Mittwoch, 15. Januar 2020

#pubtalk zum Musterpolizeigesetz

Schon die Einladung war sehr konspirativ. Der Ort des #pubtalks sollte kurzfristig bekannt gegeben werden, nachdem über eine Teilnahme des Interessenten beschieden worden war. Das klang spannend. Das Mail mit der Teilnahmebestätigung kam recht schnell. Die Adresse traf erst kurz vor der Veranstaltung ein. Aber auch hier lief es über Umwege. Erst als man die Reinhardtstraße 14 betreten hatte, erfuhr man, dass der #pubtalk in der benachbarten Nummer 12 stattfinde.

Auch der Einlasser war ein Profi. Mit dem Hinweis "Die WCs sind dort rechts." offenbarte er die geheimsten Gedanken neu eingetroffener Gäste. Das heutige Thema des #pubtalks war das Musterpolizeigesetz auf Basis des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG). Als Diskussionspartner waren der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Konstantin Kuhle MdB, und der ehemalige Verfassungsschutz-Chef, Dr. Hans-Georg Maaßen, erschienen. Letzterer hatte wohl für den konspirativen Aufwand gesorgt.

Musterpolizeigesetz? Was ist das?

Umfragen haben ergeben, dass kaum jemand weiß, was ein Musterpolizeigesetz ist. Dabei wird schon seit 1967 darüber geredet  Bisher wurde es nicht verabschiedet und auch gestern Abend von Hans-Georg Maaßen als "Totgeburt" bezeichnet. Immerhin müsse es durch 16 Länderparlamente und dann noch durch den Bundesstag gehen. Denn Polizei ist Ländersache. Bayern geht mit einer Stärkung polizeilicher Befugnisse voran. Allerdings ist es mit Befugnissen nicht getan. Was fehlt, sind Personal und Ausrüstung.

#pubtalk Musterpolizeigesetz Hans-Georg Maaßen Konstantin Kuhle
#pubtalk zum Musterpolizeigesetz mit Ex-Verfassungsschutz-Chef, Dr. Hans-Georg Maaßen (links), und dem innenpolitischen Sprecher der FDP-Fraktion, Konstantin Kuhle MdB. Foto: Matthias Bannas
In den letzten Jahren waren vom "grünen Tisch" aus viele Stellen gestrichen worden. Eine Neubesetzung der entstandenen Lücken geht nicht so schnell, weil neben den notwendigen Scheinen auch Erfahrung erforderlich ist. Hans-Georg Maaßen hatte im Verlauf seiner Tätigkeit als Verfassungsschutz-Chef eine gewisse Entspanntheit entwickelt. Er analysiert das Lagebild, teilt es den Entscheidungsträgern der Politik mit und entlässt diese komplett in deren Verantwortung, anhand des Lagebildes die passenden Entscheidungen zu treffen. Wie sich diese Verantwortung in den Entscheidungen repräsentiert, ist hinreichend bekannt: Über einen politisch aufgeheizten Diskurs wird letztlich oft gar nichts entschieden.

Früher war alles besser ...

Bis in die 1990er Jahre war vieles einfacher: beispielsweise das Abhören oder das Sperren von Konten. Inzwischen renne die Gesetzgebung den Kriminellen hinterher. Abhören wird heute durch eine breite Provider-Landschaft und exotische Verschlüsselungstechniken erschwert. Zudem ist ein Einfrieren von Bitcoin-Konten gesetzlich nicht geregelt. In diesem Zusammenhang kommt der sogenannte "Staatstrojaner" zum Zuge. Aber huch: Der kann ja noch viel mehr als nur Sprachnachrichten abhören. Da ist dann plötzlich das gesamte Smartphone offen mit WhatsApp, Browser, SMS und Geotracking.

Die Anderen dürfen doch auch ...

Neue Bedrohungslagen erfordern neue Befugnisse der Polizei und der Nachrichtendienste. In Israel, den USA oder Großbritannien sind diese Befugnisse schon sehr weitreichend. Allerdings haben diese in der Bevölkerung auch eine deutlich höhere Akzeptanz. Das Sicherheitsbewusstsein ist ein anderes. Umfragen haben ergeben, dass Eingriffe in die Freiheit zugunsten der Sicherheit in Deutschland hauptsächlich von Senioren, AfD-Freunden, Linke-Wählern, Sachsen und Thüringern favorisiert werden.

Die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO) muss hier einen Spagat zwischen persönlicher Freiheit und Öffentlicher Sicherheit machen. Beim Finden des passenden Maßes sind die harten Fakten einer stagnierenden Kriminalstatistik und die gefühlte Bedrohungslage abzuwägen. Ein schwieriger Entscheidungsprozess, der in der Regel durch die oben erwähnte Unentschlossenheit gelöst wird.

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 14. Januar 2020

US Defender Europe 2020 - Verlegung bei Nacht

US Defender Europe 2020 ist die größte Verlegeoperation der US-Streitkräfte zusammen mit einigen NATO-Partnern seit 25 Jahren. 37.000 Soldaten werden in Summe daran teilnehmen. Darunter eine Division mit 20.000 Soldaten aus den USA. In den nächsten Tagen werden die Schiffe aus Übersee in Bremerhaven erwartet. Zwischen Februar und April wird diese Großübung vermutlich auch den normalen Verkehrsteilnehmern auffallen. Geräte, Fahrzeuge und Truppen werden dann quer durch Deutschland transportiert.

#DefenderEurope US Defender Europe 2020 Schelleis Rohling
#DefenderEurope US Defender Europe 2020 - Generalleutnant Martin Schelleis (links) und Generalmajor Andrew M. Rohling bei der Auftakt-Pressekonferenz in der Julius-Leber-Kaserne
Sozialistische Propaganda hätte ihren Lieblingsbegriff der "Nacht- und Nebelaktion" strapaziert. Um das Alltagsleben in Deutschland nicht zu belasten, werden die Transporte nämlich vorrangig in der Nacht durchgeführt. Dabei rollen Kolonnen von etwa 20 Fahrzeugen über die Autobahnen. Auch die Gütersparte der Deutschen Bahn kommt zum Einsatz. Die Kapazitäten sind gebucht und sollen laut Generalleutnant Schelleis ausreichen. Bei plötzlichen oder noch größeren Verlegungen kommt die Bahn erwartungsgemäß an ihre Kapazitätsgrenzen.

Bei der heutigen Pressekonferenz informierten der Inspekteur der Streitkräftebasis, Generalleutnant (3 Sterne) Martin Schelleis, und der amerikanische Generalmajor (2 Sterne) Andrew M. Rohling über Zweck und Durchführung der Übung. Dass man sich von den Niederlanden und Deutschland aus über Polen ins Baltikum vorarbeitet sei rein zufällig und solle nicht explizit provozieren. Irgendwo müsse man das ja mal trainieren. Russland ist eingeladen, an sämtlichen presseöffentlichen Anlässen teilzunehmen.

General Rohling machte klar, dass US Defender auch als Statement der amerikanischen Streitkräfte für die verunsicherten NATO-Partner gedacht ist: Wir lassen euch nicht im Stich. Letzteres hatte Russland gehofft und über Social Media oder andere Kanäle antiamerikanische Befindlichkeiten in Europa genährt.

Das bei der ILÜ 2019 so anschaulich demonstrierte Host-Nation-Szenario kann nun in einem größeren Maßstab auf dem eigenen Territorium durchgeführt werden. General Schelleis wirkte entspannt und zuversichtlich, dass alles nach Plan laufen wird - abgesehen von Unwettern, die die Seefracht verzögern könnten. Deutschland und Polen stellen die Hauptgebiete der Übung dar. Die Kosten für die Aktion konnten weder von amerikanischer noch von deutscher Seite beziffert werden. Die Abrechnung erfolgt wohl hinterher.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 13. Januar 2020

Neujahrsempfang 2020 des Diplomatischen Korps

Der Apostolische Nuntius eröffnete auch diesmal das Defilee zum Neujahrsempfang des Diplomatischen Korps. Das Defilee startet immer mit dem Doyen, dem Leiter des Diplomatischen Korps. Länder, in denen der Vatikan eine diplomatische Vertretung unterhält, machen es sich leicht und setzen den Apostolischen Nuntius des Heiligen Stuhls als Doyen ein. In anderen Ländern geht es nach dem Akkreditierungsdatum. Wer am längsten akkreditiert ist, wird Doyen.

Neujahrsempfang 2020 des Diplomatischen Korps Botschafter Pakistan
Neujahrsempfang 2020 des Diplomatischen Korps - Botschafter Pakistans Jauhar Saleem flüstert dem Bundespräsidenten seine Botschaft ins Ohr
Das heutige Defilee dauerte eine Dreiviertelstunde. Die 120  Botschafter waren nach 35 Minuten am Bundespräsidenten und BMZ-Minister Gerd Müller vorbeigegangen - defiliert. Mit Ausnahme des Doyen richtete sich deren Reihenfolge nach dem Zeitpunkt ihrer Akkreditierung. Anschließend kamen die Geschäftsträger ad interim und Vertreter verschiedener Organisationen wie des Sekretariats des Übereinkommens zur Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten - kurz UNER/CMS.

Neujahrsempfang 2020 des Diplomatischen Korps Botschafterinnen Tschad Montenegro
Neujahrsempfang 2020 des Diplomatischen Korps - Bei den in Deutschland akkreditierten Botschaftern gibt es eine Frauenquote von etwa 25%. Hier die Botschafterin des Tschad Mariam Ali Moussa (Mitte) und die Botschafterin Montenegros Vera Kulis (links). Rechts im Bild: Arz von Straußenburg, Protokollchef des Auswärtigen Amtes, liest die Anredeformeln des Defilees vor. Sobald die Hand des Bundespräsidenten losgelassen wurde, wird die nächste Anredeformel vorgelesen.
Der längste Händedruck hatte 30 Sekunden gedauert. Eine Zeitspanne, die das Protokoll nervös werden lässt. Die Lieblinge des Protokolls sind Gäste, die spätestens nach 10 Sekunden die Hand des Präsidenten loslassen und beim Eintrag ins Gästebuch ebenso schnell sind.

Bei solchen Anlässen muss der Doyen eine Rede halten. Erzbischof Eterovic vom Heiligen Stuhl trat zuerst ans Pult und hielt eine Rede auf Deutsch. Eine Übersetzung in verschiedene Weltsprachen war ausgelegt. Auch der Bundespräsident sprach auf Deutsch. Es ging um die üblichen Themen Krieg, Vertreibung und Flucht. Im Großen Saal des Schlosses standen Vertreter von Staaten, die im Kontext der Reden als Täter, Opfer oder Helfer fungierten.

Neujahrsempfang 2020 des Diplomatischen Korps in Deutschland akkreditierte Botschafter
Neujahrsempfang 2020 des Diplomatischen Korps - Dicht gedrängt stehen 120 in Deutschland akkreditierte Botschafter und weitere Vertreter von Staaten und Organisationen im Großen Saal. Der Doyen, der Apostolische Nuntius des Heiligen Stuhls, wartet am Pult auf das Zeichen für den Beginn seiner Rede. Die Dritte von rechts in der ersten Reihe ist die Geschäftsträgerin ad interim von Madagaskar, Florence Isabelle Rafaramalala ép. Ratsimba.
Nach zwei Stunden war der Neujahrsempfang vorbei. Der amerikanische Botschafter stand diesmal gar nicht auf der Liste. Einige Botschafter verließen direkt nach den Reden das Schloss. Andere Botschafter blieben noch zu einem erfrischenden Glas Wein oder Saft. Der logistische Aufwand zur Koordination der Parkordnung war erheblich. Immerhin hatte jeder der Gäste seine eigene Limousine dabei. Seit 2019 werden rings um das Schloss teure Strafzettel verteilt. Deshalb war es praktisch, dass die Diplomaten auf das Schlossgelände fahren durften. Die Chauffeure sammelten sich anschließend in Rauchergruppen, die sehr gut die diplomatischen Zusammenhänge bestimmter Regionen repräsentierten.

Video:
Neujahrsempfang 2020 des Diplomatischen Korps

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 7. Januar 2020

Botschafter der Slowakei, von Monaco und Kroatien beim Bundespräsidenten akkreditiert

Gerade noch rechtzeitig vor dem Neujahrsempfang des Diplomatischen Korps wurden heute drei Botschafter im Schloss Bellevue akkreditiert. Diese werden den Abschluss in der Reihenfolge der Botschafter beim nächsten Defilee bilden. Die Frauenquote lag heute bei null. Hier die Reihenfolge:

Slowakische Republik - Marián Jakubócy
Fürstentum Monaco - Frédéric Labarrére
Republik Kroatien - Gordan Bakota

Botschafter akkreditiert Slowakische Republik Marián Jakubócy
Botschafter der Slowakischen Republik akkreditiert: Marián Jakubócy
Über die aktuelle Situation in der Slowakei und deren Zugehörigkeit zur Visegrád-Gruppe wurde hier schon so viel geschrieben, dass wir an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen müssen. Deshalb widmen wir uns dem Botschafter selbst: Marián Jakubócy. Auf dem diplomatischen Parkett ist er schon eine ganze Weile unterwegs. Er vertrat sein Land bereits an den Botschaften in Sofia und Moskau (1998 bis 2002). In Berlin arbeitete er von 2005 bis 2009. Entsprechend sieht sein Sprachportfolio aus: Russisch, Englisch und Deutsch. Zuletzt war er Generaldirektor der politischen Abteilung im slowakischen Außenministerium.

Botschafter akkreditiert Slowakische Republik Marián Jakubócy
Botschafter der Slowakischen Republik akkreditiert: Marián Jakubócy - Flagge der Slowakei
Das Internet weiß, dass Marián Jakubócy ein Freund der Kernenergie ist und diese Ansicht gerne im Ausland erläutert. Seine Kernkompetenzen scheinen wirtschaftliche Beziehungen und Energie zu sein. Das betrifft auch den Transit von Gas und anderen Rohstoffen durch die Slowakei und angrenzende Staaten.

Botschafter akkreditiert Fürstentum Monaco Frédéric Labarrére
Botschafter des Fürstentums Monaco akreditiert: Frédéric Labarrére
Die Flagge von Monaco ist identisch mit der von Indonesien: oben Rot und unten Weiß. Leider gibt es bei Monaco keine so gute Eselsbrücke, sich die Farbfolge der Flagge zu merken. Monaco hat etwa 2 Millionen Einwohner. Der Schutz des Stadtstaates wird vorrangig von Frankreich aus gewährleistet. Dennoch unterhält das Fürstentum eine Armee von der Stärke der 5. Kompanie des Wachbataillons. Ein Ehrenzug dieser 5. Kompanie (Luftwaffe) war heute zur Begrüßung von Botschafter Frédéric Labarrére im Schloss Bellevue eingesetzt.

Botschafter akkreditiert Fürstentum Monaco Frédéric Labarrére
Botschafter des Fürstentums Monaco akreditiert: Frédéric Labarrére - Flagge von Monaco
Die Botschaft von Monaco wurde zeitweilig von einem Geschäftsträger ad interim geführt. Das ist normal bei kleineren Staaten. Es ist zudem normal, dass diese Staaten von ihrer Botschaft aus mehrere Länder betreuen. So kann es vorkommen, dass Interessenten an einem Visum erst nach Berlin fliegen müssen. Bei Monaco geht das noch, da sich die Botschaft in unmittelbarer Nähe des Tiergartens befindet. Wenn beispielsweise ein Isländer ein Visum für Madagaskar beantragen möchte, muss er nach Berlin fliegen und dann nach Falkensee weiterreisen. Der neue Botschafter von Monaco, Frédéric Labarrére, war bisher in verschiedenen Präsidialfunktionen tätig - unter anderem im Bereich Telekommunikation. An der Botschaft in Paris fungierte er als Berater.

Den Abschluss der heutigen Botschafter-Akkreditierung bildete Gordan Bakota aus Kroatien. Kroatien hat eine ähnliche Flagge wie die Slowakei, nur dass diese in ihrer Abfolge von Rot, Weiß und Blau nicht mit der Flagge von Russland kollidiert. Die Slowakei musste deswegen 1993 ein Wappen einsetzen, um Verwechslungen zu verhindern. Kroatien hat 4 Millionen Einwohner und eine eigene Sprache: Kroatisch.

Botschafter akkreditiert Republik Kroatien Gordan Bakota
Botschafter der Republik Kroatien akkreditiert: Gordan Bakota
Kroatien ist seit 2013 Mitglied der EU und stellt im ersten Halbjahr 2020 den Ratspräsidenten. Das Land gehört jedoch nicht zur Euro-Zone. Kuna (HRK) nennt sich die offizielle Währung. Während sich die Slowakei mit Russland um die Flagge stritt, kämpfte Kroatien um seine Unabhängigkeit vom ehemaligen Jugoslawien - insbesondere von Serbien, das nach seiner Niederlage 1995 jede Menge verbrannter und verminter Erde hinterließ.

Botschafter akkreditiert Republik Kroatien Gordan Bakota
Botschafter der Republik Kroatien akkreditiert: Gordan Bakota - Flagge von Kroatien
Botschafter Gordan Bakota ist 52 Jahre alt, hat einen Fuhrerschein der Klasse B und spielt gerne Tennis. Neben Kroatisch spricht er Englisch und Deutsch. Letzteres war schon sehr nützlich für seine Botschafter-Tätigkeit in Österreich. Studiert hatte er unter anderem in den USA. 1993 begann seine diplomatische Karriere als Vizekonsul in der Schweiz. Darauf folgten diverse weitere diplomatische Verwendungen weltweit. Nun ist er in Berlin.

Videos:
Akkreditierung des Botschafters der Slowakischen Republik - Marián Jakubócy
Akkreditierung des Botschafters des Fürstentums Monaco - Frédéric Labarrére
Akkreditierung des Botschafters der Republik Kroatien - Gordan Bakota

Autor: Matthias Baumann

Montag, 6. Januar 2020

20*C+M+B+20 Sternsinger aus dem Bistum Passau bei der Bundesregierung in Berlin

Die lieben Kleinen kamen heute aus dem Bistum Passau. Passau liegt im tiefsten Bayern etwa 650 Kilometer südlich von Berlin. Die Drei-Flüsse-Stadt Passau hat eine lange Tradition mit Überschwemmungen und katholischem Leben. Das zeigte sich auch heute beim Bundespräsidenten. Bei einigen der Programmpunkte wirkte der evangelische Christ, Frank-Walter Steinmeier, etwas unbeholfen. Fast hätte er die Kinder ins Schloss geholt, ohne dass vorher die Kreidesignatur an der Tür angebracht worden wäre. First Lady und Sternsinger kannten aber die protokollarischen Abläufe und konnten die Situation klären.

Die Kinder schrieben in der korrekten Abfolge das 20*C+M+B+20 an die Tür des Schlosses. Dabei schließen die Zahlenpaare des Jahres 20_20 die Abkürzung des lateinischen Spruches "Christus mansionem benedicat" ein. Das bedeutet "Christus segne unsere Bleibe". Der Stern hinter der ersten Zahl steht für die Geburt und die drei folgenden Kreuze für die Kreuzigung von Jesus Christus.

20*C+M+B+20 Sternsinger Bistum Passau Schloss Bellevue Bundespräsident
20*C+M+B+20 Sternsinger aus dem Bistum Passau im Schloss Bellevue bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Elke Büdenbender - Länder mit Krieg werden durch Lösungsbegriffe ersetzt.
Die Kinder, die sich als die Magier - pardon die drei Könige - aus dem Orient verkleidet hatten, brachten dem Bundespräsidenten und seiner Gattin jede Menge Geschenke aus der Region mit: eine CD mit Orgelmusik, eine Vase, zwei Flaschen Bier, eine Medaille, eine Kerze, eine Miniaturburg und eine Marienskulptur.

Besonders beeindruckend war das bayerisch gerollte R, welches besonders bei Worten wie Respekt oder Ruhe zum Ausdruck kam. Respekt und Ruhe waren nur einige Begriffe, mit denen die Kinder einen Kontrast zu kriegerischen Auseinandersetzungen in über 20 Ländern der Welt setzen wollten. Für jedes dieser Länder hielten sie Schilder hoch und drehten diese dann in entsprechende Lösungsbegriffe um.

Die Sternsinger waren gut drauf. Sie sangen, klatschten und wurden von einigen Musikern begleitet. Bundespräsident Steinmeier hielt eine kurze Rede und dankte insbesondere dem Kindermissionswerk "Die Sternsinger" und dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). Anschließend holte er einen Briefumschlag aus der Hosentasche und legte ihn in die "Schatulle" der Sternsinger. Die Sternsinger besuchen schon seit fast 40 Jahren die Bundesregierung und ernten dabei erhebliche finanzielle Unterstützung. Beim heutigen Besuch im Schloss Bellevue ernteten sie zudem ein hohes Maß an medialer Unterstützung. Betrachtet man die Aufstellung der Sternsinger und des Präsidentenpaares, wird klar, dass die Presse die eigentlichen Zuschauer des Anlasses waren, während der Bundespräsident in die Reihen der Akteure eintauchte.

Video:
Sternsinger aus dem Bistum Passau beim Bundespräsidenten im Schloss Bellevue

Autor: Matthias Baumann

Sonntag, 5. Januar 2020

3 Gedenktafeln zum 75. Todestag von Julius Leber in der Julius-Leber-Kaserne enthüllt

Die Gäste hatten sich auf Outdoor eingestellt. Bei klirrender Kälte sollten am Tagungszentrum der Julius-Leber-Kaserne Gedenktafeln für Julius Leber enthüllt werden. Am 5. Januar 1945 lagen die Temperaturen in Berlin knapp unter dem Gefrierpunkt. Es war bewölkt. Kein Niederschlag. Das Wetter muss sich ähnlich angefühlt haben wie heute, als Julius Leber vor genau 75 Jahren zur Hinrichtung geführt wurde. Er starb im damaligen Gefängnis Berlin-Plötzensee.

3 Gedenktafeln zum 75. Todestag von Julius Leber in der Julius-Leber-Kaserne enthüllt
3 Gedenktafeln zum 75. Todestag von Julius Leber in der Julius-Leber-Kaserne mit einem Zitat von Julius Leber enthüllt: "Für eine gute und gerechte Sache ist der Einsatz des eigenen Lebens der angemessene Preis."
Plötzensee befindet sich nur etwa vier Kilometer entfernt von der Julius-Leber-Kaserne. Diese trägt seit 25 Jahren den Namen dieses mutigen Sozialdemokraten. Julius Leber nahm aktiv am Ersten Weltkrieg teil und wurde mehrfach verwundet. Er war Demokrat durch und durch. Seit 1924 saß er in der sozialdemokratischen Fraktion des Reichstags und befasste sich dort mit sicherheitspolitischen Themen. Er positionierte sich klar gegen den Kapp-Putsch. Kein Wunder also, dass er 1933 verhaftet und nach Sachsenhausen gebracht wurde. Überhaupt sehr clever, sämtliche Oppositionspolitiker zu verhaften und dann auf "demokratischem" Wege die Abstimmungen durchzuführen, die zur Abschaffung der Demokratie notwendig waren.

Julius Leber kam 1937 frei und machte in Berlin-Schöneberg einen Kohlehandel auf. Damit erwirtschaftete er seinen Lebensunterhalt und schuf eine geniale Tarnung für Treffen von Widerstandskämpfern. Julius Leber war der Überzeugung, dass die Diktatur nur durch Gewalt zu beseitigen sei. So war auch geplant, dass Julius Leber nach einem erfolgreichen Stauffenberg-Attentat als Reichskanzler oder Innenminister eingesetzt wird. Sein Eifer ließ ihn jedoch einen schwerwiegenden Fehler machen, dessen Wiederholung in der Sozialdemokratie wohl symptomatisch ist: Er ließ sich mit den Kommunisten ein. Diese waren mit Spitzeln durchsetzt, die eine Verhaftung von Julius Leber anregten. Stauffenberg sah sich dadurch zum Handeln gezwungen und ließ zwei Wochen später seine Aktentasche explodieren. Während Stauffenberg noch in derselben Nacht des 20. Juli 1944 erschossen wurde, machte man Julius Leber einen Schauprozess.

Am 5. Januar 1945 wurde Julius Leber hingerichtet. Die drei Gedenktafeln, die heute enthüllt wurden, sollen im Frühjahr auf dem Gelände der Kaserne einbetoniert werden. Momentan sei es zu kalt für solche Baumaßnahmen. In die dicken Stahlplatten ist ein Zitat von Julius Leber eingraviert: "Für eine gute und gerechte Sache ist der Einsatz des eigenen Lebens der angemessene Preis." Der Text ist so geschrieben, dass der Betrachter zunächst überlegt, ob er die getrennten Kolumnen oder die über die drei Tafeln verteilten Zeilen lesen soll. Die rechte Tafel zeigt die Schlüsselwörter: SACHE - LEBENS - PREIS und JULIUS LEBER.

Video:
Enthüllung von 3 Gedenktafeln zum 75. Jahrestag der Ermordung von Julius Leber

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 24. Dezember 2019

Alles hat seine Zeit - auch für Piraten und im Ausland eingesetzte Soldaten

Auch wer sonst keinen Bezug zur Bibel hat, kann aus dem Lesen des Buches "Prediger" einen erheblichen Gewinn ziehen. Das Buch befindet sich etwa in der Mitte der Bibel. Kurz hinter den Psalmen. In 12 kurzen Kapiteln lässt der "Prediger" - Salomo höchstpersönlich - ungeschönt seinen Frust heraus über die allgemeine Vergänglichkeit, das Zerrinnen der Zeit und die Sinnlosigkeit vieler Dinge. Kapitel 3 beginnt mit: "Alles hat seine Zeit". Luther formuliert das etwas antiquierter. Dann folgt eine Aufzählung von Verben, die alle ein bestimmtes Zeitbudget benötigen: geboren werden, sterben, pflanzen, ausreißen, bauen, reden, lieben.

Auch das Jahr hat seine Zeiten: Saat, Ernte, Ostern, Pfingsten, Weihnachten. Gerade zu den jährlichen Feiertagen erinnern sich Erwachsene gerne an die Traditionen der Kindheit wie Geschenke unter dem Weihnachtsbaum oder Familienfotos vor dem Weihnachtsbaum. Letztere hatte das Deutsche Historische Museum gesammelt und daran spannende Familiengeschichten rekonstruiert. Wie wichtig das Feiern der regelmäßigen Feste für Soldaten ist, zeigen auch die Ausführungen im jüngst erschienenen Buch "Militärrabbiner in der Bundeswehr".

Bundeswehr Dschibuti Fregattenkapitän Gert Krause
Bundeswehr in Dschibuti - Fregattenkapitän Gert Krause leitet als Reservist für einige Monate das Bundeswehrkontingent in Dschibuti (Foto: Militärseelsorge / Töpelmann)
Einen Großteil der Bundeswehrsoldaten im In- und Ausland tangiert das Weihnachtsfest. Die Gebirgsjäger feiern in Bad Reichenhall die Stallweihnacht, Scharfschützen schmücken ihren Tarnanzug (Ghillie) mit Lametta und Lichtern. Das Wachbataillon entwendet die jährliche Weihnachtskugel aus dem Schloss Bellevue und Gert Krause freut sich, dass er kurz vor Weihnachten nach Hause fliegen durfte.

Gert Krause profitiert davon, dass auch für die Piraten im Großraum Somalia eine neue Saison angebrochen ist - die Monsunzeit. Der Monsun verhindert im Winter und im Sommer das Auslaufen der Piratenschiffe. Deshalb wird das Personal der Bundeswehr in Dschibuti - am Südzipfel des Roten Meeres - deutlich abgebaut. Die dort stationierten Soldaten sind vorrangig mit Aufklärung beschäftigt. Von der Luft aus beobachten sie die Bewegung verdächtiger Boote und lotsen bei Bedarf entsprechende Sicherungsschiffe in den Gefährdungsbereich. Taucht eine Fregatte auf, ist die Piratenaktion in der Regel beendet, ohne dass auch nur ein Schuss gefallen ist.

Gert Krause ist Reservist und hat gerade seinen 63. Geburtstag in Dschibuti gefeiert. Dort war er als Kommandeur eingesetzt. Als 2015 die Flüchtlingswellen über Europa schwappten, wagte er nach mehreren Jahrzehnten den Wiedereinstieg in die Bundeswehr. Bei der Marine in Wilhelmshaven kümmerte er sich um Notunterkünfte und weitere organisatorische Themen. Er sah das als Einstieg in die Abrundung seines Berufslebens, das vor etwa 40 Jahren mit dem Wehrdienst begonnen hatte. Es folgten zwei Einsätze bei UNIFIL im Libanon und dieser Herbsteinsatz in Dschibuti.

Je nach körperlicher Verfassung kann er sich nach Renteneintritt auch die Mitarbeit in einer NGO vorstellen. Sein Anliegen ist es, dass Spenden nicht irgendwo im Verwaltungsapparat versanden, sondern tatsächlich bei den Betroffenen ankommen. Tief beeindruckt zeigte er sich von der Bedürftigkeit der Menschen in Dschibuti. Die Soldaten der Bundeswehr waren vor Ort so bewegt, dass sie kurzerhand die Patenschaft für ein Waisenhaus übernommen haben.

Wenn in Deutschland der Frühling beginnt, die Sommerräder aufgeschraubt werden, der Monsun endet und die ersten Piraten über den indischen Ozean schippern, wird er wohl wieder nach Dschibuti fliegen und das Kommando über die deutschen Soldaten übernehmen. Alles hat seine Zeit: die Familie sehen, die Familie verlassen, die Truppe leiten, dem zivilen Beruf nachgehen, Ostereier suchen, Böller kaufen, Weihnachten feiern.

Auch der Bundesregierung ist es bewusst, dass etwa 3.600 deutsche Soldaten und Polizisten über Weihnachten im Ausland eingesetzt sind. Deshalb hat sich die Tradition entwickelt, Mitte Dezember stellvertretend einige von deren Angehörigen ins Kanzleramt einzuladen. Annegret Kramp-Karrenbauer flog kurz darauf zu den 120 UNIFIL-Soldaten in Zypern. Das sollte heimatliche Verbundenheit demonstrieren. Neben der Ministerin ist auch die Militärseelsorge regelmäßig in den Einsatzgebieten unterwegs. Sigurd Rink, der Evangelische Militärbischof, besuchte im November die Soldaten in Dschibuti. Dort traf er auch Gert Krause.

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 20. Dezember 2019

Militärseelsorge-Staatsvertrag beim Gemeindetag des Zentralrats der Juden unterzeichnet

Die Streitkräfte Israels gelten als besonders schlagkräftig und sind in der Region gefürchtet. Das liegt nicht nur an der modernen Ausstattung, sondern am ungebrochenen Lebenswillen dieses Volkes. Innerhalb der letzten 30 Jahre hat sich die Einwohnerzahl auf 8,5 Millionen verdoppelt. Dennoch leben sehr viele Juden im Ausland - der Diaspora. Wer sich dann doch für einen Umzug in den Staat Israel entscheidet, wird sofort in das allgegenwärtige Sicherheitskonzept eingebunden. Die Wehrpflicht gilt in Israel für Männer und Frauen.

Auch außerhalb des Dienstes tragen viele Israelis Schusswaffen. Denn so ungebrochen wie ihr Lebenswille ist auch der Hass ihrer Nachbarn. Dieser entlädt sich bei regelmäßigen Angriffen in Bussen, auf der Straße, in Restaurants, Tankstellen, beim Trampen und anderen Gelegenheiten. Kein Wunder, dass die Selbstverteidigungstechnik Krav Maga (auf Deutsch: Nahkampf) in Israel entwickelt wurde. Diese Technik folgt den Regeln der Straße und schaltet mit wenigen Bewegungen einen oder mehrere Angreifer aus, die mit Messer, Pistole, Stock, Faust oder Würgegriff daherkommen.

Militärseelsorge-Staatsvertrag Gemeindetag 2019 Zentralrat der Juden #AKK
Militärseelsorge-Staatsvertrag beim Gemeindetag 2019 des Zentralrats der Juden unterzeichnet - v.l.n.r.: Mark Dainow (Vizepräsident Zentralrat der Juden in Deutschland), Annegret Kramp-Karrenbauer (Bundesministerin der Verteidigung), Dr. Josef Schuster (Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland), Abraham Lehrer (Vizepräsident Zentralrat der Juden in Deutschland)
Juden, die sich bisher nicht zu einer Rückkehr in ihre historische Heimat durchringen konnten, dienen gelegentlich auch in der Bundeswehr. Da dieser Dienst gewisse ethische und psychische Herausforderungen mit sich bringt, ist die Konsultation von Militärseelsorgern nützlich. Als Ansprechpartner für Soldaten jedweder religiöser Zugehörigkeit dienten bisher ausgebildete Seelsorger der evangelischen und katholischen Kirche. Die Erfahrung zeigt, dass in der Bundeswehr deutlich entspannter mit anderen Glaubensverständnissen umgegangen wird, als in der Zivilgesellschaft.

Die christlichen Militärseelsorgeverträge wurden fast zeitgleich mit der Gründung der Bundeswehr abgeschlossen. Das spiegelte vor 60 Jahren sehr gut die religiöse Zusammensetzung von weit über 98% Christen in den bundesdeutschen Streitkräften wider. In der Zwischenzeit hat sich das Verhältnis zugunsten Kirchendistanzierter, Juden und Moslems verschoben. In der Bundeswehr dienen zurzeit etwa 3.000 Muslime und 300 Juden. Zum Christentum bekennen sich noch etwa 50% aller Soldaten. Die christliche Verankerung in der Truppe ist dennoch allgegenwärtig.

Um Militärseelsorge anbieten zu können, müssen bestimmte Parameter erfüllt sein. Dazu gehört eine anerkannte theologische Ausbildung. Im Raum der Kirchen ist das Standard. Die jüdischen Rabbiner können das auch nachweisen. Allein die Moslems müssen wohl noch einige Jahre auf die eigene Seelsorge warten: Erstens kennt der Islam keine Seelsorge und zweitens fehlt es an relevanten Ansprechpartnern.

Militärseelsorge-Staatsvertrag Gemeindetag 2019 Zentralrat der Juden #AKK
Militärseelsorge-Staatsvertrag beim Gemeindetag 2019 des Zentralrats der Juden unterzeichnet - Deko im Saal Potsdam des Hotels InterContinental


Der jüdische Glauben ist sehr speziell und wird vorrangig von Personen mit jüdischer Abstammung praktiziert. Zur Basis des Tenach - bei uns als Altes Testament bekannt - gesellen sich noch diverse Zusatzschriften und Regelwerke, die wohl nur Insidern schlüssig und attraktiv erscheinen. Während sich das Christentum und der Islam als globale Religionen verstehen, fokussiert sich das Judentum auf die biologische Abstammungslinie von Abraham. Dieser hatte vor etwa 4.000 Jahren seinen Fuß auf das Gebiet des heutigen Staates Israel gesetzt. In seltenen Fällen konvertieren Nichtjuden zu dieser Religion. Diese werden dann Proselyten genannt.

Zur Unterzeichnung des Militärseelsorge-Staatsvertrages mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland hatte sich das Verteidigungsministerium einen besonderen Anlass ausgesucht: den Gemeindetag 2019. Dieser findet seit gestern in Berlin statt. Der heute ebenfalls anwesende Evangelische Militärbischof, Dr. Sigurd Rink, zeigte sich begeistert darüber, dass dieser Vertrag nach 100 Jahren Pause möglich wurde. Noch im Ersten Weltkrieg waren Millitärrabbiner an der Seite ihrer christlichen Kollegen an der Front aktiv gewesen. Kurz darauf waren sie zum Feindbild erklärt worden. So ist dieser heutige Vertragsschluss eine Geste mit Symbolcharakter.

Die zehn Rabbiner, die für diesen neuen Dienst eingesetzt werden, erfüllen ein organisatorisches Mindestmaß, das zum Betrieb einer Militärseelsorge notwendig ist. Sie werden die 300 jüdischen Gläubigen betreuen und dabei die relevanten Standorte in Deutschland und in den Einsatzgebieten bereisen. Offiziell stehen sie auch Nichtjuden als Ansprechpartner zur Verfügung und sehen sich als Ergänzung der christlichen Militärseelsorger.

Autor: Matthias Baumann

Videos:
Militärseelsorge-Staatsvertrag mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland
Rede #AKK zur Unterzeichnung des Militärseelsorge-Staatsvertrages

Buch zum Thema:
Militärrabbiner in der Bundeswehr: Zwischen Tradition und Herausforderung

Dienstag, 17. Dezember 2019

Bundespräsident Steinmeier besucht die Bahnhofsmission am Hauptbahnhof

Vor dem Hauptbahnhof steht ein Mann und verkauft die Obdachlosenzeitung MOTZ. Überdimensionierte Kränze und Weihnachtsbäume umrahmen das unübersehbare Logo der Deutschen Bahn. Geschäftiges Treiben. Ein neues Glashaus neben dem Bahnhof ist wie eine Pyramide gefaltet. Das Kanzleramt, das Bildungsministerium, der Reichstag und die City Ost spiegeln sich darin. Ein fotogener Sonnenaufgang über Berlin. An der Brücke zum Kanzleramt sitzt ein Obdachloser und bittet um eine Spende.

Bahnhofsmission Hauptbahnhof Bundespräsident Steinmeier INVIA Elke Büdenbender
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Steinmeier und Elke Büdenbender zu Besuch bei der Bahnhofsmission am Hauptbahnhof
Es gehört zur Tradition, dass der Bundespräsident kurz vor Weihnachten zu den Menschen geht, die nicht nur am Rande der Gesellschaft stehen, sondern schon ganz weit draußen - außerhalb dieses Randes - am Boden liegen oder unter der Brücke. Frank-Walter Steinmeier hat keine Berührungsängste. Er kann sich sogar lange mit Obdachlosen unterhalten. Die Themen gehen ihm dabei nicht aus. Immerhin hatte er seine Doktorarbeit zum Thema "Bürger ohne Obdach" geschrieben.

Bahnhofsmission Hauptbahnhof Bundespräsident Steinmeier INVIA
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Steinmeier und Elke Büdenbender zu Besuch bei der Bahnhofsmission am Hauptbahnhof - Sonnenaufgang über Berlin
Die Bahnhofsmission im Berliner Hauptbahnhof ist allerdings nur wenig mit den Missionen am Bahnhof Zoo oder am Ostbahnhof zu vergleichen. Während Obdachlose am Zoo Schlange stehen und neben Essen, Kaffee, Unterwäsche und Wärme auch eine Dusche bekommen, gibt es hier wenige beengte Räume, zwei Tische und ein Ambiente, das auch als Kirchengemeinde durchgehen könnte.

Das liegt daran, dass der Schwerpunkt am Hauptbahnhof ein wenig verschoben ist. Nur etwa 50% der Arbeit konzentriert sich auf Obdachlose. Die anderen 50% betreffen Hilfe für Reisende und sogar Reisebegleitung. Täglich werden die Aufgaben per Fax an die Bahnhofsmission herangetragen: Blinde zum richtigen Zug führen, Rollstuhlfahrern beim Einsteigen helfen, minderjährige Kinder bei Bahnfahrten ohne die Eltern begleiten. Aufgaben, mit denen die Bahn selbst oft überfordert ist.

Bahnhofsmission Hauptbahnhof Bundespräsident Steinmeier INVIA Obdachlose
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Steinmeier zu Besuch bei der Bahnhofsmission am Hauptbahnhof - Gespräch mit Obdachlosen bei Kaffee und Weihnachtsgebäck
Die Bahnhofsmissionen haben zwar alle das gleiche Logo, werden aber von unterschiedlichen Trägern organisiert. Während die evangelische Berliner Stadtmission am Bahnhof Zoo aktiv ist, fallen die Bahnhofsmissionen am Hauptbahnhof und Ostbahnhof in den Zuständigkeitsbereich des katholischen Verbandes IN VIA. Die heute anwesenden Mitarbeiter waren zu 100% ehrenamtlich tätig. Einmal pro Woche helfen Sie in der Bahnhofsmission - entweder unter dem Wohlwollen ihrer Chefs oder weil sie sich als Selbstständige selbst und ständig ihre Zeit einteilen können.

Der Bundespräsident nahm sich bemerkenswert viel Zeit für die Gespräche mit den Mitarbeitern. Noch mehr Zeit widmete er den wenigen Gästen: aktiven und ehemaligen Obdachlosen. Wie üblich teilte sich das Präsidentenpaar an den Tischen auf, so dass auch Elke Büdenbender ihre interessierten Fragen loswerden konnte. Wie üblich überzog Frank-Walter Steinmeier auch die festgesetzte Zeit. Bereits im letzten Jahr hatte er über 20 Minuten länger mit den Obdachlosen in der Wärmestube der Kreuzkirche geredet, während die Hauptstadtpresse die Kälte auf Berlins Straßen nachempfinden konnte.

Bahnhofsmission Hauptbahnhof Bundespräsident Steinmeier INVIA Klaus-Dieter Kottnik
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Steinmeier zu Besuch bei der Bahnhofsmission am Hauptbahnhof - Die Brille macht den Unterschied: links im Vordergrund Steinmeier-Double Klaus-Dieter Kottnik.
Dieser Besuch bekam noch einen ganz besonderen evangelischen Akzent: Steinmeier-Double, Klaus-Dieter Kottnik, war dabei. Klaus-Dieter Kottnik ist freikirchlich ausgebildeter Theologe und war viele Jahre Präsident des Diakonischen Werkes. Seit 2017 ist er Bundesvorsitzender der Bahnhofsmissionen - Titelangabe ohne Gewähr.

Autor: Matthias Baumann

Montag, 16. Dezember 2019

Rein in die Uniform und ab mit der Bahn - Soldaten reisen ab 2020 kostenlos

Beim Lesen der Informationen zum kostenlosen Bahnfahren rattern sofort die Denkprozesse des Kaufmanns: Die "Bahncard 100" für unlimitiertes Reisen in der 2. Klasse kostet 4.395 Euro pro Jahr. Ein Set mit Kampfstiefeln, Feldbluse, Feldhose, Feldjacke und Barett kostet nur einen Bruchteil davon. Man muss sich dann nur noch trauen, damit durch Deutschland zu reisen. Ein zweistündiger Selbsttest im Berufsverkehr von Berlin hat ergeben, dass das schon eine interessante Erfahrung ist. Interessant, aber keineswegs gefährlich. Insbesondere die Kampfstiefel sind sehr praktisch für längere Fahrten in der Tram - im Stehen natürlich.

Stehen muss der Soldat in Uniform auch in der 2. Klasse, wenn er das Angebot des kostenlosen Reisens nutzen möchte. Sitzplatzreservierungen oder ein Upgrade auf die 1. Klasse muss er selbst zahlen. Weil der Bahn vermutlich gleich das preisliche Delta zwischen "Bahncard 100" und Bekleidungskosten aufgefallen war, muss der reisende Soldat auch noch einen Truppenausweis und ein gültiges Null-Euro-Ticket dabei haben. Das Null-Euro-Ticket bekommt der Soldat durch die Einlösung eines eTokens. Das eToken ist eine Art Gutscheincode, mit dem das Ticket um 100% rabattiert wird. Der über den Army-Shop eingekleidete Fake-Soldat scheitert also an Truppenausweis und eToken.

Bahntickets Bundeswehr freie Fahrt Vertrag AKK Scheuer Lutz Deutsche Bahn
Freie Fahrt für Soldaten in Uniform mit der Deutschen Bahn - Unterzeichnung des Eckwertepapiers durch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer #AKK (sitzend 2. von rechts), Verkehrsminister Andreas Scheuer (sitzend 3. von rechts) und Bahnchef Dr. Richard Lutz (rechts).
Die Bundeswehr hat sich die Aktion knapp vier Millionen Euro kosten lassen. Das ist etwa die Hälfte von dem, was die Videoserie DIE REKRUTINNEN gekostet hat - um mal den Vergleich mit einem ähnlich gelagerten Alltagsprojekt herzustellen.

Annegret Kramp-Karrenbauer schlägt hier zwei Fliegen mit einer Klappe. Damit sind nicht etwa Andreas Scheuer und Dr. Richard Lutz gemeint, sondern die Themen "Finanzielle Entlastung von Soldaten" und "Wahrnehmung der Bundeswehr in der Öffentlichkeit". Letzteres ist ihr erklärtes Ziel und wird seit ihrem Amtsantritt konsequent auf verschiedenen Ebenen umgesetzt.

Verkehrsminister Andreas Scheuer und Bahnchef Dr. Richard Lutz unterstützen die mildtätige Werbeaktion voll und ganz. Deshalb unterschrieben sie heute den Vertrag zwischen der Bundeswehr und der Deutschen Bahn AG sowie ein Eckwertepapier mit regionalen Anbietern. Eine Umrechnung der vier Millionen Euro auf die Bahncard 100 zeigt, dass die Bundeswehr hier äußerst clever verhandelt hat. Vier Millionen Euro pro Jahr entsprechen nämlich etwa 910 Bahncards. Selbst bei 400 Millionen wäre nur die Hälfte der Soldaten mit einer vollwertigen Bahncard 100 zu 4.395 Euro abgedeckt. Die Bahn hat diesem Deal wohl deshalb so schnell und freudig zugestimmt, weil nun im Gegenzug die Füllhörner des Verkehrsministeriums über die Bahn ausgegossen werden.

Ab Januar können Soldaten unter den oben genannten Voraussetzungen - Uniform, eToken, Ticket, Truppenausweis - sämtliche "weiße" Züge der Bahn in der 2. Klasse nutzen. Die Nutzer sollen laut Ministerin auch nicht in eine steuerliche Falle tappen - Stichwort "geldwerter Vorteil". Ob das der abwesende Finanzminister auch so sieht?

Eine teure Falle gibt es jedoch. Die Freifahrten gelten nicht für den regionalen Nahverkehr wie beispielsweise die BVG.

Video:
Soldaten in Uniform reisen kostenlos mit der Bahn - Vertragsunterzeichnung und Statements

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 13. Dezember 2019

Disunited Kingdom nach der Wahl - Political Breakfast der British Chamber of Commerce

7:45 Uhr ist schon eine sehr herausfordernde Uhrzeit für den gemeinen Schreibtischtäter. Sogar die Straßen waren um diese Zeit gut passierbar. Auch in der Tiefgarage des Towers von Ernst & Young an der Friedrichstraße war noch reichlich Platz. So langsam kam Berlin in die Gänge. Mit müdem Blick wurde zur Kenntnis genommen, dass Boris Johnson gerade die Wahl in Großbritannien gewonnen hat. Wie jetzt? Boris Johnson? Mit deutlicher Mehrheit?

Disunited Kingdom nach der Wahl - Political Breakfast der BCCG
Disunited Kingdom nach der Wahl - Political Breakfast der BCCG bei Ernst & Young - Berlin erwacht nach dem Wahlsieg von Boris Johnson - Blick aus dem Tagungsbereich der 9. Etage des Ernst & Young Towers an der Friedrichstraße
Einmal mehr befeuern die Briten das "Kinderspiel mit Unterhaltungswert" - Zitat David Marsh beim ersten Austrittstermin Ende März 2019. Nachdem nun auch der Oktobertermin verstrichen ist, steht nun eine Verschiebung des Termins Ende Januar 2020 zur Debatte. Bei so wichtigen Themen können die sonst so trägen Mühlen der EU oder des britischen Parlaments auch mal innerhalb weniger Minuten vor dem Brexit flexibel reagieren und kreative Entscheidungen treffen.

Darüber waren sich die Panelisten des heutigen Political Breakfast der BCCG einig. Hoch über den Dächern Berlins - in der 9. Etage bei Ernst & Young - diskutierten Juristen, Politikwissenschaftler und Manager über die Folgen der vergangenen Nacht. Die kompetente Runde wurde durch einen Vortrag von Alexander Graf Lambsdorff MdB gewürzt. Der FDP-Politiker ist Kenner der Materie und eröffnete den Blick auf die Facetten innereuropäischer Pokerspiele und die verschiedenen Player im "Disunited Kingdom".

Disunited Kingdom nach der Wahl - Political Breakfast der BCCG Alexander Graf Lambsdorff FDP
Disunited Kingdom nach der Wahl - Political Breakfast der BCCG bei Ernst & Young - Alexander Graf Lambsdorff MdB
Besonders hart trifft der Brexit die britische Diplomatie. So richtig wollte UK - pardon das DK - nie so richtig Teil der EU werden, fürchtete aber den Verlust des Einflusses auf den Kontinent. Um britische Akzente setzen zu können, musste Großbritannien also zwangsläufig Mitglied werden. Wann immer es etwas Wichtiges zu entscheiden gab, traten die Briten als Bremse auf. Andererseits stellten sie bei allzu sozialistischen Forderungen der Franzosen einen nützlichen Unterstützer für Deutschland dar. Mit dem drohenden Brexit musste auch die EU ihre Karten neu mischen. So wird es als cleverer Schachzug gewertet, dass Ursula von der Leyen auf den Präsidentenposten verschoben wurde. Das war jedoch teuer erkauft mit der Besetzung des Wirtschaftsressorts durch einen Franzosen. Die Zukunft wird zeigen, wer die Oberhand behält.

Die Bevölkerung Großbritanniens hat sich bei aller in den letzten Monaten gezeigten Europaliebe letztlich doch für ihre Liebe zur Demokratie entschieden. Eine Demokratie, die autonom zu handeln in der Lage ist und sich zu demokratischen Entscheidungen wie dem Brexit stellt. Hinzu kam das in seiner Dynamik nicht zu unterschätzende Gefühl von Demütigung: Boris Johnson war von den Regierungschefs kleiner Staaten wie Luxembourg oder gar Irland öffentlich heruntergeputzt worden. Das trifft das nationale Gefühl. Boris Johnson war plötzlich zum stellvertretenden Prügelknaben des British Empires geworden.

 "Get Brexit Done" sollte nun endlich möglich sein. Nach dem Wahlsieg stiegen sofort die Aktienkurse. Nicht etwa wegen eines sofortigen  Aufschwungs in Großbritannien, sondern wegen der lange ersehnten Klarheit, ob der Brexit nun kommt. Ja, der Brexit wird kommen! Die Frage nach den Empfehlungen für Unternehmen wurde mit einem allgemeinen Achselzucken beantwortet. Dann Stille und ratloses Umherschweifen der Blicke. Nachdem sich die Starre im Panel gelöst hatte, wurde empfohlen, die eigenen Zuständigkeitsbereiche auf Brexit-Relevanz zu prüfen und vorbereitende Maßnahmen zu ergreifen. Besonders intensiv werden wohl Logistikunternehmen, der Handel und die Mitarbeiter internationaler Unternehmen betroffen sein. Für alle anderen gelte der Spruch "Keep calm and wait" - "Entspann' dich und warte ab".

Autor: Matthias Baumann

Dienstag, 10. Dezember 2019

Präsidentin von Singapur, Halimah Yacob, erscheint zusammen mit ihrem Mann zum Staatsbesuch in Berlin

Wer sich kaufmännisch fit machen möchte, sollte eine gewisse Zeit im Einzelhandel arbeiten. Ist dann noch der Zugriff auf ein Warenwirtschaftssystem gewährt, steht dem Lernerfolg nichts mehr im Wege: Preisoptik, Renner-Penner-Auswertungen, Preiskalkulation und die Ermittlung der Rendite. Die Rendite ist der Betrag zwischen Einkaufspreis und Verkaufspreis, also das, was am Ende übrig bleibt - der Gewinn. Je größer die Fläche des Ladens, umso mehr muss angeboten und verkauft werden, damit der Gewinn je Quadratmeter gut aussieht. Das nennt man dann Flächenproduktivität. Deutschlandweit liegt die Flächenprioduktivität bei 3.500 Euro pro Quadratmeter und in Norwegen bei 6.430 Euro. In Berlin zählen die Tankstellen zu den Handelsunternehmen mit der höchsten Flächenproduktivität.

Präsidentin Singapur Halimah Yacob Schloss Bellevue Bundespräsident Steinmeier Berlin
Staatsbesuch der Präsidentin von Singapur, Halimah Yacob, in Deutschland - Empfang am Portal des Schlosses Bellevue durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (rechts) und dessen Gattin Elke Büdenbender (links). Links neben Frau Halimah Yacob steht ihr Ehemann Mohamed Abdullah Alhabshee. Die wichtigen Gruppenfotos am Portal wurden durch einen nicht enden wollenden Kampf - etwa 30 Sekunden - mit den Knöpfen am Mantel der Präsidentin überschattet.
Berlin wird nachgesagt, es sei "arm aber sexy". Berlin hat eine Fläche von knapp 900 Quadratkilometern. Singapur hat eine Fläche von 721 Quadratkilometern und kann sich wegen seiner geografischen Lage kaum vergrößern. Singapur hat aber einen entscheidenden Trumpf: Es liegt als Insel an der Durchfahrt vom Südchinesischen Meer zum Indischen Ozean. Wer also von China nach Indien reisen möchte, kommt unweigerlich an Singapur vorbei. Das hatten auch schon die Briten Anfang des 19. Jahrhunderts entdeckt und die Insel mal eben als ihren Handelsplatz deklariert - mit allen daraus folgenden Konsequenzen. Erst 1965 wurde Singapur unabhängig, gehört jetzt aber zum Commonwealth.

Ein so wichtiger Handelsplatz bringt es mit sich, dass eine erhebliche ethnische und religiöse Durchmischung entstanden ist. Hier tummeln sich Buddhisten, Christen, Moslems, Daoisten und Hinduisten mit beachtlichen Bevölkerungsanteilen. Gelegentlich gibt es Auseinandersetzungen. Extrem hohe Geldstrafen für alltägliche Kleinstvergehen wie unerlaubtes Rauchen für 1.000 Dollar oder unerlaubtes Essen für 500 Euro sorgen für ein allgemeines Klima der Übervorsicht  und eben für Ruhe. Singapur hat vier Amtssprachen: Englisch, Chinesisch, Malaiisch und Tamil. Singapur erzeugt auf der kleinen Fläche ein Bruttoinlandsprodukt von 347 Milliarden USD. Dieser Wert liegt etwas unter dem von Österreich und wird von knapp 6 Millionen Einwohnern produziert.

Präsidentin Singapur Halimah Yacob Schloss Bellevue Bundespräsident Steinmeier Berlin
Staatsbesuch der Präsidentin von Singapur, Halimah Yacob, in Deutschland - Flagge Singapurs in der Innenstadt von Berlin
Die Flagge von Singapur ist zwar stark an die Flagge des südwestlichen Nachbarn Indonesien angelehnt, trägt aber im oberen Bereich noch einen Halbmond und 5 Sterne. Der Halbmond soll wohl nicht für den Islam stehen und die fünf Sterne auch nicht für die fünf Säulen desselben, sondern für die Grundwerte: Demokratie, Gleichheit, Gerechtigkeit, Fortschritt und Frieden. Oben Rot lässt sich gut merken, weil im Norden das rote China sitzt und unten Weiß, weil im Süden das weiße Australien liegt.

Die Präsidentin von Singapur, Halimah binti Yacob, absolviert seit heute einen Staatsbesuch in Deutschland. Bei Staatsbesuchen ist es üblich, den Ehepartner mitzubringen. In diesem Falle ihren Gatten, Mohamed Abdullah Alhabshee. Wie der Name Halimah binti Yacob verrät, hieß ihr Vater Yacob. Das dazwischen gesetzte "binti" bedeutet "Tochter von" und wird oftmals einfach weggelassen. Yakob war Inder und die Mutter der Präsidentin stammte aus Malaysia. Ihre Kindheit war nicht einfach und sie musste sich schon früh um das Überleben der Familie kümmern. Dennoch konnte sie Jura studieren und bekam auf diesem Gebiet sogar einen Ehrendoktortitel.

Auch heute noch lebt sie bescheiden in einer 5-Zimmer-Sozialwohnung. Das ist zwar volksnah, entspricht aber nicht den Sicherheitsanforderungen für den Inhaber eines prominenten Amtes. Halimah binti Yacob selbst gehört dem Islam an. Ihr Mann ist auch Moslem und genießt bereits sein Rentendasein. Halimah Yacob wirkt mit ihren 65 Jahren recht agil. Präsidentin von Singapur ist sie seit 2017. Der Wahlkampf war von einer Schlammschlacht in den sozialen Medien begleitet, bei der auch der Hashtag #NotMyPresident zur höchsten Blüte reifen konnte.

Videos:
Militärische Ehren anlässlich des Staatsbesuches der Präsidentin von Singapur, Halimah Yacob
Kranzniederlegung an der Neuen Wache
Fackelspalier und Eintreffen der Gäste zum Staatsbankett im Schloss Bellevue
Defilee zum Staatsbankett im Schloss Bellevue

Autor: Matthias Baumann

Donnerstag, 5. Dezember 2019

Kasachstans Präsident Kassim-Schomart Tokajew zum Antrittsbesuch in Berlin empfangen

Kassim-Schomart Tokajew ist 67 Jahre alt und seit März 2019 Präsident von Kasachstan. Er ist Doktor der Geschichte und hat seine umfangreiche Ausbildung in Moskau und Peking genossen. Da seine Geburtsstadt Alma-Ata in der damaligen Sowjetunion lag, machte er dort seine diplomatische Karriere. Dabei vertrat er die Sowjetunion in Singapur und China.

Mit der Abspaltung Kasachstans 1991 stieg er in die dortige Politik ein und wurde 1994 bereits Außenminister. 1999 wurde er Premierminister Kasachstans. Rücktritte scheinen in Kasachstan zum guten Ton zu gehören. Dadurch gab es mehrere Wechsel in der Biografie von Kassim-Schomart Tokajew. Irgendwann arbeitete er wieder als Außenminister, ging nach Genf zur UNO-Abrüstungskommission und wurde Anfang des Jahres zum Präsidenten ernannt.

Kasachstans Präsident Kassim-Schomart Tokajew Antrittsbesuch Berlin Angela Merkel
Kasachstans Präsident Kassim-Schomart Tokajew zum Antrittsbesuch in Berlin durch Angela Merkel empfangen
Dass er nach acht Monaten schon einen Termin in Berlin bekommt, kann als Ehre betrachtet werden. Andere Präsidenten besuchen Angela Merkel erst kurz vor dem Ende ihrer Amtsperiode. Im August war der neue Botschafter Kasachstans akkreditiert worden. Dieser stand heute auch in der Delegation und schüttelte der Kanzlerin die Hand. Im Kanzleramt gab es ein Mittagessen und Gespräche. Ein Schwerpunkt dabei waren die wirtschaftlichen Beziehungen, aber auch die Aktivitäten Chinas beim Ausbau ihrer neuen Seidenstraße. Deutschland bezieht aus Kasachstan hauptsächlich Rohstoffe. Im Umkehrschluss wünscht sich das Land mehr deutsche Investitionen und schafft dazu gerade die entsprechenden Voraussetzungen. Anschließend fuhr Kassim-Schomart Tokajew weiter zu Gesprächen beim Bundespräsidenten.

Die militärischen Ehren hatte Kassim-Schomart Tokajew jedoch bei Angela Merkel bekommen. Seit dem Besuch des ukrainischen Präsidenten im Juni 2019 sitzt Angela Merkel während der Nationalhymnen. In den sozialen Medien wird ihr das regelmäßig als Despektierlichkeit gegenüber Deutschland und der eigenen Hymne ausgelegt. Wilde Verschwörungstheorien werden um dieses Sitzen entfaltet. Umso pikanter, dass der kasachische Präsident heute zu seiner Hymne aufstand und die Hand aufs Herz legte, während die Kanzlerin konsequent sitzen blieb.

Kasachstans Präsident Kassim-Schomart Tokajew Antrittsbesuch Berlin Angela Merkel
Kasachstans Präsident Kassim-Schomart Tokajew zum Antrittsbesuch in Berlin durch Angela Merkel empfangen - Nationalhymne Kasachstans
Die Flagge Kasachstans ist hellblau und ähnelt der Flagge der Uiguren. Die muslimischen Uiguren leben in einem heißen Konflikt mit China. Kasachstan ist da etwas angepasster. Besonders gut sind die Beziehungen zu Russland, speziell im Bereich der Landesverteidigung. So betreibt Russland eine wichtige Radarstation in Kasachstan und hat S-300PS-Raketensysteme dort installiert. Kasachstan konzentriert sich derzeit auf den Ausbau der Cyber-Abwehr, des Grenzschutzes und der Terror-Bekämpfung. Die Militärausgaben liegen weit unter einem Prozent des BIP. Das Land mit seinen 18 Millionen Einwohnern verfügt über 300 Kampfpanzer aus russischer Produktion. Das sind mehr, als die Bundeswehr betreibt.

Kasachstan grenzt im Westen an das Kaspische Meer. Umso erstaunlicher ist es, dass Menschen aus Ländern dieser Region oft nicht schwimmen können und sich auch nachhaltig gegen ein Erlernen dieser Fähigkeit wehren. Für Russland ist das Land eine interessante geostrategische Pufferzone. Die gesamte Nordgrenze zieht sich an Russland entlang. Im Süden liegen die muslimisch geprägten Staaten Turkmenistan, Usbekistan und Kirgisistan. Der ethnische und religiöse Frieden ist in der Region recht fragil. Von daher ist Russland froh, wenn es sich auf den Mann an der Spitze Kasachstans verlassen kann.

Video:
Militärische Ehren für den Präsidenten Kasachstans, Kassim-Schomart Tokajew

Autor: Matthias Baumann

Freitag, 29. November 2019

Black Friday: Kinder aus der Bürgermeister-Herz-Grundschule schalten das Weihnachtsbaumlicht am Schloss Bellevue ein

Achtung! Dieser Artikel enthält Ironie.

Es gehört wohl zur Tradition, dass der Weihnachtsbaum vor dem Schloss Bellevue immer am Black Friday eingeschaltet wird. Der Black Friday ist eine amerikanische Erfindung und nicht zu verwechseln mit dem Black Thursday - dem Tag des legendären Börsenzusammenbruchs im Oktober 1929.

In Ergänzung zu Endlos-Baustellen, unvorhersehbaren Ausfällen im öffentlichen Nahverkehr und der neuerlich eingeführten Mobilitätsverhinderung durch Tempo-10-Zonen waren für den heutigen Black Friday wieder Straßensperren in der Innenstadt Berlins avisiert: Fridays For Future. Bei Fridays For Future geht es um die ökologische Zukunft. Die ökonomische Gegenwart hingegen wurde heute in den Kaufhäusern entschieden. Selbst in den Banken war es heute so voll, als würde es morgen kein Bargeld mehr geben. Der Black Friday gilt in den USA als der umsatzstärkste Tag des Jahres, weil er einen Brückentag zwischen Thanksgiving (vierter Donnerstag im November) und dem Wochenende bildet. Clever, dass sich die Schüler von Fridays For Future auch so einen Brückentag geschaffen haben - allerdings ganzjährig.

Kinder aus der Bürgermeister-Herz-Grundschule schalten das Weihnachtsbaumlicht am Schloss Bellevue ein
Kinder aus der Bürgermeister-Herz-Grundschule schalten zusammen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und dessen Gattin Elke Büdenbender das Licht am Weihnachtsbaum vor dem Schloss Bellevue ein.
Während also Heerscharen von Schülern ihren Brückentag für einen Besuch in der City nutzten, mussten die Kinder der Bürgermeister-Herz-Grundschule den Vormittag mit ihren Lehrern verbringen und unter deren Aufsicht eine äußerst umweltfeindliche Tat vollbringen. Sie sollten den Strom für die Beleuchtung des Weihnachtsbaumes vor Schloss Bellevue einschalten - mit einem Button in Schwarz-Rot-Gold, den Farben des Establishments. Hinzu kam noch: Der Bundespräsident und seine Gattin begrüßten sowohl die Schüler als auch das Einschalten des Lichtes am Weihnachtsbaum. Ein klarer Akt gescheiterter Energiepolitik der Bundesregierung, der in dieser eklatanten Form nur noch an den Weihnachtsbäumen im Kanzleramt und dem Finanzministerium seine Nachahmung findet.

Über einen Monat lang wird auf Kosten des Steuerzahlers die Lichterkette eingeschaltet bleiben, nur damit sich Touristen, Schlossmitarbeiter, das Präsidentenpaar, Staatsgäste oder gar Kinder daran erfreuen können. Unfassbar! Nur gut, dass Greta Thunberg nicht dabei war. Vermutlich hätte sie beim Anblick der 12 Meter hohen Nordmanntanne aus dem brandenburgischen Ferch ein neues Produkt für das aus ihrer Heimat stammende Möbelhaus kreiert. Letzteres hat aus dem Black Friday die Black Freudays gemacht und bietet im Januar sogar die Möglichkeit, seinen Weihnachtsbaum dort abzugeben.

Weihnachtsbaum Schloss Bellevue
Weihnachtsbaum vor dem Schloss Bellevue
Jetzt mal im Ernst: Das Einschalten des Lichtes am Weihnachtsbaum vor dem Schloss Bellevue hat Tradition. Grundschulklassen aus ganz Deutschland durften bereits den großen Button betätigen. Für das Präsidentenpaar und die Kinder ist das immer eine große Freude. Anschließend bekommen die lieben Kleinen immer noch Kakao und Weihnachtstüten. Wer diese Aktion über mehrere Jahre begleitet hat, wird vermutlich zustimmen, dass die Grundschüler aus Berlin-Kreuzberg eine hervorragende Performance abgeliefert haben.

Video:
Die Klasse 4a aus der Bürgermeister-Herz-Grundschule aus Berlin-Kreuzberg schaltet das Licht am Weihnachtsbaum vor dem Schloss Bellevue ein.

Autor: Matthias Baumann