Als ich meinem Gastgeber erzählte, dass ich heute um zehn in der Karmeliterkirche sein muss, meinte er: "Ach, Gottesdienst". Das konnte ich nicht bestätigen. In der Karmeliterkirche sollte eine Diskussion zum Thema "Bedingt einsatzbereit? Die Bundeswehr zwischen Anforderung und Überforderung" stattfinden. Schon der Titel war gemein und tendenziös - ausgedacht von der Universität der Bundeswehr in München.
Während gegenüber im Bayerischen Hof der iranische Außenminister gegen die USA wetterte und die Europäer auf seine Seite zu ziehen versuchte, betrat ich die Karmeliterkirche. Ein heller und schlichter Sakralbau. Links hing ein Kreuz und neben den Säulen standen Tische mit belegten Brötchen und Getränken. Ich setzte mich in die zweite Reihe.
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#MSC2019 in der Karmeliterkirche - Universität der Bundeswehr München zur Einsatzbereitschaft der Bundeswehr |
Unsere Generale und Admirale machen kein Geheimnis aus ihrem christlichen Glauben. So hatte sich Generalleutnant Heinrich Brauß bei seinem Großen Zapfenstreich das Musikstück "Nun danket alle Gott" gewünscht. Der General a.D. war heute als einer der Diskutanten vorgesehen. Neben ihm saßen noch Dr. Claudia Major - Nachname statt Dienstgrad - und MdB Henning Otte von der CDU.
Moderiert wurde von Prof. Dr. Carlos Masala. Letzterer fungierte gleichzeitig als Vertreter der einladenden Uni. Die Universität der Bundeswehr legt den akademischen Grundstein für Offiziere und Zivilisten. Wer dann militärisch weiterkommen möchte, besucht anschließend beispielsweise noch die Führungsakademie in Hamburg oder die Offiziersschule des Heeres in Dresden.
Auch der Generalinspekteur Eberhard Zorn hatte einen Besuch in der Kirche vorgezogen. So saß er neben anderen goldenen Sternen in der ersten Reihe und lauschte dem Geschehen auf der Bühne - pardon: dem Altarbereich. Es wurde sehr schnell klar, dass es hier nicht um die
übliche Leier mit nichtfliegenden Hubschraubern, nichtfahrenden Panzern und den heißgeschossenen G36 ging, sondern um die
Wahrnehmung der Bundeswehr und die Handhabung des Themas
Verteidigung.
General a.D. Brauß war seinerzeit in der NATO für die Abschreckung von Gegnern wie Russland zuständig. Die Aktivitäten Russlands in der Ukraine hatten 2014 einen Umbau der NATO angestoßen. Der konventionelle Aspekt konnte mit der Installation einer Battlegroup in Litauen gut abgefangen werden, da ein möglicher Angriff die Soldaten diverser Nationen betreffen und Russland in eine politische Isolation führen würde. Allerdings sei Russland sehr stark im Bereich CIR Cyber-Informationsraum. Es beeinflusse Wahlen, Meinungen und Stimmungen in anderen Staaten.
Die Bundeswehr habe noch einige Hausaufgaben zu erledigen. Das beginne bei CIR und ende bei der Fähigkeit, operative Großverbände zu stellen und schnell zu verlegen. 2% des Bruttoinlandsproduktes reichen dafür bei weitem nicht aus. Es müssten eher 3% oder 4% bereitgestellt werden. Die Generale und Admirale in der ersten Reihe nickten zustimmend. Heinrich Brauß machte auch klar, dass die 2% keine Trump-Angelegenheit seien, sondern eine unterzeichnete NATO-Richtlinie. Russland sei schließlich nicht die einzige Bedrohung. Auch China rüstet auf und
übt schon mal im Südchinesischen Meer.
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#MSC2019 in der Karmeliterkirche - Universität der Bundeswehr München mit Generalleutnant a.D. Heinrich Brauß über der Schulter des Generalinspekteurs Eberhard Zorn |
Da der eingeladene Oppositionspolitiker nicht erschienen war, war man sich auf dem Podium einig, dass die maßgeblichen Verhinderer im Bundestag und bestimmten Ministerien sitzen. Die Verhinderung gehe so weit, dass Deutschland schon Pläne
ohne Zahlen bei der NATO einreichen musste und sich dort absolut lächerlich gemacht hatte. Die europäischen Partner schauen auf uns und erwarten ein verantwortungsvolles Umgehen mit der Landes- und Bündnisverteidigung. Wie peinlich sind dann solche Blüten deutscher 68er-Politik. Das Wohlergehen der Bundeswehr und deren Haushalt haben Symbolwirkung für unsere Nachbarn, aber auch für ganz Europa und die NATO.
Klar, dass Donald Trump ungehalten reagiert. In diesem Punkt hat er sogar Recht. Als Unternehmer mag er kein Wischiwaschi, sondern Entscheidungsfreudigkeit und greifbare Fakten. Dazu gehören auch die 2% für den Verteidigungshaushalt. Als 2016 mit viel Enthusiasmus das
Weißbuch zur Sicherheitspolitik herausgebracht wurde, waren die NATO-Partner und die europäischen Nachbarn begeistert. Als die Ministerin dann motiviert in den Bundestag zurückkam, erlebte sie das Gegenteil: Interesse gleich Null. Wobei das nur bedingt stimmt: Im Wahlkampf ist Verteidigungspolitik ein beliebtes Thema für Schlammschlachten. In Portugal gibt es die eiserne Regel, dass Landesverteidigung ein hohes Gut ist, das im Wahlkampf nicht instrumentalisiert werden darf. Verteidigung als Chefsache.
Die Briten witzeln wohl schon über den "cinetic gap" der Bundeswehr. Die wollen oder können, aber dürfen nicht. Das Bild vom "Helfer in Uniform" hat zu einer ungünstigen Verschiebung in der Wahrnehmung geführt, zeigt aber, wie sensibel das Thema in der Öffentlichkeit angegangen wird. Dabei gilt die Bundeswehr, wann immer sie in Krisenregionen gerufen wird, als absolut zuverlässig, pünktlich und einsatzfähig.
Was also tun mit der öffentlichen Wahrnehmung? Der Fisch stinkt vom Kopf. Deshalb beginnt es bei der Politik, die sicherheitspolitischen Herausforderungen zu erkennen und ein Bewusstsein für Verteidigung zu entwickeln. Dieses Bewusstsein wäre dann an die Bevölkerung zu transportieren. Ob so viel Zeit noch bleibt? In Finnland hat sich eine breite Resilienz gegen die Angriffe Russlands aus der 5. Dimension (Cyber-Informationsraum) entwickelt. Dort zieht die gesamte Bevölkerung mit und ist erfolgreich dabei. Davon könnten wir in Deutschland etwas lernen.
Das Problem kennt auch Generalinspekteur Eberhard Zorn. In seiner Wortmeldung sprach er von einer Lücke bei der Annäherung an die Bevölkerung. Das Nahebringen des Themas wird aus meiner Erfahrung durch
zwei Aspekte behindert: Einerseits interessiert sich die Presse in Deutschland gar nicht für die Bundeswehr. Es sei denn, es gab eine medienwirksame Panne. Bedingt dadurch sind wohl zweitens einige Pressestäbe mehr auf Verhinderung und Firewall eingenordet, als auf Public Relations. Es gibt aber in den eigenen Reihen auch positive Tendenzen: PIZ Heer und PIZ Luftwaffe beispielsweise setzen schon heute das um, was sich der Generalinspekteur für die nahe Zukunft wünscht.
Autor: Matthias Baumann