 23. Juni 2025

GEPARD Flugabwehrkanonenpanzer bekämpft Drohnen

Der Flugabwehrkanonenpanzer GEPARD war von 1976 bis 2010 bei der Bundeswehr in Nutzung. Zeitgleich mit dessen Nutzungsende wurde die Heeresflugabwehrtruppe aufgelöst. In der Ukraine hat sich nun jedoch gezeigt, dass der GEPARD hervorragend zur Zerstörung von Drohnen geeignet ist. Konzipiert war er ursprünglich zum Schutz der kämpfenden Truppe vor niedrig fliegenden Kampfjets, Hubschraubern und bei Bedarf auch von Zielen am Boden. Er verfügt über zwei 35-Millimeter-Maschinenkanonen, die Luftziele bis 5.500 Meter und Erdziele bis 2.000 Meter bekämpfen. Als Basis für den GEPARD dient der Leopard 1.


Kürzlich hatte die Firma KNDS ukrainische Soldaten am GEPARD ausgebildet. Die Trainer rekrutieren sich zum größten Teil aus ehemaligen GEPARD-Kräften der Bundeswehr. Einerseits können sie ihre Expertise einbringen und zweitens haben sie die Gelegenheit, ihr geliebtes Waffensystem weiterhin zu bedienen. Das Dach dieser Ausbildungsprogramme für die Ukrainer bildet das Multinational Special Training Command (MN ST-C EUMAM UA). Im konkreten Fall ging es darum, nach einer kurzen theoretischen Ausbildung inklusive GEPARD-Simulator den praktischen Teil zu absolvieren. Dazu wurden Gruppen mit je drei Soldaten gebildet, die während der Übung abwechselnd die drei Positionen - Fahrer, Kommandant und Schütze - besetzen sollten. Anhand der gezeigten Fähigkeiten konnten die Trainer sehr gut erkennen, wer für welchen Platz am besten geeignet ist. Es ging hier also hauptsächlich um die Bedienung des GEPARD und nicht um Taktik. Trainer bestätigten, dass die Ukrainer hochmotiviert sind und sehr schnell lernen.

Einen Tag dieses Trainings haben wir mit der Kamera begleitet. Unser Bericht zeigt zunächst einen GEPARD für die Ausbildung der Fahrer. Anschließend werden die beiden Maschinenkanonen eines anderen GEPARD aufmunitioniert. Danach beziehen die GEPARDen ihre Feuerstellung. Parallel werden Drohnen als Ziele vorbereitet und gestartet. Die Drohnen sind mit Treffer-Sensorik ausgestattet. Mit kurzen Feuerstößen von drei bis acht Schuss soll die Drohne getroffen werden. Dauerfeuer hat sich beim GEPARD als wenig sinnvoll herausgestellt, weil die Rauchentwicklung die Sicht versperrt und den GEPARD für Feindkräfte zu schnell erkennbar macht. Die Trefferquote ist dennoch gut bei zeitgleicher Ersparnis von Munition. Die Bundeswehr nennt das „Feuerzucht“. Da es sich um eine Übung mit vordefinierten Trainingszielen handelte, wechselt zwischendurch die GEPARD-Besatzung. Zum Abschluss des Schießens ist ein Treffer zu sehen. Auch hier wieder der Klassiker der Bildberichterstattung: Als wir gerade zurück zum Beobachtungsturm fahren wollen und die Kameras nicht mehr bereit sind, gibt es den Treffer. Dieser wurde von einem Kameraden der Bundeswehr per Handy eingefangen. Anschließend geht es zurück zur Basis.

Autor: Matthias Baumann

Sonntag, 15. Juni 2025

Großer Zapfenstreich für den SACEUR General Cavoli

Heute Abend wurde der Supreme Allied Commander Europe (SACEUR), General Christopher G. Cavoli,im Bendlerblock mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet. Auch internationale Generale oder Admirale bekommen einen Großen Zapfenstreich, wenn sie über NATO- oder andere Kommandos mit Deutschland verbunden waren.

General Cavoli wurde 1964 in Würzburg geboren und ist ein General der United States Army. Er war in vielen internationalen Verwendungen tätig und hat sich maßgeblich um die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit und Geschlossenheit der NATO verdient gemacht. Den Posten des SACEURs hatte er seit Juli 2022 inne. Die Formation des Großen Zapfenstreichs wurde diesmal durch den stellvertretenden Kommandeur des Wachbataillons, Oberstleutnant Ueberschaer, geführt.

Für die Serenade hatte sich der SACEUR folgende Stücke gewünscht: „U.S. Army Song“ – „The Army Goes Rolling Along“, „America the Beautiful“ und „Con Te Partirò“, das auch unter dem Titel „Time to say Goodbye“ als Ohrwurm fungiert.


Autor: Matthias Baumann

1. Nationaler Veteranentag am Reichstag in Berlin

Um den Reichstag herum fand heute der 1. Nationale Veteranentag statt.

Dieser besondere Gedenktag war lange überfällig. Er war leidenschaftlich und nachdrücklich von Veteranen, aktiver Truppe und Reservisten gefordert worden. Immer wieder gab es Initiativen verschiedener Veteranengruppen, die aber nur sehr zäh in die Entscheidungsgremien durchdrangen. Hinzu kam, dass das BMVg mit den unterschiedlichen Veteranengruppen fremdelte, die alle ihre eigenen Vorstellungen von Gedenkkultur hatten.

Die wichtigsten gedenkorte der Bundesw3ehr waren bislang das Ehrenmal der Bundeswehr am Bendlerblock, der „Raum der Stille“ und der „Wald der Erinnerung“. Wobei letzterer auf Initiative der Familien gefallener Soldaten im damaligen Einsatzführungskommando bei Potsdam eingerichtet wurde.

Der 1. Nationale Veteranentag war von Lebensfreude geprägt. Der Besucher tauchte sofort in ein buntes Treiben ein: junge Familien, Reservisten, Generale, Veteranen mit Motorrad, Bundeswehr-Sportler und Großeltern bildeten einen Mix aus Menschen, die in irgendeiner Weise Bezug zur Bundeswehr und deren Einsätzen haben. Auf der großen Bühne sprachen Spitzenpolitiker und die Militärseelsorge. Zudem gab es Konzerte und viel zu Essen. Veteranenverbände und andere thematisch passende Organisationen informierten an ihren Ständen und teilten Kugelschreiber, Pfefferminzdrops und Jutebeutel aus.

Unsere Interviewpartner zeigten sich durchweg erfreut über diesen guten Anfang in Sachen öffentlicher Gedenkkultur:


Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 5. Juli 2023

Verteidigungshaushalt 2024 wächst um 1,7 Milliarden Euro und NATO-Quote wird erreicht

Pressemitteilung 30/2023 des BMVg vom 05.07.2023:

Das Bundeskabinett hat heute den Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2024 nebst Entwurf des Wirtschaftsplans 2024 des Sondervermögens Bundeswehr und den Finanzplan bis 2027 beschlossen. Der Verteidigungshaushalt steigt im kommenden Jahr um etwa 1,7 Mrd. Euro auf 51,8 Mrd. Euro.

Auch wenn der Bedarf der Bundeswehr über dem vorgesehenen Betrag liegt und gerade der laufende Betrieb künftig eine weitere Erhöhung des Etats erforderlich machen wird, spiegelt das Ergebnis die aktuellen finanzpolitischen Rahmenbedingungen wider. Im Vergleich zu dem bisherigen Finanzplan ist für den Verteidigungshaushalt in den Jahren 2024 bis 2027 nach jetzigem Stand eine Steigerung um insgesamt rund 7,3 Mrd. Euro vorgesehen.

Diese finanzielle Unterfütterung des Verteidigungshaushaltes ist angesichts der aktuellen sicherheitspolitischen Situation gut investiert – in unsere Sicherheit und Verteidigungsbereitschaft.

„Die vorgesehene Haushaltsplanung trägt den Aufgaben der Soldatinnen und Soldaten im Bereich der Landes- und Bündnisverteidigung Rechnung“, so Minister Pistorius. „Sie spiegelt gleichzeitig die angespannte Haushaltslage wider und wird einige Anstrengungen im Haushaltsvollzug erfordern. Es ist klar, dass wir hier nicht stehen bleiben können. Die Bundeswehr muss weiterhin modernisiert und vernünftig ausgestattet werden. Gemeinsam mit dem Finanzministerium werden wir dafür Sorge tragen, dass die dafür nötigen Mittel zur Verfügung stehen werden. Das Sondervermögen Bundeswehr gibt uns für die Ausrüstung unserer Streitkräfte zunächst den notwendigen Spielraum. So konnten wir im ersten Halbjahr mit einer hohen Anzahl an 25-Millionen-Euro-Vorlagen im Parlament die Voraussetzungen für eine zügige Umsetzung von Rüstungsprojekten sorgen. Nach der Ausschöpfung des Sondervermögens werden wir allerdings dringend einen deutlichen Sprung beim regulären Verteidigungshaushalt brauchen.“

Mit den Beschlüssen zum Verteidigungshaushalt wird zum einen dem Betrieb der Bundeswehr und zum anderen den Bereichen Fähigkeitserhalt und Fähigkeitsentwicklung Rechnung getragen. Ganz im Sinne der Zeitenwende können daneben aus dem im Sommer 2022 eingerichteten Sondervermögen Bundeswehr im Jahr 2024 rund 19,2 Mrd. Euro in Anspruch genommen werden. Die Mittel des Sondervermögens werden für die Finanzierung bedeutsamer Vorhaben, insbesondere komplexer überjähriger Maßnahmen, zur Verfügung stehen. Im kommenden Jahr sind zum Beispiel Ausgaben für den Schützenpanzer Puma, Flottendienstboote der Klasse 424, Fregatten der Klasse 126, Korvetten der Klasse 130, U-Boote der Klasse 212 Common Design, die Waffensysteme F-35 und Eurofighter, die bodengebundene Luftverteidigung mit IRIS-T SLM, den NATO-Hubschrauber 90, die Digitalisierung Landbasierter Operationen (D-LBO), Satellitenkommunikation, Bekleidung und persönliche Ausrüstung sowie für Munition berücksichtigt. Damit kann die Bundeswehr einen weiteren Schritt hin zu einem breiten und innovationsorientierten Fähigkeitsspektrum gehen.

Die Bundesregierung bekräftigt mit den heutigen Beschlüssen ihr Bekenntnis zu ihren internationalen Bündnisverpflichtungen in der NATO sowie innerhalb der EU. Mit dem Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt des Jahres 2024 und dem Finanzplan bis 2027 sowie dem Wirtschaftsplan 2024 des Sondervermögens Bundeswehr sollen ab dem kommenden Jahr 2% des Bruttoinlandsprodukts für NATO-Verteidigungsausgaben aufgewendet werden.

Das parlamentarische Verfahren soll unmittelbar nach der parlamentarischen Sommerpause im September 2023 mit der 1. Lesung des Haushaltsgesetzes 2024 beginnen.

Donnerstag, 15. Dezember 2022

Aussagekräftiges Lagebild zu den aus der Ukraine geflüchteten Menschen

Endlich liegen belastbare Zahlen vor. In der Bundespressekonferenz wurde heute die Studie "Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland - Flucht, Ankunft und Leben" vorgestellt. Diese basiert auf einer Befragung von 11.225 Ukrainern im Alter zwischen 18 und 74 Jahren. Das entspricht mehr als 1% der ab dem 24. Februar 2022 nach Deutschland geflüchteten Ukrainer. Durch die Anzahl der Teilnehmer und verschiedene Plausibilitätsprüfungen ist die Qualität der Befragung sehr hoch und entsprechend repräsentativ. Um das Vorhaben niederschwellig zu gestalten, wurden die Fragen auf Ukrainisch oder Russisch gestellt. 93% der Teilnehmer möchten auch an der nächsten Befragung teilnehmen.

Die Studie beleuchtet die verschiedenen Aspekte des Ankommens und Lebens in Deutschland. Um das möglichst kompetent abbilden zu können, haben sich das DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung), das IAB (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung), das BAMF-FZ (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) sowie das BiB (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung) zusammengetan.

Das Fluchtmotiv ist eindeutig der Krieg in der Ukraine. Zwei Drittel stammen aus den unmittelbaren Kriegsgebieten. Geflohen sind hauptsächlich Frauen mit Kindern. Das Durchschnittsalter liegt bei 28 Jahren. Die wenigen Männer sind entweder Senioren, sind direkt nach Kriegsbeginn ausgereist oder wurden aus sozialen Erwägungen von der Einberufung freigestellt.

Die befragten Ukrainer verfügen über ein außergewöhnlich hohes Bildungsniveau, das jedoch nur teilweise mit deutschen Bildungswegen vergleichbar ist - insbesondere, was das duale Ausbildungssystem betrifft. Intelligenz und Motivation machen sich jedoch durch schnelles Erlernen der deutschen Sprache bemerkbar. Sprachkompetenz ist ein entscheidender Schlüssel für den Einstieg am Arbeitsmarkt. Der Fachdeutsche spricht von "Wertsteigerung des Humankapitals". Auf Nachfrage wurde bestätigt, dass es durch ukrainische Fachkräfte keine Verdrängungsmechanismen gäbe. Ganz im Gegenteil: Damit Deutschland seinen Fachkräftebedarf halte, sei ein jährlicher Nachschub von 400.000 Kräften notwendig. Die aktuell zugezogenen Ukrainer decken gerade einmal 300.000 ab. Viele davon möchten ohnehin wieder zurück in ihre Heimat. Je nach Zukunftsplanung lernen sie dann schneller Deutsch und integrieren ihre Kinder im Bildungssystem. Viele der Kinder gehen in deutsche Schulen und absolvieren zusätzlich ukrainischen Online-Unterricht.

Wer Deutschland als Fluchtort wählt, hat hier bereits Verwandte oder Bekannte. Die persönliche Beziehung spielt eine sehr große Rolle. Das ist wohl auch der Grund, warum nur 9% in Massenunterkünften leben und 74% in privaten Wohnungen. Dass eine Vielzahl der Ukrainer ihren Wohnsitz selbst wählt, zeugt von einer hohen Resilienz gegenüber der Situation und dient gleichzeitig der schnellen Integration in die deutsche Gesellschaft und den Arbeitsmarkt. Laut IAB haben Marktanalysen ergeben, dass auch die Fluchtbewegungen von 2015 die Beschäftigung in Deutschland belebt hätten.

Die Experten machten jedoch klar, dass es in erster Linie um den humanitären Aspekt gehe und das Thema Fachkräfte erst an zweiter Stelle stehe. So sei das Trauma des Krieges mit Flucht, Trennung, Verwundung und Tod aktiv zu bearbeiten. Zudem sei auf die eingeschränkten Möglichkeiten alleinerziehender Mütter einzugehen. Um die Zahlen der Studie zusammenzufassen: Die Ukrainer stellen eine Bereicherung für die deutsche Gesellschaft und die deutsche Wirtschaft dar. Sie sind gebildet, bringen Berufserfahrung mit, sind jung, nehmen Unterstützung gerne an und bemühen sich um eine schnelle Integration.

Autor: Matthias Baumann

Samstag, 10. Dezember 2022

Bundespräsident informiert sich im Einsatzführungskommando über die Lage vor Ort und das Wohlergehen der Soldaten

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Gattin, Elke Büdenbender, waren gut vorbereitet, als sie in den Konferenzraum traten. Auf der großen Leinwand flimmerten schon die Direktübertragungen aus vier Einsatzgebieten: MINUSMA in Mali, IRINI im Mittelmeer, UNMISS im Südsudan und eFP Battle Group in Litauen.

Jeweils drei Soldaten unterschiedlicher Dienstgrade repräsentierten die Kontingente. Neben dem Präsidentenpaar hatte der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, Generalleutnant Bernd Schütt, Platz genommen. Er stellte kurz die vier Einsätze vor und übergab dann das Wort an den Präsidenten. Vierzig Minuten hatte er sich Zeit genommen, um aus erster Hand zu erfahren, wie die Lage vor Ort aussieht und wie die lange Abwesenheit mit den familiären Gegebenheiten harmoniert.

Bundespräsident informiert sich im Einsatzführungskommando über die Lage vor Ort und das Wohlergehen der Soldaten
Bundespräsident informiert sich im Einsatzführungskommando über die Lage vor Ort und das Wohlergehen der Soldaten - Videoleinwand mit Soldaten aus vier Einsatzkontingenten

Zuerst wandte er sich an die Besatzung des U-Bootes U35 im Mittelmeer. Diese hat zurzeit Landgang, der rege für die Kontakte in die Heimat genutzt wird. Der Bundespräsident hatte das U-Boot bereits besucht, so dass es geeignete Anknüpfungspunkte mit persönlicher Note gab. Er und seine Frau wollten wissen, wie die Soldaten mit Kleinkindern die lange Einsatzzeit handhaben und was sie nach ihrer Heimkehr machen werden.

Zum Einsatzkontingent in Litauen hat er nicht nur deshalb eine persönliche Beziehung, weil er bereits zweimal dort war, sondern auch, weil er in der Nähe des Heimatstandortes Augustdorf geboren wurde. Die Enhanced Forward Presence Battle Group erlebt zurzeit die 12. Rotation. Dreiviertel der Kräfte halten zu Weihnachten die Stellung, während ein Viertel "nach sozialen Erwägungen" in den Heimaturlaub entlassen wurde. Die in Litauen verbliebenen Kräfte würden sich dennoch schöne Festtage mit Weihnachtsmarkt und ähnlichem machen. Frank-Walter Steinmeier wollte wissen, wie es um die angespannte Situation bei den Unterkünften bestellt sei. Die Litauer arbeiten auf Hochtouren an der Fertigstellung. Überhaupt seien die Litauer froh, glücklich und dankbar für die NATO-Präsenz. Das spüre man dort auf Schritt und Tritt. Das nimmt der Bevölkerung auch die Angst vor den benachbarten Russen. Der Bundespräsident fragte, welche Auswirkungen der russische Angriff auf die Ukraine im Selbstverständnis der Soldaten habe. Darauf wurde ihm berichtet, dass den Soldaten die Wichtigkeit ihres Auftrages ganz neu bewusst geworden sei. Sie denken nun konkret vom scharfen Ende (Tod und Verwundung) des Berufes her. Letztlich sei dadurch nur die Entschlossenheit und Professionalität gesteigert worden.

Bundespräsident informiert sich im Einsatzführungskommando über die Lage vor Ort und das Wohlergehen der Soldaten
Bundespräsident informiert sich im Einsatzführungskommando über die Lage vor Ort und das Wohlergehen der Soldaten - links: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, rechts: Generalleutnant Bernd Schütt

Auch in Mali bei MINUSMA wird es einen Weihnachtsmarkt geben. Etwas überraschend war deren Information, dass die Bevölkerung nach wie vor wohlwollend auf die Bundeswehr reagiere und auch mit dem militärischen Personal der Region weiterhin eine professionelle Zusammenarbeit möglich sei. Das Problem stelle lediglich die Regierung dar, die derzeit den wichtigen Mehrwert Drohnenaufklärung unterbinde.

Diplomatisch anspruchsvoll ist der Beobachtungseinsatz UNMISS im Südsudan. Dort sind Soldaten aus 52 Nationen zu koordinieren. Der Auftrag ist die Verhinderung einer humanitären Katastrophe. Das Land hat etwa 11 Millionen Einwohner, von denen acht Millionen durch Hunger bedroht sind. Es herrscht ein Höchstmaß an Korruption, Willkür und stammesbezogener Rechtsprechung. Die Soldaten der Bundeswehr seien in Deutschland bereits gut auf das Land vorbereitet worden, so dass im Tagesgeschäft die antrainierten Mechanismen bei der mentalen Bewältigung des Erlebten greifen können. Militärbeobachter greifen nicht aktiv in das Geschehen ein, sondern sie dokumentieren, was sie sehen. Für Schlussfolgerungen und Entscheidungen ist dann der Auftraggeber UNO zuständig. Dennoch vernetzen sich die UNMISS-Soldaten mit Hilfsorganisationen und koordinieren entsprechende Maßnahmen.

Die Sollmannschaft eines Einsatzkontingentes liegt bei 70%. Das heißt, dass 30% der Soldaten mit Kleinkindern oder anderen familiären Verpflichtungen über Weihnachten beurlaubt werden können. Was die Akzeptanz in der Bevölkerung angeht, ist diese bei der eFP Battle Group und bei IRINI am höchsten, da diese Einsätze direkt vor der Tür agieren. Die eFP Battle Group ist zudem ein Instrument der Landes- und Bündnisverteidigung und bedarf keines gesonderten Mandates des Bundestages. IRINI, MINUSMA und UNMISS bedürfen des Bundestagsmandates und rangieren in jüngsten Umfragen bei Zustimmungswerten zwischen 78% und 60%.

Gegen 13 Uhr verließ das Präsidentenpaar das Einsatzführungskommando. Schnell wurden noch Selfie-Wünsche erfüllt. Dann klappten die Türen und die schwarzen Limousinen rollten vom Gelände. Insgesamt zwei Stunden war der Bundespräsident in Schwielowsee und hatte die Zeit auch genutzt, um in kleiner Runde mit dem Befehlshaber und den dortigen Soldaten zu reden.

Autor: Matthias Baumann

Video: Bundespräsident besucht Einsatzführungskommando am 10.12.2022

Freitag, 2. Dezember 2022

Berlin Security Conference 2022 mit Fokus auf den hohen Norden

Nun konnte die Berlin Security Conference (BSC) endlich wieder ohne lästige Corona-Maßnahmen wie Tests, Masken, Abstandsregeln und Abwesenheit der üblichen Teilnehmer stattfinden. Die Industrie hatte wieder ihre Stände aufgebaut, Militärattachés unterhielten sich an den Stehtischen, Bundeswehroffiziere tauschten sich über ihre neuen Dienstposten aus und Verteidigungsminister gaben sich im großen Saal die Klinke in die Hand. Sogar Bundeskanzler Olaf Scholz, Norwegens Premierminister Jonas Gahr Store, Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hielten Reden. Scholz, Store und Stoltenberg stellten sich dann sogar noch den Fragen des Veranstalters und des Publikums. Der große Saal war bei diesen Programmpunkten so voll, dass viele Zuschauer stehen mussten.

Berlin Security Conference 2022 #BSC22
Berlin Security Conference 2022 #BSC22 - Militärattachés und Stände der Industrie

Leer war der Saal hingegen, als der ungarische Verteidigungsminister Kristof Szalay-Bobrovniczky auftrat. In seiner sehr kurzen Rede legte er dar, wie wichtig Ungarn für die europäische Waffenindustrie sei, wie viel Ungarn nach Deutschland exportiere und dass Ungarn andere Standpunkte vertrete, wie die aktuellen Herausforderungen zu lösen seien. Danach verließ er schnell und breit grinsend den Saal. Mit seiner Russland-freundlichen Haltung stand Ungarn allein bei der BSC. In sämtlichen Reden, Podiumsdiskussionen und themenspezifischen Panels war man sich in der Behandlung Russlands als erstzunehmender Aggressor einig.

Neben der transatlantischen Verbundenheit lag der Fokus auch auf der Nordosterweiterung der NATO durch Finnland und Schweden. Norwegen fungierte als einer der Sponsoren der BSC 2022 und war ebenfalls sehr präsent. Das begann mit dem Munitionshersteller Nammo und endete bei hochrangigen Offizieren und Ministerpräsident Store. Auch Jens Stoltenberg ist Norweger, wobei er hier in NATO-Funktion erschienen war. Die neuen NATO-Mitglieder sehen sich selbst als Bereicherung für das Bündnis. Sie bringen zwar weit über 1.000 Kilometer neue Grenze zu Russland mit, können aber auch liefern: gesamtgesellschaftliche Resilienz, Erfahrung bei der Abwehr hybrider Angriffe aus Russland und Bewährung in extremen klimatischen Bedingungen. Letztere stellen diese Länder seit Jahren für NATO-Trainings zu Verfügung. Die Bevölkerung zeigt sich sehr kooperativ, da sie den sicherheitspolitischen Wert des Bündnisses schätzt.

Berlin Security Conference 2022 #BSC22
Berlin Security Conference 2022 #BSC22 - Diskussionsrunde mit den Chefs der Streitkräfte - von links nach rechts: Vizeadmiral Haggren (Schweden), General Kivinen (Finland), General Kristoffersen (Norwegen), Moderator Ben Hodges, General Lentfer (Dänemark), Admiral Lebas (Frankreich)

Schweden baut derzeit den strategisch wichtigen Punkt Gotland aus. Wer Gotland kontrolliere, kontrolliere die Ostsee. Zudem könne Gotland dreidimensional - also von Land, von See und aus der Luft - verteidigt werden. Finnland macht sich Sorgen um die demilitarisierten Zonen im Nordmeer. Diese müssen im Ernstfall verteidigt werden. Norwegen fährt seine Landesverteidigung auf den Stand des Kalten Krieges hoch und erwartet, dass der neue Kalte Krieg sehr lange dauern werde. Dänemark beschäftigt sich mit dem sehr neuen Thema "Sea Bed Warfare" - Kriegsführung auf dem Meeresgrund. Derzeit wisse man noch viel zu wenig darüber und müsse sich erst einmal einen Überblick verschaffen. Die Länder des Nordens sehen den Krieg in der Ukraine auch als ihr Kampffeld an. So sei es jetzt wichtig, die Grundbedürfnisse der ukrainischen Soldaten zu erfüllen: warme Kleidung, frisches Wasser, kompetente Führungspersonen mit dem Gespür für das Wohlergehen der Truppe.

Ganz in ihrem Element waren die Drei- und Viersterner auf der BSC. Sie analysierten und diskutierten Lösungen. Ständig wurde C4 eingeworfen: Command, Control, Communication, Computer (Führung, Lagebildprüfung, Kommunikation und IT). Wo immer westliche Technologie auftauche, seien russische Systeme hilflos unterlegen. Überhaupt habe Russland sich selbst massiv überschätzt und den Gegner unterschätzt. Dennoch könne man sich darauf nicht ausruhen, da auch Russland aus seinen taktischen Fehlern lerne. So müsse laut Admiral Rühle mit "Presence, Speed and Rage" (Präsenz, Geschwindigkeit und wütender Entschlossenheit) reagiert werden. Ähnlich konkret ging es im Panel der Vier Heeres-Chefs von Litauen, Niederlanden, Deutschland und Frankreich zu. Die Weichen seien gestellt und Dinge teilweise schon umgesetzt wie die gegenseitige Unterstellung von deutschen und niederländischen Einheiten. Es müsse jetzt noch mehr als bisher gemeinsam trainiert werden. Das Mindset (Denkstrukturen) müsse aufeinander justiert werden und auch die Technik müsse interoperabler werden. Der anwesende Thales-Vertreter warf dazu ein: "Wir können, wenn wir sollen." (We can, if we have to.)

Berlin Security Conference 2022 #BSC22
Berlin Security Conference 2022 #BSC22 - Panel zu Landstreitkräften - von links nach rechts: Generalleutnant Martin Wijnen (Chef des Heeres der Niederlande), Generalleutnant Alfons Mais (Inspekteur des Heeres, Bundeswehr), Generalleutnant Pierre Schill (Chef des französischen Heeres)

Eine große Herausforderung sah Generalleutnant Mais in der Mobilität. Ein ganz brisantes Thema, das in Deutschland mit auf der Straße klebenden Jugendlichen und Verkehrsflächenrückbau in ein vorindustrielles Zeitalter zurückgefahren werden soll. Laut General Mais ist "Mobilität eine der Schlüsselfähigkeiten der Land-Domain". So bringe es nichts, wenn wir das Material zwar haben, dieses aber nicht an den Einsatzort transportieren können. Das sah auch General Wijnen aus den Niederlanden so. Vorbereitung auf einen eventuellen Ernstfall sei extrem wichtig. Der französische General Pierre Schill setzte seinen Akzent bei der Transparenz des Kampffeldes. Durch künstliche Intelligenz, Satellitenfotos und Geodaten solle ein ständig aktualisiertes Lagebild zur Verfügung stehen, welches dann in effektive Kampfszenarien umgesetzt werden könne.

Etwas unkoordiniert wirken die Worte des Bundeskanzlers im Vergleich zu seinem Handeln. Während er auf der BSC das Engagement Deutschlands für die Ukraine lobt und sich klar zur nuklearen Abschreckung, dem europäischen Flugabwehrschirm, mehr Übungen, der Beistandspflicht sowie zu einer strategischen und mentalen Zeitenwende bekennt, ruft er im nächsten Moment bei Putin an und informiert ihn über den Standpunkt der NATO. Als ob sich Putin durch devote Ansprachen beeindrucken ließe. Möglicherweise war das ein Versuch des Bundeskanzlers, den mehrfach auf der Konferenz geäußerten Wunsch nach deutscher Führungsverantwortung zu erfüllen.

Autor: Matthias Baumann

Mittwoch, 30. November 2022

Hier ist Krieg! - ZMSBw diskutiert den Afghanistan-Einsatz

Das Einsatztagebuch des ehemaligen Hauptfeldwebels Markus Götz "Hier ist Krieg!" gilt in Fachkreisen als eines der wichtigsten Zeitzeugnisse des Afghanistan-Einsatzes. Markus Götz hatte mehrere Oktavhefte vollgeschrieben und wurde von seinen Kameraden immer wieder ermutigt, die Aufzeichnungen als Buch herauszubringen. Er sträubte sich zunächst dagegen, reagierte dann aber auf eine kleine Annonce des ZMSBw, das Tagebücher zu Forschungszwecken auswerten wollte. Er reichte es ein und es landete in der Schublade. Hervorgeholt wurde es schließlich von Dr. Christian Hartmann.

Auf der gestrigen Veranstaltung des ZMSBw in der Kaiserin-Friedrich-Stiftung erklärte Dr. Hartmann, dass ihn das Tagebuch in einen regelrechten Sog gezogen hatte. Nach Dienstschluss nahm er es zur Hand und bearbeitete es oft bis nachts um zwei. Das Ergebnis ist ein dickes Buch mit editierten Tagebucheinträgen und einer mundgerechten Einordnung in den größeren sicherheitspolitischen Kontext. Die Editierung war insbesondere wegen der allgegenwärtigen Abkürzungen und der zivil oft ganz anders belegten Bundeswehrsprache. Der stolze Preis des Buches macht es zu einem geeigneten Weihnachtswunsch.

Auch Sönke Neitzel, einer der wenigen Professoren für Sicherheitspolitik, hat dieses Buch schon zweimal gelesen und nutzt es als Grundlage seiner Forschungen zum Afghanistan-Einsatz. Sönke Neitzel und auch die Wehrbeauftragte, Dr. Eva Högl, setzen sich schon lange für eine "schonungslose Aufarbeitung" des Einsatzes ein. Zwischenzeitlich wurde ein Untersuchungsausschuss und eine Enquete-Kommission im Bundestag eingesetzt, die mit unterschiedlichen Befugnissen und unterschiedlichen Zielsetzungen die Afghanistan-Thematik analysieren.

Laut dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister, Michael Müller, stehe man mit der Enquete-Kommission noch sehr am Anfang. Man sei noch in der Kennenlernphase, so dass er erste konkrete Ergebnisse im Laufe des nächsten Jahres erwarte. Er könne jedoch schon so viel sagen, dass sich gewisse Trends abzeichnen, wie zum Beispiel der nicht vorhandene "vernetzte Ansatz" zwischen den Ministerien. Das bedeutet: Die Kommunikation war nicht schlecht, sondern gar nicht vorhanden. Michael Müller zeigte sich jedoch erfreut darüber, dass die Beschäftigung mit dem Thema dazu diene, dass Parlamentarier erstmalig ein Problembewusstsein für diese Auslandseinsätze entwickeln. Die Kommission sei aus militärischen, wissenschaftlichen, politischen und diplomatischen Experten zusammengesetzt, die ihre jeweilige Blickrichtung einbringen und entsprechende Schnittmengen erarbeiten.

Tagebuchschreiber Markus Götz, der inzwischen Stabsfeldwebel ist, kam auch zu Wort. Er ist ein Mann der Truppe, und zwar der Panzergrenadier-Truppe. Um das Revier abzustecken, machte er deutlich, dass Panzergrenadiere die Elite der Bundeswehr seien, noch vor Fallschirmjägern, Gebirgsjägern, Aufklärern und anderen. In der nachfolgenden Diskussionsrunde mussten sich die Luftwaffenoffiziere erst einmal in die Elite-Ordnung einsortieren, bevor sie ihre Frage stellten. Markus Götz stellte klar, dass er in Afghanistan sehr gut mit den Fallschirmjägern zusammengearbeitet habe und bis heute von den gegenseitig abgeschauten Taktiken profitiere. Auf die Frage, was er sich von einem militärischen Führer wünsche, sagte er ohne zu überlegen: Entscheidungen! Dabei sei es zweitrangig, ob die Entscheidung so gut ist. Hauptsache, der Führer entscheide und er könne seine Aufgabe gemäß der festgelegten, trainierten und bewährten Abläufe ausführen.

Das Argument des Brunnenbau-Soldaten wischte er vom Tisch, indem er meinte: "Wenn jemand einen Brunnen haben will, schicke ich das THW. Ich als Grenadier kann das nicht. Ich kann höchstens mit einer Sprengung helfen." Auch Oberst André Wüstner vom BundeswehrVerband ging auf die Entscheidungen im Einsatz ein: Egal, was entschieden werde, es habe Auswirkungen auf Menschen. Damit appellierte er an militärische Führer, verantwortungsbewusst mit ihren Soldaten umzugehen. Dr. Hartmann bescheinigte der Bundeswehr in diesem Punkt eine hohe Kompetenz: Eine zunehmende und allgemeine Verrohung wie bei amerikanischen oder russischen Soldaten sei bei Bundeswehrangehörigen nicht zu beobachten. Oberst Wüstner gab zu bedenken, dass der Einsatz im normalen Tagesgeschäft kaum in Frage gestellt wurde. Fragen zur Sinnhaftigkeit tauchten erst bei Tod und Verwundung auf: "Was sage ich den Angehörigen auf der Trauerfeier? War es das wert?"

Das Thema des Abends "Auftrag erfüllt, aber Mission gescheitert?" wurde gestern nicht beantwortet. Dennoch war es eine interessante Veranstaltung mit kompetenten Gästen und einem voll besetztem Auditorium.

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 24. November 2022

ZMSBw erkennt Zeitenwende im sicherheitspolitischen Meinungsbild

Wer Twitter und die lauten Gruppen an den politischen Polen beobachtet, könnte meinen, dass es der russischen Desinformationsindustrie gelungen sei, die Meinungsbildung in Deutschland nachhaltig zu beeinflussen. Der Forschungsbericht 133 des ZMSBw kommt zu einem anderen Ergebnis. Als Grundlage diente eine seit Jahren durchgeführte repräsentative Bevölkerungsumfrage. Die wichtigsten Erkenntnisse daraus sind:

Eine klare Mehrheit der Befragten nimmt Russland inzwischen als Bedrohung für die Sicherheit Deutschlands wahr. Insgesamt hat sich das Meinungsbild deutlich zu Ungunsten Russlands verschoben.  Daraus ergibt sich eine wachsende Unterstützung für die Auslandseinsätze zur Landes- und Bündnisverteidigung, wie sie beispielsweise in Litauen, Polen oder der Slowakei geschehen. Einsätze zur LVBV erfordern kein Mandat des Bundestages und sind von daher schneller und leichter durchzuführen.

Im Gegensatz dazu stehen Einsätze des internationalen Krisenmanagements, die durch Bundestag, EU oder UNO mandatiert werden müssen. Festzustellen ist hier allerdings auch, dass die Akzeptanz maßgeblich vom Wissen über diese Missionen abhängt. So würden die Befragten beispielsweise das Engagement in Jordanien, im Südsudan oder im Libanon stärker unterstützen, wenn sie wüssten, was da gemacht wird. Hier geht die Kritik ganz klar an die Informationspolitik des Einsatzführungskommandos. Timo Graf bringt es so auf den Punkt: Wissen schafft Zustimmung.

Etwa 60% der Befragten plädieren für eine finanzielle und personelle Aufstockung der Bundeswehr. Entsprechend schwach schneidet das Beschaffungswesen im Meinungsbild ab. Nur 6% der Stimmen konnte das Beschaffungswesen für sich gewinnen. Bezüglich des Vertrauens rangiert die Bundeswehr mit 88% auf Platz 2 knapp hinter der Polizei (89%), während die evangelische und katholische Kirche das Schlusslicht hinter den politischen Parteien bilden.

Erstaunlich ist, dass die russischen Bemühungen um Spaltung der Gesellschaft und Trennung strategischer Partner offensichtlich nur bedingt fruchten. So hat das Ansehen der USA deutlich zugelegt. Das Vertrauen in die NATO wurde weiter gestärkt und auch die nukleare Abschreckung wird zunehmend befürwortet. Nur bei der atomaren Teilhabe Deutschlands fällt das Ergebnis ambivalent aus.

Wie die Rubrik "Öffentliche Wahrnehmung der Bundeswehr" darlegt, hängt das Meinungsbild stark von der medialen Ansprache ab. So haben Fernsehen, Zeitungen, private Erlebnisberichte, Internet und Radio einen hohen Wirkungsgrad bei der Wahrnehmung der Bundeswehr. Gelöbnisse, Tage der offenen Tür und das Bahnfahren in Uniform tragen erheblich dazu bei, die Bundeswehr als positiv wahrzunehmen. Deshalb erscheint es kontraproduktiv, dass die Pressestäbe in Relation zu den wachsenden Anfragen personell ausgedünnt werden, was sich gelegentlich in einem unprofessionellen Umgang mit externen Medienvertretern entlädt. Die Folge ist keine, negative, lückenhafte oder reduzierte Berichterstattung, was sicher nicht im Sinne einer gesamtgesellschaftlich betrachteten Landes- und Bündnisverteidigung liegt.

Autor: Matthias Baumann